Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juni 1977 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit er die Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) zur Bundesanstalt für Arbeit betrifft.
Im übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 25. August 1976 zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Beschäftigung beim Kläger im August 1975 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung (KV) und in der Angestelltenversicherung (AV) sowie bei tragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) war.
Der Beigeladene zu 1) arbeitete, nachdem er im Juli 1975 die Große juristische Staatsprüfung bestanden hatte, im August 1975 halbtags als Assessor im Anwaltsbüro des Klägers gegen ein Entgelt von 1.494,-- DM. Diese Beschäftigung war von vornherein auf einen Monat befristet. Ab 1. September 1975 wurde der Beigeladene zu 1) in das Richterverhältnis auf Probe übernommen. Mit der Begründung, es habe sich trotz der Befristung auf einen Monat um eine berufsmäßige Tätigkeit gehandelt, stellte die Beklagte die Versicherungspflicht und Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) fest und forderte vom Kläger den Beitrag von insgesamt 470,36 DM (Bescheid vom 15. Januar 1976). Widerspruch des Klägers und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. März 1976, Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 25. August 1976). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1976 aufgehoben. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Der Beigeladene zu 1) habe mit der nur einmonatigen Aushilfstätigkeit im August 1975 eine der besonderen Voraussetzungen für eine Nebenbeschäftigung nach § 4 Abs 2 Buchst a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und § 168 Abs 2 Buchst a der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfüllt. Auch habe er diese Nebenbeschäftigung ausgeübt, ohne berufsmäßig eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung als Hauptbeschäftigung auszuüben. Für die Frage der Berufsmäßigkeit sei nicht schlechthin auf die Arbeitnehmertätigkeit abzustellen, sondern darauf, wie sich das allgemeine Berufsbild darstelle. Entscheidend sei die Gesamtschau, welche Beschäftigung oder Tätigkeit das Berufsbild und damit die wirtschaftliche Stellung des Beschäftigten bestimme. Das sei aber beim Beigeladenen zu 1) eindeutig die versicherungsfreie Beschäftigung im Staatsdienst zunächst als Referendar und dann praktisch anschließend mit der kurzen Unterbrechung im August 1975 als Richter. Schon unmittelbar nach Ablegung der Großen juristischen Staatsprüfung im Juli 1975 habe festgestanden, daß der Beigeladene zu 1) ab 1. September 1975 im Staatsdienst als Richter weiterarbeiten könne. Er sei somit nach Abschluß seiner Ausbildung auch nicht in den Kreis der Arbeitnehmer eingetreten, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden, dem Arbeitsmarkt also zur Verfügung stehen und typischerweise eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ausüben. Schon deshalb sei seine Beschäftigung im August 1975 keine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung gewesen. Ob die Versicherungspflicht in einer weiteren Tätigkeit auch bei Beamten und Richtern – wie bei solchen Personen, die üblicherweise keiner Erwerbstätigkeit nachgehen – von dem zeitlichen Einsatz von mehr als 20 Wochenstunden ohne Rücksicht auf die besonderen Voraussetzungen einer Nebentätigkeit (Beschäftigungsdauer und Einkommenshöhe) abhänge oder nicht, könne dahinstehen. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers sei der Beigeladene zu 1) nur vormittags etwa vier Stunden tätig gewesen. Bei einer Fünftagewoche habe er daher durchschnittlich nicht mehr als 20 Stunden in der Woche gearbeitet.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) haben – die vom LSG zugelassehe – Revision eingelegt. Gerügt wird eine Verletzung des § 4 Abs 1 Nr 6 AVG aF sowie sinngemäß des § 168 Abs 1 Nr 2 RVO aF und des § 169 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die Revisionskläger vertreten die Auffassung, der Beigeladene zu 1) gehöre seit dem Abschluß seines juristischen Studiums zu dem Personenkreis, der seinen Lebensunterhalt durch eine auf Ertrag gerichtete Tätigkeit sichere. Er sei auch im August 1975 berufsmäßig beschäftigt gewesen. Das Beschäftigungsverhältnis beim Kläger könne nicht isoliert betrachtet werden, denn die wirtschaftliche Stellung eines versicherungsfreien Beamten beruhe ebenso auf Ertragsarbeit wie die eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers. Da der Beigeladene zu 1) bereits zum Kreise der berufsmäßig Tätigen gehöre, könne von einer versicherungsfreien Aushilfstätigkeit nicht mehr gesprochen werden. Die Beschäftigung beim Kläger sei auch nicht neben einer Hauptbeschäftigung ausgeübt worden und habe damit keine Nebenbeschäftigung sein können. Auch die wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich nicht mehr als 20 Stunden könne nicht dazu führen, diese Tätigkeit als Nebenbeschäftigung anzusehen. Dies ergebe sich aus der Änderung des § 102 AFG ab 1. Januar 1975, wonach eine Beschäftigung nur noch dann als geringfügig gelte, wenn sie sich auf weniger als 20 Stunden wöchentlich erstrecke.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 3) hat keinen Antrag gestellt, sich aber den Ausführungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) angeschlossen.
Der Beigeladene zu 1) war im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) sind begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben. Soweit der Rechtsstreit die Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) zur BA betrifft, ist er zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Im übrigen ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) beim Kläger die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt aufwies. Nach seinen – mit den Revisionen nicht gerügten und deshalb bindenden (§ 163 SGG) – Feststellungen war diese Beschäftigung von vornherein auf den Monat August 1975 befristet und umfaßte bei fünf Arbeitstagen eine tägliche Arbeitszeit von etwa vier Stunden. Des weiteren hat das LSG bindend festgestellt, daß der Beigeladene zu 1) für die einmonatige Beschäftigung 1.494,-- DM erhielt, daß er vorher bis einschließlich Juli 1975 als Referendar und ab 1. September 1975 als Richter versicherungsfrei beschäftigt war. Hieraus läßt sich – entgegen der Auffassung des LSG – nicht schließen, daß der Beigeladene zu 1) mit seiner Beschäftigung beim Kläger im August 1975 der Versicherungspflicht in der KV und in der AV sowie der Beitragspflicht zur BA nicht unterlag. Das LSG hat angenommen, daß es sich bei dem Beigeladenen zu 1) wegen der vorher und nachher ausgeübten versicherungsfreien Beschäftigungen als Referendar und als Richter um eine Person handele, die berufsmäßig eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung oder Tätigkeit nicht ausübe, und daß dies in der Gesamtschau des Berufsbildes und der sozialen Stellung auch für den streitigen Monat August 1975 zu gelten habe. Die Beschäftigung in diesem Monat sei deshalb eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung gewesen. Hierbei hat das LSG verkannt, daß auch die nach den §§ 169, 172 Abs 1 Nr 1 RVO und § 6 Abs 1 Nrn 2 und 3 AVG versicherungsfreien Personen (Beamte und Richter) dem Grunde nach eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben und sozialversicherungsrechtlich Arbeitnehmer sind. Sie sind nur wegen ihrer anderweitig gewährleisteten sozialen Sicherung ausnahmsweise versicherungsfrei (BSGE 20, 123; 36, 258; BSG SozR Nr 24 zu § 3 AVG; BSG SozR Nr 76 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 169 Nrn 1 und 4). Ein Beamter oder Richter darf deshalb dem Personenkreis der berufsmäßig nicht versicherungspflichtig Beschäftigten nach § 168 Abs 1 Nr 2 RVO a F und § 4 Abs 1 Nr 6 aF nicht wegen seiner durch den Beamtenstatus bedingten Versicherungsfreiheit zugerechnet werden (vgl hierzu auch Vorlaufer, Die Beiträge 1976, 163; Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger, Besprechungsergebnis vom 9. Mai 1974, Die Beiträge 1974, 206).
Der Beigeladene zu 1) war im August 1975 aber auch nicht schon deshalb versicherungsfrei, weil die Beschäftigung von vornherein auf diesen einen Monat befristet war und damit das Merkmal einer Nebenbeschäftigung nach § 168 Abs 2 Buchst a RVO aF und § 4 Abs 2 Buchst a AVG aF aufwies. Eine – nicht neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübte – Beschäftigung kann, auch wenn sie die zeitlichen und einkommensmäßigen Voraussetzungen des § 168 Abs 2 RVO aF (§ 4 Abs 2 AVG aF) erfüllt, eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung nur sein, wenn die in § 168 Abs 1 Nr 2 RVO aF (§ 4 Abs 1 Nr 6 AVG aF) genannte Grundvoraussetzung gegeben ist, nämlich wenn sie nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Liegt Berufsmäßigkeit vor, dann wird auch die zeitlich beschränkte oder geringfügig entlohnte Beschäftigung eine die Versicherungspflicht begründende Hauptbeschäftigung. Um eine Beschäftigung danach beurteilen zu können, ob sie berufsmäßig ausgeübt wird, kann auf das Maß der zeitlichen Inanspruchnahme als ein wesentliches Beweisanzeichen abgestellt und dabei Berufsmäßigkeit einer laufend ausgeübten Beschäftigung angenommen werden, wenn sie den Beschäftigten mehr als 20 Stunden wöchentlich beansprucht (Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 1972 – 12 RJ 352/71 –, BSG SozR Nr 11 zu § 1228 RVO mwN). Diese Rechtsprechung betrifft indes nur die Fälle des § 168 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 2 Buchst b RVO aF (§ 4 Abs 1 Nr 6 iVm Abs 2 Buchst b AVG = § 1228 Abs 1 Nr 5 iVm Abs 2 Buchst b RVO aF), in denen es sich um geringfügig entlohnte, aber laufend oder in regelmäßiger Wiederkehr ausgeübte Beschäftigungen handelt. Eine solche hat aber der Beigeladene zu 1) mit seiner auf einen Monat befristeten Beschäftigung nicht ausgeübt. Infolgedessen lassen sich aus seiner wöchentlichen Arbeitszeit keine Rückschlüsse auf die Berufsmäßigkeit ziehen. Aus diesem Grund kann es auch dahingestellt bleiben, ob sich die Änderung des § 102 AFG ab 1. Januar 1975 auch auf die Handhabung der 20-Stundengrenze auswirken muß, wie die Beklagte und die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger (vgl DOK 1975, 108 Nr 4 und 1, 110) meinen.
Daß die auf einen Monat befristete Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde, ergibt sich indes aus anderen Merkmalen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 26. September 1972 – 12 RJ 352/71 –, BSG SozR Nr 11 zu § 1228 RVO Bl Aa 8 Rückseite mwN) übt jemand eine Beschäftigung oder Tätigkeit berufsmäßig aus, wenn er hierdurch seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in solchem Umfang erwirbt, daß seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Beschäftigung oder Tätigkeit beruht. Diese Frage läßt sich allerdings nicht in einer auf die kurzfristige Beschäftigung beschränkten Betrachtung beantworten. Das LSG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Beschäftigung als Referendar und dann als Richter das Berufsbild und die wirtschaftliche Stellung des Beigeladenen bestimmt habe. Diese Feststellungen ist von den Revisionen nicht angegriffen worden und daher für das Revisionsgericht bindend. Demnach ist davon auszugehen, daß der Beigeladene zu 1) bis unmittelbar vor und unmittelbar nach der Beschäftigung im August 1975 die dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungen berufsmäßig auch im Sinne der wesentlichen wirtschaftlichen Grundlage ausübte. Er war daher zwischenzeitlich nicht wie die Personen beschäftigt, die, ohne zum Kreis der Erwerbstätigen zu gehören, nur gelegentlich eine vorübergehende Beschäftigung ausüben. Er kann nicht anders beurteilt werden als ein Arbeitnehmer, der die Lücke zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen durch eine kurzfristige entgeltliche Beschäftigung überbrückt. Auch dieser verliert hierdurch nicht die Eigenschaft eines berufsmäßigen Arbeitnehmers. Es besteht den Umständen nach kein Anhalt dafür, daß der Beigeladene zu 1) die im August vom Kläger erhaltene Vergütung von 1.494,-- DM im Gegensatz zu den Einkünften als Referendar und Richter nicht in einem für die wirtschaftliche Stellung bedeutsamen Umfang für seinen Lebensunterhalt erworben haben soll. Die Beschäftigung im August 1975 ist daher nur ein Zwischenglied in der seit Beginn der Referendarzeit durchgehend berufsmäßig ausgeübten abhängigen Erwerbstätigkeit. Sie wird von der Versicherungspflicht in der KV und AV erfaßt, weil für sie – im Gegensatz zu den Beschäftigungen als Referendar und Richter – die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit nicht gelten (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 25. Oktober 1975 – 12 RK 19/76 –, BSG SozR 2200 § 169 Nr 4).
Die Beklagte und das SG haben demnach zu Recht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der KV und in der AV sowie daraus folgend die Pflicht des Klägers als Arbeitgeber zur Zahlung der Beiträge an die Beklagte als Einzugsstelle angenommen (§ 393 Abs 1 RVO, § 118 Abs 1 AVG). Insoweit ist deshalb die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG unter Aufhebung des Urteils des LSG zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Beitragspflicht zur BA reichen die Feststellungen des LSG nicht aus, um abschließend entscheiden zu können. Zwar unterliegt die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) im August 1975 ihrer Art nach grundsätzlich auch der Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 AFG. Auch kann Beitragsfreiheit nach § 169 Nr 1 AFG nicht begründet werden, weil die Voraussetzungen der Krankenversicherungsfreiheit nicht erfüllt sind. Fraglich bleibt jedoch, ob der Beigeladene zu 1) nach § 169 Nr 6 AFG beitragsfrei ist. Hiernach sind Arbeitnehmer in einer kurzzeitigen Beschäftigung beitragsfrei. Kurzzeitig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 102 Abs 1 Satz 1 AFG in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung). Das LSG hat festgestellt, daß der Beigeladene zu 1) beim Kläger vormittags etwa vier Stunden tätig gewesen sei und daß er daher durchschnittlich nicht mehr als 20 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Diese Feststellung ist nicht genau genug, um den einwandfreien Schluß ziehen zu können, die wöchentliche Arbeitszeit habe weniger als 20 Stunden betragen. Der Wortfassung nach könnte nämlich auch gefolgert werden, sie habe 20 Stunden umfaßt. Das LSG wird hierüber ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Insoweit muß der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen