Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung bilateraler Verträge zwischen der DDR und den ehemals sozialistischen Staaten über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens – Berücksichtigung von bulgarischen Versicherungszeiten – Europa-Abkommen Bulgarien – Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung in Art 7 Abs 2 4 DDRVtrV
Leitsatz (amtlich)
1. Der 4. Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß die bilateralen Verträge zwischen der DDR und den ehemals sozialistischen Staaten über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens mit Ablauf des 2.10.1990 erloschen sind und sich die vorübergehend einseitig angeordnete bundesrechtliche Weitergeltung in der Rentenversicherung auf den Zeitraum bis zum 31.12.1991 beschränkt; die Ergebnisse bilateraler Konsultationen bzw von Verwaltungsvereinbarungen unterhalb der völkervertragsrechtlichen Ebene sind ohne Bedeutung für die nach dem SGB 6 erworbene Rechtspositionen (Festhaltung an BSG vom 29.9.1998 – B 4 RA 4/98 R = BSGE 83, 19 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1, BSG vom 29.9.1998 – B 4 RA 34/98 R = SozR 3-8000 Art 3 Nr 1, BSG vom 27.1.1999 – B 4 RA 44/98 R = BSGE 83, 224 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 3; teilweise in Abgrenzung zu BSG vom 1.2.2000 – B 8 KN 8/97 R = BSGE 85, 256 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 5).
2. Das zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten mit Bulgarien abgeschlossene sogenannte Europa-Abkommen verpflichtet einen deutschen Rentenversicherungsträger nicht, bei der Feststellung des Rentenwertes die in Bulgarien zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen.
3. Die Stichtagsregelung in § 7 Abs 4 DDRVtrV idF DDRVtrVÄndV ist verfassungskonform.
Stand: 22. Januar 2001
Normenkette
SGB VI §§ 55, 248 Abs. 3 S. 1; EinigungsV Art. 12, 3; DDRVtrV Art. 7 Abs. 4 Fassung 1992-12-18; DDRVtrVÄndV; SozPZAAbk BGR Art. 4 Fassung 1973-02-07; SozPZAAbkÄndVbg BGR; SozSichAbk BGR Art. 14; SozSichAbkBGRG; EGAbk BGR Art. 39 Abs. 1-2, Art. 40; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 59 Abs. 2
Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. September 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist der monatliche Wert eines Rechts auf Altersrente. Der Kläger macht geltend, er habe Anspruch auf eine höhere Rente, weil seine in Bulgarien zurückgelegten Beschäftigungszeiten renten(wert)steigernd zu berücksichtigen seien.
Der im April 1936 geborene Kläger war vom 1. September 1954 bis 12. September 1957 und vom 6. Dezember 1959 bis 1. Dezember 1972 – damals noch bulgarischer Staatsbürger – als Orchestermusiker in Bulgarien sowie vom 1. Dezember 1972 bis 31. Juli 1978 in Ägypten beschäftigt. Seit dem 1. August 1979 hält sich der Kläger gewöhnlich im Beitrittsgebiet auf und war hier in seinem Beruf vom 1. August 1979 bis 31. Dezember 1992 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Januar 1993 bis 30. April 1996 bezog er Altersübergangsgeld. Im Februar 1998 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erkannte dem Kläger antragsgemäß ab 1. Mai 1996 ein Recht auf Altersrente (wegen Arbeitslosigkeit) zu. Den monatlichen Wert der Rente stellte sie mit 515,59 DM fest (Bescheid vom 28. August 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1996). Bei der Feststellung des Rentenwerts wurden die vom Kläger in Bulgarien und Ägypten zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht berücksichtigt. Zur Begründung führte die BfA aus, der Kläger gehöre nicht zu dem durch das Fremdrentengesetz (FRG) begünstigten Personenkreis; das zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Volksrepublik Bulgarien geschlossene Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Sozialpolitik (Abk DDR-Bulgarien SozPol) idF der Vereinbarung vom 7. Februar 1973 (GBl II 1973, 249) iVm den hierzu aufgrund des Einigungsvertragsgesetzes (EinigVtrG) vom 23. September 1990 (BGBl II 1990, 885) ergangenen Rechtsverordnungen finde keine Anwendung, da der Kläger einen „Anspruch” auf Altersrente nach deutschem Recht erst ab 1. Mai 1996 habe.
Klage und Berufung des Klägers, mit der er nur noch die Berücksichtigung seiner in Bulgarien zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei der Feststellung seines Rentenwertes begehrte, sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 23. Februar 1998; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 16. September 1999).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die in der einschlägigen Rechtsverordnung aus Gründen des Vertrauensschutzes getroffene Übergangsregelung über die weitere Anwendung des Abk DDR-Bulgarien SozPol, das ansonsten sein Begehren stütze, sei zu knapp bemessen worden. Sie sei verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. September 1999 und das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Februar 1998 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1996 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Feststellung des monatlichen Werts des Rechts auf Altersrente die vom Kläger in Bulgarien zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 1. September 1954 bis 12. September 1957 und vom 6. Dezember 1959 bis 1. Dezember 1972 wie in der DDR zurückgelegte Beschäftigungszeiten anzurechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) angegriffene Festsetzung des Wertes des Rechts auf Altersrente im Bescheid der Beklagten vom 28. August 1996 ist rechtmäßig. Mangels bundesrechtlicher Relevanz war die Beklagte nicht berechtigt, die vom Kläger in Bulgarien zurückgelegten Beschäftigungszeiten (vom 1. September 1954 bis zum 12. September 1957 und vom 6. Dezember 1959 bis zum 1. Dezember 1972) wie in der DDR zurückgelegte Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen, die den originären Beitragszeiten des SGB VI als Beitragszeiten mit entsprechend als versichert geltenden Arbeitsverdiensten gleichstehen.
Der Senat konnte zwar nicht abschließend entscheiden, ob – wogegen die bislang festgestellten Tatsachen sprechen – der Kläger gegen die Beklagte nach dem von ihm für anwendbar erachteten Abkommensrecht zwischen der DDR und der Volksrepublik Bulgarien überhaupt höhere monatliche Zahlungsansprüche gehabt hätte als diejenigen, die sich aus dem nach dem Recht des SGB VI zutreffend festgesetzten Rentenwert ergeben; hierzu hätten die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgereicht (dazu unter 5.). Dessen Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (iS von § 170 Abs 1 Satz 2 SGG), weil jenes Abkommensrecht – auch nicht übergangsweise – auf sein Begehren anzuwenden ist (dazu unter 1. bis 4.). Zutreffend hat daher das Berufungsgericht das klagabweisende Urteil des SG bestätigt.
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht umstritten, daß die BfA den Rentenwert – ohne die Beschäftigungszeiten in Bulgarien – gesetzmäßig festgestellt hat. Der monatliche Wert des Rechts auf Altersrente (aus den §§ 35 ff SGB VI) hängt vor allem von dem Verhältnis der vom Versicherten in Beitragszeiten in der bundesdeutschen Rentenversicherung kalenderjährlich versicherten Arbeitsverdienste (bzw der für gesetzlich gleichgestellte Beitragszeiten als versichert geltenden Arbeitsverdienste) zum kalenderjährlichen Durchschnittsentgelt der durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer (ausgedrückt in der Summe der Entgeltpunkte) sowie vom aktuellen Rentenwert bei Rentenbeginn ab (daneben vom Zugangsfaktor und vom Rentenartfaktor); diese Vorgaben der sog Rentenformel (§ 64 SGB VI) hat die Beklagte beachtet, ebenso diejenigen der einzelnen Wertfeststellungsvorschriften der §§ 66 ff SGB VI. Die streitigen Beschäftigungszeiten in Bulgarien durfte die BfA aber aus folgenden Gründen weder rentenwertsteigernd noch anspruchsbegründend oder anspruchserhöhend berücksichtigen.
1. Die vom Kläger in Bulgarien zurückgelegten Beschäftigungszeiten sind keine originären Beitragszeiten iS des SGB VI und diesen auch nicht gleichgestellt.
Eine originäre Beitragszeit (iS von § 54 Abs 1 Nr 1 iVm § 55 Abs 1 SGB VI) scheidet bereits deshalb aus, weil für die fraglichen Zeiten nach Bundesrecht weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge an einen bundesdeutschen Rentenversicherungsträger gezahlt worden sind. Ebenso handelt es sich nicht um Zeiten, für die ausnahmsweise nach besonderen Vorschriften des Bundesrechts Pflichtbeiträge als gezahlt gelten (§ 55 Abs 1 Satz 2 SGB VI).
Eine Berücksichtigung der umstrittenen Beschäftigungszeiten in Bulgarien als spezialgesetzlich den Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichgestellten Beitragszeiten läßt das geltende Recht nicht zu. Eine Qualifizierung als Beitrittsgebiets-Beitragszeiten, die nach § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI den Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichstehen, scheidet bereits deshalb aus, weil in den streitigen Zeiträumen auch im Beitrittsgebiet nach den vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht dort geltenden Rechtsvorschriften für den Kläger keine Beiträge zum dortigen System der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sind. Ebensowenig gehört der Kläger zu dem durch andere Gleichstellungssysteme (zB Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, FRG, Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ≪WGSVG≫) begünstigten Personenkreis.
2. Eine Pflicht der Beklagten zur – rentenwertsteigernden – Berücksichtigung der bulgarischen Zeiten ergibt sich auch nicht aus Europarecht (iwS), nämlich aus dem von den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten mit Bulgarien abgeschlossenen (Assoziations-) Europaabkommen (nachfolgend EA-Bulgarien).
Am 8. März 1993 haben die Europäischen Gemeinschaften und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Republik Bulgarien andererseits ein „Europaabkommen zur Gründung einer Assoziation” beschlossen (BGBl II 1994, 2753, 2754). Das Abkommen ist am 1. Februar 1995 in Kraft getreten (BGBl II 1995, 574). Solche Assoziierungsabkommen bilden ab Inkrafttreten einen integrierten Bestandteil des Gemeinschaftsrechts; es handelt sich um sekundäres Gemeinschaftsrecht mit sog Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht.
Aus dem EA-Bulgarien kann der Kläger keine für ihn günstigen Rechtsfolgen herleiten. Prüfungsmaßstab ist insoweit die Koordinierungsvorschrift des Art 39 EA-Bulgarien. Der Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit im Jahre 1998 erworben hat, war bei Antragstellung im Jahre 1996 noch bulgarischer Staatsbürger. Zu diesem Zeitpunkt beurteilte sich die Frage der Berücksichtigung von in einem anderen Staat zurückgelegten Zeiten nach Art 39 Abs 1 1. Spiegelstrich EA-Bulgarien. Danach werden im Hinblick auf die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für bulgarische Arbeitnehmer die in den einzelnen „Mitgliedstaaten” der EG jeweils zurückgelegten Versicherungs-, Beschäftigungs- und Aufenthaltszeiten ua bei der Altersrente zusammengerechnet. Die Bestimmung läßt lediglich erkennen, daß in den genannten Sachbereichen (hier: Altersversicherung) ausschließlich die von bulgarischen Arbeitnehmern in verschiedenen Mitgliedstaaten der EG zurückgelegten Zeiten zum Zwecke einer Koordinierung zusammengerechnet werden sollen; dagegen hat keine Zusammenrechnung mit den in Bulgarien zurückgelegten Zeiten zu erfolgen. Schon deshalb konnte der Kläger – solange er bulgarischer Staatsangehöriger war – auch unter Berücksichtigung des EA-Bulgarien keine Zusammenrechnung der streitigen, in Bulgarien zurückgelegten Zeiten mit den in der bundesdeutschen Rentenversicherung (hier: mit seinen gemäß § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI – unumstritten –) gleichgestellten Zeiten aus Beitragszeiten in der DDR verlangen.
Im übrigen enthält Art 39 Abs 1 1. Spiegelstrich EA-Bulgarien noch kein aus sich heraus anwendbares Recht. Der Bestimmung läßt sich nämlich weder entnehmen, zu welchem Zweck die Zusammenrechnung erfolgen soll, noch werden Hinweise auf die Art und Weise der Durchführung gegeben. Sie hat keine unmittelbare Wirkung. Insoweit bedarf es zur Umsetzung noch der in Art 40 EA-Bulgarien vorgesehenen Beschlüsse des Assoziationsrates (vgl zur inhaltsgleichen Regelung im Europaabkommen mit Polen: Husmann, Europa-Abkommen – dargestellt am Abkommen mit Polen, ZfS 1998, 100, 130).
Durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Jahre 1998 hat sich diese Rechtslage nach dem EA-Bulgarien nicht zugunsten des streitigen Begehrens des Klägers geändert. Nach Art 39 Abs 2 EA-Bulgarien gewährt Bulgarien den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, die in seinem – also im bulgarischen – Gebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die der im Abs 1 unter dem „zweiten und dritten Spiegelstrich” vorgesehenen Behandlung (betrifft Export von Leistungen sowie Familienleistungen) entspricht. Die Norm verpflichtet Bulgarien, ua die Rente, die der Kläger – allein – aufgrund seiner Zeiten in Bulgarien dort beanspruchen kann, an ihn in die Bundesrepublik auszuzahlen. Die Norm begründet hingegen keine Pflicht der Beklagten, bulgarische Rentenversicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Art 39 Abs 2 EA-Bulgarien richtet sich zum einen allein an Bulgarien und damit an dessen Rentenversicherungsträger. Zum anderen wird ausdrücklich nur auf den zweiten und dritten Spiegelstrich des Abs 1 aaO Bezug genommen, nicht aber auf den ersten Spiegelstrich, der die genannte Zusammenrechnung von Zeiten enthält, die in Mitgliedstaaten zurückgelegt worden sind. Inwieweit Art 39 Abs 2 EA-Bulgarien unmittelbare Wirkung haben könnte, kann deshalb dahingestellt bleiben. Ein Zusammenrechnungsgebot in dem vom Kläger begehrten Sinn enthält die Norm nicht.
3. Eine Pflicht des beklagten Versicherungsträgers zur und ein Recht des Klägers auf Berücksichtigung bulgarischer Zeiten bei der Feststellung des Rentenwertes ergibt sich auch nicht aus dem Zustimmungsgesetz (Vertragsgesetz) des Deutschen Bundestages zu dem die Republik Bulgarien und die Bundesrepublik Deutschland bindenden völkerrechtlichen Vertrag (Art 59 Abs 2 Satz 1 GG) über Soziale Sicherheit vom 17. Dezember 1997. Es gibt auch kein wirksames sog „normatives Verwaltungsabkommen” und kein sonstiges Verwaltungsabkommen (Art 59 Abs 2 Satz 2 GG), welches das Klagebegehren tragen könnte.
a) Auf das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien am 17. Dezember 1997 geschlossene Abkommen über Soziale Sicherheit (aaO) kann der Kläger sein Begehren nicht stützen.
Der Deutsche Bundestag hat diesem Sozialversicherungsabkommen mit dem Gesetz vom 25. August 1998 (BGBl II 2011) zugestimmt; eine Transformation des Abkommens in Bundesrecht nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG ist also erfolgt; das Abkommen ist auch nach Austausch der Ratifikationsurkunden im Dezember 1998 (R. Bosien, Das deutsch-bulgarische Abkommen, DAngVers 1999, S 295, 299) am 1. Februar 1999 in Kraft getreten (Art 30 Abs 2 des Abkommens iVm Art 3 des Zustimmungsgesetzes und der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1998 ≪BGBl II 1999, 51≫). Indessen begründet dieses Abkommen (Art 28 Abs 1 Buchst a) keinen Anspruch auf Leistungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten; überdies handelt es sich um ein sog reines „Leistungsexportabkommen” (vgl R. Bosien, DAngVers 1999, S 295, 300 f; U. Kraus, Die neuen Sozialversicherungsabkommen mit Kroatien, Slowenien und Bulgarien, DRV 1998, S 744).
Nach Art 14 Abs 1 des Abkommens werden „für den Erwerb” eines „Leistungsanspruchs” aus der deutschen Rentenversicherung auch die in Bulgarien anrechenbaren Versicherungszeiten berücksichtigt, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Daraus folgt zB, daß für die Erfüllung der erforderlichen Wartezeit, die Voraussetzung für die Entstehung eines Rechts auf Altersrente nach dem SGB VI ist, neben den deutschen auch die bulgarischen Versicherungszeiten zählen (vgl R. Bosien, DAngVers 1999, S 295, 300; U. Kraus, DRV 1998, S 744, 750). Indessen sieht das Abkommen bei der Feststellung des monatlichen Werts einer Rente nach dem SGB VI die – vom Kläger begehrte – rentenwertsteigernde Berücksichtigung bulgarischer Versicherungszeiten nicht vor. Denn nach Art 14 Abs 3 des Abkommens richtet sich die „Berechnung der Rente” nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften des jeweiligen Vertragsstaates, dh hier: Der Rentenwert ergibt sich ausschließlich aus den Umständen, die nach dem Bundesrecht – ohne das genannte Vertragsgesetz – für die sog Rentenformel (§ 64 SGB VI) erheblich sind. Insoweit bestimmt Art 15 Abs 1 des Abkommens, daß bei der Feststellung des monatlichen Werts einer Rente nach dem SGB VI für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte Grundlage nur die Entgeltpunkte sind, die sich nach den deutschen Rechtsvorschriften ergeben. Das Abkommen sieht somit auch dann nur eine rein innerstaatliche Rentenberechnung vor, wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine deutsche (SGB VI-)Rente nur unter Berücksichtigung der bulgarischen Versicherungszeiten gegeben sind (vgl R. Bosien, DAngVers 1999, S 295, 300; U. Kraus, DRV 1998, S 744, 751).
b) Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf das zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Volksrepublik Bulgarien geschlossene Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Sozialpolitik idF der Vereinbarung vom 7. Februar 1973 (aaO) stützen. Das Abk DDR-Bulgarien SozPol ist kein Bestandteil des für das BSG allein maßgebenden Bundesrechts (§ 162 SGG).
Der Senat hat bereits anläßlich von Abkommen der DDR mit anderen sozialistischen Staaten auf dem Gebiet der Sozialpolitik entschieden, daß diese (Regierungs-)Abkommen kein Bundesrecht geworden, sondern als sog geschlossene Abkommen mit Ablauf des 2. Oktober 1990 erloschen sind (Urteile vom 29. September 1998, BSGE 83, 19 ff = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1 ≪zum Abk DDR-UdSSR SozPol≫, vom 29. September 1998, SozR 3-8000 Art 3 Nr 1 ≪zum Abk DDR-UdSSR SozPol≫ und vom 27. Januar 1999, BSGE 83, 224 ff = SozR 3-8100 Art 12 Nr 3 ≪zum Abk DDR-Ungarn SozPol≫). Dem hat sich der 5. Senat des BSG im Urteil vom 22. September 1999, SozR 3-8100 Art 12 Nr 4 (DDR-Griechenland) „im Ergebnis jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation” (S 52 aaO) angeschlossen. Auch der 8. Senat des BSG ist dieser Rechtsprechung im Ergebnis gefolgt (Urteil vom 1. Februar 2000, B 8 KN 8/97 R, zur Veröffentlichung vorgesehen); soweit er in Teilen seiner Urteilsbegründung Ausführungen gemacht hat, die mit der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG unvereinbar sein dürften, handelt es sich um Meinungsäußerungen, welche jene Entscheidung nicht tragen.
Der 4. Senat des BSG hält an seiner Rechtsprechung uneingeschränkt fest. Sie bedeutet im Hinblick auf das Abk DDR-Bulgarien SozPol folgendes:
aa) Die DDR ist als Staats- und Völkerrechtssubjekt mit Ablauf des 2. Oktober 1990 vollständig und ersatzlos untergegangen. Mit diesem Untergang sind jedenfalls die (sog geschlossenen) völkerrechtlichen Verträge der DDR erloschen, die – wie das Abk DDR-Bulgarien SozPol nach dessen Art 2 – nur die Staatsbürger der Vertragspartner erfassen (BSGE 83, 20 ff; BSGE 83, 228 ff).
bb) Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht (etwa im Wege der Rechtsnachfolge) anstelle der DDR Vertragspartner der Abkommen geworden, welche die DDR mit ehemals sozialistischen Staaten auf dem Gebiet der Sozialpolitik geschlossen hatte (BSGE 83, 22 ff; BSGE 83, 229 ff); sie ist also auch nicht Vertragspartner der (Regierung der) Volksrepublik Bulgarien oder deren Rechtsnachfolgerin geworden.
cc) Hätten also die wesentlichen rentenversicherungsrechtlichen Inhalte der mit Ablauf des 2. Oktober 1990 erloschenen (Regierungs-)Abkommen der DDR ab dem 3. Oktober 1990 völkerrechtlich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem anderen Vertragspartner gelten und „innerstaatlich” Bestandteil des Bundesrechts werden sollen, hätte es für die völkerrechtlich wechselseitigen Rechte und Pflichten eines neuen völkerrechtlichen Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem (früheren) Vertragspartner (der DDR) bedurft. Dieser völkerrechtliche Vertrag hätte schon wegen seiner Grundrechtsrelevanz, seiner Haushaltsrelevanz und wegen der zahlreichen Abweichungen von den status- und rechtsbegründenden sowie aufgabenzuweisenden parlamentsgesetzlichen Regelungen des SGB VI Gegenstände der Bundesgesetzgebung iS von Art 59 Abs 2 Satz 1 GG berührt und deswegen ein parlamentsgesetzliches Vertragsgesetz benötigt (BSGE 83, 224, 226 f, 234 ff). Absprachen zwischen Vertretern der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und Vertretern der Regierung eines (Rechtsnachfolgers eines) Vertragspartners der DDR mit dem Inhalt, die beiderseitigen „Rentenverwaltungen” würden sich abgestimmt so verhalten, als ob das erloschene Abkommen mit einigen durch die neue völker- und staatsrechtliche Lage erzwungenen Modifikationen fortgälten, sind augenfällig ungeeignet, die zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes und die Regelungen des SGB VI außer Kraft zu setzen oder deren Anwendung zu verdrängen.
dd) Die Bundesrepublik Deutschland war und ist nicht gehindert, einseitig durch Bundesrecht jenen Versicherten Vertrauens- und Bestandsschutz zu gewährleisten, die am 2. Oktober 1990 gegen die DDR bereits Rechte auf Renten oder Anwartschaften unter Berücksichtigung des damals dort gültigen Abkommensrechts erlangt hatten. In diesem Sinne ist sie durch „höheres” Recht nicht gehindert, innerstaatlich die weitere Anwendung der völkerrechtlichen Verträge der DDR im Bereich der sozialen Sicherheit „vorübergehend”, dh einstweilig, vorläufig, zu regeln, bis das vereinte Deutschland seine Haltung zum Übergang dieser Verträge festgelegt hat, wie dies in Art 3 des EinigVtrG ausdrücklich vorgesehen ist (BSGE 83, 22, 26 ff; BSGE 83, 236 f, 242 ff).
c) Vor diesem Hintergrund stellt sich die völkerrechtliche Beziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien hinsichtlich des Rentenversicherungsrechts und die sich hieraus ergebenden bundesrechtlichen Vorgaben für das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der BfA wie folgt dar:
Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Bulgarien haben keinen völkerrechtlich wirksamen (und wirksam in Bundesrecht transformierten) völkerrechtlichen Vertrag mit dem Inhalt geschlossen, diese Vertragspartner wollten sich einander verpflichten, für die Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Januar 1999, also bis zum Inkrafttreten des zwischen ihnen geschlossenen Sozialversicherungsabkommens (dazu sogleich), so zu tun, als bestünde die DDR noch und hätte Staatsgebiet und Staatsbürger, für welche das Abk DDR-Bulgarien SozPol weiter gültig und anzuwenden wäre, wenn auch nur in einem von der Bundesregierung einseitig durch Verordnungen näher bestimmten Maße. Da das Abk DDR-Bulgarien SozPol mit Ablauf des 2. Oktober 1990 erloschen ist, hätte es eines konstitutiv wirkenden Neuabschlusses eines Vertrages mit neuen Vertragspartnern bedurft. Insbesondere konnte und kann der erloschene Vertrag der Regierung der DDR mit der Regierung der Volksrepublik Bulgarien nicht „durch Novation wiederbelebt” werden; denn eine Novation eines völkerrechtlichen Vertrages setzt ua voraus, daß ein rechtlich wirksamer Schuldgrund besteht, den die bisherigen Vertragspartner oder ihre Rechtsnachfolger gemeinsam (vertraglich) durch einen neuen ersetzen.
Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Bulgarien haben am 17. Dezember 1997 ausschließlich das og Abkommen über Soziale Sicherheit geschlossen; auch für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Abkommens am 1. Februar 1999 haben die beiden Staaten keine Vereinbarung über die Weitergeltung des Abk DDR-Bulgarien SozPol getroffen. Von der Existenz eines solchen gerade sie bindenden Vertrages sind die beiden Vertragsstaaten bei Vertragsschluß im Dezember 1997 offenkundig gerade nicht ausgegangen; dieser Vertrag enthält nämlich keine sie verpflichtende Bezugnahme auf das Abk DDR-Bulgarien SozPol, keine Übergangsregelung und keine Aufhebungsbestimmung hierzu. Lediglich Art 28 Abs 1 Buchst b dieses Abkommens stellt klar, daß dieser Vertrag auch zukunftsgerichtet keinen „Anspruch auf Leistungen” in den Fällen begründet, in denen das Abk DDR-Bulgarien SozPol „weiter anzuwenden” ist, also dessen Rechtsfolgen bereits verbindlich eingetreten waren.
Ein Vertragsschluß mit dem Inhalt, jenes – erloschene – DDR-Abkommen für Zeiten vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Januar 1999 durch ein inhaltsgleiches – zB trotz nicht mehr gegebener „Staatsbürgerschaft der DDR” – zwischen der Republik Bulgarien und der Bundesrepublik Deutschland „zu ersetzen”, liegt damit augenfällig nicht vor. Deshalb erübrigt es sich aufzuzeigen, daß ein solcher „Vertrag” mit dem GG – aus vielen Gründen – unvereinbar gewesen wäre. Auch das Schlußprotokoll zum Abkommen vom 17. Dezember 1997 und die Durchführungsvereinbarung hierzu enthalten keinen Hinweis auf einen Abschluß eines weiteren, auf die Zeiten vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Januar 1999 bezogenen Vertrages. Schließlich gibt auch das Vertragsgesetz vom 25. August 1998 (BGBl II 2011) hierfür nichts her.
Dieses Ergebnis wird auch durch die zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Bulgarien geführten Konsultationen bestätigt. Diese Beratungen zwischen den beiderseitigen Organen der vollziehenden Gewalt erfolgten für die deutsche Seite auf der Grundlage des Art 12 EinigVtr. In einer „Erklärung” des Auswärtigen Amtes vom 13. April 1994 (BGBl II 1994, 885) wird hierzu mitgeteilt, daß das Abk DDR-Bulgarien SozPol – soweit es sich ua auf die Rentenversicherung beziehe und bis zum 31. Dezember 1992 anzuwenden sei – über den 31. Dezember 1992 hinaus in den Fällen des Art 7 Abs 3, 4, 5 Satz 1 und 6 der Verordnung über die vorübergehende Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der DDR im Bereich der sozialen Sicherheit (Abk-AnwendungsVO) vom 3. April 1991 (BGBl II 1991, 614) idF der Verordnung zur Änderung dieser Verordnung (Anwendungs-ÄndVO) vom 18. Dezember 1992 (BGBl II 1992, 1231) fortgelte und in seinen übrigen Bestimmungen mit Herstellung der Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 erloschen sei. In einer Fußnote zu dieser Erklärung wird angegeben, daß Bulgarien umgekehrt entsprechend verfahre.
Diese Erklärung des Auswärtigen Amtes „bestätigt”, daß das völkerrechtliche Abk DDR-Bulgarien SozPol (jedenfalls „grundsätzlich” und soweit durch bundesrechtliche Rechtsverordnung anderes nicht bestimmt sei) mit Ablauf des 2. Oktober 1990 erloschen ist. Ferner gibt die Erklärung jenen rentenversicherungsrechtlichen Rechtszustand wieder, wie er sich nach Auffassung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland aus den og beiden bundesrechtlichen Rechtsverordnungen ergibt. Darüber hinaus deutet der Hinweis auf das entsprechende Verhalten Bulgariens darauf hin, daß beide Regierungen sich zugesichert haben, „ihre” Bürger durch „ihre” zuständigen Hoheitsträger so behandeln zu lassen, als sei das frühere Abkommen der DDR in dem in der „Erklärung” umschriebenen Umfang nicht erloschen. Einig scheinen die Regierungsvertreter sich darin gewesen zu sein, daß dieses Ziel erreicht werden solle, ohne die jeweiligen Gesetzgeber, dh für die deutsche Seite, ohne den Deutschen Bundestag, zu bemühen, also ohne einen völkerrechtlichen Vertrag iS von Art 59 Abs 2 Satz 1 GG abzuschließen. Auch bei diesen Konsultationen gingen somit die deutschen Regierungsvertreter – wie in den Konsultationen mit anderen ehemals sozialistischen Staaten – darauf aus, ein „Einvernehmen” in der Form von Regierungsabsprachen unterhalb der völkerrechtlichen Vertragsschwelle herzustellen; es sollte gerade nicht die „Fortgeltung” erloschener völkerrechtlicher Verträge „rechtsgeschäftlich” vereinbart werden; andernfalls wäre offenkundig den verfassungsrechtlichen Erfordernissen der Zustimmung des Deutschen Bundestages und einer parlamentsgesetzlichen Regelung nicht zu entgehen gewesen (BSGE 83, 224, 241).
Das Ergebnis dieser Konsultation bestand nun aber gerade nicht im Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages, sondern in der nirgendwo verlautbaren Übereinkunft von Regierungsvertretern, ua „Rentenverwaltungen” zu einem abgestimmten Verhalten anzuhalten, als ob der erloschene völkerrechtliche Vertrag in einem von ihnen bestimmten Teil noch gültig wäre. Daher ist nicht weiter darauf einzugehen, daß die „abgestimmte Verwaltungspraxis” ua wegen der dadurch bewirkten Abweichungen vom Parlamentsgesetz (SGB VI) verfassungswidrig ist; diese und weitere Rechtsmängel können auch nicht nachträglich rückwirkend geheilt werden. Im übrigen könnte ohnehin etwas nicht Existentes (hier: ein erloschener völkerrechtlicher Vertrag) nicht einmal durch (notwendig einseitiges) Gesetz des Deutschen Bundestages „wiederbelebt” werden, geschweige denn durch Regierungsabsprachen über „abgestimmtes Verwaltungshandeln”.
Das Ergebnis dieser Konsultationen war aber auch keine sog normative Verwaltungsvereinbarung (Art 59 Abs 2 Satz 2 GG). Nach der og „Erklärung” des Auswärtigen Amtes war das Konsultationsergebnis in diesem Sinne nicht verstanden und gewollt worden. Weder die Bundesregierung noch ein Bundesminister haben das Konsultationsergebnis, genauer: denkbare vertragliche Pflichten der Bundesrepublik Deutschland hieraus, durch Rechtsverordnung in innerstaatliches Recht überführt. Eine „gesetzesvertretende” Erklärung des Auswärtigen Amtes ist dem Bundesrecht ebenso fremd wie „schwebend unwirksames” Bundesrecht. Im übrigen bedarf auch eine solche nur ausnahmsweise zulässige „Transformation einer Verwaltungsvereinbarung durch Rechtsverordnung” einer wirksamen parlamentsgesetzlichen Ermächtigung (so schon bindend BVerfGE 1, 372, 389 f, 395 f); jedoch können sogar auf diese Weise transformierte Verwaltungsabkommen einen unmittelbar durch Parlamentsgesetz geschaffenen innerstaatlichen Rechtszustand nicht abändern (soweit nicht ein Parlamentsgesetz selbst eine von ihm direkt vorgenommene Abweichung vorsieht). In parlamentsgesetzlich – hier durch das SGB VI (und durch den EinigVtr) – begründete Rechtspositionen (Rechte, Ansprüche und Anwartschaften) und Aufgaben- sowie Zuständigkeitszuweisungen an selbständige Hoheitsträger können Erklärungen des Auswärtigen Amtes oder „einfache” Verwaltungsabkommen iS von Art 59 Abs 2 GG von vornherein nicht rechtswirksam eingreifen. Die geheime Regierungsübereinkunft zu „abgestimmtem Verwaltungshandeln” ist schon deswegen innerstaatlich unbeachtlich und insbesondere kein (etwa „schwebend unwirksames”) Bundesrecht.
4. Der Kläger kann die begehrten Rechtsfolgen auch nicht aus der einseitig bundesrechtlichen (rein „innerstaatlichen”) Anordnung der „vorübergehenden Weitergeltung” des Abk DDR-Bulgarien SozPol in der Abk-AnwendungsVO idF der Anwendungs-ÄndVO herleiten.
Dieser verordnungsrechtlich begründete vorübergehende Rechtszustand ist grundsätzlich mit dem Ablauf des 31. Dezember 1992 beendet worden, als die Verordnung außer Kraft trat (Art 7 Abs 2 Anwendungs-ÄndVO). Für den Bereich der Rentenversicherung des SGB VI ist sie allerdings schon mit Ablauf des 31. Dezember 1991 gegenstandslos geworden, weil es seither kein eigenständiges Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets mehr gibt und auch die „Vertrauensschutzregelungen” des Art 2 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) nur den Rechtsbestand schützen, der am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet bestand (vgl dazu zuletzt Senatsurteil vom 9. November 1999, SozR 3-8575 Art 2 § 31 Nr 1 mwN). Nach diesem Zeitpunkt können rentenversicherungsrechtliche Rechtspositionen somit aus jenem Abkommen ohnehin nicht hergeleitet werden. Da das Recht des Klägers auf Altersrente nach dem SGB VI erst zum 1. Mai 1996 entstanden war, findet das durch die og Rechtsverordnungen geschaffene „Interims-Recht” keine Anwendung.
Der Kläger selbst räumt ein, daß sein Begehren von den übergangsrechtlichen Bestimmungen des Art 7 Abs 3 bis 6 Abk-AnwendungsVO idF der Anwendungs-ÄndVO zum ansonsten (seit 1992) grundsätzlich außer Kraft getretenen Verordnungsrecht nicht gestützt wird; er meint, die Übergangsfristen seien verfassungswidrig zu eng bemessen. Art 7 Abs 4 aaO erlaubt die Erbringung von Vertragsleistungen ua aus dem Abk DDR-Bulgarien SozPol an Personen, die sich entweder am 2. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufgehalten haben oder bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 in das Beitrittsgebiet eingereist sind, wenn der „Anspruch” bis zum 31. Dezember 1995 entstanden ist. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er erstmals am 1. Mai 1996 nach deutschem Rentenversicherungsrecht ein Recht auf eine Altersrente erworben hat.
Die einseitig bundesrechtlich bestandswahrende Übergangsregelung des Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO ist – gesetzes- und verfassungskonform ausgelegt – gesetzmäßig und verfassungsgemäß. Die Vereinbarkeit der Verordnungslage mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in Art 3 EinigVtrG hat der Senat bereits aufgezeigt (Urteile vom 29. September 1998, SozR 3-8000 Art 3 Nr 1 und BSGE 83, 19, 26 ff = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1 S 11 f mwN). Ausgenommen hiervon ist nur die nichtige Bestimmung des Art 7 Abs 7 aaO (dazu BSGE 83, 224, 243 ff = SozR 3-8100 Art 12 Nr 3); sie ist hier ohnehin nicht einschlägig.
Das Erfordernis, der „Anspruch” müsse vor dem 1. Januar 1996 entstanden sein, ist eine Stichtagsregelung. Sie ist verfassungsgemäß. Die Ungleichbehandlung der Versicherten aus dem Beitrittsgebiet, deren Vollrecht auf Rente erstmals ab dem 1. Januar 1996 entsteht, gegenüber denjenigen, deren Recht vorher entstanden ist, geht nicht über die mit jeder Stichtagsregelung verbundenen Härten hinaus. Stichtagsregelungen sind zur zeitlichen Abgrenzung zweier Rechtslagen gesetzgebungstechnisch nicht zu entbehren und deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Einführung des Stichtages notwendig ist, sich die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfaßt ist (dazu zuletzt BVerfGE 87, 1, 43 mwN).
Die Stichtagsregelung des Art 7 Abs 4 aaO genügt diesen Anforderungen. Mit der einstweiligen, einseitig-bundesrechtlichen und bestandswahrenden „Fortführung” der aus den Sozialversicherungsabkommen der DDR früher in der DDR gegen diese entstandenen Anwartschaften über den 2. Oktober 1990 hinaus werden die betroffenen Versicherten des Beitrittsgebiets auf Kosten der im Bundesgebiet beitragsrelevant Versicherten des Kernsystems der gesetzlichen Rentenversicherung begünstigt. Zwar hätte es nach der Ermächtigungsregelung in Art 3 EinigVtrG nahe gelegen, die „vorübergehende Weiteranwendung” bis zu einem Abschluß eines Sozialversicherungsabkommens der Bundesrepublik Deutschland mit dem früheren Vertragspartner der DDR bzw dessen Rechtsnachfolger vorzusehen; verfassungsrechtlich geboten war dies aber nicht. Der Verordnungsgeber durfte vielmehr auch berücksichtigen, daß die Angleichung der besonderen Begünstigung des Bestandsschutzes für in Partnerländern der DDR erworbene Rentenwerte an die allgemeinen bundesrechtlichen Rechtsverhältnisse zu einem einheitlichen Zeitpunkt erfolgen mußte, der nicht von der unterschiedlichen Dauer der Konsultationsbemühungen (Art 12 EinigVtr) und von den ungewissen Zeitpunkten möglicher Abschlüsse von völkerrechtlichen Verträgen mit verschiedenen Staaten abhängig gemacht werden konnte. Der Verordnungsgeber ist mit seiner Stichtagsregelung über diejenigen hinausgegangen, die der EinigVtr selbst als ausreichende Wahrung der Interessenlage der betroffenen Versicherten des Beitrittsgebietes im allgemeinen ausgewiesen hat (Art 30 Abs 5: 30. Juni 1995 und Anlage II Kap VIII Buchst H II Nr 9: 30. Juni 1995). Ein einheitlicher Stichtag war also notwendig und ist vom Verordnungsgeber, der durch Art 3 des EinigVtrG ermächtigt war, nach den Bewertungen des EinigVtrG und des EinigVtr angemessen gesetzt worden.
5. Vor diesem Hintergrund, daß das Begehren des Klägers vom zeitlichen Geltungsbereich der genannten Rechtsverordnungen nicht erfaßt wird, hatte der Senat, worauf er in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hatte, nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob die Berücksichtigung der vom Kläger in Bulgarien zurückgelegten Beschäftigungszeiten überhaupt zu irgendwelchen höheren Ansprüchen gegen die Beklagte geführt hätte.
Bei dem Abk DDR-Bulgarien SozPol idF der og Vereinbarung vom 7. Februar 1973 handelte es sich nämlich – im Gegensatz zu den sog Eingliederungsabkommen der DDR mit Rumänien, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Ungarn – im Bereich der Rentenversicherung im wesentlichen um ein sog Leistungsexportabkommen, das allerdings auch noch gewisse Eingliederungselemente enthielt (B. Abendroth, Die Sozialversicherungsabkommen der DDR, DAngVers 1992, S 339, 340; J. Schötz, Das Abkommen mit Bulgarien, DAngVers 1992, S 374; R. Bosien, DAngVers 1999, S 299). Zwar hatte der DDR-Versicherungsträger bei der Feststellung des „Rentenanspruchs” die in beiden Staaten erworbenen Dienst- und die ihnen gleichgestellten Zeiten (nachfolgend Dienstzeiten genannt) entsprechend seinen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen (Art 4 Abs 1 Satz 2 des Abkommens). Das bedeutet zB, daß die bulgarischen Dienstzeiten zunächst für die Erfüllung der DDR-Rentenanspruchsvoraussetzungen (wie zB die Wartezeit) und die Rentenberechnung wie DDR-Zeiten zu berücksichtigen waren (J. Schötz, DAngVers 1992, S 374, 376). Die so ermittelte Rente wurde (und wird) – allgemein – als sog Zunächstrente bezeichnet (J. Schötz, DAngVers 1992, S 374, 376; R. Bosien, DAngVers 1999, S 259, 299). Der DDR-Versicherungsträger hatte jedoch – von der Zunächstrente – nur den Teil zu leisten, der dem Anteil der auf dem Territorium der DDR geleisteten Dienstzeit entsprach (Art 4 Abs 2 Satz 1 des Abkommens), dh eine sog Teilrente. War die Summe beider gezahlten Teilrenten niedriger als die Zunächstrente des Wohnstaates, hatte allerdings der Wohnstaat seine Teilrente um die Differenz zu erhöhen (Art 4 Abs 2 Satz 2 des Abkommens), dh um den sog Differenzbetrag bis zur Höhe seiner Zunächstrente (wodurch der Eingliederungsgedanke des Abkommens zum Ausdruck kam – R. Bosien, DAngVers 1999, S 295, 299).
Indes hat das LSG – ausgehend von seiner (zutreffenden) Rechtsansicht – keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Kläger (vor dem 1. Februar 1999) eine bulgarische Rente bezogen hatte. Hätte im Sinne des Abkommens nur ein Recht in der deutschen Rentenversicherung nach deutschen Vorschriften bestanden, weil zB die bulgarischen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Rente nicht erfüllt waren, wäre es nicht zur Zahlung eines Differenzbetrages gekommen, und dies auch nicht bei ständigem Aufenthalt im „Beitrittsgebiet” (Art 4 Abs 4 Satz 1 des Abkommens; siehe hierzu auch Schötz, DAngVers 1992, S 374, 377). Zwar hätte dann nach Art 4 Abs 4 Satz 2 des Abkommens die Rente nicht niedriger sein dürfen als die Mindestrente, die der im „Beitrittsgebiet” erworbenen Teilrente entsprach. Im Rahmen des SGB VI ist (und war) diese Regelung jedoch gegenstandslos, weil das SGB VI keine Mindestrentenregelung iS der oa Abkommensregelung enthält (J. Schötz, DAngVers 1992, S 374, 377).
Hierauf kam es aber im Ergebnis nicht an, weil das Abk DDR-Bulgarien SozPol mit Ablauf des 2. Oktober 1990 erloschen und das Verordnungsrecht nicht anwendbar war.
Nach alledem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 519232 |
FA 2001, 95 |
NJ 2001, 279 |
SozR 3-8100 Art. 12, Nr. 6 |
AuS 2000, 69 |