Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Kosten eines Krankentransports.
Die M… in wohnhafte Klägerin ist bei der beklagten Ersatzkasse gegen Krankheit versichert. Im April 1976 verbrachte sie zusammen mit ihrem sprach- und querschnittgelähmten Ehemann und ihrer damals 14jährigen Tochter einen Urlaubsaufenthalt in B. Bei den Vorbereitungen zur Rückreise erlitt sie am 22. April 1976 einen Fußgelenksbruch links. Daraufhin wurde sie in das - nächstgelegene - Kreiskrankenhaus O…H… gebracht und dort einstweilen medizinisch versorgt. Die Kosten dieses Krankentransports hat die Beklagte im Verlaufe des späteren sozialgerichtlichen Verfahrens übernommen; insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.
Nach der einstweilen medizinischen Versorgung im Kreiskrankenhaus C… forderte die Klägerin, zur Durchführung der medizinisch notwendigen stationären Behandlung in das St. N… -Krankenhaus nach M… transportiert zu werden, weil sie nur dort in der Lage sei, ihren Ehemann und ihr Kind ordnungsgemäß zu versorgen. Der Transport wurde mit einem Krankenfahrzeug durchgeführt. Die Beklagte weigerte sich, die dadurch entstandenen Kosten in Höhe von 3.645,75 DM zu tragen. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Koblenz hat die Klägerin weiterhin von der Beklagten die Übernahme der Transportkosten gefordert. Das SG hat die Beklagte zur Tragung der Kosten verurteilt (Urteil vom 11. Mai 1977). Es hat die Auffassung vertreten, daß der Transport nach M… aus zwingenden Gründen erfolgt sei. Die Notwendigkeit eines Transportes sei nicht nur aus dem körperlichen Zustand des Versicherten abzuleiten, es komme auch auf seine psychischen Verhältnisse und damit auf seine familiäre Situation an. Die Klägerin habe aufgrund des Zustandes ihres Ehemannes und ihres Kindes nur die Möglichkeit gesehen, die ganze Familie im Krankentransportwagen nach Hause verbringen zu lassen. Dort seien auch ihre Heilungschancen günstiger gewesen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. November 1977): Wenn auch für die Transportkosten eine eigene Regelung durch § 194 der Reichsversicherungsordnung (RVO) getroffen werde, so seien diese Aufwendungen sachlich Nebenkosten der Krankenhilfe. Die Beklagte sei nach dem Grundsatz des § 182 Abs. 2 RVO nur verpflichtet gewesen, der auswärts erkrankten Versicherten Krankenhilfe im nächsterreichbaren Krankenhaus - also in O… - zur Verfügung zu stellen. Ein zwingender Grund, die Klägerin nach ihrem Heimatort zu transportieren, habe nicht vorgelegen. Ein solcher Grund könne auch nur in der Person des Versicherten selbst liegen und müsse in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erkrankung stehen. Im vorliegenden Rechtsstreit sei der Heimtransport unstreitig nicht wegen der Erkrankung der Klägerin, sondern in erster Linie wegen der Versorgung des Ehemannes erfolgt. Die medizinische Versorgung der Klägerin hätte ebenso gut im Kreiskrankenhaus durchgeführt werden können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin. Sie rügt eine unrichtige Anwendung des § 194 Abs. 1 RVO. Sie trägt vor, daß sie sich nach der Untersuchung und Diagnosestellung im Kreiskrankenhaus O… im Hinblick auf den völlig hilflosen Ehemann und das unversorgte Kind in einer Streßsituation befunden habe und aus dieser heraus nur den Entschluß habe fassen können, nach Hause zu fahren. Diese psychologische Situation begründe die Notwendigkeit des Rücktransportes. Hinzu komme, daß nur eine befriedigende Regelung der schwierigen familiären Situation sie von ihrer psychischen Belastung habe befreien können.
Die Klägerin beantragt;
1. |
Das Urteil des Landessozialgerichts vom 24. November 1977 wird aufgehoben. |
2. |
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen. |
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Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß die Kosten des Transportes von O… nach M… nicht der Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung diente, es handele sich dabei vielmehr um die Rückreise nach einem Urlaub. Das Risiko einer Urlaubsreise sei dem privaten Bereich zuzurechnen. Der eigentliche Grund des Rücktransports sei der Zustand des Ehemannes der Klägerin gewesen. Das werde durch die Transportanweisung des Deutschen Roten Kreuzes bestätigt. Auf ihr sei vermerkt, daß der Transport wegen der Versorgung des sprach- und querschnittgelähmten Gatten erforderlich sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten des Transportes im Krankenwagen vom Kreiskrankenhaus O… zum St. N… -Krankenhaus in M…zu tragen.
Die Regelung des § 194 Abs. 1 RVO bietet für die Forderung der Klägerin keine Anspruchsgrundlage. Diese Vorschrift ist durch § 21 Nr. 14 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 - RehaAnglG - (BGBl. I 1881) neu geschaffen worden. Bis zum Inkrafttreten des RehaAnglG war die Übernahme der Transportkosten nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, doch wurden derartige Kosten von der Krankenkasse übernommen, weil sie rechtlich als eine unselbständige Nebenleistung zu einer vom Gesetz vorgeschriebenen Hauptleistung - wie z.B. Krankenhauspflege - angesehen wurden (vgl. BSGE 32, 225, 226). Ab 1. Oktober 1974 ist jedoch durch das Inkrafttreten des § 194 RVO die bisherige Gesetzeslücke ausgefüllt worden. Da der vorliegende Rechtsstreit einen nach Inkrafttreten des RehaAnglG liegenden Zeitraum betrifft, ist diese Vorschrift anzuwenden. Es bedarf demgemäß im vorliegenden Fall auch keiner weiteren Erörterung der zuvor geltenden Rechtslage.
Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 RVO werden die im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung der Krankenkasse erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten sowie die Kosten des erforderlichen Gepäcktransportes für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson von der Krankenkasse übernommen. Die Klägerin bedurfte aufgrund des am 22. April 1976 erlittenen Fußgelenkbruches der stationären Behandlung. Da sich der Unfall an ihrem Urlaubsort H… ereignete, machte sich ein Transport vom Unfallort zum nächstgelegenen Krankenhaus, dem Kreiskrankenhaus O… erforderlich. Die Verpflichtung, das nächstgelegene Krankenhaus aufzusuchen, folgt aus § 184 Abs. 2 i.V.m. § 182 Abs. 2 (vgl. auch § 220 Satz 1 , § 219 Abs. 1 RVO). Die Kosten dieses Transportes hatte die Beklagte nach § 194 Abs. 1 Satz 1 RVO zu tragen. Sie hat sie im Laufe des Rechtsstreits auch übernommen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.
Bei der mittels eines Krankenfahrzeugs durchgeführten Weiterfahrt der Klägerin Von C… nach ihrem Wohnort M… zwecks Weiterbehandlung in dem dortigen St. N… -Krankenhaus dagegen handelte es sich nicht um einen Transport i.S. des § 194 Abs. 1 Satz 1 RVO. Ein Krankentransport, dessen Kosten nach dieser Vorschrift von der Krankenkasse zu übernehmen sind, liegt nur dann vor, wenn die Kassenleistung dem Versicherten an einem bestimmten Ort zu gewähren ist und der Transport lediglich dazu dient, ihn zu diesem Ort zu befördern. Die eigentliche Kassenleistung und der Transport müssen im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stehen. An diesem Rangverhältnis hat sich nichts geändert, auch wenn die Verpflichtung zur Übernahme der Fahrtkosten nunmehr in § 194 RVO eine selbständige Regelung erfahren hat. Die notwendige Hauptleistung war hier die stationäre Behandlung der Klägerin. Diese hätte nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ebenso im Kreiskrankenhaus O… durchgeführt werden können. Demgemäß hat die Beklagte mit der Übernahme der Transportkosten von H… zum Kreiskrankenhaus O… ihre aus § 194 RVO erwachsene Verpflichtung erfüllt. Die Kosten des Weitertransports der Klägerin von O… nach M… hat sie nicht zu tragen; denn nicht die Erkrankung der Klägerin, sondern ihre Urlaubsreise bildete die wesentliche Ursache dieses Rücktransportes nach ihrem Wohnort. Seine Kosten sind mithin primär durch die Urlaubsreise der Klägerin entstanden und deshalb von ihr selbst zu tragen (vgl. Urteil des Senats vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 75/77 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Im übrigen stellt sich der Weitertransport der Klägerin von C… nach M… inhaltlich als ein Wechsel des Krankenhauses dar; auch das LSG spricht in dem angefochtenen Urteil von einer "Verlegung" der Klägerin. Dieser Wechsel des Krankenhauses geht auf eine von der Klägerin selbst getroffene Entscheidung zurück; sie glaubte, in M… ihre Angehörigen besser versorgen zu können, allerdings hat sie nichts näheres darüber vorgetragen, wie sie trotz ihrer stationären Unterbringung im Krankenhaus ihren Ehemann und ihr 14jähriges Kind hätte versorgen wollen. Selbst wenn man annimmt, sie habe ihre Angehörigen von dem St. N… -Krankenhaus in M… aus leichter erreichen und damit auch betreuen können, vermag dieser Gesichtspunkt den Wechsel des Krankenhauses nicht zu begründen. Ein solcher Wechsel mit der Folge einer Kostenpflicht der Krankenkasse für den Verlegungstransport kann nur auf Gründen beruhen, die in der Art und Weise der Krankheitsbehandlung liegen. So kann ein Wechsel begründet sein, wenn das zunächst aufgesuchte Krankenhaus nicht über die Einrichtungen verfügt, die zur Bekämpfung der gerade beim Versicherten festgestellten Krankheit erforderlich sind. Die befriedigende Gestaltung familiärer Verhältnisse oder die Erledigung familiärer Verpflichtungen zu ermöglichen - so wünschenswert das sein mag -, gehört hingegen nicht zu den der gesetzlichen Krankenversicherung obliegenden Aufgaben. Damit würde ihr Leistungsbereich überschritten, das System der sozialen Sicherheit sieht für derartige Fälle andere Arten von Hilfe vor. Für die Annahme, daß die Klägerin bei weiterem Verbleiben im O… -Krankenhaus in eine psychische Krankheit verfallen wäre, fehlen jegliche Anhaltspunkte, auch die Klägerin stellt keine dahingehenden Behauptungen auf.
Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des Senats vom 24. Februar 1971 (BSGE 32, 225) vermag ihren Anspruch, ebenfalls nicht zu stützen. Wie bereits erwähnt, hat sich inzwischen die Rechtslage geändert. Darüber hinaus hat der Senat aber auch im jenem Urteil betont, daß die Erstattungspflicht der Krankenkasse bei auswärts erkrankten Mitgliedern auf solche Beförderungskosten beschränkt ist, die ausschließlich und unmittelbar mit der Krankheit selbst zusammenhängen (a.a.O. S. 227). Insoweit weist die jetzige Rechtslage keinen Unterschied zu der vor Einführung des § 194 RVO auf; im übrigen hat jedoch der Senat die angeführte Entscheidung teilweise aufgegeben und das im einzelnen im dem Urteil vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 75/77 - näher erläutert.
Da der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Transportkosten vom Kreiskrankenhaus O… zum St. N…-Krankenhaus M… zusteht, war ihre Revision gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
BSGE, 139 |
Breith. 1980, 10 |
Breith. 1980, 267 |