Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Umfang der Vorleistung eines Krankenhauses für den Anspruch auf Vergütung einer stationären Behandlung. kein Anspruch auf weitere Vergütung für stationäre Behandlung eines nicht mehr behandlungsbedürftigen Patienten beim Fehlen einer geeigneten Unterkunft. Befugnis von Krankenhäusern zur Arzneimittelabgabe
Leitsatz (amtlich)
- Zum Umfang der Vorleistung eines Krankenhauses für den Anspruch auf Vergütung einer stationären Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
- Der Umstand, dass bei einem nicht mehr behandlungsbedürftigen Patienten der Entlassung aus dem Krankenhaus das Fehlen einer geeigneten Unterkunft entgegensteht, begründet keinen Anspruch auf weitere Vergütung für stationäre Behandlung.
- Zur Befugnis von Krankenhäusern zur Arzneimittelabgabe.
Normenkette
ApoG § 14; BPflV § 2 Abs. 1 J: 1994, § 13 Abs. 1 J: 1994; KHG § 2; SGB V §§ 39, 107 Abs. 1, § 109 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. April 2006 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert beträgt 7.807,62 €.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die restlichen Kosten einer Krankenhausbehandlung.
Der 1961 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte I… G… leidet an einer langjährigen Alkoholabhängigkeit, Verhaltensstörungen und einer Minderbegabung. Er befand sich seit 1998 mehrfach zur Alkoholentgiftung in der psychiatrischen Abteilung des zur Versorgung der Versicherten zugelassenen Krankenhauses der Klägerin. Am 6. Januar 2003 wurde er von der Polizei in hilfloser Lage aufgefunden und erneut zur Alkoholentgiftung und psychiatrischen Stabilisierung in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen, wo er bis zum 2. April 2003 verblieb. Die behandelnden Ärzte erkannten alsbald, dass der Versicherte auch nach der Alkoholentgiftung zu seiner eigenen Sicherheit dauerhaft in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden müsse und bemühten sich um einen entsprechenden Heimplatz. Die zuständigen Amtsgerichte ordneten die Unterbringung des Versicherten in einer geschlossenen Einrichtung an und bestellten einen Betreuer. Nachdem ein passender Heimplatz gefunden worden war, verzögerte sich die dortige Unterbringung des Versicherten weiterhin, bis der Sozialhilfeträger sich zur Übernahme der Kosten der Heimunterbringung bereit erklärt hatte.
Die Rechnungen der Klägerin auf der Grundlage von Basis- und Abteilungspflegesätzen bezahlte die Beklagte lediglich für die Behandlung bis zum 28. Februar 2003. Die Bezahlung des weiteren Krankenhausaufenthalts bis zum 2. April 2003 in Höhe von 7.577,81 € lehnte sie ab, weil die Krankenhausbehandlung nicht mehr notwendig gewesen sei. Der Versicherte habe sich in dieser Zeit nur im Krankenhaus aufgehalten, weil kein geeigneter Pflegeplatz zur Verfügung gestanden habe. Das Risiko, einen geeigneten Pflegeplatz und einen Kostenträger dafür zu finden, könne nicht der Krankenkasse aufgebürdet werden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens abgewiesen (Urteil vom 4. März 2005). Auf die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte zur Leistung verurteilt (Urteil vom 27. April 2006). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Krankenhausbehandlung sei notwendig gewesen, weil ambulante Behandlungsalternativen konkret nicht zur Verfügung gestanden hätten. Eine Entlassung aus dem Krankenhaus komme erst in Betracht, wenn geklärt sei, wo der weiterhin behandlungsbedürftige Patient nach der Entlassung unterkommen könne, und wenn dort die notwendige medizinische Versorgung sichergestellt sei. Die Krankenhausärzte hätten ihre Entscheidung, den psychiatrisch zu behandelnden Versicherten nicht am 28. Februar 2003 zu entlassen, sondern weiter im Krankenhaus zu behandeln, gerade unter Berücksichtigung der Bemühungen getroffen, einen Heimplatz zu finden. Ihnen sei kein freier Platz in einem speziellen Heim für psychisch erkrankte Personen bekannt gewesen, der dem Versicherten nach Klärung der Kostenfrage zur Verfügung gestanden hätte. Auch die Beklagte habe einen solchen Heimplatz nicht benannt. Die medizinische Behandlung sei deshalb weitergeführt worden bis zur ausreichenden psychischen Stabilisierung. Bei dem Versicherten habe angesichts der fehlenden Krankheitseinsicht und Frustrationstoleranz stets mit einer akuten Eigen- und Fremdgefährdung gerechnet werden müssen. Das Auftreten einer psychischen Krisensituation am 18. März 2003 beweise die nicht einschätzbaren Reaktionsweisen des Versicherten und habe eine zusätzliche Medikation erfordert. Auch der erstinstanzlich gehörte Sachverständige habe bestätigt, dass der Erregungszustand am 18. März 2003 nur auf der geschützten psychiatrischen Station eines Krankenhauses und nicht in einem geschlossenen Pflegeheim habe beherrscht werden können.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung von § 39 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V). Das LSG habe zu Unrecht angenommen, dass die weitere Krankenhausbehandlung über den 28. Februar 2003 hinaus erforderlich gewesen sei. Erforderlich sei eine Krankenhausbehandlung nur dann, wenn sie für die gezielte medizinische Bekämpfung einer Krankheit notwendig sei. Zwar könnten sich auch persönliche oder häusliche Umstände auf die medizinischen Gründe auswirken und zB die Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit einer Therapie beeinflussen. Der Aufenthalt in einem Krankenhaus müsse aber gezielt der Krankenbehandlung dienen, sodass es nicht ausreiche, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen, eine selbstständigere Lebensführung zu ermöglichen, eine Verwahrlosung des Betroffenen zu verhindern oder ihn nur noch zu pflegen. Dass der Versicherte in dem schon Ende Februar 2003 gefundenen Heim hätte versorgt werden können, sei auch von den behandelnden Ärzten erkannt worden. Eine Entlassung dorthin sei ausschließlich an organisatorischen Gegebenheiten gescheitert, für die die Krankenversicherung nicht einzutreten habe.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Speyer zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Der erkennende Senat kann aber nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es dazu an ausreichenden Feststellungen fehlt (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Die bisher getroffenen Feststellungen lassen nicht erkennen, ob und wann in dem streitigen Zeitraum Krankenhausbehandlung stattgefunden hat. Weil es an solchen Feststellungen mangelt, fehlt die Grundlage dafür, über die Erforderlichkeit der Behandlung zu entscheiden.
Das LSG hat zutreffend die Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin in § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V gesehen, wonach die Krankenkassen verpflichtet sind, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) zu führen. Die Vorschrift besagt allerdings nicht, dass die Krankenkassen verpflichtet sind, die Krankenhausbehandlung der Versicherten zu vergüten, sondern setzt diese Vergütungspflicht als selbstverständlich voraus (BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1). Die Leistungspflicht des zugelassenen Krankenhauses ergibt sich aus § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V, ohne dass dort der Leistungsumfang näher beschrieben wird. Die Vorschrift begrenzt die Leistungspflicht lediglich auf den Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses. Aus dem Gesetzeszusammenhang und den ergänzend abgeschlossenen Landesverträgen über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V ergibt sich ferner, dass das Krankenhaus vorleistungspflichtig ist. Die Krankenkasse hat danach die Vergütung erst zu entrichten, wenn das Krankenhaus seine Leistung erbracht hat; ein Anspruch auf Abschlagszahlungen bei länger dauernden Erkrankungen bleibt davon unberührt (§ 14 Abs 4 BPflV). Die beklagte Krankenkasse ist deshalb nur dann zur Bezahlung der geltend gemachten Kosten, deren Höhe im Übrigen nicht streitig ist, verpflichtet, wenn und soweit die Klägerin nach dem 28. Februar 2003 noch eine Krankenhausbehandlung des Versicherten durchgeführt hat. Das lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht bejahen. In den Urteilsgründen ist lediglich ausgeführt, dass eine Weiterführung der medizinischen Behandlung und eine Fortsetzung der schwierigen Einbindung in das therapeutische Rahmenprogramm zur ausreichenden psychischen Stabilisierung des Versicherten erfolgte. Welche Maßnahmen das im Einzelnen waren, ergibt sich daraus nicht. Es ist nicht erkennbar, welche ärztlichen Maßnahmen getroffen wurden, welche sonstigen therapeutischen Maßnahmen angeordnet und durchgeführt sowie ob und in welcher Form Arzneimittel verabreicht worden sind. Lediglich für den 18. März 2003 wird wegen Auftretens einer psychischen Krisensituation eine zusätzliche Medikation erwähnt, die einen Rückschluss auf eine gewisse regelmäßige Medikamentengabe zulässt. Dies reicht aber nicht aus, um für den gesamten streitigen Zeitraum die Durchführung einer Krankenhausbehandlung zu bejahen.
Welche Leistungen eine Krankenhausbehandlung umfassen muss, ist allerdings gesetzlich ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt. § 107 Abs 1 SGB V umschreibt lediglich in organisatorischer Hinsicht (vgl BT-Drucks 11/2237 S 196 Zu § 115 Zu Absatz 1) die Krankenhäuser als Einrichtungen, die fachlich-medizinisch im Unterschied zu Rehabilitationseinrichtungen (§ 107 Abs 2 SGB V) unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten sowie mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichen, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern, und in dem die Patienten untergebracht und verpflegt werden können. Aus der Umschreibung, dass die Krankenbehandlung “vorwiegend” durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung zu erfolgen hat, lässt sich allerdings der Schluss ziehen, dass diese die wesentlichen Leistungen eines Krankenhauses darstellen (vgl Peters/Schmidt, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1. Juli 2006, § 39 SGB V RdNr 37). § 2 KHG, der für die psychiatrische Abteilung des klägerischen Krankenhauses auch nach Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems durch das KHEntgG weiterhin gilt (vgl § 17b Abs 1 Satz 1 KHG; § 1 Abs 2 Nr 3 KHEntgG idF des Fallpauschalengesetzes vom 23. April 2002 ≪BGBl I 1412≫), bleibt als ältere Vorschrift (1972) dahinter noch zurück. Danach sind Krankenhäuser Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in dem die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können. Zwischen dem Krankenhausbegriff, der Krankenhausbehandlung und deren Vergütung bestehen indessen Wechselbeziehungen. Was für Krankenhäuser zutreffend ist, beeinflusst den Inhalt der Krankenhausbehandlung und umgekehrt (so zutreffend Peters/Schmidt aaO § 39 SGB V RdNr 41, 216). Als Leistungen des Krankenhauses werden in § 1 der BPflV, die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 16 KHG erlassen worden ist, vollstationäre und teilstationäre Leistungen erwähnt, die nach § 2 Abs 1 BPflV insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung umfassen. § 2 Abs 2 BPflV begrenzt die Krankenhausleistungen auf die im Einzelfall unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses nach Art und Schwere der Krankheit medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten, soweit sie notwendig ist.
Damit sind die wesentlichen Merkmale genannt, die eine stationäre Krankenhausbehandlung prägen. Eine stationäre Behandlung muss danach nicht zwingend Arznei-, Heil- und Hilfsmittel umfassen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig sind. Andererseits reicht es aber nicht aus, wenn nur Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt werden. Zwar sieht § 13 BPflV vor, dass die Vertragsparteien Abteilungspflegesätze, einen Basispflegesatz und entsprechende teilstationäre Pflegesätze vereinbaren. Dabei dient der Abteilungspflegesatz als Entgelt für ärztliche und pflegerische Tätigkeit und die durch diese veranlassten Leistungen, während als Entgelt für nicht durch ärztliche und pflegerische Tätigkeit veranlasste Leistungen des Krankenhauses der Basispflegesatz dient. Daraus kann aber nicht etwa geschlossen werden, dass bei Gewährung von Unterkunft und Verpflegung ohne ärztliche Behandlung eine stationäre Behandlung erbracht wird, die mit dem Basispflegesatz zu vergüten wäre. Abteilungspflegesatz und Basispflegesatz sind vielmehr lediglich Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung des tagesgleichen Pflegesatzes, der für verschiedene Abteilungen eines Krankenhauses entsprechend dem unterschiedlichen Kostenaufwand unterschiedlich ausfallen kann. Mit den differenzierten tagesgleichen Pflegesätzen sollten lediglich ein preis- und leistungsorientierteres Vergütungssystem sowie wirksame Anreize zur Wirtschaftlichkeit, insbesondere zur Verweildauerverkürzung geschaffen werden (Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Stand Juni 2006, § 13 BPflV Anm I 4). Krankenhausbehandlung ist vielmehr eine komplexe Gesamtleistung (vgl speziell zur psychiatrischen Behandlung Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 16. Februar 2005 – B 1 KR 18/03 R – BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4). Sie umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, die im Rahmen einer ambulanten Versorgung entweder überhaupt nicht oder nicht in dieser Weise, insbesondere dieser Kombination und Konzentration ergriffen werden könnten. Dabei ist einzuräumen, dass die Grenzen nicht generell abstrakt gezogen werden können, sondern die Übergänge fließend sind. Im Kern handelt es sich bei der Krankenhausbehandlung um den kombinierten Einsatz personeller (Ärzte, Pflegepersonal) und sächlicher (Arzneien, technische Apparaturen) Mittel zu Behandlungszwecken. Die in der Regel daneben zur Verfügung gestellte Unterkunft und Verpflegung sowie die reine Grundpflege (zB Waschen, Anziehen) haben lediglich dienende Funktion. Sie sollen die erfolgversprechende Durchführung der stationären Behandlung ermöglichen. Das Entgelt, das weiterhin auch dann als Pflegesatz bezeichnet wird (vgl § 2 Nr 4 KHG), wenn DRG-Fallpauschalen abgerechnet werden, erhält das Krankenhaus für die erbrachte Gesamtleistung (vgl Peters/Schmidt, aaO, § 39 SGB V RdNr 100, 101).
Durch den Verweis in § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V auf § 39 SGB V wird die Beziehung zum Leistungsanspruch des Versicherten hergestellt. Daraus ergibt sich, dass die Verordnung von Krankenhausbehandlung den Krankenhausarzt nicht bindet, sondern dieser in eigener Verantwortung jederzeit zu prüfen hat, ob das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Im Übrigen wiederholt die Vorschrift für den Leistungsanspruch des Versicherten deckungsgleich die Umschreibung des Leistungsspektrums des Krankenhauses. Der erkennende Senat hat daraus gefolgert, dass die rechtlich zu trennenden Vergütungsansprüche des Krankenhauses und Leistungsansprüche des Versicherten weitgehend korrespondieren, im Einzelfall aber auch divergieren können (vgl BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 – Krankenhauswanderer). Die Vergütung der Krankenhausbehandlung durch die Krankenkassen hat zu erfolgen, wenn sie fachlich einwandfrei erbracht worden ist, nachdem der Krankenhausarzt sie unter Abwägung aller konkret in Betracht kommenden, ihm bekannten oder zumindest erkennbaren teilstationären oder ambulanten Behandlungsmöglichkeiten aus fachlich einwandfreien Gründen für notwendig gehalten hat (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2). Demgegenüber sieht der 1. Senat des BSG den entsprechenden Leistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung schon dann für ausgeschlossen an, wenn die Krankheit bei abstrakter Betrachtungsweise ambulant hätte behandelt werden können, im konkreten Fall aber aus tatsächlichen Gründen die dazu erforderliche häusliche Betreuung oder anderweitige Unterbringung des Versicherten nicht möglich oder unzureichend war (vgl Vorlagebeschluss des 1. Senats vom 7. November 2006 – B 1 KR 32/04 R). Die bestehende mögliche Divergenz ist für den vorliegenden Fall unerheblich, weil es hier für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses entscheidend darauf ankommt, ob von der Klägerin eine Krankenhausbehandlung erbracht worden ist.
Nach den bisherigen Feststellungen des LSG ist nicht auszuschließen, dass sich die Leistungen der Klägerin im hier streitigen Zeitraum allein auf Unterkunft und Verpflegung beschränkt haben. Dies ergibt sich daraus, dass sich die behandelnden Ärzte nach Durchführung der Alkoholentgiftung und einer Hautoperation wegen einer Verbrennung des Versicherten bemüht haben, eine geschlossene Einrichtung für den Versicherten zu finden, weil sie eine Fortsetzung der Krankenhausbehandlung nicht mehr für erforderlich hielten. Dem widerspricht zwar der vom LSG ausgewertete Entlassungsbericht vom 7. Mai 2003, der eine Weiterführung der medizinischen Behandlung und eine Fortsetzung der schwierigen Einbindung in das therapeutische Rahmenprogramm zur ausreichenden psychischen Stabilisierung erwähnt. Das LSG hat sich mit diesem Widerspruch nicht auseinandergesetzt, insbesondere keine näheren Feststellungen dazu getroffen, welcher Art die medizinische Behandlung und das therapeutische Rahmenprogramm waren. Ärztliche Behandlung läge nur dann vor, wenn ein Arzt des Krankenhauses sich regelmäßig über den Heilungsfortschritt des Versicherten überzeugt, etwa durch Visiten oder Gespräche mit nichtärztlichem Fachpersonal, therapeutische Maßnahmen überprüft oder veranlasst hätte, die auch entsprechend dokumentiert sein müssten. Therapeutische Maßnahmen durch nichtärztliches Fachpersonal, etwa in Form von Gesprächstherapien oder Ergotherapien, müssten ebenfalls dokumentiert sein und einen Behandlungsplan erkennen lassen. Nur dann könnte von einer Einbindung in ein therapeutisches Rahmenprogramm die Rede sein, die im Entlassungsbericht des Krankenhauses erwähnt wird. Anhaltspunkte für ein ärztliches Eingreifen innerhalb des streitigen Zeitraums bietet lediglich die für den 18. März 2003 erwähnte Krisensituation, die eine zusätzliche Medikation erforderte. Dies allein könnte aber allenfalls zur Bejahung einer Krankenhausbehandlung zu diesem Zeitpunkt für die Dauer von ein oder zwei Tagen führen, nicht aber den gesamten streitigen Zeitraum als Krankenhausbehandlung qualifizieren. Dies würde auch dann nicht der Fall sein, wenn der Versicherte in diesem Zeitraum durchgehend bestimmte Arzneimittel erhalten hätte, soweit sie nur zur Aufrechterhaltung einer bereits eingetretenen psychischen Stabilisierung dienten und keine laufende ärztliche Beobachtung erforderten. Auch die Kontrolle der regelmäßigen Einnahme durch das Krankenpflegepersonal bedeutet allein keine medizinische Behandlung, weil sie medizinisches Fachwissen nicht erforderte. Dass die Arzneimittelgabe im Bereich der häuslichen Krankenpflege als Behandlungspflege und nicht als Grundpflegemaßnahme gilt, die von der Pflegeversicherung zu leisten ist (vgl BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2), steht dem nicht entgegen. Denn die Leistungspflicht der Krankenversicherung entfällt, soweit ein geeigneter Haushaltsangehöriger sich für die Arzneimittelgabe zur Verfügung stellt (§ 37 Abs 3 SGB V). Dies zeigt, dass die Kontrolle einer Arzneimitteleinnahme im Krankenhaus, die in gleicher Weise im häuslichen Umfeld oder in einer geschützten Einrichtung stattfinden könnte, keine Leistung ist, die zur Bejahung einer stationären Behandlung führen könnte. Der erkennende Senat hat dazu bereits in einem anderen Zusammenhang ausgeführt, dass die erbrachten Leistungen für eine vollstationäre Behandlung prägend sein müssen. Der Umstand, dass eine ärztliche Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus stattfindet und der Patient ein Bett auf einer Station belegt, reicht deshalb zur Annahme einer vollstationären Behandlung nicht aus, wenn die Belegung des Bettes nur für einige Stunden vorgesehen ist und ebenso gut in einer Arztpraxis oder in einer Aufwachstation für ambulante Operationen im Krankenhaus hätte erfolgen können (BSGE 92, 223 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1).
Sollte nach den genannten Kriterien eine Krankenhausbehandlung des Versicherten zu verneinen sein, entfiele ein weiterer Vergütungsanspruch der Klägerin, weil die erbrachte Krankenhausbehandlung dann mit den bereits geleisteten Zahlungen vergütet worden wäre. Die Klägerin könnte allenfalls einen Anspruch gegen die Beklagte wegen der aus der Krankenhausapotheke erfolgten weiteren Arzneimittelversorgung des Versicherten haben, soweit sie notwendig war.
Den Krankenhäusern ist es allerdings nur in den ausdrücklich gesetzlich erwähnten Fällen erlaubt, Arzneimittel aus der Krankenhausapotheke an Patienten abzugeben. In erster Linie handelt es sich dabei um Patienten, die in dem Krankenhaus vollstationär, teilstationär, vor- oder nachstationär (§ 115a SGB V) behandelt, ambulant operiert oder im Rahmen sonstiger stationsersetzender Eingriffe (§ 115b SGB V) versorgt werden, ferner um Patienten, die durch Krankenhausambulanzen oder durch zur ambulanten Versorgung ermächtigte Krankenhausärzte versorgt werden, schließlich um die Überbrückungsversorgung nach Entlassung aus dem Krankenhaus an Wochenenden und Feiertagen sowie um die Abgabe der Arzneimittel an Krankenhauspersonal für den eigenen Bedarf (§ 14 Abs 7 Sätze 2 bis 4 Apothekengesetz ≪ApoG≫ vom 20. August 1960 ≪BGBl I 697≫ idF des Änderungsgesetzes vom 15. Juni 2005 ≪BGBl I 1642≫). Diese Ausnahmen liegen beim Fehlen einer stationären Behandlung vermutlich nicht vor, insbesondere fehlte es wohl an einer Ermächtigung der Krankenhausärzte zur ambulanten Behandlung der bei dem Versicherten noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen. Das LSG wird dazu erforderlichenfalls weitere Feststellungen zu treffen haben.
Einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung stehen übergeordnete Gesichtspunkte des öffentlichen Rechts entgegen. Das BSG verneint derartige Erstattungsansprüche immer dann, wenn zwingende Gründe die Einhaltung von Leistungsvoraussetzungen in der Krankenversicherung erfordern, weil sonst die Funktionsfähigkeit des Systems der Leistungserbringung in Frage gestellt würde. Dabei geht es vor allem um die Einhaltung von Vorschriften, die die Qualität der Leistungserbringung sichern und deren Überprüfung erleichtern sollen (vgl BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6 S 35 f; SozR 4-2500 § 39 Nr 3). Nur soweit diese Fragen keine Rolle spielen und bestimmte Vorschriften reine Ordnungsfunktion haben, besteht kein Grund, dem Leistenden trotz der Entlastung der Krankenkasse eine Entschädigung zu versagen (BSGE 92, 223 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1).
Die Vorschriften über die Befugnis der Krankenhausapotheken zur Arzneimittelabgabe sind aber keine bloßen Ordnungsvorschriften, sondern Schutzvorschriften zu Gunsten der Offizinapotheken, deren Verletzung zwingend den Ausschluss jeglicher Vergütung zur Folge haben müsste. Denn die grundsätzliche Öffnung der Krankenhausapotheken für die ambulante Versorgung ergäbe einen ungleichen Wettbewerb (vgl Gesetzesbegründung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, zu § 14 Abs 4 Satz 3 ApoG, BT-Drucks 15/1525 S 161), weil die Krankenhäuser nicht den Preisbindungsvorschriften der Arzneimittelpreisverordnung unterlegen und auf eine günstigere Kostenstruktur zurückgreifen könnten als Offizinapotheken (vgl dazu Koller, ApoR 2006, 20).
Nur wenn die Voraussetzungen einer Krankenhausbehandlung zu bejahen sind, wird das LSG zu prüfen haben, ob sie in dem durchgeführten Umfange notwendig und ausreichend war. Dies ist angesichts des Umstandes, dass die Krankenhausärzte eine Unterbringung des Versicherten in einer geschlossenen Einrichtung für ausreichend gehalten haben, zweifelhaft. Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ergibt sich jedenfalls nicht daraus, dass die in Aussicht genommene Pflegeeinrichtung faktisch nicht zur Verfügung stand, weil sie ihre Bereitschaft zur Aufnahme des Versicherten von einer Kostenzusage des zuständigen Sozialhilfeträgers abhängig gemacht hat. Das Risiko, eine geeignete Unterkunft zu finden, trägt nicht die Krankenkasse, wenn die spezifischen Mittel eines psychiatrischen Krankenhauses zur Behandlung einer Erkrankung nicht mehr erforderlich waren und auch nicht eingesetzt wurden. Das Vergütungsrisiko für eine nicht notwendige Krankenhausbehandlung trägt vielmehr das Krankenhaus, weil die Notwendigkeit der Behandlung gesetzliche Anspruchsvoraussetzung ist, es sei denn, der Versicherte verpflichtet sich selbst durch ausdrückliche privatrechtliche Vereinbarung zur Kostentragung. Das gilt sinngemäß auch für die bloße Gewährung von Unterhalt und Verpflegung, sofern sich nicht für einen mittellosen Patienten der Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme bereit erklärt (Hilfe in sonstigen Lebenslagen, vgl § 73 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch). Etwaige Arzneimittel müssten durch einen Vertragsarzt verordnet werden. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Mai 2004 (B 3 KR 18/03 R – BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2), auf die sich das LSG stützt. Der seinerzeit entschiedene Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden dadurch, dass dort die Krankenhausärzte eine Weiterbehandlung des Versicherten durchführten und dafür auch ein psychiatrisches Krankenhaus für erforderlich hielten, während die Krankenkasse auf der Grundlage eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) die Auffassung vertreten hatte, eine ambulante Behandlung bei Heimunterbringung oder Unterbringung in einer sog Komplementäreinrichtung reiche aus. Im vorliegenden Fall waren sich die behandelnden Krankenhausärzte aber bewusst, dass die Unterbringung des Versicherten in einem ihnen bereits bekannten Heim ausreichend sein würde. Nur für den Fall, dass zwischen den behandelnden Krankenhausärzten und den Ärzten des MDK Meinungsverschiedenheiten über die Notwendigkeit einer weiteren Krankenhausbehandlung bestehen, hat es der erkennende Senat für entscheidend gehalten, ob die nach Prüfung der konkret vorhandenen alternativen Behandlungsmöglichkeiten getroffene Entscheidung des Krankenhausarztes, die Behandlung stationär fortzusetzen, auf fachgerechten Erwägungen, insbesondere auf einer fachlich einwandfrei getroffenen Risikoabwägung beruht. In einem solchen Fall steht dem Krankenhaus für die weitere Behandlung eine Vergütung zu, weil das Krankenhaus nur eine fachgerechte Behandlung schuldet ohne Rücksicht auf das Ausbleiben befürchteter Risiken oder den Eintritt des erhofften Heilungserfolges. Dies gilt jedenfalls solange, wie dem Versicherten nicht die weitere Krankenhausbehandlung durch vollziehbaren Bescheid der Krankenkasse versagt worden ist. Der Einwand, es hätten alternative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden, reicht zur Versagung einer Vergütung nicht aus, es sei denn, die alternative Behandlung wäre bei gleicher Wirksamkeit kostengünstiger gewesen. Der pauschale Einwand, es hätten ambulante Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden, reicht nur dann aus, wenn solche Behandlungsmöglichkeiten flächendeckend vorhanden sind, sodass sie vom behandelnden Krankenhausarzt ohne weiteres in Erwägung gezogen werden können, oder wenn solche Einrichtungen zwar nicht flächendeckend vorhanden, dem behandelnden Krankenhausarzt aber bekannt sind oder von Seiten der Krankenkassen oder des MDK benannt werden. Die Entscheidung eines Krankenhausarztes, einen Psychiatriepatienten bei fortdauernder Behandlungsbedürftigkeit und Suizidgefahr nicht zu entlassen, weil ihm eine ambulante ärztliche Weiterbehandlung in einer normalen Pflegeeinrichtung nicht ausreichend erscheint, während ihm spezielle Einrichtungen für derart psychisch erkrankte Personen mit der erforderlichen medizinischen Betreuung durch Vertragsärzte und fachlich geschultes Heimpersonal nicht bekannt sind, ist anzuerkennen und begründet die Notwendigkeit der weiteren Krankenhausbehandlung, selbst wenn eine ambulante Behandlungsform bei Erfüllung weiterer Bedingungen denkbar gewesen wäre. Da es auf den jeweiligen Kenntnisstand des behandelnden Krankenhausarztes ankommt, muss in derartigen Fällen seine Entscheidung als fachgerecht eingestuft werden.
Ein Anlass, das Vergütungsverlangen der Klägerin unter Anlegung dieses Maßstabes zu prüfen, besteht aber erst dann, wenn feststeht, dass tatsächlich eine Krankenhausbehandlung im oben beschriebenen Sinne stattgefunden hat, wozu das LSG die notwendigen Feststellungen unter Auswertung der Behandlungsunterlagen, der bisher eingeholten Sachverständigengutachten sowie eventuell weiterer Gutachten zu treffen haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1742301 |
GesR 2007, 427 |
PflR 2007, 302 |
HzA aktuell 2007, 36 |
R&P 2007, 140 |
ZfSSV 2007, 114 |