Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 24.10.1979) |
SG Düsseldorf (Urteil vom 20.03.1979) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 1979 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. März 1979 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung vom 7. Juni 1978 verurteilt, dem Kläger wegen des Unfalls vom 30. Dezember 1975 Entschädigung zu leisten.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten Entschädigung für einen Unfall, den er auf dem Wege zu einer Arbeitsberatung bei dem für ihn zuständigen Arbeitsamt erlitten hat.
Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 1975 gekündigt. Deshalb meldete er sich am 23. Dezember 1975 bei der Dienststelle Leverkusen des Arbeitsamts Solingen als Arbeitsuchender und beantragte Arbeitslosengeld (Alg) ab.1. Januar 1976. Daraufhin wurde er vom Arbeitsamt schriftlich zu einer Arbeitsberatung am 30. Dezember 1975 mit dem Hinweis eingeladen, bei Verhinderung solle er das Arbeitsamt benachrichtigen, da andernfalls angenommen werde, daß er an der Weiterführung seines Arbeitsgesuchs nicht mehr interessiert sei. Auf dem Wege zum Arbeitsamt erlitt der Kläger am 30. Dezember 1975 bei einem Unfall erhebliche Verletzungen. Mit Bescheid vom 7. Juni 1978 lehnte die Beklagte die Entschädigung dieses Unfalls ab, weil der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht nach § 132 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) meldepflichtig gewesen sei und deshalb nicht zu dem vom § 539 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geschützten Personenkreis gehört habe.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- Düsseldorf vom 20. März 1979 und Urteil des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 1979). Die Vorinstanzen haben ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne die als Grundlage des Unfallversicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 4 RVO erforderliche Meldepflicht nicht für einen Zeitraum angenommen werden, in dem weder Arbeitslosigkeit vorliege noch Anspruch auf Alg erhoben werde (BSGE 25, 214). Der Kläger sei zur Unfallzeit weder Arbeitsloser gewesen noch habe ihm zu dieser Zeit ein Anspruch auf Alg zugestanden; als Arbeitsuchender habe er noch nicht die Rechtsstellung eines Arbeitslosen gehabt.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 539 Abs 2 RVO. Er sei nämlich “wie” ein Meldepflichtiger der Aufforderung des Arbeitsamtes zu dem Arbeitsgespräch am 30. Dezember 1975 gefolgt.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des SG Düsseldorf vom 20. März 1979 und des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 1979 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen des Unfalls vom 30. Dezember 1975 Entschädigung zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben. Die Beklagte ist unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, den Kläger wegen des Unfalls vom 30. Dezember 1975 zu entschädigen.
Vorab ist klarzustellen, daß in den Fällen des § 539 Abs 2 Nr 4 RVO die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Träger der Unfallversicherung ist (§ 654 Nr 1 RVO). Die von den Vorinstanzen als Beklagte bezeichnete Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung ist insoweit nicht Träger der Versicherung; sie nimmt jedoch gemäß § 766 Abs 1 RVO die Aufgaben der BA als Träger der Versicherung mit Ausnahme der Sorge für die Unfallverhütung und erste Hilfe wahr (vgl hierzu die Verordnung vom 24. März 1972 – BGBl I S 587 –). Passiv legitimiert im Rechtsstreit ist somit nicht die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, sondern in den Fällen des § 654 RVO die BA (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Stand August 1980 S 526b). Sie wird kraft Gesetzes von der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung vertreten (§ 766 Abs 1 Satz 1 RVO). Mithin ist im Rubrum als Beklagte die BA und als deren gesetzliche Vertreterin die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung einzusetzen. Eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (§ 168 SGG) liegt darin nicht (vgl Peters/Sautter/Wolff Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand April 1980, § 99 S. II/61-30-; Meyer-Ladewig, SGG § 99 RdNr 6).
Nach § 539 Abs 1 Nr 4 RVO sind in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall Personen versichert, die nach den Vorschriften des AFG der Meldepflicht unterliegen, wenn sie zur Erfüllung ihrer Meldepflicht die hierfür bestimmte Stelle aufsuchen oder auf Aufforderung einer Dienststelle der BA oder einer seemännischen Heuerstelle diese oder andere Stellen aufsuchen. Daß diese Vorschrift hier deshalb nicht anzuwenden ist, weil der Kläger Alg erst ab 1. Januar 1976 beantragt hatte und somit nach § 132 Abs 1 Satz 1 AFG erst von diesem Zeitpunkt an – nicht aber schon am 30. Dezember 1975 – meldepflichtig war, räumt auch die Revision ein. Zutreffend macht sie jedoch geltend, daß der Kläger am 30. Dezember 1975 wie ein Meldepflichtiger die für ihn zuständige Dienststelle der BA auf deren Aufforderung hin aufgesucht hat.
Der Kläger wollte die Dienststelle Leverkusen des Arbeitsamts Solingen auf dem Wege “aufsuchen”, auf dem ihn der Unfall traf. Rechtlich ist der Begriff des “Aufsuchens” nicht deshalb in Zweifel zu ziehen, weil der Kläger vom Arbeitsamt nicht wörtlich hierzu aufgefordert, sondern gebeten worden war, am Dienstag, dem 30. Dezember 1975 um 8.45 Uhr zu einer Arbeitsberatung vorzusprechen. Denn es kann in der rechtlichen Bewertung keinen Unterschied machen, in welcher Weise die Aufforderung zum Aufsuchen einer Dienststelle der BA erfolgt, sofern sie nur sinngemäß darauf gerichtet ist.
Daß der Kläger vom Arbeitsamt ausdrücklich nicht zur Arbeitsvermittlung (vgl § 13 AFG), sondern zur Arbeitsberatung (vgl § 15 AFG) eingeladen worden ist, würde bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen die Anwendung des § 539 Abs 1 Nr 4 RVO nicht ausschließen. Denn die Bestimmung erfaßt nicht nur die Fälle, in denen die meldepflichtigen Personen das Arbeitsamt zur Erfüllung ihrer Meldepflicht aufsuchen (Buchst a), sondern dehnt den Versicherungsschutz auch auf die Fälle aus, in denen die Meldepflichtigen eine Dienststelle der BA auf deren Aufforderung aus einem anderen Grund aufsuchen (Buchst b). Dies kann, wie sich aus § 15 Abs 2 Satz 1 AFG ergibt, auch zur Durchführung einer Arbeitsberatung geschehen, welche die BA arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmern in Abständen von nicht länger als drei Monaten zuteil werden lassen soll.
Streitig und vom Senat zu entscheiden ist mithin allein, ob im Falle der Arbeitslosmeldung zu einem bestimmten, bereits nahe herangerückten Termin der Arbeitnehmer, der das Arbeitsamt aufforderungsgemäß vor dem Eintritt seiner Arbeitslosigkeit zur Arbeitsberatung aufsucht, wie eine meldepflichtige Person iS von § 539 Abs 1 Nr 4 RVO und damit wie ein nach Abs 1 Versicherter iS von § 539 Abs 2 RVO tätig wird. Der Senat bejaht dies.
Zweck des § 539 Abs 2 PVO ist es, den Schutz der Unfallversicherung auch solchen Personen zu gewährleisten, deren – möglicherweise nur vorübergehende – Beschäftigung oder Tätigkeit derjenigen eines nach Abs 1 Versicherten entspricht, ohne die in Abs 1 aufgezählten Tatbestandsmerkmale vollständig zu erfüllen. Regelmäßig handelt es sich dabei um Fälle des § 539 Abs 1 Nr 1, in denen zwar eine Beschäftigung für ein Unternehmen besteht, wie sie der aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigte leistet, in denen es aber am Bestehen eines solchen Verhältnisses fehlt. Indessen ist § 539 Abs 2 RVO weder auf die Fälle des § 539 Abs 1 Nr 1 noch in der Weise eingeschränkt, daß die Tatbestandsmerkmale des Versicherungsschutzes aufgezählt sind, auf die bei Anwendung dieser Vorschrift verzichtet werden kann. Der Gesetzesbegründung (BT-Drucks IV 120 S 52) ist folgender Hinweis zu § 539 Abs 2 RVO zu entnehmen:
“Wie in § 537 Nr 10 RVO werden auch in dieser Vorschrift alle Tatbestände des Absatzes 1 in Bezug genommen, obwohl es schwer denkbar ist, daß einige Nummern des Absatzes 1, zum Beispiel Nr 4 und Nr 10, einer Ausdehnung durch Absatz 2 zugänglich sind. Dadurch bleibt der Rechtsprechung die Möglichkeit erhalten, wie bisher allen Einzelfällen, deren Besonderheiten sich nicht übersehen lassen, Rechnung zu tragen.”
Die Bestimmung dient mithin nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, der Rechtsprechung die bei dem starren Katalog des § 539 Abs 1 RVO sonst nicht bestehende Möglichkeit zu geben, den Versicherungsschutz auf Fälle auszudehnen, in denen es unbillig erscheinen würde, sie nach dem Zweck des Versicherungsschutzes wegen Fehlens eines Tatbestandsmerkmals davon auszuschließen. Wird diese Zweckbestimmung beachtet, sind grundsätzlich alle Nummern des § 539 Abs 1 RVO einer Ausdehnung durch Abs 2 RVO zugänglich, mag dies auch in den nicht unter die Nummern 1 bis 3 des Absatzes 1 fallenden Sachverhalten nicht ohne weiteres oder nur schwer denkbar sein. Wollte man nämlich § 539 Abs 2 RVO nicht die Bedeutung zugestehen, daß auch Personen in den Versicherungsschutz einbezogen werden können, bei denen ein Tatbestandsmerkmal der Unfallversicherung nach § 539 Abs 1 RVO fehlt, so wäre damit dem Abs 2 jede Bedeutung genommen. Kann aber im Falle des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO beim Fehlen eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses sowie eines durch persönliche Abhängigkeit gekennzeichneten Beschäftigungsverhältnisses (vgl hierzu BSGE 34, 240, 242; 35, 140, 142) – also beim Fehlen aller Tatbestandsmerkmale des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO – nach § 539 Abs 2 RVO dann Versicherungsschutz bestehen, wenn der Betroffene arbeitnehmerähnlich gehandelt hat, ist kein Rechtsgrund dafür erkennbar, in anderen Fällen des § 539 Abs 1 RVO, in denen nur ein Tatbestandsmerkmal fehlt, die Anwendung des § 539 Abs 2 RVO deshalb auszuschließen. Es müssen vielmehr die in bezug auf den Unfallversicherungsschutz der fremdbestimmten Arbeit (§ 539 Abs 1 Nr 1 RVO) gleichgestellten “Tätigkeiten” (§ 539 Abs 1 Nrn 2 bis 17 RVO) auch beim Fehlen von Tatbestandsvoraussetzungen und damit bei Anwendung des § 539 Abs 2 RVO gleich behandelt werden. Gemeinsames Merkmal aller den Unfallversicherungsschutz auslösenden Tatbestände des § 539 Abs 1 RVO ist, daß das jeweilige Handeln den Unfallversicherungsschutz deshalb auslöst, weil der Zweck des Handelns für schutzwürdig oder schutzbedürftig erachtet wird. Im Gegensatz dazu steht die sogenannte “eigenwirtschaftliche Tätigkeit” (vgl hierzu Jantz AN 1942 S 210, 211).
Zweck des § 539 Abs 1 Nr 4 RVO ist es, den nach dem AFG und dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) meldepflichtigen Personen bei Erfüllung der im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung liegenden Meldepflicht und bei Herstellung der darüber hinaus von den Dienststellen der Arbeitsvermittlung für erforderlich gehaltenen persönlichen Kontakte Unfallversicherungsschutz in gleicher Weise zu gewähren, wie ihn ein Arbeitnehmer in bezug auf den Weg zum und den Aufenthalt am Arbeitsplatz hat. Als eigenwirtschaftlich wird demgegenüber der Weg zum Arbeitsamt zwecks Abgabe der Arbeitslosmeldung erachtet (vgl hierzu BSGE 25, 214, 215 sowie BSGE 36, 39, 41 mit dem Hinweis auf die BT-Drucks IV 938). Mit der Entscheidung des Arbeitslosen, sich beim Arbeitsamt als solcher zwecks Inanspruchnahme der hierfür vorgesehenen Leistungen zu melden, werden noch überwiegend eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt. Vom Zeitpunkt des Beginns der Meldepflicht an steht jedoch der Zweck einer geordneten Arbeitsvermittlung im Vordergrund. Daher muß auch bei Anwendung des § 539 Abs 2 RVO auf Fälle, in denen die Voraussetzungen des § 539 Abs 1 Nr 4 RVO nicht erfüllt sind, die “eigenwirtschaftliche Tätigkeit” von solchen “Tätigkeiten” abgegrenzt werden, bei denen der Anlaß im Vordergrund steht, eine geordnete Arbeitsvermittlung zu gewährleisten.
Alle Maßnahmen nach dem AFG haben gemäß § 2 Nr 1 AFG insbesondere dazu beizutragen, daß weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern. Diesem Ziel dient es, wenn nach § 14 Abs 1 AFG die BA dahin zu wirken hat, daß Arbeitsuchende Arbeit und Arbeitgeber die erforderlichen Arbeitskräfte erhalten. Bei dieser Ausrichtung des Gesetzes muß eine vor Beendigung des wirksam gekündigten Arbeitsverhältnisses erfolgte Arbeitslosmeldung für den Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowohl für eine möglichst nahtlos wirkende Arbeitsvermittlung als auch zur Wahrung des Anspruchs auf das Alg vom Beginn der Arbeitslosigkeit an (vgl hierzu § 105 Satz 2 AFG) als sinnvoll angesehen werden. Beides würde das Arbeitsamt gefährden, wenn es nicht bereit wäre, schon vor Eintritt der Arbeitslosigkeit Maßnahmen zu ihrer Vermeidung oder Beseitigung einzuleiten. Dazu gehört insbesondere die Arbeitsberatung. Denn sie dient nach § 15 Abs 1 AFG dazu, den Arbeitnehmer über die Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Entwicklung in den Berufen, die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der beruflichen
Bildung und deren Förderung sowie über die Förderung der Arbeitsaufnahme zu unterrichten und ihn in Fragen der Wahl oder Besetzung von Arbeitsplätzen zu beraten. Dabei kommt es auf seine Kenntnisse und Fertigkeiten, also auch auf deren nähere Erörterung an. Erst wenn diese stattgefunden hat, verspricht die Auswahl unter den als offen gemeldeten Stellen hinreichenden Erfolg für die Zusammenführung des jeweiligen Arbeitsuchenden mit einem entsprechenden Arbeitgeber zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses und damit für die Arbeitsvermittlung. Die vom Gesetz vorgesehene individuelle Arbeitsberatung als Basis der Arbeitsvermittlung wahrt neben dem Interesse des Arbeitsuchenden deutlich überwiegend das allgemeine Interesse einer zügigen und geordneten Arbeitsvermittlung (vgl hierzu § 61 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – -SGB 1-). Diesem Zweck wird die von der Beklagten und den Vorinstanzen vertretene Auffassung nicht gerecht, Unfallversicherungsschutz bestehe auf dem Wege zu der vom Arbeitsamt anberaumten Arbeitsberatung nicht. Sie würde nämlich die Arbeitsuchenden daran hindern, schon vor Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses dem Arbeitsamt die bevorstehende Arbeitslosigkeit und den sich daraus ergebenden Wunsch nach Vermittlung eines neuen Arbeitsverhältnisses anzuzeigen. Dann aber wäre das Arbeitsamt nicht mehr im Stande, seine Arbeitsberatung und die darauf beruhenden Vermittlungsbemühungen so rechtzeitig durchzuführen, daß eine möglichst nahtlose Weiterbeschäftigung gewährleistet wäre.
Der von der Beklagten und den Vorinstanzen für Fälle der vorliegenden Art vertretene Ausschluß von der Unfallversicherung ließe sich nur vermeiden, wenn der Arbeitsuchende bei der Arbeitslosmeldung zum Ausdruck bringen würde, daß er ab sofort nicht mehr bereit sei, das Weisungsrecht des Arbeitgebers bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu respektieren, wenn er also arbeitsvertragsbrüchig würde. Denn dadurch würde er das für die Frage der Arbeitslosigkeit wesentliche Beschäftigungsverhältnis zerstören (vgl Krebs, AFG, Kommentar, Stand Februar 1980, § 101 Randnote 6 sowie Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Kommentar, Stand Oktober 1980, § 101 Anm 4). A1s vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis Stehender könnte er sich dann nicht erst für die Zeit nach Beendigung seines an sich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses, sondern sofort als arbeitslos und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehend melden und Anspruch auf Alg erheben (vgl § 100 Abs 1 AFO). Damit würde gemäß § 132 Abs 1 AFG ab sofort die Meldepflicht und durch diese wiederum sofort auch der Unfallversicherungsschutz des § 539 Abs 1 Nr 4 RVO ausgelöst werden. Daß für die restliche Zeit des Arbeitsverhältnisses möglicherweise der Anspruch auf Alg gemäß § 117 Abs 1 AFG wegen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt ruhen könnte, stünde der Meldepflicht nach § 132 Abs 1 Satz 3 AFG nicht entgegen.
Ein solches Verhalten des Arbeitsuchenden oder gar eine Beratung des Arbeitsuchenden durch das Arbeitsamt im Sinne des Arbeitsvertragsbruchs kann von der Rechtsordnung jedoch nicht gewollt sein. Die ordnungsgemäße Abwicklung und Begründung von Arbeitsverhältnissen und die möglichst wirkungsvolle Arbeitsvermittlung erfordern deshalb die rechtliche Behandlung des hier gegebenen Sachverhalts und ähnlicher Sachverhalte dahin, daß der Arbeitsuchende nicht durch Ausschluß vom Unfallversicherungsschutz bei seinem vom Arbeitsamt veranlaßten Erscheinen zu Arbeitsberatungen daran gehindert wird, sich rechtzeitig um die Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes zu bemühen. Diese Erwägungen zwingen dazu, jedenfalls den Arbeitsuchenden, der auf dem Wege zu der vom Arbeitsamt anberaumten Arbeitsberatung unmittelbar vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit einen Unfall erleidet, in Anwendung des § 539 Abs 2 RVO wie einen Meldepflichtigen, der eine Dienststelle der BA aufforderungsgemäß aufsucht, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen.
Der Senat sieht sich an dieser Entscheidung nicht durch die Rechtsprechung des 2. Senats gehindert. In BSGE 25, 214 bestand wegen der bejahten Meldepflicht kein Anlaß, auf § 539 Abs 2 RVO einzugehen. In BSGE 27, 84 kam es weder auf § 539 Abs 1 Nr 4 RVO noch auf § 539 Abs 2 RVO entscheidend an, da der Versicherungsschutz schon nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO bestand. In BSGE 36, 39 hat der 2. Senat zwar die Voraussetzungen des § 539 Abs 1 Nr 4 und Nr 14 RVO verneint, ohne den Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO zu erörtern; es hat sich dort allerdings um den von § 539 Abs 1 Nrn 4 und 14 RVO nicht ausdrücklich erfaßten Unfall bei dem vom Rentenversicherungsträger über das Arbeitsamt veranlaßten Besuch des Arbeitsamts zu einer Arbeitsberatung wegen eines bereits in Aussicht genommenen Arbeitsplatzes gehandelt, der im übrigen alsbald nach der zitierten Entscheidung durch § 21 Nr 37 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881) in Gestalt des § 539 Nr 17c RVO dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstellt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen