Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung. fehlende Bedürftigkeit. rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt. Rechtswidrigkeit von Anfang an. kein Vorbezug
Leitsatz (amtlich)
Wird mit der Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen von Anfang an fehlender Bedürftigkeit auch dem Anspruch für einen nachfolgenden Zeitraum die Grundlage des Vorbezugs entzogen, so ist der ursprüngliche Verwaltungsakt auch hinsichtlich des späteren Zeitraums von Anfang an rechtswidrig iS des § 45 Abs 1 SGB 10.
Normenkette
SGB 10 § 45 Abs. 1, 2 S. 3 Nr. 2, § 48 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 4; SGB 3 § 190 Abs. 1 Nr. 3; AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. a Fassung: 1992-12-18, S. 3 Nr. 1 Fassung: 1996-06-24
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist (noch), ob die Beklagte dem Kläger gegenüber zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) auch für die Zeit nach dem 29. September 1994 zurückgenommen hat und ob insoweit die Erstattungsforderung der Beklagten rechtmäßig ist.
Die Beklagte bewilligte dem am 4. Juni 1949 geborenen, verheirateten Kläger, der bis einschließlich 6. August 1993 Arbeitslosengeld (Alg) bezogen hatte, auf dessen Antrag hin zunächst mit Bescheid vom 7. August 1993 Alhi unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.070 DM für die Zeit vom 7. August 1993 bis 31. Dezember 1994, sodann mit mehreren weiteren Bescheiden Alhi in wechselnder Höhe bis einschließlich 31. Dezember 1998 (Bescheide vom 20. Januar 1995, 11. Januar 1996, 5. Februar 1997, 12. Februar 1998). In seinen Anträgen auf Bewilligung bzw Weiterbewilligung von Alhi hatte der Kläger angegeben, er bzw seine am 6. Dezember 1960 geborene Ehefrau verfügten mit Ausnahme eines von seinem Vater geerbten und selbst bewohnten Hauses nicht über Vermögen von mehr als 8.000 DM.
Im Juni 1998 forderte die Beklagte, die von Freistellungsaufträgen des Klägers bzw der Ehefrau Kenntnis erhalten hatte, den Kläger auf, seine bisherigen Angaben zu den Vermögensverhältnissen zu berichtigen. Die laufenden Alhi-Zahlungen stellte die Beklagte mit Wirkung ab 1. Juli 1998 ein. Der Kläger legte der Beklagten Bankunterlagen vor, aus denen sich ein Vermögensstand zum 7. August 1993 in Höhe von 166.634,68 DM ergab. Er machte geltend, er sei der Meinung gewesen, das Vermögen nicht angeben zu müssen, da es seiner Alterssicherung diene; mittlerweile sei das Geld für den Lebensunterhalt, für Renovierungen des Hauses und für Auszahlungen an seine Geschwister weitgehend verbraucht.
Mit Bescheid vom 22. März 2000 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 7. August 1993 ganz zurück und forderte Erstattung von insgesamt 111.942,51 DM (84.666,94 DM zu Unrecht gezahlte Alhi, 27.275,57 DM Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung). Dabei ging die Beklagte von einem verwertbaren Vermögen von 166.634,68 DM aus, von dem sie Freibeträge von 26.000 DM (je 8.000 DM für den Kläger und seine Ehefrau, insgesamt 16.000 DM, zuzüglich 10.000 DM für eine im Vermögen enthaltene einmalige Abfindung von 10.000 DM) und von 76.000 DM für angemessene Alterssicherung (44.000 für den Kläger, 32.000 für die Ehefrau) in Abzug brachte und dann aus dem verbleibenden Betrag von 64.634,68 DM unter Berücksichtigung des wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.070 DM einen Zeitraum von 60 Wochen (bis 29. September 1994) errechnete, in dem der Kläger nicht bedürftig gewesen sei. Für die Zeit ab 30. September 1994 ging die Beklagte davon aus, dass Alhi nicht gewährt werden könne, weil innerhalb der Vorfrist weder Alg bezogen noch ein rechtmäßiger Bezug von Alhi vorgelegen habe.
Mit weiterem Bescheid vom 22. März 2000 lehnte die Beklagte auch einen vom Kläger am 30. August 1999 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung von Alhi ab. Die vom Kläger gegen die Bescheide vom 22. März 2000 erhobenen Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. August 2000).
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 22. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2000 insoweit aufgehoben, "als die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe über den 29. September 1994 zurücknahm", die Beklagte ferner unter Aufhebung des Bescheides vom 22. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2000 verurteilt, dem Kläger Alhi ab 30. August 1999 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. April 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 17. November 2005). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Aufhebung der dem Kläger bewilligten Alhi über den 29. September 1994 hinaus sei § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Beklagte habe zum 7. August 1993 zutreffend einen Vermögensstand des Klägers von 166.634,68 DM ermittelt und nach Abzug von Freibeträgen von insgesamt 102.000 DM aus dem verbleibenden Betrag von 64.634,68 DM und dem gerundeten Arbeitsentgelt zu Recht ermittelt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Erstbewilligung für sechzig Wochen nicht bedürftig gewesen sei. Der Aufhebung der Alhi für die Zeit vom 7. August 1993 bis 29. September 1994 sei also zu Recht § 45 SGB X zu Grunde gelegt worden. Das sei für den Zeitraum ab 30. September 1994 nicht mehr möglich gewesen. Wegen des Vorliegens einer bestandskräftigen Bewilligung von Alhi bis zu deren Aufhebung seitens der Beklagten habe die Bewilligung ab 30. September 1994 nur unter Zugrundelegung von § 48 SGB X aufgehoben werden können. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X lägen zwar vor; es greife aber keiner der vertrauensschutzvernichtenden Tatbestände des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X ein. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst habe, die Anrechnung seines Vermögens könne schon die Entstehung des Alhi-Anspruchs auf Dauer verhindern. Es treffe auf den Kläger auch nicht zu, dass er einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Denn die nicht mitgeteilten "Verhältnisse", nämlich seine Vermögensverhältnisse zum 7. August 1993, seien unmittelbar rechtserheblich nur insoweit, als sie einen Anspruch auf Alhi wegen fehlender Bedürftigkeit bis zum 29. September 1994 ausschlössen. Bezüglich des Alhi-Anspruchs ab 30. September 1994 habe der Kläger keine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen der Verhältnisse verletzt. Dies sei gar nicht möglich, nachdem die Änderung der rechtlichen Verhältnisse, die der Anspruchsberechtigung ab 30. September 1994 den Rechtsgrund entzogen habe, die Aufhebung der Bewilligung von Alhi durch die Beklagte für die Zeit bis 29. September 1994 gewesen sei. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. August 1992, 9b RAr 2/92, zum Nichtbestehen von Vertrauensschutz für einen Verwaltungsakt, der auf einem durch falsche Angaben erwirkten Verwaltungsakt aufbaue, sei nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Das SG habe die Beklagte auch zu Recht verurteilt, dem Kläger auf den Weiterbewilligungsantrag vom 30. August 1999 hin Alhi zu gewähren, da der Alhi-Anspruch auf Grund der letztmals für den Abschnitt bis 31. Dezember 1998 vorgenommenen Bewilligung fortbestanden habe und das zwischenzeitlich verminderte Vermögen keine erneute Berücksichtigung finden könne.
Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsauffassung des LSG sei insbesondere nicht mit der Entscheidung des BSG vom 26. August 1992, 9b RAr 2/92, vereinbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 17. November 2005 aufzuheben und das Urteil des SG vom 25. April 2003, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Eine Verletzung formellen Rechts sei nicht zu erkennen. Eine Verletzung materiellen Rechts liege ebenfalls nicht vor. Das LSG habe sich mit der Entscheidung des BSG vom 26. August 1992, 9b RAr 2/92, auseinander gesetzt und zutreffend dargestellt, dass die Entscheidung des BSG auf einem "ununterbrochenen" Kausalzusammenhang beruhe. Im Falle des Klägers baue dagegen die Bewilligung von Alhi ab dem 30. September 1994 nicht auf der vorangegangenen Alhi-Bewilligung auf, sondern vielmehr auf dem Bescheid für den Bewilligungszeitraum bis 31. Dezember 1994. Fraglich sei im Übrigen, ob § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) stichtagsbezogen insoweit sei, dass es ausschließlich auf das Ende des Bezugs von Alg ankomme oder ob dieser Stichtag im Fall der fehlenden Bedürftigkeit wegen vorhandenen Vermögens "nach hinten" auf den Zeitpunkt des Verbrauchs des Vermögens verlegt werde. Das LSG habe letztlich den mit Wirkung vom 1. April 1996 durch das Alhi-Reformgesetz eingefügten Satz 3 des § 134 Abs 1 AFG (Verlängerung der Vorfrist) analog auf einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Gesetzes angewandt; diese Analogiebildung sei gerechtfertigt, da eine regelungswidrige Lücke vorgelegen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Die Vorinstanzen haben zu Unrecht den Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten für die Zeit ab 30. September 1994 sowie den weiteren Ablehnungsbescheid für die Zeit ab 30. August 1999 aufgehoben und die Beklagte zur Leistungsgewährung ab 30. August 1999 verurteilt. Die Bescheide der Beklagten sind entgegen der Auffassung des LSG rechtmäßig.
1. Nicht mehr zu entscheiden ist über den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. August 2000, soweit die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für den Zeitraum 7. August 1993 bis 29. September 1994 aufgehoben und dementsprechend Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen bzw von Beiträgen gefordert hat. Das SG hat die Klage insoweit abgewiesen; der Kläger hat dagegen Berufung nicht eingelegt.
2. Im Revisionsverfahren zu entscheiden ist über den vorbezeichneten Rücknahme- und Erstattungsbescheid, soweit die Beklagte mit ihm die frühere Leistungsbewilligung auch für die Zeit ab 30. September 1994 aufgehoben und Erstattung der in dieser Zeit gewährten Leistungen bzw der gezahlten Beiträge gefordert hat. Der Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Leistungsbewilligung auch für die Zeit nach dem 29. September 1994 ist entgegen der Ansicht des LSG nicht § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X, wovon die Beklagte zutreffend ausgegangen ist. § 45 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Rücknahme eines unanfechtbar gewordenen begünstigenden Verwaltungsakts - wie vorliegend die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi - mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit, soweit der Verwaltungsakt bei seinem Erlass rechtswidrig ist. § 48 SGB X setzt demgegenüber für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung den Eintritt einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, voraus (zur Abgrenzung zwischen § 45 SGB X und § 48 SGB X vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X RdNr 12; Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl, § 45 RdNr 31).
Eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist entgegen der Auffassung des LSG nicht darin zu sehen, dass der die Leistungsbewilligung wegen Vermögensberücksichtigung mit der Folge fehlender Bedürftigkeit für sechzig Wochen zurücknehmende Bescheid im März 2000 ergangen ist. Zwar ist es richtig, dass erst in Konsequenz der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung für die Zeit bis 29. September 1994 auch der Rechtsgrund für die Rechtmäßigkeit der den nachfolgenden Zeitraum betreffenden Bewilligung entfallen ist (kein Alhi-Anspruch wegen fehlenden Vorbezugs von Alg innerhalb der Vorfrist gemäß § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG in der im Jahre 1994 geltenden Fassung). Diese Konsequenz stellt jedoch keine eigenständige Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X dar, weil sie nur Teilelement einer einheitlichen Rücknahmeentscheidung der Beklagten ist. Denn die Beklagte hat mit dem Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 22. März 2000 gleichzeitig sowohl die Bewilligung für die Zeit bis 29. September 1994 (wegen mangelnder Bedürftigkeit) als auch die Bewilligung für die Zeit ab 30. September 1994 (kein Alg-Vorbezug innerhalb der Vorfrist) zurückgenommen. Unter diesen Umständen kann nicht einerseits von einer auf § 45 SGB X beruhenden Rücknahme und andererseits von einer Änderung iS des § 48 SGB X ausgegangen werden. Anzunehmen ist vielmehr, dass mit der in der Vergangenheit wirksam werdenden Rücknahme der Bewilligung wegen fehlender Bedürftigkeit gleichzeitig ebenfalls mit Wirkung für die Vergangenheit der weiteren Bewilligung unter dem Gesichtspunkt des anderweitig mangelnden Anspruchs die Grundlage entzogen worden ist. Insofern ist auch hinsichtlich des Zeitraums ab 30. September 1994 von einer schon bei Erlass der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung vorliegenden Rechtswidrigkeit auszugehen, deren Rechtsfolgen sich aus § 45 SGB X ergeben. Diese Betrachtungsweise liegt auch - ohne Problematisierung - der bisherigen Rechtsprechung des BSG in Fällen der rückwirkenden Aufhebung von Alhi-Bewilligungen zu Grunde (vgl zB Urteil des Senats vom 13. September 2006, B 11a AL 19/06 R, RdNr 13; ebenso von § 45 SGB X ausgehend: BSG, Urteil vom 26. August 1992, 9b RAr 2/92, DBlR 3958a, AFG/§ 46).
Bei seiner Auffassung, erst in der Rücknahmeentscheidung des Jahres 2000 liege eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, beachtet das LSG im Übrigen nicht, dass dann eine rückwirkende Aufhebung schon unabhängig von Vertrauensschutzerwägungen ausscheiden würde. Wäre es nämlich richtig, dass erst mit Erlass des Bescheides vom 22. März 2000 die Änderung eingetreten wäre, könnte eine Aufhebung nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X nur "mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse" erfolgen, also erst mit Wirkung ab März 2000; darauf, ob der Kläger - wie vom LSG erörtert - Mitteilungspflichten schuldhaft verletzt hat oder nicht, käme es nicht an. Dies zeigt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden § 48 SGB X nicht einschlägig sein kann, vielmehr die Anwendung des § 45 SGB X geboten ist.
b) Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung wegen deren Rechtswidrigkeit (§ 45 Abs 1 SGB X) liegen auch für die Zeit ab 30. September 1994 vor. Die Alhi-Bewilligung war ab diesem Tag deswegen rechtswidrig, weil der Kläger nicht innerhalb der einjährigen Vorfrist des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG in der 1994 geltenden Fassung Alg bezogen hatte; denn der letzte Tag des Alg-Bezugs war der 6. August 1993. Ein Anspruch bestand auch nicht wegen vorherigen Alhi-Bezugs (§ 135 Abs 1 Nr 2 AFG), da dem zeitweiligen unrechtmäßigen Bezug durch die Rücknahme der Beklagten die Grundlage entzogen ist (vgl BSGE 47, 241, 244 f = SozR 4100 § 134 Nr 11).
c) An der Rechtswidrigkeit der Alhi-Bewilligung ändert sich auch für die Zeit ab 1. April 1996 nichts durch die Einfügung des Satzes 3 in § 134 Abs 1 AFG mit Wirkung ab diesem Tag durch das Alhi-Reformgesetz vom 24. Juni 1996 (BGBl I 878). Danach verlängert sich die Vorfrist ua in Fällen eines fehlenden Alhi-Anspruchs wegen mangelnder Bedürftigkeit. Die Beklagte hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass auch nach dem ab 1. April 1996 geltenden Recht kein Alg-Bezug innerhalb der Vorfrist vorlag. Verlängert man nämlich ausgehend vom 1. April 1996 die einjährige Vorfrist des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG um weitere Zeiten, in denen der Kläger nur deshalb keinen Anspruch auf Alhi hatte, weil er nicht bedürftig war (§ 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 AFG), so ergibt sich auch unter Einbeziehung des Zeitraums von sechzig Wochen, für den entsprechend der Rücknahmeentscheidung der Beklagten kein Alhi-Anspruch wegen fehlender Bedürftigkeit bestand, kein Alg-Vorbezug innerhalb der verlängerten Vorfrist (Zeitraum vom 1. April 1995 bis zum 6. August 1993 etwa 85 Wochen). Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, der Kläger habe über das von der Beklagten berücksichtigte Vermögen von 64.634,68 DM hinaus weiteres Bedürftigkeit ausschließendes Vermögen gehabt, sodass auch weitere Zeiträume in die Vorfrist einzubeziehen seien. Denn unter Zugrundelegung der auch vom Kläger unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von dem insgesamt vorhandenen Vermögen Freibeträge von zusammen 102.000 DM zu Gunsten des Klägers in Abzug gebracht und unter Berücksichtigung des verbleibenden Vermögens sowie des maßgeblichen Bemessungsentgelts den Zeitraum von 60 Wochen errechnet hat.
§ 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 AFG kann im Übrigen - entgegen dem Vorbringen des Klägers in der Revisionserwiderung - nicht rückwirkend zur Anwendung kommen. Denn Sinn und Zweck der erst mit Wirkung vom 1. April 1996 vorgenommenen Änderung durch das Alhi-Reformgesetz war es, Härten bei Arbeitslosen zu vermeiden, die zu Beginn der Arbeitslosigkeit noch über Vermögen verfügten und deshalb bei erst später einsetzender Bedürftigkeit nicht genügende Zeiten in der Vorfrist aufzuweisen hatten (vgl BT-Drucks 13/2898 S 6; Kärcher in Niesel, AFG, 2. Aufl, § 134 RdNr 31 f; Ebsen in Gagel, AFG, Stand 1998, § 134 RdNr 104a). Diese Begünstigung kann sich nicht auf Arbeitslose wie den Kläger erstrecken, die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung wegen Entfallens der Bedürftigkeit eigentlich Anspruch auf Alhi gehabt hätten - der Kläger nämlich ab 30. September 1994 -, bei denen aber zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch mangels Vorbezugs innerhalb der Vorfrist nach damals geltendem Recht nicht bestand.
d) Die Beklagte konnte die Alhi-Bewilligung auch für den Zeitraum ab 30. September 1994 mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen; der Kläger kann sich insoweit nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung beruht auf Angaben, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X). Dass die genannten Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X vorliegen, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG, das ua ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung für die Zeit bis 29. September 1994 auf § 45 SGB X beruhe. Diese Feststellung erstreckt sich ihrem Sinn nach auch auf den nachfolgenden Zeitraum. Insoweit bestehen keine Zweifel, dass es sich bei den Angaben des Klägers gegenüber der Beklagten, er und seine Ehefrau verfügten über kein berücksichtigungsfähiges Vermögen, um Angaben iS des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X handelt, auf denen die Alhi-Bewilligung auch für die Zeit nach dem 29. September 1994 beruht. Den Ausführungen des LSG, zwischen der dem Urteil des BSG vom 26. August 1992 (9b RAr 2/92, DBlR 3958a AFG/§ 46) zu Grunde liegenden Fallgestaltung und dem vorliegenden Fall gebe es gewichtige Unterschiede, folgt der Senat im Zusammenhang mit der Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X nicht; die Ausführungen des LSG beziehen sich auch auf den - wie dargelegt - nicht einschlägigen § 48 SGB X.
e) Soweit die Beklagte Rückerstattung erbrachter Leistungen gefordert hat, beruht die Entscheidung auf § 50 Abs 1 SGB X, dessen Voraussetzungen vorliegen. Der Anspruch auf Erstattung gezahlter Beiträge folgt aus § 335 Abs 1 SGB III. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt sich die Höhe der Erstattungsforderung (insgesamt 111.942,51 DM). Gegen diese Feststellungen sind Einwendungen weder erhoben noch ersichtlich.
3. Da der Kläger in der Zeit ab 7. August 1993 zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig Alhi bezogen hat, steht ihm auch für die Zeit ab dem 1. August 1999 kein Anspruch zu (§ 191 Abs 1 Nr 3 SGB III). Der ablehnende Bescheid vom 22. März 2000 ist also ebenfalls rechtmäßig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen