Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluß des Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB 10
Orientierungssatz
§ 104 Abs 3 SGB 10 schließt den Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Erstattung erbrachter Sozialleistungen gegen den vorrangigen Leistungsträger der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit aus, als dieser aufgrund früherer wirksamer Abtretung des Leistungsanspruchs durch den Rentenberechtigten nach § 53 Abs 3 SGB 1 an einen Dritten zu leisten verpflichtet ist. (Anschluß an BSG vom 14.11.1984 - 1/4 RJ 57/84 = SozR 1300 § 104 Nr 3, BSG vom 30.1.1985 - 1/4 RJ 107/83 = SozR 1300 § 104 Nr 4 und BSG vom 7.9.1989 - 5 RJ 63/88 = SozR 1300 § 104 Nr 17).
Normenkette
SGB 10 § 104 Abs 3; SGB 1 § 53 Abs 3; SGB 10 § 107 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 26.09.1988; Aktenzeichen L 8 J 124/87) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 22.05.1987; Aktenzeichen S 9 J 161/86) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte die pfändbaren Beträge aus der Rente des Beigeladenen zu 1) an die Klägerin auszuzahlen hat.
Der Beigeladene zu 1) bezieht von der Beklagten seit November 1978 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Aufgrund seiner schriftlichen Erklärung vom 17. November 1980, mit der er den pfändbaren Teil seiner Rentenansprüche zur Sicherung eines Kredits an die Klägerin abgetreten hatte, überwies die Beklagte ab 1. Januar 1984 den pfändbaren Teil der Rente an die Klägerin.
Seit November 1985 befindet sich der Beigeladene zu 1) in einem Pflegeheim. Die Kosten hierfür werden vom Beigeladenen zu 2) als Träger der Sozialhilfe aufgebracht. Mit einem bei der Beklagten am 10. Januar 1986 eingegangenen Schreiben machte der Beigeladene zu 2) Aufwendungsersatz in voller Rentenhöhe geltend. Hierauf zahlte die Beklagte ab 1. Februar 1986 die Rente des Beigeladenen zu 1) abzüglich der pfändbaren Beträge an den Beigeladenen zu 2) und forderte den für Februar 1986 noch an die Klägerin überwiesenen Betrag zurück. Die pfändbaren Rentenanteile behielt die Beklagte vorsorglich ein. Den von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 5. Juni 1986).
Die dagegen erhobene Klage hatte in den beiden Vorinstanzen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 22. Mai 1987, Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 26. September 1988). Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Abtretung der Rentenansprüche durch den Beigeladenen zu 1) im Jahre 1980 sei gemäß § 53 Abs 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zulässig und wirksam erfolgt. Der der Abtretung zugrundeliegende Darlehensvertrag sei auch nicht wegen überhöhter Zinsen als sittenwidrig anzusehen. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs des Beigeladenen zu 2) habe keinen Einfluß auf die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin, weil ein Vorrang des Sozialhilfeträgers vor dem zeitlich früher geltend gemachten Anspruch der Klägerin aufgrund der Abtretung nicht bestehe. Ein solcher ergebe sich nicht aus § 104 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X).
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 102 bis 107 SGB X.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG für das Land Nordrhein- Westfalen vom 26. September 1988 sowie das Urteil des SG Duisburg vom 22. Mai 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.
Der Beigeladene zu 1) ist im Revisionsverfahren nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte und formgerecht eingelegte Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den jeweils pfändbaren Betrag aus der Rente des Beigeladenen zu 1) weiterhin an die Klägerin bis zur Erfüllung ihrer Darlehensforderung auszuzahlen.
Das LSG hat ohne Rechtsfehler die Wirksamkeit der Übertragung der pfändbaren Ansprüche aus der Rente des Beigeladenen zu 1) auf die Klägerin gemäß § 53 Abs 3 SGB I bejaht. Bedenken hiergegen bestehen nach den für das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.
Wie der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in den Urteilen vom 14. November 1984 (BSGE 57, 218 = SozR 1300 § 104 Nr 3) und 30. Januar 1985 (SozR 1300 § 104 Nr 4) bereits entschieden hat, schließt § 104 Abs 3 SGB X den Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Erstattung erbrachter Sozialleistungen (§ 104 Abs 1 Sätze 1 und 4 SGB X) gegen den vorrangigen Leistungsträger der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit aus, als dieser - wie im vorliegenden Fall - aufgrund früherer wirksamer Abtretung des Leistungsanspruchs durch den Rentenberechtigten nach § 53 Abs 3 SGB I an einen Dritten zu leisten verpflichtet ist. Nach den genannten Entscheidungen ändert daran auch die sogenannte Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X nichts, weil diese nur eingreift, "soweit" ein Erstattungsanspruch besteht. Gerade dieser ist indes zugunsten des Beigeladenen zu 2) infolge der zeitlichen Prioritätsregelung in § 104 Abs 3 SGB X zu verneinen.
Dieser Rechtsprechung des 1. Senats des BSG hat sich der erkennende Senat - unter Aufgabe seiner zunächst im Beschluß vom 8. April 1987 (5a RKn 11/85) angeführten Bedenken - mit dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 7. September 1989 - 5 RJ 63/88 - angeschlossen. Auf die dort hierfür maßgebenden Gründe wird für die vorliegende Entscheidung Bezug genommen.
Der Revision der Beklagten mußte danach der Erfolg versagt bleiben. Sie war zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen