Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte –Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme– |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme im Rahmen des (sog Entgelt-)Bescheides nach § 8 Abs 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger auch die Zeit vom 1. März 1974 bis 7. März 1984 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem zu berücksichtigen und dementsprechend Entgelte festzustellen.
Der am 23. Februar 1922 geborene Kläger absolvierte von 1937 bis 1939 eine kaufmännische Lehre und war anschließend – unterbrochen durch den Weltkrieg – zunächst als kaufmännischer Angestellter tätig. 1951 erwarb er die allgemeine Hochschulreife und studierte dann – teilweise im Direkt-, teilweise im Fernstudium neben einer gleichzeitigen Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter bzw Buchhalter – Landwirtschaft; am 18. August 1962 schloß er mit dem Grad eines Diplom-Landwirts ab. Von September 1963 bis Oktober 1964 war der Kläger als Lehrer an der Fachschule für Landwirtschaft T. tätig, danach bis Februar 1974 als Berufsschulinspektor, wobei er ab März 1971 der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung des Staatsapparates angehörte.
Von März 1974 bis August 1977 war der Kläger Leiter einer Ausbildungsgemeinschaft in M., von September 1977 bis August 1980 kommissarischer Direktor einer Betriebsberufsschule in G. V.. Ab dem 1. September 1980 war er schließlich als Lehrer an der Kreislandwirtschaftsschule W. tätig; daneben absolvierte er vom 1. September 1982 bis zum 7. März 1984 im Fernstudium erfolgreich ein Teilstudium der Fachrichtung „Agrarpädagogik”. Mit Urkunde vom 26. Mai 1984 wurde er auf seinen Antrag vom 12. März 1984 nach Maßgabe der entsprechenden Versorgungsordnung ohne nähere Angaben – insbesondere zum Geltungszeitraum – in die zusätzliche Versorgung der Pädagogen einbezogen.
Ab Februar 1987 bezog der Kläger eine Altersrente aus der Sozialversicherung sowie eine zusätzliche Altersversorgung.
Mit Bescheid vom 9. August 1995 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1995) stellte die Beklagte „die Daten” nach dem AAÜG fest und ordnete dabei die Zeit von März 1971 bis Februar 1974 der Altersversorgung des Staatsapparates sowie die Zeit vom 8. März 1984 bis zum 31. Januar 1987 der Altersversorgung der Pädagogen zu. Das Sozialgericht Neubrandenburg (SG) hat die hiergegen sowie den während des Verfahrens ergangenen weiteren „Überführungsbescheid” vom 24. Februar 1997, mit dem der durch das AAÜG-ÄndG geänderten Rechtslage Rechnung getragen wurde, gerichtete Klage mit Urteil vom 19. Februar 1998 abgewiesen. Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (LSG) hat diese Entscheidung mit Urteil vom 15. September 1999 bestätigt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Unabhängig vom nicht maßgeblichen Zeitpunkt der Aushändigung der Urkunde im Mai 1984 sei der Kläger nicht vor dem 8. März 1984 Angehöriger der Altersversorgung der Intelligenz (DDR) – AVI – gewesen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme es für den Begriff der Zugehörigkeit zu einer Zusatzversorgung auf den bloßen Text der maßgeblichen Versorgungsordnungen der DDR, nicht dagegen auf eine etwaige Auslegungs- und Verwaltungspraxis der DDR-Strukturen an. Sowohl nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen (VersO-Päd) vom 27. Mai 1976 (GBl-DDR I S 253) wie auch nach § 4 der vorher bis 1976 anzuwendenden Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVVO-Int) vom 12. Juli 1951 (GBl-DDR S 675) sei für die Einbeziehung stets eine staatlich anerkannte pädagogische Ausbildung erforderlich gewesen. Eine derartige Ausbildung habe der Kläger unstreitig erst am 7. März 1984 abgeschlossen; auf die Beendigung einer akademischen Ausbildung 1962, mit der trotz des Bezuges zum Inhalt der Lehrtätigkeit (Landwirtschaft) gerade keine pädagogische Qualifikation verbunden gewesen sei, komme es demgegenüber nicht an. Ebenso komme es auch nicht auf die Ursachen der späten Absolvierung der geforderten pädagogischen Ausbildung an.
Der Kläger hat hiergegen die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt: Aus den während des Feststellungsverfahrens vorgelegten Einstufungsbescheiden ergebe sich, daß er 1962 seine pädagogische Ausbildung zum Diplom-Landwirt abgeschlossen habe und zum 1. September 1963 der Eintritt in den Schuldienst erfolgt sei. Schon aus dem Einstufungsbescheid vom 12. September 1977 sei zu ersehen gewesen, daß die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 4 erfolgt sei. Maßgebend hierfür sei der Tarif L und E (Lehrer und Erzieher) gewesen; da in diese Vergütungsgruppe nur Pädagogen mit einem Hochschulabschluß eingestuft gewesen seien, sei von einer „staatlichen Zuerkennung” iS der Durchführungsbestimmungen zur Versorgungsordnung der Pädagogen auszugehen. Er verweise im übrigen auf das Urteil des BSG vom 24. März 1998, B 4 RA 27/97 R.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 1999 sowie das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 19. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1995 zu verpflichten, die Zeit vom 1. März 1974 bis 7. März 1984 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur zusätzlichen Versorgung der Pädagogen nach der Versorgungsordnung vom 27. Mai 1976 sei die abgeschlossene pädagogische Ausbildung gewesen; diese habe beim Kläger erst am 7. März 1984 vorgelegen. Demgegenüber handele es sich bei dem früher erworbenen Abschluß als „Diplom-Landwirt” eindeutig nicht um einen pädagogischen Abschluß.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers erweist sich als sachlich in vollem Umfang unbegründet. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, den streitigen Zeitraum als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem festzustellen; damit fehlt es gleichzeitig an einer Grundlage für die Feststellung der entsprechenden Entgelte.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hat den streitgegenständlichen (Entgelt-)Bescheid nach § 8 Abs 1 AAÜG in ihrer Eigenschaft als Träger der Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 4 bzw 18 AAÜG zur Vorbereitung der endgültigen Rentenwertfestsetzung durch den Träger der Rentenversicherung (§ 8 Abs 5 AAÜG) nach § 307b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erteilt (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG). Sie war dabei hinsichtlich der von ihr für den in Frage stehenden Zeitraum zu treffenden Feststellungen nicht an die Versorgungszusage vom 26. Mai 1984 gebunden. Zwar kann eine derartige „Urkunde” einen gemäß Art 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EinigVtr) auch nach dem 3. Oktober 1990 zu beachtenden Verwaltungsakt im von der Norm zugrunde gelegten bundesdeutschen Sinn des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verkörpern; dem Adressaten stehen dann hieraus im Bundesrecht Rechte nach dem für die Entstehung bzw Neufeststellung eines Anspruchs auf eine SGB VI-Rente maßgeblichen Recht vor allem des AAÜG zu (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 1 S 6). Entgegen der Auffassung des LSG kommt der Erteilung der Versorgungszusage unter derartigen Umständen durchaus „maßgebliche Bedeutung” zu: Sie ist nämlich für sich bereits hinreichende – nicht aber in jedem Fall notwendige (vgl Urteil des Senats in SozR 3-8570 § 5 Nr 3 S 10) – Grundlage für den Anspruch auf Feststellung der Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem sowie der Arbeitsentgelte gemäß § 2 Abs 2, § 5, § 6 Abs 1 AAÜG. Im vorliegenden Fall erfaßt jedoch der objektive Erklärungsgehalt der Urkunde vom 26. Mai 1984 allein künftige Zeiträume; weder mißt sie sich nämlich nach ihrem Wortlaut ausdrücklich Rückwirkung bei noch liegen sonstige Hinweise vor, die eine derartige – dem Revisionsgericht zustehende (BSGE 77, 219, 223 = SozR 3-2500 § 124 Nr 3 S 28; BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10 mwN) – Auslegung rechtfertigen könnten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die gerade erst nach vollständiger Erfüllung der in der VersO-Päd geforderten Voraussetzungen im März 1984 (vgl nachstehend) erteilte Versorgungszusage auch allein der zukunftsgerichteten Konkretisierung der dort niedergelegten und ausdrücklich in Bezug genommenen Grundsätze im speziellen Fall des Klägers diente.
Liegt – wie hier für den streitigen Zeitraum – ein einschlägiger Verwaltungsakt (noch) nicht vor, beantwortet sich die Frage nach der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem – wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (SozR 3-8570 § 5 Nr 3) – nach denjenigen Gegebenheiten der DDR, an die das AAÜG anknüpft, dh im Falle des § 5 Abs 1 AAÜG nach den Texten der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten und damit insoweit als bundesrechtlich relevante Fakten anerkannten Versorgungsordnungen. Deren Bedeutung ist nach Maßgabe des Bundesrechts, insbesondere nach Sinn und Zweck des § 5 AAÜG, zu bestimmen, während es insbesondere zur Vermeidung einer normativen Verfestigung willkürlicher Vorgehensweisen auf die praktische Durchführung und auf die Auslegung der Versorgungsordnungen seitens der DDR nicht ankommt.
Für den Kläger kommen nach der Art seiner vom LSG festgestellten Berufstätigkeit als Lehrer an berufsbildenden Schulen die AVVO-Int vom 12. Juli 1951 (GBl-DDR I S 675) sowie die VersO-Päd vom 27. Mai 1976 (GBl-DDR I S 253) als einschlägig in Betracht, ohne daß deren jeweiliger zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich näher voneinander abzugrenzen wäre. Er gehörte zwar grundsätzlich auch bereits in der Zeit vom 1. März 1974 bis 7. März 1984 dem dort angesprochenen Personenkreis an (§ 4 Buchst a AVVO-Int, § 1 VersO-Päd), erfüllte damals aber noch nicht die dort jeweils übereinstimmend zusätzlich geforderten persönlichen Voraussetzungen und konnte folglich auch noch keine Tätigkeit verrichten, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war. Zwingend erforderlich war nämlich über die tatsächliche Verrichtung einer einschlägigen Tätigkeit hinaus durchgehend eine „abgeschlossene staatlich anerkannte pädagogische Ausbildung”. Eine derartige Ausbildung hat der Kläger jedoch nach dem unstreitigen und vom Berufungsgericht für das BSG bindend festgestellten (§ 163 SGG) Sachverhalt „mangels Zeit und Ausbildungsplatz” erst im September 1982 begonnen und am 7. März 1984 durch die entsprechende Prüfung abgeschlossen.
Der Kläger kann sich demgegenüber auch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auf § 3 Abs 2 der Ersten Durchführungsbestimmung zur VersO-Päd vom 27. Mai 1976 (GBl-DDR I S 256) berufen. Als „geronnene” Verwaltungspraxis der DDR sind derartige Bestimmungen von vornherein keine vom Bundesrecht in Bezug genommenen tatsächlichen Gegebenheiten und demgemäß in seinem Zusammenhang unerheblich (stRspr des Senats; vgl Urteile in SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 5 S 56, SozR 3-8570 § 1 Nr 1 S 5, SozR 3-8570 § 11 Nr 4 S 37 und SozR 3-8570 § 17 Nr 1 S 11 ff). Unabhängig hiervon erfordert der vom Kläger angeführte § 3 Abs 2 der Ersten Durchführungsbestimmung seinem Wortlaut nach eine umfassende Ersetzung des dort der „anerkannten pädagogischen Ausbildung” gleichgestellten „pädagogischen Zusatzstudiums”; schon deshalb kann nicht genügen, daß der Kläger bezüglich des Teilaspekts seiner Besoldung – aus welchen Gründen auch immer – ggf so behandelt wurde, als hätte er einen derartigen Status bereits erlangt. Offensichtlich ebenso ohne Belang wäre darüber hinaus eine – bereits vom Kläger selbst nicht wenigstens angedeutete – Verwaltungspraxis der DDR gewesen, die Zuordnung zu einer Besoldungsstufe außerhalb des (bundesrechtlich in Bezug genommenen) Textes der Versorgungsordnungen konstitutiv auch zur Grundlage ihrer erweiterten Anwendung zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NJ 2000, 670 |
AuS 2000, 69 |