Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 199O wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Überbrückungsgeld auf Zeit.
Der am 23. Juli 1942 geborene Kläger war als Seemann in der Deutschen Handelsschiffahrt rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Er schied dort am 3O. Juni 1985 aus. Seit dem 1. Juli 1985 übt er eine Beschäftigung außerhalb der Seefahrt aus. Der Kläger war insgesamt 234 Kalendermonate in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Seekasse (Rentenversicherung für Seeleute) versichert. Vom 3. Juli 1961 bis 3O. September 1963 gehörte der Kläger als Soldat auf Zeit der Deutschen Bundeswehr (Bundesmarine) an. Für diesen Zeitraum wurde er mit insgesamt 27 Kalendermonaten von der Bundesrepublik Deutschland nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Seekasse nachversichert.
Am 1. April 1986 beantragte der Kläger bei der Beklagten Überbrückungsgeld auf Zeit gemäß § 891a Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Er gab dabei an, auf Dauer aus der Seefahrt ausgeschieden zu sein.
Durch Bescheid vom 1O. Juni 1986 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 2O. Januar 1987 der Klage insoweit stattgegeben, als es den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen, da der Kläger die hierfür gemäß § 891a RVO iVm der Satzung der Beklagten erforderliche Wartezeit von 24O Kalendermonaten nicht erfülle (Urteil vom 18. Dezember 1990). Der streitige Zeitraum der Dienstzeit bei der Bundesmarine vom 3. Juli 1961 bis 30. September 1963 sei nicht nach § 24 Abs 2 iVm § 7 Nr 1 der Satzung der Beklagten versichert gewesen. Mit der Nachversicherung zur gesetzlichen Rentenversicherung werde die Dienstzeit nicht zwangsläufig zu einer bei der See-Berufsgenossenschaft unfallversicherten Seefahrtzeit.
Mit seiner Revision, die vom LSG zugelassen ist, rügt der Kläger eine Verletzung des materiellen Rechts und des Gleichheitsgrundsatzes nach Art 3 Grundgesetz (GG).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des LSG vom 18. Dezember 199O aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Freiburg vom 20. Januar 1987 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Überbrükungsgeld auf Zeit, weil der Kläger die hierfür erforderliche Wartezeit von 24O Kalendermonaten nicht zurückgelegt hat.
Gesetzliche Grundlage für den Anspruch des Klägers ist § 891a RVO iVm der Satzung der Beklagten. Nach § 891a Abs 1 RVO – eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1973 durch Art 1 § 4 Nr 2 Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S 1965), Abs 1 Sätze 1 und 2 neu gefaßt mit Wirkung vom 11. Juni 1976 durch § 15 Nr 8 des 19. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) vom 3. Juni 1976 (BGBl I S 1373) – kann die See-Berufsgenossenschaft unter ihrer Haftung mit Genehmigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung für die Gewährung eines Überbrückungsgeldes nach Vollendung des 55. Lebensjahres sowie eines Überbrückungsgeldes auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt an Seeleute sowie Küstenschiffer und Küstenfischer, die nach § 539 Abs 1 Nr 6 RVO versichert sind, eine Seemannskasse mit eigenem Haushalt einrichten. Die Mittel für die Seemannskasse sind im Wege der Umlage durch die Unternehmer aufzubringen, die bei ihr versichert sind oder bei ihr Versicherte beschäftigen. Das Nähere, insbesondere über die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen sowie die Festsetzung und die Zahlung der Beiträge, bestimmt die Satzung der Seemannskasse; die Satzung kann auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen. Die Satzung bedarf der Genehmigung des Bundesversicherungsamtes.
Nach § 9 Abs 1 der Satzung der Beklagten in der ab 1. Januar 1985 geltenden Fassung ihres 14. Nachtrages vom 14. August 1985 erhält ein Versicherter von der Beklagten allgemein nur dann Überbrückungsgeld auf Zeit (§ 8 Nr 1 der Satzung), wenn
- er unter anderem auf Dauer als Seemann nicht mehr tätig ist,
- die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder eines Altersruhegeldes nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherungen nicht vorliegen,
- er die Wartezeit nach § 9 Abs 2 Satz 1 der Satzung in Form einer nach § 7 Nr 1 der Satzung versicherungspflichtigen Seefahrtzeit von 24O Kalendermonaten zurückgelegt hat und
- die in § 1O der Satzung genannten besonderen Voraussetzungen erfüllt.
Für das Überbrückungsgeld auf Zeit, wie es der Kläger geltend macht, kommen demnach nach § 1O Abs 1 der Satzung spezielle Leistungsvoraussetzungen hinzu, nämlich: Vollendung des 4O. Lebensjahres, Nichtvollendung des 52. Lebensjahres und die Zurücklegung einer nach § 7 der Satzung versicherungspflichtigen Seefahrtzeit von 6O Kalendermonaten nach Vollendung des 35. Lebensjahres.
Die allgemeinen leistungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Überbrückungsgeldes auf Zeit nach §§ 8 Nr 1, 9 Abs 1 und 1O Abs 1 der Satzung sind in der Person des Klägers erfüllt.
Unter den Beteiligten wird allein noch um die Frage gestritten, ob der Kläger die Wartezeit für das Überbrückungsgeld auf Zeit gemäß § 9 Abs 2 der Satzung erfüllt hat. Insofern ist wiederum unstreitig, daß er weder seit dem Inkrafttreten der Satzung am 1. Januar 1974 noch unter Einschluß der vor diesem Zeitpunkt zurückgelegten Seefahrtzeiten die danach erforderliche versicherungspflichtige Seefahrtzeit von 24O Kalendermonaten zurückgelegt hat. Diese umfaßt nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) einen Zeitraum von lediglich 234 Kalendermonaten. Bei dieser Sachlage ist streitentscheidend, ob auf die Wartezeit für das Überbrückungsgeld auf Zeit auch die Zeiten des Klägers als Soldat auf Zeit bei der Bundesmarine vom 3. Juli 1961 bis 3O. September 1963 angerechnet werden können. Dies ist nicht der Fall.
Rechtsgrundlage für die Anrechnung des Zeitraumes vom 3. Juli 1961 bis 3O. September 1963 ist § 24 Abs 2 der Satzung der Beklagten. Danach werden bei Versicherten, die nach dem 31. Dezember 1973 aus der Seefahrt ausscheiden, Seefahrtzeiten als Arbeitnehmer, die vor Inkrafttreten der Satzung zurückgelegt sind, auf die Wartezeit (§ 9 Abs 2) für Leistungen nach § 8 angerechnet, wenn sie nach dieser Satzung versichert gewesen wären. Hinsichtlich auf die Wartezeit möglicherweise anrechenbarer Zeiten ist somit im Wege der Fiktion zu unterstellen, daß die Satzung in ihrer bei Eintritt des Versicherungsfalles maßgebenden Fassung bereits während der Zurücklegung der fraglichen Zeit gegolten hat und sodann zu prüfen, ob diese Zeit nach der Satzung versichert ist (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 22OO § 891a RVO Nr 4).
Dies richtet sich hier nach § 7 Nr 1 der Satzung. Danach werden bei der Beklagten Seeleute versichert, die auf Seefahrzeugen gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung ohne Entgelt rentenversicherungspflichtig oder nach § 2 Abs 3 4. Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) rentenversichert beschäftigt und bei der See-Berufsgenossenschaft unfallversichert sind. Damit gehören dem Kreis der bei der Beklagten Versicherten nicht Personen an, die in einem für Rechnung des Bundes gehenden, der Seefahrt dienenden Unternehmen (§ 835 RVO), für welches der Bund Träger der See-Unfallversicherung ist (§ 85O Abs 3 Satz 1 RVO), tätig sind (BSG SozR 21OO § 13 SGB 4 Nr 2).
Der hier streitige Zeitraum der Dienstzeit bei der Bundesmarine vom 3. Juli 1961 bis 3O. September 1963 wäre entgegen der Auffassung des Klägers nicht iS von § 24 Abs 2 der Satzung nach § 7 Nr 1 der Satzung versichert gewesen.
Zwar steht der Kläger aufgrund der gemäß § 1232 Nr 3 RVO durchgeführten Nachversicherung zur gesetzlichen Rentenversicherung bei der Seekasse so, wie wenn er in dem hier streitigen Zeitraum versicherungspflichtig beschäftigt gewesen wäre. Mit der Nachversicherung zur gesetzlichen Rentenversicherung wird diese Dienstzeit aber nicht zwangsläufig zu einer bei der See-Berufsgenossenschaft unfallversicherten Seefahrtzeit. Welche Beschäftigungsverhältnisse dem Unfallversicherungsschutz in der See-Unfallversicherung unterliegen, ist in § 835ff RVO geregelt. Nach § 835 RVO umfaßt die See-Unfallversicherung die der Seefahrt (Seeschiffahrt u. Seefischerei) dienenden Unternehmen und die in ihnen tätigen gegen Arbeitsunfall Versicherten. Träger der See-Unfallversicherung ist gemäß § 85O Abs 1 RVO die See-Berufsgenossenschaft. Dies gilt nach § 85O Abs 3 Satz 1 RVO nicht für den Bund. Dieser ist selbst Träger der Unfallversicherung, wenn das Unternehmen für seine Rechnung geht. Zu diesen im Eigentum des Bundes stehenden Schiffen, die regelmäßig für Rechnung des Bundes betrieben werden, gehören die Fahrzeuge der Bundesmarine (Watermann, in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, 3. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln, Stand: 1. Dezember 199O, RdNr 1O zu § 85O RVO), so daß die auf den Schiffen der Bundesmarine zurückgelegten Dienstzeiten nicht durch die See-Berufsgenossenschaft unfallversichert sind. Durch die bloße Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung kann somit eine Unfallversicherung bei der See-Berufsgenossenschaft nicht begründet werden.
Wenn die Erfüllung der Wartezeit für Leistungen der Beklagten – hier: Überbrückungsgeld auf Zeit – von strengeren Voraussetzungen als in den allgemeinen Rentenversicherungen abhängig gemacht wird und nur mit solchen Zeiten möglich ist, während derer der Versicherte in der Seeschiffahrt rentenversicherungspflichtig beschäftigt und bei der See-Berufsgenossenschaft unfallversichert gewesen ist (§ 7 Nr 1 der Satzung) bzw – sofern es sich um Zeiten vor Inkrafttreten der Satzung handelt – bei deren Geltung schon während dieser Zeiten versicherungspflichtig beschäftigt und bei der See-Berufsgenossenschaft unfallversichert gewesen wäre (§ 24 Abs 2 der Satzung), so ist dies – wie das BSG bereits mit Urteil vom 14. November 1984 (SozR 2200 § 891a Nr 4) entschieden hat – angesichts der speziellen Zielsetzung der Leistungen der Beklagten systemgerecht und auch unter dem Gesichtspunkt höherrangigen Rechts, insbesondere des Art 3 GG, nicht zu beanstanden.
Bei der Versicherung zur Beklagten handelt es sich um einen eigenständigen Tatbestand, der sich nicht mit dem in der gesetzlichen Rentenversicherung deckt. Das Überbrückungsgeld auf Zeit hat im Vergleich zu den Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen einen engeren und spezielleren Zweck (BSG aaO).Das Überbrückungsgeld auf Zeit ergänzt und erweitert die Regelung über das zeitlich nicht begrenzte Überbrückungsgeld. Anders als in einer Reihe von bedeutenden Schiffahrtsländern gibt es in der Bundesrepublik Deutschland keine besonders niedrige Altersgrenze für Seeleute. Dies ist wegen der besonderen Belastungen der Seeschiffahrt und der daraus resultierenden betrieblichen und menschlichen Probleme von Reedern und Seeleuten als unbefriedigend empfunden worden. Deshalb ist mit Einfügung des § 891a RVO durch das RRG vom 16. Oktober 1972 der Selbstverwaltung der See-Berufsgenossenschaft die Möglichkeit eingeräumt worden, durch Schaffung zusätzlicher Leistungen ua denjenigen Seeleuten eine Umstellungshilfe zu zahlen, die schon in einem mittleren Lebensalter stehen und sich nach Zurücklegen einer längeren Seefahrtzeit jetzt einer Landbeschäftigung zuwenden wollen (Übergangsgeld auf Zeit ≪BSG SozR 41OO § 118 AFG Nr 12, SozR 22OO § 891a RVO Nrn 2 und 4≫).
Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Bundeswehrangehörigen und ihrer Gleichstellung mit denen, die weiter ihren Beruf ausüben konnten, wäre es freilich befriedigender, wenn Zeiten, die ein Soldat der Bundeswehr als Seemann bei der Bundesmarine zurückgelegt hat, ebenso berücksichtigt würden wie zivile Seefahrtszeiten. Wie das LSG indessen bereits ausgeführt hat, hängt die Unmöglichkeit, das bereits dem geltenden Recht zu entnehmen, auch damit zusammen, daß die Seemannskasse eine von der Seekasse getrennte Existenz besitzt und daß der Kläger wegen seines Dienstes als Soldat auf Zeit wohl bei der Seekasse, nicht aber bei der Seemannskasse nachversichert worden ist, und daß eine solche Nachversicherung bei der Seemannskasse nicht einmal vorgesehen ist. Zu Recht hat das LSG betont, daß die beim Kläger durchgeführte Nachversicherung nur eine Beitragsleistung zur gesetzlichen Rentenversicherung betrifft, deren Träger (Seekasse) ausschließlich diese Beiträge erhält, während der beklagten Seemannskasse hiervon nichts zufließt.
In der Zeit seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr war der Kläger damit nicht bei der Beklagten versichert, auch nicht durch Nachversicherung. Weder der Bund als eigener Träger der See-Unfallversicherung (§ 850 Abs 3 RVO) noch der Kläger selbst gehören zum Kreise derjenigen, die gemäß § 891a Abs 1 RVO die Mittel für die Seemannskasse aufzubringen haben. Wenn der Kläger unter Einschluß seiner Nachversicherungszeit gleichwohl eine der nach dieser Vorschrift vorgesehenen Leistungen beanspruchen könnte, so wäre dies im Rahmen der eigenständigen Regelung des § 891a RVO systemwidrig.
Aufgrund ihrer Satzung hat die Beklagte auch nicht Leistungen an Angehörige der Bundeswehr für Zeiten des Wehrdienstes übernommen. Wohl heißt es in § 9 Abs 2 der Satzung der Beklagten, Ersatzzeiten würden in entsprechender Anwendung des § 1251 RVO angerechnet, wenn ein Beitrag für den Versicherten innerhalb von sechs Monaten vor der Ersatzzeit oder der letzte Beitrag für den Versicherten vor der Ersatzzeit aufgrund einer nach deren Satzung versicherungspflichtigen Beschäftigung geleistet worden ist. Auch aufgrund der Wehrpflicht zur Bundeswehr eingezogene Versicherte erwerben jedoch – anders als die wehrpflichtigen Angehörigen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht (§ 1251 Abs 1 Nr 1 RVO) – keine Ersatzzeiten, sondern sind nach § 1227 Abs 1 Nr 6 RVO versichert, während der Kläger als Soldat auf Zeit versicherungsfrei war und nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr nachversichert werden mußte (§§ 1229 Abs 1 Nr 5, 1232 Abs 3 RVO).
Nach alledem mußte der Revision des Klägers der Erfolg versagt bleiben; sie war zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen