Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin die berechnungsfähigen Kosten einer wegen einer Goldallergie notwendigen Versorgung mit Zahnersatz in vollem Umfang - über den gewährten Zuschuß hinaus - zu erstatten hat.
Die bei der Beklagten als Rentnerin pflichtversicherte Klägerin mußte sich auf ärztliches Anraten wegen einer bei ihr festgestellten Überempfindlichkeit gegen Natriumthiosulfatoaurat ("Goldallergie") die teilweise aus einer Goldlegierung bestehende Oberkieferprothese gegen eine solche aus Kunststoff auswechseln lassen; ferner mußten mit Goldkronen versehene Zähne im Unterkiefer entfernt und durch eine Prothese ersetzt werden. Aufgrund des hierzu aufgestellten Heil- und Kostenplans vom 23. Oktober 1990, der später durch den Heil- und Kostenplan vom 20. Februar 1992 ersetzt wurde und zur Eingliederung des Zahnersatzes im April 1992 führte, gewährte die Beklagte einen Zuschuß in Höhe von jeweils 60 v.H. des Vertragshonorars und der vertragsüblichen Material- und Laborkosten mit Ausnahme der Metallkosten, für die sie je Krone bzw. Brückenglied als Zuschuß 9, 00 DM übernahm. Den Antrag der Klägerin auf Übernahme der vollen Kosten lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, daß nach § 30 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) nur 60 v.H. der berechnungsfähigen Kosten erstattungsfähig seien und ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme des von ihr zu tragenden Kostenteils nach § 61 SGB V nicht gegeben sei, weil sie nicht unzumutbar belastet werde (Bescheid vom 12. Dezember 1990; Widerspruchsbescheid vom 11. April 1991). Klage und Berufung der Klägerin hiergegen hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Kiel vom 23. Juli 1992; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 15. Juni 1993). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den der Klägerin nach § 30 SGB V a.F. zustehenden Kassenanteil in Höhe von 60 v.H. der nach Maßgabe des Heil- und Kostenplans entstandenen abrechnungsfähigen Zahnersatzkosten mit 3.041, 33 DM - wie unstreitig sei - übernommen. Darüber hinaus könne die Klägerin eine Kostenübernahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen. § 13 Abs. 2 SGB V a.F. scheide als Anspruchsgrundlage aus, weil diese Regelung voraussetze, daß der Klägerin die Versorgung mit Zahnersatz dem Grunde nach gem § 28 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB V als Sachleistung geschuldet werde. Daran fehle es hier. Denn § 30 SGB V a.F. regele als Sondertatbestand die Ansprüche bei Versorgung mit Zahnersatz abschließend und schließe damit die Anwendung der allgemeinen Regelungen auf ärztliche bzw. zahnärztliche Behandlung als Sachleistung aus. Dies gelte unabhängig davon, aus welchen medizinischen Gründen die Eingliederung von Zahnersatz notwendig sei. § 30 SGB V a.F. erfasse daher auch die Fälle, in denen eine nicht den Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten zuzurechnende Erkrankung - wie hier die Goldallergie - die zahnprothetische Maßnahme erforderlich mache. Eine Begrenzung dieser Regelung auf den "Normalfall" einer isolierten, ausschließlich aus zahnmedizinischen Gründen notwendigen zahnprothetischen Maßnahme komme weder nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte noch nach Sinn und Zweck dieser Regelung in Betracht. Der Gesetzgeber habe vielmehr bewußt davon abgesehen, eine Sonderregelung für diejenigen Fälle zu schaffen, in denen die Versorgung mit Zahnersatz in einem medizinischen Abhängigkeitsverhältnis zu anderen geschuldeten Maßnahmen der Krankenbehandlung stehe. Denn es könne ohneweiteres davon ausgegangen werden, daß dem Gesetzgeber die zum bisherigen Recht ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bekannt gewesen sei, wonach die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten einer zahnprothetischen Versorgung in vollem Umfang hätten übernehmen müssen, wenn die Versorgung integrierender Teil einer im übrigen als Sachleistung zu gewährenden ärztlich-zahnärztlichen Gesamtbehandlung gewesen sei (Urteile des BSG vom 11. November 1975 - 3 RK 63/74 - USK 75151 = SozR 2200 § 182 Nr. 11 und vom 7. Dezember 1977 - 1 RA 7/77 - USK 77239 = BSGE 45, 212, 221). Die Neuversorgung der Klägerin mit Zahnersatz sei nicht in diesem Sinne Teil einer außerprothetischen Generalbehandlung, insbesondere nicht unselbständige Vor- oder Nebenleistung, gewesen, wie sie etwa bei einer Tumor-Therapie notwendig werden könne. Vielmehr habe sich die Behandlung der Klägerin in der zahnprothetischen Maßnahme erschöpft. Schließlich könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf die Härtefallregelung des § 61 Abs. 1 Nr. 2 SGB V stützen, weil ihre Einnahmen zum Lebensunterhalt (527, 00 DM) zusammen mit denjenigen ihres Ehemannes (2.297, 00 DM) über der maßgeblichen monatlichen Belastungsgrenze von 1.809, 50 DM gelegen hätten.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB V aF. Diese Regelung sei im Sinne einer teleologischen Reduktion auf sog Normalfälle zu begrenzen, während in außergewöhnlichen Fällen der vorliegenden Art, in denen die zahnprothetische Versorgung wegen einer außerhalb des zahnmedizinischen Bereiches liegenden Ursache notwendig sei, in Fortführung der vom BSG bisher entwickelten Grundsätze eine volle Kostenerstattung stattfinden müsse. Werde dies durch den Wortlaut des § 30 SGB V a.F. als ausgeschlossen angesehen, so bedeute dies eine Übergeneralisierung des Normzwecks dieser Regelung und auch des Regelungszusammenhangs zwischen §§ 13 Abs. 2, 28 und 30 SGB V aF. Vorliegend stehe im Vordergrund die Behandlung der Allergie im Rahmen von § 28 SGB V a.F. insgesamt und nicht etwa nur die Kostenerstattung für Zahnersatz. Mit Zahnersatz sei sie bereits neu und ausreichend versorgt gewesen und habe überhaupt kein Interesse an einer Erneuerung ihrer prothetischen Versorgung haben können. Da einzig die Behandlung der Allergie Anlaß und Ziel der ärztlichen Bemühungen gewesen sei, stehe ihr ein Kostenerstattungsanspruch aus §§ 13 Abs. 2, 28 SGB V a.F. zu. Andernfalls würden wesentlich gleiche Interessen, wie sie im Hinblick auf § 28 SGB V a.F. zu bejahen seien, ungleich behandelt. Denn eine ausreichende und zweckmäßige Behandlung der Allergie sei in ihrem Fall hauptsächlich durch den Austausch der die Allergie auslösenden Prothesenteile möglich gewesen. Aus dem zufälligen Umstand, daß die Allergie ihre Ursache in einem Bestandteil der Zahnprothese gehabt habe, lasse sich eine ungleiche Behandlung nicht rechtfertigen. Sei die zahnprothetische Versorgung integrierender Bestandteil einer ärztlich-zahnärztlichen Gesamtbehandlung, werde diese, wie das BSG bereits mehrfach entschieden habe, vollständig als Sachleistung geschuldet. Werde dies auch von der Beklagten - etwa im Rahmen der Versorgung nach einer Tumor-Therapie - anerkannt, müsse in ihrem Falle das gleiche gelten. Gerade wenn dem Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG zur vollen Erstattungspflicht in den genannten Ausnahmefällen bekannt gewesen sei, müsse angenommen werden, daß er eine entsprechende Ausnahmeregelung nicht als erforderlich angesehen habe.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Juni 1993 und des Sozialgerichts Kiel vom 23. Juli 1992 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Dezember 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 1991 zu verurteilen, ihr die berechnungsfähigen Kosten der Versorgung mit Zahnersatz gemäß Heil- und Kostenplan vom 20. Februar 1992 in vollem Umfang zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Das ergibt sich zwar nicht bereits daraus, daß ihre Berufung nach § 144 SGG in der hier noch anzuwendenden, bis zum 28. Februar 1993 gültig gewesenen Fassung (Art 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993, BGBl. I, 50) unzulässig gewesen wäre. Denn die Berufung war kraft ausdrücklicher Zulassung durch das SG statthaft (§ 150 Nr. 1 SGG aF).
In der Sache haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden, daß der Klägerin über den bereits erstatteten Kassenanteil hinaus kein weitergehender Kostenerstattungsanspruch zusteht. Anzuwenden sind im vorliegenden Fall die Vorschriften des SGB V in ihrer ursprünglichen, bis zum 31. Dezember 1992 gültig gewesenen Fassung durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, 2477), weil der Behandlungsfall 1990 eingetreten und 1992 abgeschlossen worden ist. Von den als Anspruchsgrundlagen für eine - weitere - Kostenerstattung in Betracht kommenden Regelungen scheiden § 30 SGB V a.F. ebenso wie § 61 SGB V von vornherein aus. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V a.F. (jetzt Abs. 3 nF) käme lediglich dann in Betracht, wenn die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin die Versorgung mit Zahnersatz auf der Grundlage der §§ 27, 28 SGB V a.F. als Naturalleistung - ohne Eigenbeteiligung - zu verschaffen. Auch daran fehlt es.
Neben den genannten Anspruchsgrundlagen ist für den in der Zeit bis zum Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 richterrechtlich entwickelten sog krankenversicherungsrechtlichen "Kostenerstattungs-/Kostenübernahmeanspruch" kein Raum mehr. Denn der Gesetzgeber des GRG hat die Frage, ob und inwieweit die Krankenkassen den Versicherten Kostenerstattung/Kostenübernahme gewähren oder zusagen dürfen, im SGB V umfassend und abschließend geregelt. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V vorsieht. Die Fallgruppen zulässiger Kostenerstattung/Kostenübernahme sind im Gesetz abschließend aufgezählt (vgl. hierzu im einzelnen Urteil des 4. Senats des BSG vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Sie umfassen im Blick auf die im vorliegenden Fall umstrittene Leistungsart der Krankenbehandlung (§§ 27 bis 43a SGB V) neben den für bestimmte Personengruppen oder zur Erprobung satzungsrechtlich zugelassenen Kostenerstattungen (§§ 14, 64, seit 1. Januar 1993 auch § 13 Abs. 2 SGB V nF) vor allem die vom Gesetzgeber selbst vorgenommene Durchbrechung des Naturalleistungsprinzips bei kieferorthopädischer Behandlung und bei Zahnersatz (§§ 29, 30 SGB V i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) und schließlich drei Fallgruppen des Systemversagens, zu denen § 13 Abs. 2 SGB V a.F. u.a. mit der Regelung gehört, daß die Krankenkasse Kosten zu erstatten hat, wenn sie eine Sach- oder Dienstleistung rechtswidrig abgelehnt hat (Regelung 2).
Nach § 30 SGB V a.F. erstattet die Krankenkasse Versicherten 50 v.H. der Kosten der im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung durchgeführten medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, die sowohl zahntechnische Leistungen als auch zahnärztliche Behandlung umfaßt (Abs 1 Satz 1). Dieser Zuschuß erhöht sich um einen Bonus von 10 Prozentpunkten für eigene Bemühungen des Versicherten zur Gesunderhaltung seiner Zähne (§ 30 Abs. 5 Satz 1 SGB V a.F. = Abs. 2 Satz 1 nF; der Wegfall dieses erhöhten Zuschusses bei nicht ausreichender Zahnprophylaxe betrifft nach § 30 Abs. 5 Satz 2 SGB V a.F. = Abs. 2 Satz 2 n.F. erst die nach dem 31. Dezember 1990 eingetretenen Behandlungsfälle). Insgesamt waren somit für die aufgrund des Heil- und Kostenplans vom 23. Oktober 1990 bzw. vom 20. Februar 1992 durchgeführte Versorgung mit Zahnersatz 60 v.H. des Vertragshonorars und 60 v.H. der vertragsüblichen Material-und Laborkosten berechnungs- und erstattungsfähig. Daß die Beklagte den sich hiernach ergebenden Kassenanteil von 3.041, 33 DM übernommen und damit ihre Kostenerstattungspflicht nach § 30 SGB V erfüllt hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Das gilt auch insoweit, als die Beklagte die Metallkosten, soweit sie je Krone und Brückenglied einen Zuschuß von 9, 00 DM überschritten haben, ausgenommen hat (vgl. allgemein zu den rechnerischen Grundlagen der "zuschußfähigen" Kosten der Versorgung mit Zahnersatz BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 1 S. 2 f; zur Höhe der abrechnungsfähigen Metallkosten vgl. die Vereinbarung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Krankenkassen über die Festlegung des Abrechnungsbetrages für Dentallegierungen bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vom 26. Juni 1986). Wie die Klägerin im Revisionsverfahren klargestellt hat, geht es ihr allein um die Frage, ob die Beklagte auch zur Übernahme/Erstattung der berechnungsfähigen Restkosten verpflichtet ist, also die Klägerin Anspruch auf Erstattung der vollen berechnungsfähigen Kosten hat. Dafür bietet § 30 SGB V a.F. jedoch keine Rechtsgrundlage. Anders als die Vorläufervorschrift des § 182c der Reichsversicherungsordnung (RVO aF), wonach die Satzung die Höhe der Zuschüsse für Zahnersatz und Zahnkronen bestimmen und auch vorsehen konnte, daß die Gesamtkosten übernommen werden, ist § 30 SGB V a.F. auf einen "Zuschuß", d.h. auf die Übernahme eines prozentualen Anteils der berechnungsfähigen Gesamtkosten beschränkt. Eine volle Übernahme der Kosten für medizinisch notwendigen Zahnersatz sieht das Gesetz nur im Rahmen der Härtefallregelung des § 61 SGB V vor, der jedoch im Falle der Klägerin ebenfalls nicht eingreift.
Nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 SGB V hat die Krankenkasse den vom Versicherten zu tragenden Teil der berechnungsfähigen Kosten bei der Versorgung mit Zahnersatz nur dann (in vollem Umfang) zu übernehmen, wenn der Versicherte unzumutbar belastet würde. Das trifft jedoch bei der Klägerin nicht zu, weil sie keinen der in § 61 Abs. 2 SGB V abschließend aufgeführten Tatbestände erfüllt, bei deren Vorliegen das Gesetz eine unzumutbare Belastung unterstellt. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, der hier allein in Betracht kommt, nicht vor, weil die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der Klägerin die für sie maßgebliche Belastungsgrenze überschreiten. Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG betrugen die monatlichen Einnahmen der Klägerin (527, 00 DM) und ihres Ehemannes (2.297, 00 DM), die nach § 61 Abs. 3 Satz 1 SGB V zusammenzurechnen sind, 2.824, 00 DM. Sie lagen damit über der monatlichen Belastungsgrenze von 1.809, 50 DM, die sich im Falle der Klägerin aus 55 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) - 1990: 3.290, 00 DM - errechnet (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 61 Abs. 4 SGB V).
Eine analoge Anwendung dieser Regelung auf Fälle der vorliegenden Art, in denen eine "Härte" nicht in den finanziellen Verhältnissen des Versicherten liegt, sondern nur in sonstigen, hier medizinischen, Umständen des Falles begründet sein kann, kommt nach Sinn und Zweck des § 61 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und seinem systematischen Verhältnis zu § 30 SGB V nicht in Betracht. Der Gesetzgeber wollte den Versicherten bei Zahnersatz grundsätzlich mit einem Eigenanteil belasten und ihn davon nur dann befreien, wenn er durch die Tragung dieses Eigenanteils finanziell unzumutbar belastet würde (vgl. BT-Drucks 11/2237, S. 187 zu § 69 Abs. 1 des Entwurfs).
Aber auch § 13 Abs. 2 SGB V aF, auf den die Klägerin ihren Erstattungsanspruch vornehmlich stützt, scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Nach dieser Vorschrift sind dem Versicherten die Kosten für eine Leistung, die er sich selbst beschaffen mußte, weil die Krankenkasse sie trotz Unaufschiebbarkeit nicht rechtzeitig erbringen konnte oder weil sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Regelung läßt - unter weiteren Voraussetzungen - eine Kostenerstattung bzw. eine Kostenübernahme nur dann zu, wenn die Krankenkasse einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch nicht erfüllt hat (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 15 = SGb 1993, 477 mit zust Anmerkung von Meydam, SGb 1993, 480 f; BSGE 70, 24, 26 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 2; Urteil des 4. Senats vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92 -zur Veröffentlichung bestimmt). Grundvoraussetzung ist mithin, daß die Beklagte der Klägerin die Versorgung mit Zahnersatz als Sach- oder Dienstleistung schuldete, die Klägerin also auch hinsichtlich des Zahnersatzes einen Naturalleistungs-oder Naturalverschaffungsanspruch (sog Primäranspruch) gegen die zuständige Krankenkasse hatte, den diese nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt bzw. rechtswidrig zu erfüllen abgelehnt hat. Der Klägerin hat jedoch kein solcher Primäranspruch zugestanden. Zwar bestimmt § 27 SGB V, der in seinem Satz 1 den Anspruch auf Krankenbehandlung "dem Grunde nach" regelt, daß die Krankenbehandlung auch die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz umfaßt (Satz 2 Nr. 2). Nach § 28 Abs. 2 SGB V a.F. umfaßt die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Obwohl bei der Klägerin nach den Feststellungen des LSG die Versorgung mit Zahnersatz nach kassenärztlicher Verordnung medizinisch notwendig war, weil sie an einer sog Goldallergie litt, die die Beseitigung des bisherigen Zahnersatzes erforderte, steht ihr nach §§ 27, 28 SGB V kein auch den Zahnersatz umfassender Naturalverschaffungsanspruch zu. Denn ein auf Verschaffung dieser Leistung gerichteter Naturalleistungsanspruch ist durch § 30 SGB V aF, der statt dessen Kostenerstattung vorsieht, grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Vorschrift regelt als spezielle Anspruchsnorm die Ansprüche bei Versorgung mit Zahnersatz abschließend und schließt damit - in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips - die Anwendung der allgemeinen Regelungen über die Verschaffung ärztlicher bzw. zahnärztlicher Behandlung als Sach- bzw. Dienstleistung i.S. von §§ 27, 28 SGB V aus. Dabei bedarf es keiner abschließenden Klärung der Streitfrage, ob der Gesetzgeber des GRG, der im Gesetzgebungsverfahren bei § 30 SGB V gegen Widerstände des Bundesrats ausdrücklich an der Kostenerstattung festgehalten hat (vgl. RegE-GRG, BT-Drucks 11/2237, S. 172 zu § 30 Abs. 1; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 11/2493, S. 13 Nr. 24; Ausschuß-Bericht zum GRG, BT-Drucks 11/3480 S. 52), damit bewußt ein Gegenprinzip zum Sachleistungssystem statuieren wollte oder ob angesichts der fortbestehenden Einbindung von Zahnersatz in das System der kassenärztlichen Versorgung (vgl. den Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. und § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V) die Leistungen bei Zahnersatz grundsätzlich - wie die Zuschüsse alten Rechts - dem Sachleistungs- bzw. Naturalleistungssystem zuzuordnen sind (so BSGE 66, 284, 287 = SozR 3-2500 § 29 Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 1; SozR 3-2200 § 182c Nr. 2; zum Streitstand: Bongen/Kremer, NJW 1992, 723, 726; Eul, DOK 1990, 611, 614; Schnapp/Düring, NJW 1989, 2913; Saekel/Westermann, BKK 1989, 91, 98; Meydam, SGb 1991, 377, 379). Auch wenn der Senat der vorgenannten Rechtsprechung folgt, daß die in § 30 SGB V a.F. geregelte Kostenerstattung lediglich als Folge der vorgesehenen Eigenbeteiligung des Versicherten, nicht aber als Gegenprinzip zum Sachleistungssystem anzusehen ist, es sich mithin lediglich um eine versorgungstechnische Variante des ansonsten im Grundsatz beibehaltenen Sachleistungsprinzips handelt (so Meydam, a.a.O.), bleibt die Versorgung mit Zahnersatz (einschließlich der dafür erforderlichen zahnärztlichen Behandlung) eine von der allgemeinen (zahn-) ärztlichen Behandlung getrennte und ausschließlich § 30 SGB V zugewiesene Leistung, für die lediglich Kostenerstattung in Höhe des vorgesehenen Zuschusses gewährt werden kann.
Dies gilt unabhängig davon, aus welchen medizinischen Gründen die Eingliederung von Zahnersatz notwendig ist. Die Vorschrift erfaßt nicht nur die Fälle einer isolierten, ausschließlich aus zahnmedizinischen Gründen notwendigen zahnprothetischen Maßnahme (z.B. altersbedingte Zahnlosigkeit, Zahnausfall oder -schäden aufgrund von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten), sondern auch die Fälle, in denen eine nicht den Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten zuzurechnende Erkrankung die zahnprothetische Versorgung erforderlich macht (z.B. Magenerkrankungen, rheumatische Erkrankungen, Allergien ua). Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB V aF, der allgemein und umfassend von der "medizinisch notwendigen" Versorgung mit Zahnersatz spricht und eine Differenzierung nach den medizinischen Ursachen nicht vorsieht. Ungeachtet der Frage, ob eine solche Differenzierung überhaupt durchführbar wäre, ist auch kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum die Versorgung mit Zahnersatz bei einer medizinischen Abhängigkeit von einer anderen Erkrankung, die nicht dem zahnmedizinischen Bereich zuzuordnen ist, anders zu behandeln wäre als bei einer Abhängigkeit von einer zahnmedizinischen Erkrankung. In beiden Fällen spielt der Zusammenhang mit einer anderen, nach § 28 SGB V zu verschaffenden Leistung keine Rolle. Auch aus den Gesetzesmaterialien zum GRG ergibt sich kein Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber in Fällen, in denen die Versorgung mit Zahnersatz in einem medizinischen Abhängigkeitsverhältnis zu einer anderen, von der Krankenkasse als Sachleistung bzw. Naturalleistung geschuldeten Leistung steht, diese insgesamt als einheitliche (Natural-) Leistung hätte ansehen wollen. Er geht vielmehr, wie die Gesetzessystematik zeigt, davon aus, daß die ärztliche bzw. zahnärztliche Behandlung einerseits und die Versorgung mit Zahnersatz andererseits, auch soweit sie als Mischleistung neben dem Zahnersatz (iS eines Körperersatzstücks) die dafür erforderlichen zahnärztlichen Behandlungsmaßnahmen umfaßt, selbständige Leistungen sind, die nicht schon durch eine sie verbindende medizinische Abhängigkeit eine einheitliche Leistung bilden. Andernfalls wäre jede prothetische Versorgung, die als Folge einer sonstigen Erkrankung, auch einer Zahn-, Mund- oder Kiefererkrankung, erforderlich wird, von der Krankenkasse als - einheitliche -Naturalleistung i.S. von §§ 27, 28 SGB V in vollem Umfang geschuldet. Damit würde Sinn und Zweck des § 30 SGB V unterlaufen und die dort vorgesehene Beschränkung auf einen Kostenzuschuß obsolet.
Ob in besonders gelagerten Einzelfällen etwas anderes gilt, kann der Senat offenlassen. Ein ausnahmsweise auch die Versorgung mit Zahnersatz umfassender - einheitlicher - Sach- bzw. Naturalleistungsanspruch könnte allenfalls in solchen Fällen in Betracht gezogen werden, in denen die zahnprothetische Versorgung "wesentlicher Bestandteil" (vgl. § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches ≪BGB≫) einer anderen, im Vordergrund stehenden gesichts- oder kieferchirurgischen Behandlung in dem Sinne ist, daß diese ohne die Versorgung mit Zahnersatz aus medizinisch-technischen Gründen nicht durchführbar ist, also die zahnprothetische Versorgung untrennbarer Bestandteil dieser Behandlung ist. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Beseitigung einer Gesichtsspalte ohne Zahnersatz nicht durchführbar ist (vgl. BSG SozR 2200 § 182 Nr. 11 = ZM 1976, 264 mit Anmerkung von Pohl = SGb 1976, 334 mit Anmerkung von Schulin) oder wenn die zahnprothetische Versorgung im Rahmen einer unfallchirurgischen Gesichtsbehandlung oder einer Tumor-Therapie erforderlich wird, um z.B. größere Hohlräume im Kieferbereich auszugleichen oder größere Kieferdefekte zu überbrücken (vgl. zur Tumor-Therapie Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 15./16. August 1990, BKK 1991, 48/49). Nur in solchen Sonderfällen könnte der Zahnersatz nicht mehr "sonderrechtsfähig" i.S. von § 30 SGB V a.F. sein und insoweit eine teleologische Reduktion dieser Regelung in Betracht kommen.
Im Falle der Klägerin liegt kein Ausnahmefall der vorgenannten Art vor. Vielmehr bilden die Allergiebehandlung einerseits und die Beseitigung der Allergie-Ursachen durch eine prothetische Neuversorgung andererseits nicht eine einheitliche Behandlung in dem Sinne, daß beide Leistungen in medizinisch-technischer Hinsicht untrennbar miteinander verbunden wären. Daß die prothetische Neuversorgung ihre Ursache in der Allergie hat und insoweit Teil einer auf die Beseitigung der Allergie bezogenen Gesamtbehandlung ist, reicht nicht aus, um sie als untrennbaren Teil der Allergiebehandlung aus dem Anwendungsbereich des § 30 SGB V herauszunehmen. Hat die Behandlung der Allgerie überhaupt nur in der prothetischen Neuversorgung bestanden, wie die Klägerin selbst einräumt, so unterfällt diese ohnehin dem § 30 SGB V.
Etwas anderes kann die Klägerin schließlich auch nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 7. Dezember 1977 (BSGE 45, 212, 221) herleiten, wonach bei einer fortgeschrittenen Parodontose die Versorgung mit Zahnersatz als letzter Schritt einer Behandlung dieser Erkrankung und insoweit als "integrierender Teil einer sonst als Sachleistung zu gewährenden zahnärztlichen Gesamtbehandlung" (mit voller Kostenerstattung) in Betracht gezogen worden ist. Abgesehen davon, daß der erkennende Senat über diese Frage seinerzeit nicht abschließend entschieden hat, kann diese Entscheidung hier schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie zu einer anderen Rechtslage ergangen ist, die - wie ausgeführt - von derjenigen des § 30 SGB V a.F. abweicht. Wäre Zahnersatz bei Parodontose als "integrierender Bestandteil einer zahnärztlichen Gesamtbehandlung" gem §§ 27, 28 SGB V als Naturalleistung - ohne Eigenbeteiligung - zu verschaffen, wäre letztlich jede prothetische Versorgung, die als Folge einer Zahn-, Mund- oder Kiefererkrankung erforderlich wird, von der Krankenkasse in gleicher Weise geschuldet. Damit verlöre die für Zahnersatz geschaffene Sonderregelung ihren Sinn.
Nach allem konnte die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen