Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung der Erstattung von rechtmäßig entrichteten Beiträgen.
Die Klägerin ist die Witwe und - gemeinschaftlich mit ihren beiden Kindern - Erbin des 1940 geborenen und am 29. November 1986 gestorbenen A. K. (A. K.). Dieser war vom 1. Januar 1971 bis zum 31. Januar 1986 als Nebenerwerbslandwirt beitragspflichtiges Mitglied der beklagten Alterskasse und hatte für 181 Kalendermonate Pflichtbeiträge nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) entrichtet. A. K. hatte nach der Beendigung seiner Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten weder erkärt, er wolle die Entrichtung von Beiträgen fortsetzen (Weiterversicherung i.S. von § 27 GAL), noch nach § 27a GAL beantragt, ihm seine Pflichtbeiträge zu erstatten. Diesen Antrag stellte erst die Klägerin im Juni 1988. Die Beklagte lehnte ihn mit dem streitigen Bescheid vom 15. Juli 1988, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 4. November 1988, ab, weil nicht die Klägerin, sondern A. K. die Beiträge entrichtet habe.
Das Sozialgericht (SG) Trier hat den streitigen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die og Pflichtbeiträge an die Erbengemeinschaft nach A. K. zu erstatten (Urteil vom 21. Juni 1989). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten durch Urteil vom 4. Mai 1990 zurückgewiesen und ausgeführt: Es bestehe zwischen den Beteiligten und auch nach Ansicht des Senats kein Zweifel, daß grundsätzlich die Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs nach § 27a GAL gegeben seien. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte darauf, daß nach § 59 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) der Antrag grundsätzlich zu Lebzeiten gestellt werden müsse. Der Antrag betreffe hier keinen Leistungs-, sondern einen Erstattungsanspruch. Die Klägerin sei - zusammen mit ihren Kindern - Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes und damit grundsätzlich in alle seine Rechte nachgefolgt, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte, die nicht weitervererbt werden könnten, handele. Entscheidend sei mithin, ob das Antragsrecht nach § 27a GAL ein solches höchstpersönliches Recht sei oder weitervererbt werde. Die §§ 56 bis 59 SGB I erfaßten das hier in Frage stehende Recht nicht, weil sie nur die in § 23 Abs. 1 Nr. 2 SGB I abschließend aufgelisteten Ansprüche beträfen. Das Antragsrecht nach § 27a GAL sei also kein höchstpersönliches, sondern ein vererbliches Recht.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 59 SGB I und von § 27a GAL. Sie trägt vor, nach § 27a Abs. 1 Buchst d GAL sei der Erstattungsanspruch nur gegeben, wenn keine Gelegenheit zur Weiterentrichtung von Beiträgen bestanden habe (Hinweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 13. Juli 1989 - L 4 Lw 17/87). Der Versicherte habe nach § 27 GAL ab 1. Februar 1986 eine Weiterentrichtungserkärung abgeben und Beiträge weiter entrichten können. Ferner sei der Anspruch auf Erstattung von rechtmäßig entrichteten Beiträgen nach § 27a GAL ein Anspruch auf eine einmalige Geldleistung i.S. von § 58 Satz 1 SGB I (Hinweis auf Bundessozialgericht -BSG- Urteil vom 13. Oktober 1983 - 11 RA 49/82). Der Erstattungsanspruch entstehe erst, wenn alle Voraussetzungen des § 27a Abs. 1 Satz 1 Buchst a bis d GAL vorliegen. Dies sei nicht der Fall, solange der ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer noch die Möglichkeit zur Abgabe der Weiterentrichtungserklärung nach § 27 GAL habe, also bis zu zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht. Schließlich sei ein Beitragserstattungsanspruch auch deswegen nicht zu realisieren, weil er im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder durch Bescheid festgestellt noch - mangels eines Erstattungsantrages ein Verwaltungsverfahren über ihn anhängig gewesen sei. § 59 SGB I betreffe auch einmalige Geldleistungen.
Die Beklagte beantragt,
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die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Mai 1990 und des Sozialgerichts Trier vom 21. Juni 1989 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 15. Juli 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1988 abzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision der Beklagten zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die freiwillige Entscheidung, von der Weiterversicherung keinen Gebrauch zu machen, könne der Beitragserstattung nicht entgegenstehen. Sie habe - worauf es allein ankomme - das Antragsrecht geerbt. Ihr könne nicht entgegengehalten werden, daß der Antrag erst nach Ablauf von zwei Jahren gestellt worden sei; denn A. K. sei von der Beklagten dahingehend beraten worden.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Den Erben nach A. K. steht ein Anspruch auf Erstattung der von dem verstorbenen Ehemann der Klägerin entrichteten Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse nicht zu.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Klägerin als Miterbin befugt ist, einen - vermeintlichen - Nachlaßanspruch für die Erbengemeinschaft gegen die Beklagte geltend zu machen (§ 2039 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB; zur Klage einer Erbengemeinschaft BSG SozR Nr. 8 zu § 70 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Den Vorinstanzen kann jedoch darin nicht gefolgt werden, daß die Klägerin Miterbin eines Beitragserstattungsanspruchs nach § 27a GAL geworden ist.
Nach § 58 Satz 1 SGB I werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des BGB vererbt. Dazu bestimmt § 59 Satz 2 SGB I, daß Ansprüche auf - fällige - Geldleistungen nur erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind diese Vorschriften anzuwenden. Keiner Darlegung bedarf, daß die Einweisungsvorschrift (so die Überschrift des zweiten Abschnitts SGB I) des § 23 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nur eine typisierende Übersicht über die wichtigsten Leistungsarten in der Altershilfe für Landwirte enthält, aber keine abschließende, insbesondere keine ausschließende Aufzählung der Anspruchsgrundlagen nach dem GAL. Die in § 27a GAL vorgesehene Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge ist eine Leistung der Versichertengemeinschaft (vgl. § 82 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG, § 1303 der Reichsversicherungsordnung - RVO, § 95 des Reichsknappschaftsgesetzes - RKG), eine Regelleistung nach dem GAL und als Geldleistung i.S. von § 11 Satz 1 SGB I eine einmalige Leistung, also keine laufende Geldleistung i.S. von §§ 56, 57 SGB I (vgl. BSG SozR 5850 § 27a Nr. 1). Diese Bestimmungen über die Sonderrechtsnachfolge greifen daher nicht ein.
Die Klägerin und die Kinder haben nach §§ 59 Satz 2, 58 Satz 1 SGB I i.V.m. §§ 1922ff. BGB keinen Beitragserstattungsanspruch des A. K. erben können. Dies hätte vorausgesetzt, daß dieser Anspruch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits festgestellt oder zumindest ein Verwaltungsverfahren über ihn anhängig und er im Zeitpunkt des Erbfalles "fällig" gewesen wäre. Selbst unterstellt - was, worauf noch einzugehen ist, nicht zutrifft -, A. K. sei Inhaber eines Beitragserstattungsanspruchs gewesen, ist die Forderung schon deswegen nicht auf die Erben übergegangen, weil sie beim Tode des Versicherten weder festgestellt noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war (Satz 2 a.a.O.). Die Ausführungen der Vorinstanzen zum vermeintlichen Übergang des "Antragsrechts" liegen u.a. schon deswegen neben der Sache, weil der nach § 27a Abs. 1 Satz 1 GAL erforderliche Antrag nur eine der Anspruchsvoraussetzungen ist, vererbbar aber nur der Anspruch selbst sein kann.
A. K. stand überdies im Zeitpunkt des Todes entgegen § 58 Abs. 1 SGB I kein "fälliger" Beitragserstattungsanspruch zu. Das wäre gemäß § 40 Abs. 1 i.V.m. § 41 SGB I nur dann der Fall gewesen, wenn alle in § 27a Abs. 1 Satz 1 GAL bestimmten Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Das ist jedoch nicht der Fall.
Nach § 27a Abs. 1 Satz 1 GAL i.d.F. durch Art 1 Nr. 18 des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes (3. ASEG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2475) werden Personen, die a) nach diesem Gesetz für 180 Kalendermonate Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt haben, b) nicht nach § 14 beitragspflichtig sind, c) mit den gezahlten Beiträgen bei Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Altersgeld nicht haben werden und d) nicht die Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 27 erlangt haben, auf Antrag die Beiträge, die sie als beitragspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer entrichtet haben, erstattet.
Zwar lagen beim Erbfall die Voraussetzungen von § 27a Abs. 1 Satz 1 Buchst a bis c GAL vor: Der Erblasser hatte für 181 Kalendermonate Beiträge als landwirtschaftlicher Unternehmer an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt, war seit dem 1. Februar 1986 nicht mehr beitragspflichtig nach § 14 GAL und konnte mit den gezahlten Beiträgen bei Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Altersgeld nach § 2 Abs. 1 GAL nicht erlangen, weil er nicht mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres Beiträge gezahlt hatte. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen waren aber nicht erfüllt:
Entgegen § 27a Abs. 1 Satz 1 GAL hatte A. K. die Beitragserstattung nicht selbst beantragt. Die Beklagte darf die Erstattung rechtmäßig und pflichtgemäß entrichteter Beiträge nur auf "Antrag" einer Person gewähren, welche die Beiträge "als beitragspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer entrichtet" hat. Antragsbefugt ist also nur der ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer selbst, ohne dessen Erklärung, die Beitragserstattung zu begehren, der Anspruch nicht entstehen kann. Der Antrag i.S. von Satz 1 a.a.O. ist nämlich materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Das bedeutet: Der Anspruch auf Beitragserstattung nach § 27a GAL entsteht frühestens mit der Stellung des Antrags durch den ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer, falls in diesem Zeitpunkt die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. BSG SozR 22OO § 1303 Nrn 4, 5, 12, 22; zur Verfassungsmäßigkeit: Bundesverfassungsgericht -BVerfG- SozR 2200 § 1303 Nr. 34). Die Entscheidung, die Beitragserstattung zu beanspruchen, hat im Blick vor allem auf die Alterssicherung des ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmers und seiner Hinterbliebenen weitreichende Bedeutung. Falls er, der noch nicht 60 Jahre alt ist (§ 27a Abs. 1 Satz 1 Buchst c i.V.m. § 2 Abs. 1 Buchst b GAL), später wieder beitragspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer würde (zB durch Ausweitung eines derzeit unter der Beitragspflichtgrenze - § 1 Abs. 3 und 4 GAL - liegenden landwirtschaftlichen Nebenerwerbsunternehmens), würden ihm die früher geleisteten, aber nach § 27a GAL erstatteten Beiträge nicht mehr für ein Altersgeld oder für die Sicherung seiner Hinterbliebenen nach §§ 3 bis 3b GAL angerechnet werden können. Der Bedeutung dieser Abwägung trägt das Gesetz - generalisierend und typisierend - dadurch Rechnung, daß es schon die Entstehung des Beitragserstattungsanspruchs von einem Antrag des ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmers abhängig macht.
Ferner hatte A. K. auch deswegen keinen vererbbaren Beitragserstattungsanspruch, weil er entgegen § 27a Abs. 1 Satz 1 Buchst d GAL die Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 27 GAL erlangt hatte. Nach § 27 Abs. 1 GAL (idF durch Art 1 Nr. 17 des 3. ASEG) können Personen, die nach diesem Gesetz mindestens 60 Kalendermonate beitragspflichtig waren, sowie u.a. deren Witwen, innerhalb von zwei Jahren u.a. nach dem Ende der Beitragspflicht gegenüber der landwirtschaftlichen Alterskasse erklären, daß sie die Entrichtung von Beiträgen fortsetzen wollen. Die Erklärung begründet Beitragspflicht mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Beginn der Zahlung des vorzeitigen Altersgeldes (Satz 5 a.a.O.). § 27a Abs. 1 Satz 1 Buchst d GAL soll die Beitragserstattung - über Buchst c hinaus - auf die Fälle begrenzen, in denen der ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer nicht nur keine Leistungsansprüche, sondern auch keine anderen Rechte aus den zurückgelegten Beitragszeiten herleiten kann. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, solange ihm das Recht zur sog. freiwilligen Weiterversicherung i.S. von § 27 GAL, einer Antragspflichtversicherung, zusteht. Es erlischt erst, wenn der Berechtigte die nach § 27 Abs. 1 GAL erforderliche Erklärung innerhalb der zweijährigen Frist nicht abgegeben hat (aA wohl: Bay LSG Breithaupt 1990, 197). Der ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer hat die Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 27 GAL i.S. von § 27a Abs. 1 Satz 1 Buchst d GAL "erlangt", solange die Zweijahresfrist zur Abgabe der Erklärung nach § 27 Abs. 1 GAL noch nicht verstrichen oder sobald diese abgegeben worden ist. Beim Tod des Erblassers war die Erklärungsfrist noch nicht abgelaufen. Rechtlich unerheblich ist hingegen, ob A. K. die Absicht hatte, die Erklärung nicht abzugeben. Es ist nämlich Sinn und Zweck einer derartigen Frist, dem Berechtigten ausreichend Gelegenheit zu geben, das Für und Wider zu bedenken, zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse zu überprüfen, seine Meinung zu ändern und dafür die volle Frist auszuschöpfen. Im Zeitpunkt seines Todes hatte A. K. also die Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 27 GAL erlangt.
Nach alledem bestand im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes der Klägerin entgegen §§ 59 Satz 2, 58 Satz 1 SGB I kein vererbbarer Beitragserstattungsanspruch des Erblassers.
Schließlich ist - entgegen den Andeutungen des LSG - mit dem BVerfG (E 19, 202; 22, 349, 367) zu erkennen, daß die Unvererblichkeit von Ansprüchen aus den Rentenversicherungen (nach § 1 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IV- gehört dazu auch die Altershilfe für Landwirte), die der Versicherte selbst bei Lebzeiten nicht geltend gemacht hat, nicht verfassungswidrig ist. Dies gilt im Anwendungsbereich des GAL umso mehr, als der Gesetzgeber u.a. den Witwen von Personen, die nach diesem Gesetz mindestens 60 Kalendermonate beitragspflichtig waren, durch § 27 Abs. 1 Satz 1 GAL ein eigenes Recht auf Weiterversicherung zuerkannt hat. Die Klägerin war also bis zum Ablauf der Erklärungsfrist nach § 27 Abs. 1 GAL selbst berechtigt, die Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes weiterzuführen und Ansprüche unter Anrechnung der von ihm entrichteten Beiträge zu erlangen.
Nach alledem konnten die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Auf die Revision der Beklagten war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.4 RLw 2/90
BUNDESSOZIALGERICHT
Verkündet am 30. Oktober 1990
Fundstellen