Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. November 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Kindergeldbewilligung für seine 1989 und 1993 geborenen Kinder nach Ablauf des Monats Februar 1994. Er lebt mit den Kindern und ihrer Mutter, mit der er nicht verheiratet ist, in einem Haushalt. Er wurde für beide Kinder als Kindergeldberechtigter benannt. Durch Bescheid vom 21. Januar 1994 hob die Beklagte die Bewilligung des Kindergeldes mit Ablauf des Monats Dezember 1993 auf, weil aufgrund einer Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) eine Berechtigtenbestimmung bei unverheirateten Eltern sowie dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten nicht mehr zulässig sei. Das Kindergeld erhalte nunmehr derjenige Elternteil, der die alleinige Personensorge bzw das alleinige Erziehungsrecht innehabe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. März 1994, geändert durch Bescheid vom 21. Juli 1995).
Klage und Berufung blieben gleichfalls ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Oldenburg vom 19. Januar 1995 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen vom 16. November 1995). Nach Auffassung des LSG hat die Beklagte die Kindergeldbewilligung zu Recht gemäß § 48 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben, weil der Kläger aufgrund der zum 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Änderung des § 3 Abs 3 Satz 1 BKGG nicht mehr zum Kindergeldberechtigten habe bestimmt werden können. Eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs 1 BKGG (idF des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms ≪1. SKWPG≫) auf nicht verheiratete Elternpaare komme nicht in Betracht, weil es gerade der Zweck der Neuregelung gewesen sei, die Möglichkeit der Berechtigtenbestimmung unter nicht verheirateten Elternpaaren auszuschließen. Die Neuregelung des § 3 Satz 1 BKGG verstoße nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG): Eine Ungleichbehandlung nicht verheirateter Elternpaare gegenüber Ehegatten sei nach der Wertordnung des GG sachlich gerechtfertigt, da das GG Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stelle und damit gegenüber nicht verheirateten Elternpaaren privilegiere.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er hält § 3 Abs 3 Satz 1 BKGG idF des 1. SKWPG für verfassungswidrig, weil die Vorschrift gegen Art 1 Abs 1, 3 Abs 1, 6 Abs 1 sowie 20 Abs 1 und 3 GG verstoße. Bei der Anwendung von § 3 Abs 3 Satz 1 BKGG müsse jedoch die zum 1. Januar 1996 in Kraft getretene Neuregelung des Kindergeldrechts berücksichtigt werden. Dem Kläger stünden daher im Hinblick auf § 44 SGB X auch für den hier streitigen Zeitraum Kindergeldansprüche zu.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Oldenburg vom 19. Januar 1995 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. November 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1995 sowie vom 21. Juli 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat zunächst fristgemäß Prozeßkostenhilfe beantragt und für den Fall der Bewilligung die Revisionseinlegung angekündigt. Nach der Gewährung von Prozeßkostenhilfe durch Beschluß vom 26. Februar 1996 hat der Kläger rechtzeitig Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist begründet, da der Kläger unverschuldet an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels gehindert war und die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist des § 67 Abs 2 SGG nachgeholt hat.
In der Sache ist die Revision nicht begründet; sie gibt auch keine Veranlassung, den Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art 100 Abs 1 GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 3 Abs 3 BKGG in der ab 1. Januar 1994 gültigen Fassung des Art 5 Ziff 3b des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S 2353) mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist.
Nach § 3 Abs 3 BKGG idF des 1. SKWPG stand dem Kläger ab 1. Januar 1994 Kindergeld nicht mehr zu, weil er von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zum Kreis der Eltern zählte, der durch übereinstimmende Willenserklärung die Bezugsberechtigung beim Kg bestimmen konnte. Die Beklagte war auch in den Fällen, in denen die Eltern die Berechtigtenbestimmung schon vor dem Inkrafttreten der Neuregelung getroffen hatten, berechtigt, den Leistungsbescheid gegenüber dem nicht mehr bezugsberechtigten Elternteil aufzuheben (vgl im einzelnen hierzu den Beschluß des Senats vom 28. Mai 1997, 14/10 RKg 22/95). Zwar hält der Senat die Neuregelung des § 3 Abs 3 BKGG durch das 1. SKWPG grundsätzlich für verfassungswidrig; die Einholung einer Entscheidung durch das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG setzt aber voraus, daß es auf die Gültigkeit der als verfassungswidrig angesehenen Vorschrift bei der Entscheidung ankommt. Dies ist bereits dann nicht der Fall, wenn lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Gesetzgeber bei Änderung der Vorschrift, soweit sie für andere Betroffene verfassungswidrig ist, auch den Kläger begünstigt (vgl BVerfGE 66, 100; 67, 239; BSG SozR 3-5870 § 10 Nr 6). Selbst dies kann hier, wie noch darzulegen sein wird, ausgeschlossen werden. Nur dann, wenn die Bezugsberechtigung des Klägers selbst aus verfassungsrechtlichen Gründen gewährleistet sein müßte, käme eine Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage an das BVerfG in Betracht.
Zwar war der Kläger seit dem 1. Januar 1994 nicht mehr kindergeldberechtigt, doch erhielt die mit dem Kläger zusammenlebende Mutter der gemeinsamen Kinder Kindergeld in unveränderter Höhe. Hierdurch minderte sich die Unterhaltspflicht des Klägers für seine Kinder, so daß für den Kläger durch die Rechtsänderung kein wirtschaftlicher Nachteil eintrat. Die Bezugsberechtigung nur eines Elternteils mit Vorrang des Sorgeberechtigten oder des Zahlers einer Unterhaltsrente hat das BVerfG (BVerfGE 45, 104, 130) dann als zulässig angesehen, wenn es sich lediglich um eine vorläufige Zuordnung handelt, die innerfamiliär – über die Verrechnung mit Unterhaltszahlungen – ausgeglichen wird und sich nicht auf die Höhe des Kindergeldes auswirkt, wie dies hier der Fall war. Denn weder der Kläger noch seine Lebenspartnerin können Zählkindervorteile geltend machen.
Soweit der Kläger die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs 3 BKGG idF des 1. SKWPG mit dem Einwand angreift, die Regelung habe seine Verfügungsbefugnis über die periodisch anfallenden Kindergeldzahlungen aufgehoben, kommt eine Vorlage an das BVerfG schon deshalb nicht in Betracht, weil eine rückwirkende Wiederherstellung des Verfügungsrechts insoweit auch dann nicht zu erreichen wäre, wenn das BVerfG die Vorschrift als verfassungswidrig ansehen würde. Schließlich kann auch ausgeschlossen werden, daß der Gesetzgeber nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift durch das BVerfG eine Nachzahlung des Kindergeldes auch in solchen Fällen anordnen würde, in denen dem anderen Elternteil Kindergeld in derselben Höhe zugeflossen ist, wie dies hier der Fall war. Eine Wiederherstellung des verfassungsgemäßen Zustandes ist vielmehr nur in der Weise denkbar, daß Differenzbeträge nachgezahlt werden, die bei verfassungsgemäßer Regelung beiden Elternteilen zusammen zusätzlich zugestanden hätten.
Der Kläger kann Kindergeld für die Jahre 1994 und 1995 auch nicht im Wege eines Zugunstenbescheides nach § 44 SGB X verlangen. Zwar läßt die Neuregelung der Bezugsberechtigung beim Kindergeld im Jahressteuergesetz 1996 (BGBl 1995 I 1250) wieder eine Berechtigtenbestimmung auch unter nicht verheirateten Eltern zu, doch ist die entsprechende Regelung zusammen mit einem ganz anders strukturierten Kindergeldrecht erst mit Wirkung vom 1. Januar 1996 in Kraft getreten. Für eine Erstreckung auf zurückliegende Zeiträume bietet die Neuregelung keinen Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen