Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung von Säumniszuschlägen für die Zeit nach Konkurseröffnung
Orientierungssatz
1. Zu den Masseschulden iS des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO gehören auch die Säumniszuschläge für Zeiten nach Konkurseröffnung.
2. Säumniszuschläge dienen dazu, auf den Schuldner Druck auszuüben und den Sozialversicherungsträgern einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zukommen zu lassen (vgl BSG vom 14.6.1984 - 10 RAr 9/83 = USK 8482). Mit der Erhebung von Säumniszuschlägen kann der Konkursverwalter angehalten werden, das Verfahren zügig abzuwickeln und die Massegläubiger umgehend, gegebenenfalls entsprechend der in § 60 Abs 1 KO festgelegten Rangfolge und Quote, zu befriedigen oder wenigstens, wenn eine Mindestquote sicher ist, Abschlagszahlungen in Höhe der Mindestquote zu leisten.
3. Der Anspruch auf Säumniszuschläge steht auch während des Konkursverfahrens im Ermessen des Versicherungsträgers (vgl BSG vom 24.2.1988 - 2 RU 44/87 = BSGE 63, 67, 71). Im Rahmen seiner Ermessensausübung muß der Versicherungsträger auch die Umstände berücksichtigen, die zur Säumnis geführt haben. Denn bei Säumniszuschlägen, die nach Konkurseröffnung gegenüber dem Konkursverwalter festgesetzt werden, darf vor allem nicht außer Betracht bleiben, daß dieser die durch das Konkursverfahren verursachte weitere Verzögerung der Zahlung nur im Rahmen der von der KO eingeräumten Möglichkeiten beeinflussen kann.
Normenkette
KO § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e; SGB 4 § 24 Abs 1; SGB 4 § 24 Abs 2
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 21.12.1989; Aktenzeichen L 7 U 432/89) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 10.01.1989; Aktenzeichen S 6 U 1528/88) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten, wegen rückständiger Beiträge zur Unfallversicherung Säumniszuschläge für eine Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens festzusetzen.
Der Kläger ist Konkursverwalter einer früheren Baufirma, über deren Vermögen am 20. Mai 1986 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Mit Bescheid vom 11. August 1986 forderte die Beklagte von ihm die Überweisung rückständiger Beiträge der Gemeinschuldnerin zur Unfallversicherung für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens in Höhe von 33.833,82 DM einschließlich zunächst erhobener Säumniszuschläge in Höhe von 42,60 DM als Masseschulden nach § 57 Konkursordnung (KO). Als Fälligkeitsdatum war der 15. September 1986 angegeben. Darüber hinaus wies die Beklagte auf ihre Berechtigung hin, Säumniszuschläge in Höhe von 1 vH der rückständigen Beiträge zu erheben, sofern eine Begleichung der Masseschulden binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht erfolgt sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch nahm der Kläger wieder zurück, nachdem er im Mai 1987 die Beitragsschuld beglichen hatte.
Mit Säumniszuschlagbescheid vom 2. Juli 1987 forderte die Beklagte für die Zeit von November 1986 bis April 1987 Säumniszuschläge in Höhe von 2.029,80 DM und wies darauf hin, daß sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) berechtigt sei, auch für die Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens Säumniszuschläge in Rechnung zu stellen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte den Erlaß der Säumniszuschläge, da diese die Zahlungsfähigkeit des Schuldners voraussetzten, was bei einem kurz vor Konkurseröffnung stehenden Beitragsschuldner nicht der Fall sei. Mit Bescheid vom 13. April 1988 lehnte die Beklagte den Erlaß der Säumniszuschläge ab und mit Bescheid vom 14. April 1988 wies sie den Widerspruch unter Einbeziehung der Erlaßentscheidung zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, durch den Säumniszuschlag solle ein Vermögensnachteil ausgeglichen werden. Säumige Zahler sollten nicht besser gestellt sein, als pünktliche Zahler. Ferner sei der durch die verspätete Zahlung entstandene erhöhte Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen. Ein Verzicht auf die Säumniszuschläge würde im übrigen nicht der Gemeinschuldnerin, sondern allein den anderen Massegläubigern und evtl auch den Konkursgläubigern zugute kommen. Dafür bestehe aber kein Anlaß. Auch hinsichtlich der Höhe erscheine der Säumniszuschlag angemessen. So sei für die ersten drei Monate nach Fälligkeit der im Gesetz (§ 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch - SGB IV -) vorgesehene Höchstbetrag von 2 vH nicht voll ausgeschöpft, sondern lediglich ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 vH der rückständigen Masseforderung pro Monat allein für den Monat November 1986 erhoben worden.
Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage hat der Kläger ua vorgetragen, daß es zunächst offen gewesen sei, ob die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger ausreichen werde. Nachdem dies zu übersehen gewesen sei, habe er die Beitragsforderung befriedigt. Im Termin vom 10. Januar 1989 vor dem SG, in dem auch ein Mitarbeiter des Klägers über den Verlauf des Konkursverfahrens vernommen worden ist, hat die Beklagte die ursprüngliche Beitragsforderung um den Betrag von 42,60 DM reduziert und im Anschluß an das erstinstanzliche Verfahren mit Bescheid vom 20. Januar 1989 die Beitragsrückstände auf 33.790,00 DM und die Säumniszuschläge auf 2.027,40 DM neu festgesetzt.
Mit Urteil vom 10. Januar 1989 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1988 und den weiteren Bescheid vom 20. Januar 1989 aufgehoben (Urteil vom 21. Dezember 1989) und zur Begründung ausgeführt: Zwar gehörten nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO auch die Säumniszuschläge zu den Masseschulden, die für Zeiten nach Konkurseröffnung angefallen seien. Die Bescheide seien aber aufzuheben, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft und unvollständig ausgeübt habe. So hätte sie berücksichtigen müssen, daß der Beitragsschuldner die durch die Konkurseröffnung verursachte weitere Verzögerung der Zahlung kaum mehr beeinflussen könne und deshalb die gesetzliche Zweckbestimmung des Säumniszuschlags, ihn zur pünktlichen Beitragszahlung anzuhalten, weitgehend entfalle. Gehe es aber wie hier um ein Druckmittel gegen den Konkursverwalter, dann sei maßgebend, ob die Masse zur vollständigen Befriedigung der Massegläubiger ausgereicht, und ob er den Konkurs zügig abgewickelt habe. Dazu habe die Beklagte keine erkennbaren Erwägungen angestellt. Dies sei hier indessen geboten gewesen. Nach dem Vortrag des Klägers im Klageverfahren sei es zunächst offen gewesen, ob die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger ausreichen werde. Unmittelbar jedoch, nachdem dies zu übersehen gewesen sei, habe der Kläger die Beklagte vorweg aus der Konkursmasse befriedigt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der Vorschriften über die Ermessensausübung. Ihr gegenüber habe der Kläger keine Einwendungen hinsichtlich der Unzulänglichkeit der Masse vorgetragen, so daß sie als Massegläubigerin von deren Zulänglichkeit habe ausgehen können. Eine entsprechende Prüfung, wann der Kläger die Massezulänglichkeit geklärt gehabt habe, sei daher aus ihrer Sicht nicht erforderlich gewesen. Außerdem entsprächen die im Widerspruchsbescheid angestellten Erwägungen im wesentlichen denen, welche sie, die Beklagte, bereits in anderen Verfahren angestellt habe und die vom BSG in zwei Urteilen vom 24. Februar 1988 (2 RU 44/87 und 2/9b RU 48/87) als ausreichend angesehen worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, er halte an der Auffassung fest, Säumniszuschläge für Zeiten nach Eröffnung des Konkursverfahrens seien keine Masseschulden, sondern allenfalls bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO. So habe das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich einen richterlichen Eingriff in die gesetzlich vorgeschriebene Rangfolge der Masse- bzw Konkursforderungen für verfassungswidrig erklärt. Zudem bestehe im Konkurs auch kein Bedürfnis für die Säumniszuschläge als Druckmittel, da der Konkursverwalter bei schuldhafter Verletzung seiner Pflichten nach § 82 KO persönlich hafte. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) und die konkursrechtliche Literaturmeinung verträten die Auffassung, daß die Erhebung von Säumniszuschlägen für Zeiten nach Konkurseröffnung gegen den Zweck der gesetzlichen Ermächtigung verstoße.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1988 und den weiteren Bescheid vom 20. Januar 1989 aufgehoben, da sie den Erfordernissen, die an eine Ermessensentscheidung zu stellen sind, nicht entsprechen.
Grundsätzlich war die Beklagte allerdings entgegen der Ansicht des Klägers zur Erhebung von Säumniszuschlägen berechtigt. Nach § 24 Abs 1 SGB IV kann der Versicherungsträger, der die Beiträge einzuziehen hat, für Beiträge, die der Zahlungspflichtige eine Woche nach Fälligkeit noch nicht entrichtet hat, einen einmaligen Säumniszuschlag bis zur Höhe von 2 vH der rückständigen Beiträge erheben. Darüber hinaus kann für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 vH der rückständigen Beiträge erhoben werden, wenn die Beiträge länger als drei Monate fällig sind (§ 24 Abs 2 Halbs 1 SGB IV).
Über die Rückständigkeit der seit dem 15. September 1986 fälligen, bindend festgestellten Beitragsforderung besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Die Erhebung von Säumniszuschlägen ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb ausgeschlossen, weil über das Vermögen der Beitragsschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Auch handelt es sich bei dem Anspruch der Beklagten auf die Säumniszuschläge um eine Masseschuld iS des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO. Dem steht nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht entgegen, daß es sich um Säumniszuschläge für Zeiten nach Eröffnung des Konkursverfahrens handelt (BSGE 56, 55, 60; SozR 7910 § 59 Nr 13; SozR 4100 § 141n Nr 6; Urteil vom 14. Juni 1984 - 10 RAr 9/83 - = USK 8482; vgl auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 198d mwN; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl, § 59 RdNr 15s; KassKomm - Seewald, § 24 SGB IV Rdn 12). Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat angeschlossen (BSGE 63, 67, 68 f; Urteil vom 24. Februar 1988 - 2/9b RU 48/87 - HV-Info 1988, S 1009 ff). Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers ist kein Grund ersichtlich, hiervon abzuweichen. Bereits der Wortlaut des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO bringt mit der Formulierung "wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Verfahrens" zum Ausdruck, daß nur die Hauptforderung zeitlich begrenzt wird, während die auf sie entfallenden Nebenforderungen auch zu den Masseschulden gehören, soweit sie für Zeiten nach der Konkurseröffnung angefallen sind, weil mit der Konkurseröffnung der Verzug des Gemeinschuldners nicht beseitigt worden ist (BSG Urteil vom 14. Juni 1984 aaO; BSGE 63 aaO). Ob der Gesetzgeber mit einer anderen Formulierung dies hätte noch deutlicher zum Ausdruck bringen können, mag dahinstehen. Zudem entspricht diese Auslegung der Rechtsprechung des BSG zu § 28 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Gesetzes über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl I 1481 ff), der Vorgängervorschrift des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO (siehe im einzelnen die Nachweise in SozR 4100 § 141n Nr 6). Mit der Streichung des § 28 Abs 3 RVO und der Anfügung des Buchst e an § 59 Abs 1 Nr 3 KO ist die Rechtslage nicht geändert, sondern vielmehr durch einen deutlicheren Wortlaut bestätigt worden (BSG SozR 4100 § 141n Nr 6 mwN). Ergibt aber die Auslegung des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO, daß zu den Masseschulden auch die Säumniszuschläge für Zeiten nach Konkurseröffnung gehören, stellt dies keinen "richterlichen Eingriff" in die gesetzlich vorgeschriebene Rangfolge der Konkursforderungen mit der Folge der Verfassungswidrigkeit dar.
In der Erhebung von Säumniszuschlägen nach Konkurseröffnung liegt auch kein Verstoß gegen den Zweck der gesetzlichen Ermächtigung. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG dienen Säumniszuschläge dazu, auf den Schuldner Druck auszuüben und den Sozialversicherungsträgern einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zukommen zu lassen (Urteil vom 14. Juni 1984 aaO mwN). Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Druckfunktion auch im Konkursverfahren gegenüber dem Konkursverwalter neben der Schadensausgleichsfunktion zum Tragen kommt. So hat der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 24. Februar 1988 (aaO und BSGE 63, 67, 70) erläutert, selbst die Eröffnung des Konkursverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 102 KO) schließe nicht aus, daß Mittel zur Deckung der vorweg aus der Konkursmasse zu berücksichtigenden Massekosten und Masseschulden bei Konkurseröffnung vorhanden seien oder der Konkursmasse nachträglich zuflössen, und der Konkursverwalter dann - wie es hier geschehen ist - nach § 57 KO für eine Vorwegbefriedigung zu sorgen habe. Aber selbst wenn sich herausstellt, daß die Masse zur vollständigen Befriedigung der Massegläubiger nicht ausreicht, ist von ihm eine Befriedigung nach der in § 60 Abs 1 KO vorgeschriebenen Reihenfolge und Quote durchzuführen. Mit der Erhebung von Säumniszuschlägen kann der Konkursverwalter angehalten werden, das Verfahren zügig abzuwickeln und die Massegläubiger umgehend, ggfs entsprechend der in § 60 Abs 1 KO festgelegten Rangfolge und Quote, zu befriedigen oder wenigstens, wenn eine Mindestquote sicher ist, Abschlagszahlungen in Höhe der Mindestquote zu leisten.
Das Druckmittel der Säumniszuschläge wird auch nicht durch die Haftungsregelung des § 82 KO entbehrlich. Denn diese setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Konkursverwalters voraus, während für die Zuschläge nach § 24 SGB IV allein die Säumnis des Schuldners erforderlich ist. Auch der Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung des BFH, nach der die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 240 Abgabeordnung 1977 jeden Sinn verliere, wenn die Ausübung eines Drucks auf den Steuerschuldner wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung unmöglich sei, greift nicht durch. Denn bereits die zwischen den Säumniszuschlägen des Steuerrechts und denen des Sozialrechts bestehenden Unterschiede (vgl BSG Urteil vom 23. Oktober 1987 - 12 RK 11/86 - ZIP 1988, S 984 ff) sowie der Umstand, daß Säumniszuschläge im Sozialrecht anders als im Steuerrecht (vgl Tipke/Kruse, Abgabenordnung, 13. Aufl, § 240 RdNr 1) Masseschulden sind und damit Vorrang vor den Konkursforderungen genießen, lassen einen Vergleich nicht zu.
Der Anspruch auf Säumniszuschläge steht auch während des Konkursverfahrens im Ermessen des Versicherungsträgers (BSGE 63, 67, 71 mwN). Nach § 24 Abs 2 SGB IV ist ihm dabei ein Ermessensspielraum allein darüber eingeräumt, ob er überhaupt Säumniszuschläge erheben will, während § 24 Abs 1 SGB IV einen Ermessensspielraum auch darüber einräumt, ob die Höchstgrenze von 2 vH ausgeschöpft werden soll (BSGE 63, 67, 72 f mwN). Pflichtgemäßes Ermessen setzt nicht nur voraus, daß die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat, erforderlich ist darüber hinaus, daß das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt wird (BSG Urteile vom 14. Juni 1982 aaO; 20. Juli 1988 - 12 RK 53/86 - ZIP 1988, S 1342 ff; BSGE 64, 24, 27). Daran fehlt es hier. Zwar hatte die Beklagte Ermessenserwägungen angestellt, wenn auch erst aufgrund des Widerspruchs des Klägers. Das mag zu beanstanden sein, führt allein jedoch noch nicht zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Denn hat ein Vorverfahren stattgefunden, ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (s § 95 SGG). Mängel, die dem ursprünglichen Verwaltungsakt anhaften, können durch das Widerspruchsverfahren geheilt werden. Das gilt auch bei anfänglicher Nichtausübung des Ermessens oder wenn die Begründung des ursprünglichen Verwaltungsakts entgegen § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X nicht die Gesichtspunkte erkennen läßt, von denen die Behörde bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Ausdrücklich sieht § 41 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 SGB X vor, daß eine Verletzung der Begründungspflicht unbeachtlich ist, wenn die erforderliche Begründung bis zum Abschluß des Vorverfahrens nachgeholt wird (s auch BSG Urteil vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 -). Im Hinblick auf Besonderheiten des Falles hätte die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung aber nicht nur - wie geschehen - ganz allgemein "die vorliegenden Verhältnisse" erwähnen, sondern die Umstände berücksichtigen müssen, die zur Säumnis geführt haben. Denn bei Säumniszuschlägen, die nach Konkurseröffnung gegenüber dem Konkursverwalter festgesetzt werden, darf vor allem nicht außer Betracht bleiben, daß dieser die durch das Konkursverfahren verursachte weitere Verzögerung der Zahlung nur im Rahmen der von der KO eingeräumten Möglichkeiten beeinflussen kann. So sind selbst Masseschulden und Massekosten erst dann zu befriedigen, wenn sich herausgestellt hat, daß die Konkursmasse zu deren vollständigen Befriedigung ausreicht. Andernfalls hat die Befriedigung nach der Rangordnung und Quote des § 60 Abs 1 KO zu erfolgen (Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 57 RdNr 1a).
Die Ausführungen der Beklagten auch im Widerspruchsbescheid vom 14. April 1988 lassen nicht erkennen, daß die Beklagte diese Umstände berücksichtigt und gegeneinander abgewogen hat. Allein der Hinweis auf den durch die Erhebung von Säumniszuschlägen bewirkten pauschalen Schadensausgleich und den weiteren allgemeinen Zweck, säumige Zahler nicht besser zu stellen als pünktliche, trägt dem umfassenden Zweck der Säumniszuschläge im vorliegenden Fall nicht ausreichend Rechnung. So hatte der Kläger weniger als ein Jahr nach Erhalt des Beitragsbescheides die Forderung der Beklagten aus der Konkursmasse bereits befriedigt. Dieser Umstand war der Beklagten auch bei Erlaß des Säumniszuschlagsbescheides bekannt.
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger darauf hingewiesen, daß eine schnellere Abwicklung nicht möglich gewesen sei. Gegebenenfalls wird die Beklagte das besonders zu erwägen haben.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf die bereits zitierten Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24. Februar 1988 (aaO) berufen. Zwar enthielten die dort angefochtenen Bescheide auch keine Ausführungen zum Zweck der Druckausübung von Säumniszuschlägen. Dort stand aber sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im sozialgerichtlichen Verfahren allein die Erhebung von Säumniszuschlägen für die Zeit nach Konkurseröffnung aus grundsätzlichen Erwägungen in Streit. Besonderheiten wie im vorliegenden Fall wurden dort vom Kläger nicht vorgetragen und waren auch nicht ersichtlich. So war es, anders als hier, auch nach drei Jahren noch nicht zu einer Befriedigung der Beitragsansprüche gekommen, ohne daß dafür Gründe dargelegt wurden (s BSGE 63, 69, 72).
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1667501 |
ZIP 1991, 880 |