Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 16.04.1991; Aktenzeichen L 7 Ar 445/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. April 1991 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die 1968 geborene Klägerin wurde vom 1. März bis 30. November 1989 in der überbetrieblichen Einrichtung der Rundfunkanstalten, der SRT in Nürnberg, zur Tontechnikerin ausgebildet. Die Ausbildungsvergütung betrug monatlich 700,– DM. Ihr Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) wurde abgelehnt, weil es sich nicht um einen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) anerkannten Beruf handele. Diese Auffassung wurde im klageabweisenden Urteil des Sozialgerichts (≪SG≫ Urteil vom 27. September 1990) und in dem die Berufung zurückweisenden Urteil des Landessozialgerichts (≪LSG≫ vom 16. April 1991) geteilt.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Einschränkung des Förderungsanspruchs durch die Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (A Ausbildung) überschreite den gesetzlichen Ermächtigungsrahmen der §§ 39, 40 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) insofern, als auch für auszubildende Erwachsene allein die Berufe nach dem BBiG für maßgeblich erachtet würden. Jegliche Einschränkung der beruflichen Förderung sei an Art 12 Grundgesetz (GG) und daran zu messen, daß die Beklagte den Beruf der Tontechnikerin selbst in ihren Blättern zur Berufskunde beschreibe und empfehle. Die Klägerin habe den Beruf nur auf Anraten des Arbeitsamtes gewählt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 27. September 1990 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. April 1991 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. März 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1989 zu verurteilen, ihr Berufsausbildungsbeihilfe in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. März bis 30. November 1989 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Revision für unzulässig, weil materiell-rechtliche Fehler nicht ausreichend dargelegt seien, denn die Revisionsbegründung gehe nicht hinlänglich auf das angefochtene Urteil ein. Das angefochtene Urteil sei zutreffend. Es sei sinnvoll, die Förderung auf Berufe im Sinne des BBiG und der Handwerksordnung zu beschränken, weil damit ein objektiver Maßstab für die Ausbildungsqualität verbunden sei. Insoweit könne zwischen Jugendlichen und Erwachsenen nicht unterschieden werden. Eine Ausweitung der Förderung auf nichtanerkannte Berufe würde zu großen Zufälligkeiten führen, da es an objektiven Eignungskriterien mangele.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie hat hinlänglich dargelegt, daß sie unter Berücksichtigung der von der Verfassung getroffenen objektiven Wertentscheidungen des Art 12 GG iVm Art 3, 20 Grundgesetz (GG) die Beschränkung der A Ausbildung auf die anerkannten Berufe des BBiG für nicht ermächtigungskonform hält, weil das Anordnungsrecht damit seinen Zweck, der Verwirklichung grundrechtlicher Verbürgungen zu dienen, verfehle. Auf das angefochtene Urteil mußte die Revision schon deshalb nicht näher eingehen, weil sich das Urteil nicht mit der Problematik der untergesetzlichen Normen in einem Bereich, der die Berufsfreiheit berührt, befaßt und daher Ausführungen dazu vermissen läßt, ob nicht der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen, soweit sie gesetzlicher Regelungen zugänglich sind, selbst zu treffen hat (vgl BVerfGE 73, 280, 295; 80, 1, 20; 82, 209, 224; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 40 Nr 5).

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Förderung nicht entgegen, daß die Klägerin zur Tontechnikerin ausgebildet worden ist und es sich insoweit weder um einen Beruf im Sinne des BBiG noch um einen solchen im Sinne der Handwerksordnung handelt. Die vom LSG bisher getroffenen Feststellungen lassen jedoch eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits noch nicht zu.

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch nach § 40 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung des 8. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 14. Dezember 1987 ≪BGBl I 2602≫) zu, ohne daß ihr gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a A Ausbildung (vom 31. Oktober 1969 ≪ANBA 1970 S 213≫, in der Fassung der 28. Änderungsanordnung vom 28. Februar 1989 ≪ANBA S 909≫) entgegengehalten werden kann, daß ihre Ausbildung sie nicht für einen Beruf befähigt, der nach § 25 Abs 1 BBiG als Ausbildungsberuf staatlich anerkannt oder nach § 108 Abs 1 BBiG als Ausbildungsberuf im Sinne des § 25 Abs 1 BBiG gilt.

Die Einschränkung des förderungsfähigen Personenkreises in § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a A Ausbildung entspricht weder dem Wortlaut des § 40 AFG noch Sinn und Zweck der BAB. Die Einschränkung ist auch nicht aus den gesetzgeberischen Vorstellungen zu entnehmen, die für den Erlaß des BBiG maßgeblich waren.

BAB ist – je nach Bedarf – sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen für eine geeignete berufliche Ausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Einrichtungen zu gewähren. In § 40 AFG in der ursprünglichen Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) wurden neben den Jugendlichen noch die Erwachsenen ausdrücklich erwähnt (vgl auch die damalige Übergangsvorschrift des § 242 Abs 12 AFG – hierzu BSG SozR 4100 § 40 Nr 3). Seit dem 5. Gesetz zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 – BGBl I 1189) spricht das Gesetz nicht mehr von Erwachsenen und Jugendlichen, sondern einheitlich von Auszubildenden, die ihre Ausbildung in Betrieben und überbetrieblichen Ausbildungsstätten oder an nicht den Schulgesetzen der Länder unterliegenden Schulen erhalten. Die Auszubildenden können noch Jugendliche oder schon Erwachsene sein. Dem trägt die A Ausbildung mit erhöhten Fördersätzen nach Volljährigkeit Rechnung (§§ 11, 12 A Ausbildung).

Anders als das Gesetz hat die A Ausbildung jedoch von Anfang an die Förderung auf diejenigen Auszubildenden beschränkt, die sich in einer betrieblichen oder überbetrieblichen Ausbildung zu den Berufen nach § 25 BBiG oder zu denjenigen Berufen befinden, die über § 108 BBiG oder § 28 Abs 3 BBiG als solche gelten. Diese Einschränkung ist nur teilweise durch das BBiG (vom 14. August 1969 – BGBl I 1112 – hier maßgeblich in der Fassung vom 23. Dezember 1981 – BGBl I 1692) gerechtfertigt.

Da nach § 28 Abs 2 BBiG Jugendliche unter 18 Jahren nicht in anderen als anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden dürfen, umschreibt das BBiG die möglichen betrieblichen Ausbildungsgänge für Jugendliche abschließend. Schließen Jugendliche Ausbildungsverträge, die gegen § 28 Abs 2 BBiG verstoßen, sind sie gemäß § 139 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig und können nicht zur Grundlage einer beruflichen Förderung gemacht werden. Für Jugendliche hat daher die im Anordnungsrecht erwähnte Beschränkung der BAB auf die nach § 25 Abs 1 BBiG anerkannten Berufe keinen eigenständigen Regelungswert. Die Vorschrift verdeutlicht nur, was ohnehin nach § 40 AFG iVm § 28 BBiG gesetzlich gilt.

Die Beschränkung auf anerkannte Ausbildungsberufe in § 2 Abs 1 Nr 1a A Ausbildung hat daher lediglich für Erwachsene in nicht anerkannten Ausbildungsberufen Bedeutung. Insoweit ermangelt die Vorschrift einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage.

Das Anordnungsrecht der BA bedarf als autonomes Satzungsrecht (st Rspr BSGE 35, 164, 166; 35, 262, 264) zwar nicht einer Ermächtigungsgrundlage, die den für Verordnungen geltenden Anforderungen des Art 80 Abs 1 GG genügt. Da das Anordnungsrecht jedoch nach der maßgeblichen Legitimationsgrundlage gleichsam unter dem Vorbehalt des Verordnungsrechts steht (§ 191 Abs 5 AFG), weil neben dem Verwaltungsrat zugleich der BMA zu entsprechender Rechtsverordnung ermächtigt wird, muß sich beim Anordnungsrecht der BA die Prüfung der Ermächtigungsgrundlage an diejenige beim Verordnungsrecht anlehnen (vgl hierzu Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, Bd III, § 62 RdNr 41 ff; § 66 RdNr 26 ff). Das beruht nicht zuletzt auch darauf, daß das Anordnungsrecht inhaltlich weniger durch die korporative Basis der Selbstverwaltungsautonomie als vielmehr durch die bundeseinheitliche Konkretisierung von Bundesrecht gekennzeichnet ist.

§ 40 AFG kennt ersichtlich keine irgendwie geartete Einschränkung nach der Art der gewählten Ausbildung. Ebenso wie die Leistungen nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz ≪BAföG≫ in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 ≪BGBl I S 645 berichtigt S 1680≫) dient die BAB nach § 40 AFG dem Abbau der ungleichen Chancen im Bildungs- und Ausbildungswesen. Den Lernenden soll die Möglichkeit gegeben werden, unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation bzw derjenigen ihrer Eltern oder der Ehegatten eine ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechende berufsqualifizierende Ausbildung zu absolvieren. Dabei kommen Leistungen nach dem BaföG für den Besuch von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen, Berufsfachschulen, Fach- und Fachoberschulen, Abend- und Berufsaufbauschulen, Höheren Fachschulen und Akademien sowie Hochschulen in Betracht (§ 2 BAföG). Demgegenüber wird BAB für die berufliche Ausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Ausbildungsstätten geleistet und für nicht den Schulgesetzen der Länder unterliegende berufsvorbereitende Maßnahmen. Die beiden Leistungsgesetze schließen aneinander an (vgl BSG SozR 4100 § 40 Nr 13). Damit sollen alle Bürger in Ausbildung grundsätzlich gefördert werden, damit ihnen entsprechend ihrer Eignung und Neigung der Einstieg in einen qualifizierten Beruf ermöglicht wird. Die Anspruchsberechtigung in § 40 AFG hängt nicht davon ab, ob ein anerkannter Ausbildungsberuf ergriffen wird; die Begünstigung gilt für alle Ausbildungen bzw berufsvorbereitenden Maßnahmen. Die Ermächtigung zur Festlegung näherer Einzelheiten in § 39 AFG betrifft in erster Linie Art und Umfang der Förderung sowie die Festlegung des Bedarfs. Dieser soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers weitgehend demjenigen im BAföG angeglichen sein (BT-Drucks 9/846 zu Art 1 § 1 Nr 7 S 36; vgl BSG SozR 3 – 4100 § 40 Nr 5).

Angesichts der gesetzlichen Abstimmung zwischen den beiden Gesetzen zur Förderung der Ausbildung ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den zu fördernden Personenkreis selbst festgelegt und nicht über § 39 AFG den Anordnungsgeber zu eigenständiger Regelung ermächtigt hat.

Entsprechend den §§ 2 und 3 SGB I konkretisiert § 40 AFG das Recht auf individuelle Förderung der Ausbildung, wenn Auszubildenden die hierfür erforderlichen Mittel nicht anderweit zur Verfügung stehen. Zwar können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des SGB bestimmt sind (§ 2 Abs 1 Satz 2 SGB 1). Einschränkungen der grundsätzlich gleichmäßigen Gewährleistung müssen jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten werden. Insoweit ermächtigt § 39 AFG nicht zu einer Einschränkung. Zwar sollen bei der individuellen Förderung der Ausbildung ihr Zweck, die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berücksichtigt werden (§ 39 Nr 1 AFG). Hieraus ergibt sich jedoch nicht, daß die betriebliche oder überbetriebliche Berufsausbildung von Erwachsenen grundsätzlich derselben Einschränkung unterläge, die das BBiG in § 28 Abs 2 auf Jugendliche beschränkt. Erwachsenen stehen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers des BBiG eindeutig auch andere Ausbildungswege offen. § 40 AFG erfaßt das gesamte Spektrum beruflicher Ausbildung.

Auch dem gesetzgeberischen Anliegen einer Verknüpfung von Berufsausbildungs- und Arbeitsförderungsrecht (vgl BT-Drucks V/4260 S 2 zu 2.) können gesetzliche Vorgaben für eine Beschränkung der Berufsausbildungsbeihilfe bei Erwachsenen durch den Anordnungsgeber nicht entnommen werden, denn die Ausschlußklausel des § 28 Abs 2 BBiG betrifft Erwachsene nicht.

Bei Jugendlichen soll sichergestellt werden, daß die Berufsausbildung auf eine breit angelegte berufliche Grundbildung zielt und die zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt werden. Wegen der besonderen Bedeutung dieses Zieles für die Jugendlichen hat der Senat in anderem Zusammenhang bereits die Ausbildungsförderung bei staatlichen Sonderprogammen abgelehnt (BSG SozR 3-4100 § 40 Nr 2). Die Berufswahlbeschränkung, die in § 28 Abs 2 BBiG zu sehen ist, war dem Gesetzgeber durchaus bewußt (BT-Drucks V/4260 S 15 zu § 28). Sie muß sich selbst an den Vorgaben des Art 12 GG messen lassen (vgl hierzu Hege, Das Grundrecht der Berufsfreiheit im Sozialstaat, 1977, S 76 f, 111 ff, insbesondere 147 ff). Eine berufslenkende Erstreckung auf den Kreis der Erwachsenen durch Versagung von Fördermitteln (vgl zu diesem „Vorfeld des Eingriffs” – Grimm in VVDStRL 43 ≪1985≫ S 81 f) könnte nur hingenommen werden, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls ein solches Vorgehen rechtfertigten. Zwar hat der Gesetzgeber die Kompetenz, materielle Ansprüche auf Leistungen und ihre Finanzierung zu regeln. Hat der Gesetzgeber jedoch von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, sind bestehende Normen unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips, des Gleichheitsgebotes und des Grundrechtes der Berufsfreiheit (Art 20, 3 Abs 1, 12 GG), als Elementen objektiver Ordnung, auszulegen. Die umfassende staatliche Bildungs- und Ausbildungsförderung konkretisiert auf dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Berufsfreiheit das Sozialstaatsprinzip im Sinne eines sog. derivativen Teilhaberechts, bei dem der Ausschluß einzelner Personengruppen nicht nur am Willkürverbot zu prüfen ist, sondern vom Gesetzgeber die Realisierung der Gleichheit im Rahmen des Möglichen gefordert wird (vgl Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 17. Aufl, RdNr 289; Häberle in VVDStRL 30 ≪1972≫ S 43, 110 ff mwN und Martens daselbst, S 7, 23; Ruhland, in: Gedächtnisschrift für W. Martens, S 679 ff, 689; Schulin, SGb 1989 S 94, 96 unter II 5.).

An rechtfertigenden Gründen für den prinzipiellen Ausschluß Erwachsener von der Berufsförderung durch BAB für solche betriebliche Ausbildungsverhältnisse, die gerade Erwachsenen vorbehalten sind, fehlt es. Mag man im Sinne eines vorrangigen Jugendschutzes die berufliche Ausbildungswahl Jugendlicher auf die anerkannten Ausbildungsberufe beschränken, so greifen solche Gründe für Erwachsene jedoch nicht. Es ist dem Berufsbildungsgesetz insbesondere nicht zu entnehmen, daß andere Ausbildungsgänge abstrakt inhaltlich abzuqualifizieren sind. Das folgt schon daraus, daß neuartige Berufszweige Erprobungs- und Entwicklungsphasen durchlaufen, die erst nach einem gewissen Maß an Erfahrung zur formalen Zulassung in die Erprobung gemäß § 28 Abs 3 BBiG eintreten und durch eine Rechtsverordnung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft in das BBiG einbezogen werden. Das gilt in gleicher Weise für typische Erwachsenenberufe, die nach Erlangen der Hochschulreife durch praktische Ausbildung und nicht durch die nach BAföG geförderten Studiengänge vermittelt werden. Das ergibt sich sowohl daraus, daß der Begriff des Berufs nach Art 12 GG weit zu fassen ist (vgl BVerfGE 7, 377; 73, 301, 315 mwN), als auch daraus, daß dieser Berufsbegriff ebenfalls dem AFG zugrunde liegt. So beschränkt auch der dritte Unterabschnitt des Gesetzes (Berufsberatung), die Beratung nicht etwa auf einzelne anerkannte Berufe, insbesondere anerkannte Ausbildungsberufe nach dem BBiG. Die Berufsberatung als der individuelle Akt der Beratung einzelner (§ 26 AFG), ebenso wie die Berufsaufklärung durch abstrakte Hinweise (§ 31 AFG), etwa in den Blättern zur Berufskunde (vgl hierzu Richter, in: Gagel, Komm zum AFG, Stand: 1976, § 31 RdNr 3) und auch die Ausbildungsstellenvermittlung nach § 29 AFG kennt keine Beschränkung dessen, was als Beruf anzusehen ist (allgemeine Meinung vgl Hennig, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand: 1988, § 28 RdNr 8 und § 29 RdNrn 7 f; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl; § 29 Anm 3). Wenn also § 40 von Ausbildung spricht, so ist damit auch bei der betrieblichen Ausbildung nicht nur diejenige nach dem BBiG gemeint (ebenso Gagel, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 40 Anm 2; zustimmend Schrader, in: Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand: 1983, § 40 RdNr 50; aA Hennig, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aa0, § 40 Anm 41 ff, insbesondere RdNr 45; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aa0, § 40 Anm 10). Es entspricht den Zielen des § 2 AFG in besonderem Maße, wenn die Bundesanstalt auch Ausbildungen in Berufen fördert, die in der Entwicklung begriffen sind und sich neu herausbilden, sofern nach ihnen eine Nachfrage besteht und auf diese Weise einem sich dort abzeichnenden Mangel an Arbeitskräften abgeholfen wird, der sich aus der technischen Entwicklung oder dem wirtschaftlichen Strukturwandel ergibt. Diese gesetzlichen Vorgaben hat der Anordnungsgeber über §§ 36, 39 AFG zu beachten, nicht nur bei der Berufsberatung, sondern auch bei der Gewährung der Berufsausbildungsbeihilfe.

Daß es sich vorliegend um einen derartigen Beruf handelt, ergibt sich ua aus den der Verwaltungsakte beigefügten Blättern zur Berufskunde (2-I U 22 über den Tontechniker, Stand: 1988). Dieser Beruf wird entweder als Fortbildungsberuf nach einer einschlägigen handwerklichen Ausbildung erlernt oder auf der Grundlage der Hochschul- bzw Fachhochschulreife und setzt die Vollendung des 18. Lebensjahres voraus. Dem Beruf werden ausgesprochen gute Berufsaussichten bescheinigt und den Ausbildungsverträgen der SRT die Übereinstimmung mit den Anforderungen des BBiG. Da ein solcher Ausbildungsvertrag abgeschlossen wird und die Schule nicht den Schulgesetzen der Länder unterliegt, entspricht das Ausbildungsverhältnis dem § 40 AFG (vgl BSG Urteil vom 21. Juni 1977 – 7/12/7 RAr 72/75, AuB 1978, 27).

Allerdings setzt die Förderung einer derartigen Ausbildung eine zusätzliche Prüfung durch die Beklagte voraus, der sie durch die gesetzlichen Bestimmungen des BBiG im Rahmen der dort anerkannten Ausbildungsberufe enthoben ist. Dort ist sowohl der Qualifikationsstand gesichert als auch in aller Regel die zu erwartende berufliche Beweglichkeit am Arbeitsmarkt. Bei den sonstigen Ausbildungsberufen ist in besonderem Maße zu beachten, ob die Förderung im Hinblick auf die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist (§§ 2, 36 Nr 3 AFG) und ob der Ausbildungsgang und die ausbildende Stelle eine erfolgreiche berufliche Ausbildung gewährleisten. Bei dieser Überprüfung werden Einzelheiten dann nicht zu ermitteln sein, wenn sich – wie hier – die Prüfung an Hand der Blätter zur Berufskunde durchführen läßt oder das Ausbildungsverhältnis Folge einer gezielten Berufsberatung ist (so der unbestrittene Vortrag der Klägerin), weil dann Fragen der Eignung und Neigung ebenso wie die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit bereits in die Beratung einzugehen haben (§§ 26, 27 AFG); in noch stärkerem Maße gilt dies dann, wenn die Ausbildungsstelle vermittelt worden ist (§ 25 Abs 1 Satz 2 AFG iVm § 29 AFG).

Zur Höhe des ungedeckten Bedarfs wird das Berufungsgericht weiter zu ermitteln haben. Mit seiner Entscheidung befindet es auch über die Kosten des Verfahrens.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1175162

BSGE, 122

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