Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Ausgleichsgeld für landwirtschaftliche Arbeitnehmer hat.
Die 1943 geborene Klägerin arbeitete von Januar 1992 bis zum 3. August 1996 als Viehpflegerin bei der Agrargenossenschaft „L., nachdem sie von 1976 bis 1991 Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) gewesen war.
Ab 1993 wurden landwirtschaftliche Nutzflächen stillgelegt (1993: 296,91 ha; 1994: 310,83 ha; 1995: 297,98 ha; 1996: 224,93 ha; 1997: 143,73 ha). Die Gesamtfläche sank von 2.469,75 ha im Jahre 1993 auf 1.859,73 ha im Jahre 1997. Die Zahl der 1993 noch beschäftigten 100 Arbeitnehmer sank 1994 um zwei, 1995 um acht, 1996 um 26 und 1997 um weitere zehn. Die Entlassung der Klägerin begründete die Arbeitgeberin mit der Flächenstillegung im Jahre 1996 und mit gesundheitlichen Gründen, da die Klägerin zu schwerer körperlicher Arbeit in der Landwirtschaft nicht mehr in der Lage gewesen sei.
Die von der Klägerin am 3. Juni 1996 beantragte Zahlung von Ausgleichsgeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 1997 ab. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 12. März 1998), Klage (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Chemnitz vom 3. März 1999) und Berufung der Klägerin (Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 27. Juni 2000) blieben erfolglos. Nach der Urteilsbegründung des LSG ist die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht aufgrund einer Stillegung landwirtschaftlicher Nutzflächen beendet worden. Bereits von 1992 bis 1994 sei eine erhebliche Zahl von Arbeitnehmern entlassen worden. Die Klägerin sei nicht dabei gewesen, weil sie das für das Ausgleichsgeld erforderliche Alter noch nicht erreicht gehabt habe; dies lege den Verdacht nahe, die frühere Arbeitgeberin habe die Klägerin unter Umgehung von § 13 Abs 2 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) entlassen wollen. Die Stillegungsfläche beider Betriebe der früheren Arbeitgeberin der Klägerin habe sich 1996 gegenüber den Vorjahren verringert, weder 1995 noch 1996 hätten zusätzliche Flächenstillegungen stattgefunden. Da die Klägerin als Viehpflegerin eingesetzt gewesen sei, habe es auch deshalb an einem unmittelbaren Flächenbezug gefehlt.
Die Klägerin rügt mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision, das LSG habe § 9 Abs 1 FELEG verletzt. Das LSG habe sich bei der Prüfung des inneren und zeitlichen Zusammenhangs der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und der Flächenstillegung ohne erschöpfende Sachverhaltsermittlung über die Angaben des Arbeitgebers hinweggesetzt. Es argumentiere widersprüchlich, wenn es den inneren Zusammenhang für die früher ausgesprochenen Entlassungen anerkenne. Soweit der betroffene Arbeitnehmer nicht unmittelbar in der Feldbestellung tätig sei, die denknotwendig infolge der Flächenstillegung unmittelbar entfalle, wirke sich die Flächenstillegung in Fällen wie dem der Klägerin, die im Stall F. gearbeitet habe, erst erheblich später, gegebenenfalls auch später als zwölf Monate, aus. Die Flächenstillegungen in den Jahren 1993 und 1994 hätten 1995 zur gänzlichen Aufgabe der Rindermast- und Schweineproduktion geführt, aber auch darüber hinaus sei die Beschäftigung der Klägerin für Folgetätigkeiten geboten gewesen.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausgleichsgeld, weil ihre Beschäftigung als landwirtschaftliche Arbeitnehmerin nicht aufgrund von Flächenstillegung geendet hat.
Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 FELEG in der hier maßgebenden Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (≪ASRG 1995≫ vom 29. Juli 1994, BGBl I 1890) erhalten ua Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, ein Ausgleichsgeld, wenn
- ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stillegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und
- sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate in Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stillegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind.
Die Leistungen werden nach Satz 2 aaO frühestens ab Vollendung des 55. Lebensjahres, bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit ab Vollendung des 53. Lebensjahres, gewährt; das maßgebende Lebensjahr muß vor dem 1. Januar 1997 vollendet sein. Diese Vorschrift gilt gemäß § 13 Abs 1 Nr 6 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe von sonstigen (nicht in Nr 1-5 aaO genannten) EWG-rechtlichen Vorschriften hinsichtlich einer Stillegung oder Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzflächen endet. Gemäß § 18c Abs 1 FELEG gilt § 9 FELEG für am 1. Juli 1990 im Beitrittsgebiet ansässige und rentenversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer mit der Maßgabe, daß auf die nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 2 FELEG erforderlichen Zeiten der Tätigkeit auch Zeiten der hauptberuflichen Tätigkeit in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, einem volkseigenen Gut oder einer vergleichbaren Einrichtung angerechnet werden. Nach § 22 Abs 3 FELEG sind die durch das ASRG 1995 erweiterten Tatbestände des § 13 Abs 1 FELEG ab 1. Januar 1995 (Art 48 Abs 1 ASRG 1995) auch dann anzuwenden, wenn sie bereits vor jenem Zeitpunkt erfüllt sind.
Der Rechtsbegriff „auf Grund” beschreibt nach allgemeinem juristischem Sprachgebrauch einen kausalen Zusammenhang. Nichts anderes gilt im Regelungszusammenhang des FELEG (vgl zu §§ 9, 13 FELEG bereits den Senatsbeschluß vom 18. März 1999 – B 10 LW 11/98 B –, auszugsweise abgedruckt in Neue Landwirtschaft – Briefe zum Agrarrecht 1999, 390 f). Das Gesetz verwendet diesen Begriff nicht nur in § 9 Abs 1 Nr 1 und § 13 Abs 1, sondern an zahlreichen weiteren Stellen (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 4, § 3 Abs 3, § 6 Abs 3 Satz 5 Nr 1, § 16 Abs 1). Die Bedeutung ist überall dieselbe. Zu Recht hat das LSG sie in der Forderung nach einem Kausalzusammenhang nicht lediglich im philosophisch-naturwissenschaftlichen Sinne (conditio sine qua non) erkannt. Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn ist hier zwar notwendig, sie reicht für den Anspruch auf Ausgleichsgeld aber nicht aus.
Auf dem Gebiet der Sozialversicherung, insbesondere der Unfall – (BSGE 45, 176, 178 = SozR 2200 § 548 Nr 37), aber auch in der Kranken – (BSGE 33, 202, 204 = SozR Nr 48 zu § 182 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) und Rentenversicherung (BSGE 30, 167, 178 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO), im Recht der sozialen Entschädigung (BSGE 79, 87, 88 = SozR 3-3800 § 2 Nr 5) und im Arbeitsförderungsrecht (BSGE 69, 108, 110 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 6) sowie beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 5. Mai 1988 – 12 RK 44/86 – SozSich 1988, 382) wird in ständiger, vom Schrifttum nahezu einhellig gebilligter Rechtsprechung die Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung angewandt, die in der Rechtsprechung auch als Theorie der „wesentlich mitwirkenden Ursache” bezeichnet wird (hierzu im einzelnen mit umfangreichen Nachweisen auch: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II S 480 ff, Stand: 1989 sowie Erlenkämper in: Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, 4. Aufl 1999, S 74 ff). Es gibt im Gesetz keinen Anhaltspunkt noch sonst einen sachlichen Grund, warum dies im Regelungsbereich des FELEG anders sein sollte. Die hierin geregelten Leistungen – die Produktionsaufgaberente für ältere landwirtschaftliche Unternehmer sowie das Ausgleichsgeld für ältere landwirtschaftliche Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige – mögen zwar vorwiegend agrarstrukturelle Ziele verfolgen (vgl die Antwort der Bundesregierung vom 7. Februar 1995 auf eine parlamentarische Kleine Anfrage, BT-Drucks 13/391 S 8) – sie sind aber Sozialleistungen: § 18 Abs 1 FELEG bestimmt die entsprechende Geltung der für die Alterssicherung der Landwirte maßgebenden Vorschriften des Ersten, Vierten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch; § 18 Abs 4 FELEG ordnet an, daß Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung sind und demgemäß nach § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen.
Daraus folgt: Bei der in § 9 Abs 1 FELEG geforderten Feststellung eines kausalen Zusammenhanges dürfen als Ursachen für das Ende der Beschäftigung eines landwirtschaftlichen Arbeitnehmers – unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes – nur die (naturwissenschaftlich wirksam gewordenen) Bedingungen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl das zur Veröffentlichung in SozR vorgesehene Urteil des Senats vom 9. August 2001 – B 10 LW 9/00 R –; ferner BSGE 1, 72, 76; Urteil des Senats vom 12. Juni 2001 – B 9 V 5/00 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Beurteilung, ob eine Bedingung wesentlich und deshalb (auch) rechtlich Ursache oder Mitursache ist, stellt eine Wertentscheidung dar (BSGE 69, 108, 113 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6). Sie richtet sich nach der Qualität der Bedingung, die nicht davon abhängt, an welcher Stelle der Kausalkette sie steht. Insbesondere ist eine Bedingung nicht erst (oder schon) deshalb wesentlich, weil sie als letzte eingetreten ist und den Erfolg sichtbar gemacht hat (vgl BSGE 13, 40, 42 = SozR Nr 9 zu § 35 Bundesversorgungsgesetz). Entscheidend kommt es stets auf die Umstände des einzelnen Falles an (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 81). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie sämtlich wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinn (BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO); ist eine der Bedingungen oder sind mehrere Bedingungen gemeinsam gegenüber anderen Bedingungen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur jene die wesentliche Bedingung und damit die Ursache im Rechtssinne der geltenden Kausalitätslehre (BSGE 12, 242, 245 f = SozR Nr 27 zu § 542 aF RVO).
Obwohl sich dem Urteil des LSG entnehmen läßt, daß es – zutreffend – zwischen der Kausalitätsfeststellung (im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn) als Tatsache und deren Subsumtion unter den Rechtsbegriff der „wesentlichen Ursache” (BSGE 1, 268, 269 f; 7, 288, 290 f; Urteil des Senats vom 29. Juli 1998 – B 9 V 10/97 R –, SGb 1998, 582 f; May, Die Revision, 2. Aufl 1997, 374 f; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, 402) unterscheidet, wird nicht auf den ersten Blick deutlich, ob der Anspruch der Klägerin mangels (naturwissenschaftlicher) Kausalität scheitert, oder weil die Flächenstillegung als eine von mehreren Ursachen das Ende der Beschäftigung nicht wesentlich herbeigeführt hat. Das LSG hat aber festgestellt, daß keines der von ihm zur „Beurteilung der Kausalitätsfrage” für maßgeblich gehaltenen Kriterien vorliegt. Keines der vom LSG geprüften Kriterien hat danach die Annahme eines Kausalzusammenhangs mit der erforderlichen Gewißheit begründen können. Das LSG hat somit schon den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Flächenstillegung und Beschäftigungsende der Klägerin verneint. Diese Feststellung wird von der Revision nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen, so daß sie für den Senat bindend ist (§ 163 SGG). Mit der Verneinung der naturwissenschaftlichen Kausalität entfällt zugleich die Kausalität iS der Lehre von der wesentlichen Bedingung.
Soweit die Klägerin die Feststellungen des LSG angreift, rügt sie allenfalls die Vollständigkeit der Sachaufklärung und die Beweiswürdigung durch das LSG; das angefochtene Urteil läßt aber keinen Verstoß gegen § 103 oder § 128 Abs 1 SGG, insbesondere keinen Verstoß gegen Denkgesetze erkennen. Das LSG hat die Arbeitgeberin der Klägerin mit einem ausführlichen Fragebogen (vom 28. Januar 2000) zur Aufklärung des Sachverhalts herangezogen; entgegen dem Vorbringen der Revision mußte es sich ihm nicht aufdrängen, wegen möglicher Widersprüche in den Angaben der Arbeitgeberin (Auskunft vom 19. Juni 2000) weitere Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Dafür, daß die erforderliche Gewißheit des Kausalzusammenhangs zu verneinen ist, hat es insbesondere sowohl auf die gesundheitlichen Probleme der Klägerin als auch darauf abgestellt, daß eine Entlassung infolge der Stillegungen früher hätte erfolgen können und müssen. Warum sich dem LSG eine weitere Sachverhaltsaufklärung von seinem rechtlichen Standpunkt aus hätte aufdrängen müssen, läßt die Revisionsbegründung ebenso offen, wie die Frage, mit welchen Mitteln diese Aufklärung hätte erfolgen sollen. Damit hat das LSG frei von erfolgreich gerügten Verfahrensfehlern einen inneren Zusammenhang der Entlassung mit den Flächenstillegungen – und in dessen Folge den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichsgeld – verneint.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen