Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeiten vor 1986 bei Auswanderung nach Frankreich. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. § 2a Abs 5 S 1 AVG setzt die Entrichtung von Pflichtbeiträgen aufgrund einer der Versicherungspflicht in der deutschen Angestelltenversicherung unterliegenden Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland voraus. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Norm, ergibt sich aber auch aus ihrem Zweck und ihrer Stellung im Regelungszusammenhang des § 2a AVG.
2. § 2a Abs 5 S 3 AVG schließt die Eltern von der Pflichtversicherung wegen Kindererziehung aus, die sich zwar mit ihren Kindern gewöhnlich im Inland aufhalten und sie hier erziehen, aber in ihrer inländischen Beschäftigung oder Tätigkeit den deutschen Bestimmungen über Versicherungspflicht nicht unterliegen. Diese Grundsätze gelten nach § 28a Abs 3 S 1 AVG für Versicherungszeiten wegen Kindererziehung vor dem 1.1.1986 entsprechend.
3. Bei Auswanderern (hier: nach Frankreich) können Kindererziehungszeiten nur bis zum Verlassen der Bundesrepublik angerechnet werden; § 2a Abs 5 AVG findet keine Anwendung, weil in diesen Fällen keine Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung aufgrund einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland besteht.
4. Die Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung bei Auswanderung nach Frankreich läßt sich auch nicht mit der EWGV 1408/71 begründen.
5. §§ 2a Abs 5 S 1 und 2, 28a Abs 1 S 1 und Abs 3 S 1 AVG sind nicht Grundgesetzwidrig.
Normenkette
AVG § 28a Abs. 3 S. 1, § 2a Abs. 5 S. 1, § 27 Abs. 1 Buchst. c; GG Art. 3 Abs. 1; EWGV 1408/71 Art. 45, 3 Abs. 1; AVG § 2a Abs. 5 Sätze 3, 2, § 28a Abs. 1 S. 1; RVO § 1250 Abs. 1 Buchst. c, § 1251a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 1227a Abs. 5 Sätze 1, 3, 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für das Altersruhegeld.
Die 1922 geborene Klägerin wurde mit ihrer Eheschließung am 7. Juli 1951 französische Staatsangehörige und wanderte aus der Bundesrepublik Deutschland nach Frankreich aus. Dort sind ihre Kinder am 24. September 1951, 23. Juli 1953, 15. April 1956, 27. September 1958, 29. August 1961 und am 25. März 1964 geboren. Sie beendete eigenen Angaben zufolge ihre Beschäftigung als Sekretärin/Dolmetscherin nach einer Erkrankung im April 1951 und war danach weder in Frankreich noch in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig tätig. Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung sind für die Zeit von April 1938 bis Juli 1951 entrichtet, freiwillige Beiträge (mit Unterbrechungen) für den Zeitraum Januar 1952 bis Februar 1959.
Mit streitigem Bescheid vom 27. Mai 1987 gewährte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin ab Oktober 1987 Altersruhegeld. Zeiten der Kindererziehung wurden hierbei nicht berücksichtigt. Der auf Anrechnung von Kindererziehungszeiten gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. November 1987).
Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. November 1988). Das Landessozialgericht Berlin (LSG) hat die Beklagte verurteilt, das Altersruhegeld neu zu berechnen und die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis zum 30. September 1952 als Kindererziehungszeit zu berücksichtigen; im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. In der angefochtenen Entscheidung vom 24. Januar 1990 ist im wesentlichen ausgeführt: Für das erste Kind erfülle die Klägerin die Voraussetzungen des § 28a Abs 3 Satz 1 iVm § 2a Abs 5 Satz 1 und 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Sie habe das Kind acht Wochen nach dem letzten Pflichtbeitrag geboren. Zwar werde im Schrifttum unter Unmittelbarkeit ein Zeitraum von bis zu vier Wochen verstanden; hier sei aber im Hinblick auf das im Mutterschutzgesetz (MuSchG) enthaltene Beschäftigungsverbot, das sich auf sechs Wochen vor der Geburt erstrecke und auch verlängert werden könne (Hinweis auf §§ 3 Abs 2, 5 Abs 2 MuSchG), ein "Unterbrechungstatbestand" anzunehmen. Hinsichtlich der anderen Kinder bestehe kein Anspruch, auch nicht nach der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die zu- und abwandern (EWGV 1408/71). § 10 Abs 1 EWGV 1408/71 enthalte nur eine Gleichstellung für die Rentenzahlung ins Ausland; Art 45 Abs 1 aaO betreffe die Berücksichtigung von Versicherungs- oder Wohnzeiten im anderen Mitgliedstaat, während im vorliegenden Fall lediglich Kindererziehungszeiten nach deutschem Recht geltend gemacht würden, und Art 77, 78 aaO erstreckten sich auf Kinderzuschüsse und Waisenrenten, nicht auf Versicherungszeiten.
Beide Beteiligte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, mit Art 45 EWGV 1408/71 sei der Rat der EWG seinem in Art 51 EWG-Vertrag enthaltenen Auftrag nachgekommen, im EWG-Bereich Arbeitnehmern und deren Angehörigen die Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung der Leistungen zu sichern. Hiernach seien die sowohl in Frankreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland in die Versicherung einbezogenen Kindererziehungszeiten gleichzustellen. Es dürfe ihr - der Klägerin - kein Nachteil durch einen Wohnungswechsel innerhalb des EWG-Bereichs entstehen. Art 45 EWGV 1408/81 könne entsprechend Art 3 Abs 1 und Abs 2 des Grundgesetzes (GG) nur dahin ausgelegt werden, daß die in Frankreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten beim Altersruhegeld in ebenfalls entsprechender Auslegung der §§ 28a Abs 3 Satz 1 und 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG zu berücksichtigen seien. Soweit es in § 2a Abs 5 Satz 1 AVG darum gehe, daß "wegen einer Beschäftigung ... in diesem Staat ... unmittelbar vor der Geburt des Kindes" Pflichtbeiträge nach dem AVG entrichtet sein müßten, verstehe sie entgegen der Ansicht der Beklagten die Alternative des letzten Halbsatzes losgelöst vom vorangegangenen Satzteil.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 24. Januar 1990 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 1988 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 27. Mai 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. November 1987 zu verurteilen, bei der Berechnung des Altersruhegeldes auch Kindererziehungszeiten vom 1. August 1953 bis zum 31. Juli 1954, vom 1. Mai 1956 bis zum 30. April 1957, vom 1. Oktober 1958 bis zum 30. September 1959, vom 1. September 1961 bis zum 31. August 1962 und vom 1. April 1964 bis zum 31. März 1965 zu berücksichtigen, sowie
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 24. Januar 1990 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 1988 in vollem Umfang zurückzuweisen sowie
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie rügt, soweit sie verurteilt worden ist, Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe den nach § 28a Abs 3 Satz 1 AVG hier analog anzuwendenden § 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG unrichtig ausgelegt. Zwar fehle es, soweit man der extensiven Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "unmittelbar vor der Geburt" folge, nicht an Pflichtbeiträgen der Klägerin unmittelbar vor der Geburt des ersten Kindes im September 1951. Das Berufungsgericht habe jedoch verkannt, daß die betreffenden Mütter und Väter "wegen einer Beschäftigung ... in diesem Staat ... unmittelbar vor der Geburt des Kindes" Pflichtbeiträge nach dem AVG entrichtet haben müßten. Der von der Klägerin zuletzt im Juli 1951 entrichtete Pflichtbeitrag zur deutschen Angestelltenversicherung sei nicht wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat - also in Frankreich - geleistet worden. § 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG betreffe Auslandsbeschäftigungen aufgrund einer "Entsendung", einer Beschäftigung bei einer amtlichen Vertretung des Bundes (§ 2 Abs 1 Nr 2 AVG) oder einer zeitlich begrenzten Beschäftigung im Ausland, für die Pflichtbeiträge zu entrichten sind (§ 2 Abs 1 Nr 10 AVG). In diesen Fällen wäre eine anstatt der Kindererziehung ausgeübte Beschäftigung außerhalb des Geltungsbereiches des AVG dennoch versicherungspflichtig, während die Klägerin eine Inlandsbeschäftigung beendet habe, bevor sie ausgewandert sei. Im übrigen könne die Klägerin ihren Anspruch nicht auf Art 45 Abs 1 EWGV 1408/71 stützen; daß auch allgemeine supranationale Regelungen dieser Verordnung und Grundrechte nicht verletzt seien, habe der erkennende Senat im Urteil vom 25. April 1990 - 4 RA 48/89 - entschieden.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, die Revision der Beklagten dagegen begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß Kindererziehungszeiten bei ihrem Altersruhegeld berücksichtigt werden.
Rechtsgrundlage der Anerkennung von "Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986" (§ 27 Abs 1 Buchst c AVG) ist § 28a AVG. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift idF des Art 7 Nr 2 Buchst a des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261), rückwirkend in Kraft getreten am 1. Januar 1986 (Art 85 Abs 2 RRG 1992), werden für die Erfüllung der Wartezeit Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren sind, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben. Gemäß § 28a Abs 1 Buchst a Satz 1 AVG, eingefügt durch Art 7 Nr 2 Buchst b RRG 1992, steht der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze oder in Berlin vor dem 1. Februar 1949 gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraumes aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden (Satz 2 aaO). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die Klägerin hat ihre sechs Kinder in Frankreich erzogen.
Auch nach § 28a Abs 3 Satz 1 iVm § 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG können die streitigen Kindererziehungszeiten nicht angerechnet werden. § 28a Abs 3 Satz 1 AVG bestimmt, daß ua § 2a Abs 5 AVG für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor 1986 entsprechend anzuwenden ist. § 2a Abs 5 AVG betrifft in unmittelbarer Anwendung die Pflichtversicherung von Müttern und Vätern wegen der Erziehung von Kindern ab 1. Januar 1986. Nach Abs 5 Satz 1 aaO gelten die Vorschriften über die Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung vor 1986 auch für Mütter und Väter, die ihr Kind in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben, wenn sie wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz - dem AVG - haben. Abs 5 Satz 2 bestimmt, daß die Regelung des Satzes 1 auch für die Ehegatten der in Satz 1 genannten oder der in § 6 AVG aufgeführten versicherungsfreien oder der von der Versicherungspflicht befreiten Personen gilt. Aus dem vom LSG festgestellten, den Senat bindenden Sachverhalt (§ 163 SGG) ergibt sich, daß weder die Klägerin noch ihr Ehemann "wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit" in Frankreich "während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt" der Kinder Pflichtbeiträge nach dem AVG entrichtet haben.
Wie der erkennende Senat im Urteil vom 12. Juli 1988 - 4/11a RA 36/87 - (BSGE 63, 282, 285 = SozR 2200 § 1251a Nr 2) sowie im Urteil vom 25. April 1990 - 4 RA 48/89 - bereits erläutert hat, setzt § 2a Abs 5 Satz 1 AVG die Entrichtung von Pflichtbeiträgen aufgrund einer der Versicherungspflicht in der deutschen Angestelltenversicherung unterliegenden Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland voraus. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Norm, ergibt sich aber auch aus ihrem Zweck und ihrer Stellung im Regelungszusammenhang des § 2a AVG. Danach soll die Pflichtversicherung wegen Kindererziehung ab 1. Januar 1986 eine Lücke beim Aufbau von Rentenanwartschaften schließen, die sich auftut, wenn während und - vom Gesetzgeber vermutet - wegen der Erziehung von Kindern im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten oder stattdessen bewertete Ersatz-, Ausfall- oder Zurechnungszeiten in einem Mindestumfang (§ 32 Abs 6a AVG) nicht erworben worden sind (BT-Drucks 1026/77 S 28; Funke/Francke/Heller, Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, DAngVers 1985, 300 ff, 310). Die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht wegen einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit sind aber grundsätzlich nur auf Erwerbstätigkeiten im Inland anwendbar, auf solche im Ausland hingegen nur, wenn ein völkerrechtlich zulässiger Anknüpfungstatbestand vorliegt, der bei einer Entsendung aufgrund eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses iS von § 4 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV; sog Ausstrahlung), einer Beschäftigung bei einer amtlichen Vertretung des Bundes iS von § 2 Abs 1 Nr 2 AVG oder einer zeitlich begrenzten Auslandsbeschäftigung iS von § 2 Abs 1 Nr 10 AVG gegeben ist. Für diese Fälle sieht § 2a Abs 5 Satz 1 AVG vom Erfordernis der Inlandserziehung ab, weil auch hier eine ausgleichsbedürftige Einbuße an deutschen Pflichtbeitragszeiten infolge der Kindererziehung droht. Folgerichtig schließt § 2a Abs 5 Satz 3 AVG demgegenüber die Eltern von der Pflichtversicherung wegen Kindererziehung aus, die sich zwar mit ihren Kindern gewöhnlich im Inland aufhalten und sie hier erziehen, aber in ihrer inländischen Beschäftigung oder Tätigkeit den deutschen Bestimmungen über Versicherungspflicht nicht unterliegen. Diese Grundsätze gelten nach § 28a Abs 3 Satz 1 AVG für Versicherungszeiten wegen Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 entsprechend (vgl auch § 32a Abs 5 AVG).
Hiernach ist es unerheblich und kann entgegen der Rechtsauffassung des LSG keinen Anspruch auf Berücksichtigung einer Kindererziehungszeit für das am 24. September 1951 in Frankreich geborene erste Kind begründen, daß der letzte Pflichtbeitrag in der Bundesrepublik Deutschland für Juli 1951 entrichtet wurde. Denn da - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - dieser Beitrag nicht "wegen einer Beschäftigung" in Frankreich als dem Staat, in dem sich die Klägerin gewöhnlich aufhielt und das Kind erzog, entrichtet wurde, kommt es nicht darauf an, ob - wie das Berufungsgericht meint - Pflichtbeitragszeiten bis "unmittelbar vor der Geburt" zurückgelegt sind, wenn dazwischen ein Zeitraum von acht Wochen liegt, aber wegen Mutterschutz kein Pflichtbeitrag mehr entrichtet worden ist. Auch der Literaturhinweis im landessozialgerichtlichen Urteil geht ins Leere. So sind zwar im Kommentar Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Stand Juli 1989, § 1227a RVO (§ 2a AVG) Nr 16 als sog Unterbrechungstatbestände Arbeitsunfähigkeit und Mutterschutz genannt. Zutreffend heißt es aber aaO auch, daß bei Auswanderern Kindererziehungszeiten nur bis zum Verlassen der Bundesrepublik angerechnet werden könnten und Abs 5 keine Anwendung finde, weil in diesen Fällen keine Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung aufgrund einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland bestehe (vgl ferner VdR-Komm, Stand Juli 1988, § 1227a RdNrn 34, 36).
Das AVG enthält im Blick auf Fälle der vorliegenden Art keine planwidrige, durch die Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke. Nach dem Konzept des AVG (§§ 2a, 28a, 32 Abs 6a, 32a Abs 5) wird für nach dem 31. Dezember 1985 eintretende Versicherungsfälle der Nachteil beim Aufbau einer Anwartschaft in der deutschen Angestelltenversicherung, den die Beanspruchung durch Kindererziehung - regelmäßig infolge Einschränkung der Möglichkeit, versicherungspflichtig in der deutschen Angestelltenversicherung beschäftigt oder tätig zu sein - typischerweise bewirkt, nur dann ausgeglichen, wenn und soweit während der Zeit der Kindererziehung keine Beitrags-, Ersatz-, Ausfall-oder Zurechnungszeiten zumindest in Höhe des Wertes zurückgelegt worden sind, der einem Bruttoarbeitsentgelt von 75 vH des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts aller rentenversicherten Arbeitnehmer entspricht. Nur wenn und soweit dieser Wert durch Pflichtbeiträge nicht erreicht und die Differenz auch durch freiwillige Beiträge oder beitragslose Versicherungszeiten nicht behoben worden ist, liegt der nach dem Plan des Gesetzes auszugleichende, erziehungsbedingte Nachteil im deutschen Rentenversicherungsschutz vor. Die Nichtberücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland, in denen keine Pflichtbeiträge wegen einer nach deutschem Recht rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden sind und die sich auch nicht unmittelbar an solche Pflichtbeitragszeiten anschließen, ist somit nicht planwidrig, sondern entspricht dem Regelungsentwurf des AVG. Für eine richterliche Lückenfüllung oder Rechtsfortbildung läßt das AVG keinen Raum.
Mit der EWGV 1408/71 läßt sich der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht begründen. Der vorliegende Sachverhalt bietet insbesondere keine Grundlage für die Anwendung des von der Klägerin in der Revisionsbegründungsschrift wiederum zitierten Art 45 EWGV 1408/71. Diese Vorschrift regelt bei Wanderarbeitnehmern die Zusammenrechnung der in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung von Leistungsansprüchen. Abgesehen davon, daß die Klägerin deutsche Versicherungszeiten geltend macht und aufgrund (nur) deutscher Versicherungszeiten die Wartezeit für das hier gewährte Altersruhegeld erfüllt hat, sind von ihr - soweit ersichtlich - auch in Frankreich keine Versicherungszeiten zurückgelegt worden.
Auch allgemeine Vorschriften der EWGV 1408/71 helfen nicht weiter. Nach Art 3 Abs 1 aaO haben die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Es handelt sich hierbei um die Gleichstellung der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten. Für andere Tatbestände gilt dies nicht; es ist möglich, daß trotz dieser Gleichstellung Tatbestände deswegen keinen Leistungsanspruch begründen, weil sie in einem anderen Mitgliedstaat eingetreten sind (vgl Europäischer Gerichtshof -EuGH-, Urteil vom 9. Juli 1975 - RS 20/75 = EuGHE 1975, 891 = SozR 6050 Art 45 Nr 1, wonach der Arbeitslose nach Gemeinschaftsrecht grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates hat als desjenigen, in dem er arbeitslos geworden ist). Ebenso wie es dem innerstaatlichen Recht vorbehalten bleibt, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Person in ein bestimmtes System der sozialen Sicherheit einbezogen wird, solange es dabei nicht zu einer Diskriminierung zwischen Inländern und Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten kommt (vgl EuGH, Urteil vom 24. April 1980 - 110/79 = EuGHE 1980, 1445 = SozR 6050 Art 1 Nr 11 mwN), kann es nicht gegen Europarecht verstoßen, wenn das deutsche Gesetz die Anrechnung der Kindererziehungszeit im Grundsatz von einer Inlandserziehung abhängig macht.
Jüngste Aktivitäten der EG-Kommission sprechen nicht gegen, sondern für die Rechtsauffassung des Senats. Dem Vorschlag der Kommission vom 3. August 1990 für eine Verordnung zur Änderung der EWGV 1408/71 (ABL EG Nr C 221/3) zufolge soll als Versicherungszeit wegen Kindererziehung nach den deutschen Rechtsvorschriften auch die Zeit gelten, in der die Erziehung eines Kindes durch den betroffenen Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt, soweit dieser Arbeitnehmer nach § 6 Abs 1 MuSchG nicht beschäftigt werden darf oder Erziehungsurlaub gemäß § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) nimmt und er nicht eine geringfügige Beschäftigung gemäß § 8 SGB IV ausgeübt hat (Art 1 Nr 1, C 221/5, iVm aaO Nr 12 VII, C 221/8); gelten soll diese Neuregelung mit Wirkung vom 1. Januar 1986 (Art 3 Abs 3 aaO, C 221/15). Hiernach ist eine Änderung in nur engen Grenzen geplant, und es darf davon ausgegangen werden, daß die EG-Kommission auch nur insoweit eine Verletzung von EWG-Recht sieht: Zum einen wird die Geltung der Änderungs-Verordnung lediglich auf den 1. Januar 1986 zurückbezogen und erfaßt damit nur § 2a AVG, nicht § 28a AVG; andererseits werden nur Arbeitnehmer im Rahmen eines in der Bundesrepublik Deutschland (fort)bestehenden Arbeitsverhältnisses einbezogen (vgl § 6 iVm § 1 Nr 1 MuSchG, § 15 iVm § 16 BErzGG). Es bedarf keiner Erörterung, daß die Fallgestaltung des vorliegenden Rechtsstreits außerhalb der aufgezeigten EWG-rechtlichen Grenzen liegt.
Soweit es im vorliegenden Fall für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Gültigkeit der §§ 2a Abs 5 Satz 1 und 2, 28a Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 AVG ankommt (Art 100 Abs 1 Satz 1 GG), bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die den Senat zwängen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Diese Vorschriften sind nicht grundgesetzwidrig. Was der Senat in dem erwähnten Urteil vom 12. Juli 1988 (BSGE 63, 282, 290) bereits ausgeführt hat, gilt auch hier: Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 bis 3 GG ist nicht verletzt. Eine Unterscheidung nach Geschlecht, Abstammung, Rasse, Heimat, Herkunft oder Glauben (Art 3 Abs 2 und 3 GG) läßt das Gesetz nicht zu. Es differenziert nicht danach, ob die Versicherten Deutsche, Ausländer oder Verfolgte sind, sondern betrifft alle Versicherten in gleicher Weise. Ausschließliches materielles Differenzierungskriterium für die Anrechnung oder Nichtberücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung (§ 27 Abs 1 Buchst c AVG) im Ausland - außerhalb der Vertreibungsgebiete - ist, ob der erziehende Elternteil oder der Ehegatte zu dem Kreis der Personen zu rechnen war, die während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine angestelltenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit im Ausland ausgeübt und deswegen Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG haben oder solche Pflichtbeitragszeiten nur deswegen nicht zurückgelegt haben, weil sie in ihrer dem Grunde nach angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren (§ 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG).
Dieses Unterscheidungskriterium ist nicht willkürlich iS von Art 3 Abs 1 GG, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Vorschrift verbietet dem Gesetzgeber eine objektiv willkürliche Ungleichbehandlung des - trotz gewisser Verschiedenheiten - in den wesentlichen Punkten Gleichen. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, hat regelmäßig der Gesetzgeber zu entscheiden. Er kann grundsätzlich die Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen, die er also als im Rechtssinne "gleich" ansehen will. Sein Spielraum endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte evidentermaßen nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten sachgerechten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehlt (BVerfG st Rspr, BVerfGE 9, 334, 337; 13, 31, 36; 71, 39, 58; 71, 255, 271). Im Zweifelsfall kommt es darauf an, welche Aufgabe dem Gesetz gestellt war und welcher rechtlichen Mittel es sich bei ihrer Lösung bedient hat (BVerfGE 9, 291, 294; 19, 119, 125). Dabei sind die sozialpolitischen Entscheidungen des Gesetzgebers hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar sind (BVerfGE 14, 288, 301).
Ziel der Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist es, eine individuelle Einbuße beim Erwerb von Anwartschaften in der deutschen Rentenversicherung während der Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr bis zu einer bestimmten Obergrenze auszugleichen. Dieser Gesetzeszweck beruht auf der Erwägung, die Beanspruchung durch die Erziehung eines Kindes schränke vor allem die Möglichkeit ein, eine rentenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit auszuüben und durch Pflichtbeitragsleistungen eigene Rentenansprüche aufzubauen (BT- Drucks 10/2677 S 28). Das ist keine offensichtlich fehlsame Annahme. Die gesetzliche Abgrenzung des Kreises der im Ausland erziehenden Personen, auf die sie zutrifft, dh das oben genannte materielle Differenzierungskriterium, ist ebenfalls nicht evident unsachlich. Infolge der Belastung mit Kindererziehung konnten nämlich nur Personen an der - vollen - Ausübung einer angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gehindert gewesen sein, die eine solche verrichtet haben oder sie am Ort der Erziehung hätten fortsetzen können. Der Versicherungspflicht in der deutschen Angestelltenversicherung unterliegen aber grundsätzlich nur Erwerbstätigkeiten, die im Inland ausgeübt werden, und Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 2 AVG, § 3 SGB IV). Folgerichtig und sachlich einleuchtend wird für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten gefordert, daß der Erziehende sich während der Erziehung im Inland gewöhnlich aufgehalten und sein Kind hier erzogen hat. Diese Anknüpfung an Inlandsaufenthalt und Inlandserziehung liegt auch deswegen nahe, weil Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als öffentlich-rechtliche Zwangsabgaben nur in den von der Gebietshoheit des Staates gesetzten Grenzen erhoben und beigetrieben werden dürfen. Nur scheinbar durchbricht § 2a Abs 5 AVG diesen Grundsatz. Soweit danach bei Eltern, die sich gewöhnlich im Ausland aufgehalten und ihr Kind dort erzogen haben, Pflichtbeitragszeiten nach deutschem Rentenversicherungsrecht verlangt werden, knüpft das Gesetz lediglich an die Erstreckung der Versicherungspflicht auf eine im Ausland ausgeübte Erwerbstätigkeit nach § 4 SGB IV und § 2 Abs 1 Nr 2 und Nr 10 AVG an, die zulässig ist, weil ein inländisches oder ein Beschäftigungsverhältnis mit einem deutschen Arbeitgeber zugrundeliegt und jedenfalls ein inländischer Rechtsträger zur Zahlung der Beiträge verpflichtet ist. Soweit ferner auch Pflichtversicherungszeiten nach deutschem Recht "unmittelbar vor der Geburt des Kindes" für die Anrechnung ausreichen, folgt dies unmittelbar aus dem Zweck des Gesetzes, Ausgleich für entgangene Pflichtbeitragszeiten zu gewähren, wenn wegen Kindererziehung eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aufgegeben wird. Schließlich sind die Ehegatten solcher Erwerbstätigen in die Anrechnung einbezogen worden, die versicherungsfrei iS von § 6 AVG oder von der Versicherungspflicht befreit (§§ 8, 9 AVG) worden sind und deswegen selbst nach § 8a AVG grundsätzlich nicht der Pflichtversicherung bei Kindererziehung unterliegen. Das rechtfertigt sich - was keiner Darlegung bedarf - schon aus dem Gleichberechtigungsgebot (Art 3 Abs 2 GG) und aus der besonderen Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG), die es nicht gestattet, es dem Erziehenden zum Nachteil gereichen zu lassen, wenn er das Inland verläßt, um mit dem im Ausland erwerbstätigen Ehegatten und dem Kind als Familie zusammenzuleben. Außerdem knüpft das Gesetz auch hier daran an, daß der Ehegatte im Ausland eine in Deutschland dem Grunde nach angestelltenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausübt.
Demgegenüber unterscheidet sich der Sachverhalt, der in der von der Klägerin repräsentierten Fallgruppe vorliegt, mit Blick auf den genannten Gesetzeszweck wesentlich. Die Erwägung, nicht die Erziehung der Kinder, sondern die Integration in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem hätten hier den Aufbau einer deutschen Rentenanwartschaft durch Verrichtung einer angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit entgegengestanden, ist weder offensichtlich unsachlich, noch widerspricht sie der Wertordnung des GG. Versicherte, die keiner angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen, sich mit ihren Kindern gewöhnlich im Ausland aufhalten und sie dort erziehen, sind in aller Regel und typischerweise nicht in der Lage, inländische Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer ausländischen Erwerbstätigkeit zurückzulegen. Falls sie ein Beschäftigungsverhältnis eingehen oder eine selbständige Tätigkeit aufnehmen, wird davon nur ihr ausländischer Versicherungsschutz, nicht ihre Anwartschaft in der deutschen Rentenversicherung berührt. Wird aber ihre ausländische Anwartschaft durch Kindererziehung beeinträchtigt, liegt kein Risiko vor, das den Gesetzgeber zwänge, die deutsche Angestelltenversicherung eintreten zu lassen.
Nach alledem konnte nur die Revision der Beklagten Erfolg haben, so daß im Ergebnis das die Klage abweisende Urteil des SG wiederherzustellen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen