Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsanspruch. Abgabe von Harn- und Blutteststreifen durch nichtärztliche Leistungserbringer. Erfordernis eines Vertrags zur Hilfsmittelversorgung. Situation vor Einführung des Schiedsverfahrens. Möglichkeit des Vertragsbeitritts in Verbindung mit Ankündigung der gerichtlichen Überprüfung der Vertragsbedingungen
Leitsatz (amtlich)
1. Harn- und Blutteststreifen zur Eigenanwendung können jedenfalls außerhalb von Apotheken durch nichtärztliche Leistungserbringer nur auf Grund eines Vertrags zur Hilfsmittelversorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.
2. Bis zur Einführung des Schiedsverfahrens bei fehlender Einigung über Einzelheiten der Hilfsmittelversorgung konnte ein Leistungserbringer den Beitritt zu einem Vertrag zur Hilfsmittelversorgung mit der Ankündigung verbinden, Vertragsbedingungen zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen.
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 2, § 31 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 126 Abs. 1, § 127
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. September 2022 sowie des Sozialgerichts Osnabrück vom 18. November 2019 geändert und die Widerklage insgesamt abgewiesen.
Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. September 2022 aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Im Streit stehen Vergütungsansprüche für Hilfsmittel und Blutzuckerteststreifen.
Die Klägerin vertreibt bundesweit Produkte zur Diabetesbehandlung. Nach gescheiterten Vertragsverhandlungen mit der beklagten Krankenkasse erklärte sie im November 2014 ihren Beitritt zu zwei zwischen der Beklagten und anderen Leistungserbringern geschlossenen Verträgen über die Versorgung mit Hilfsmitteln zur Insulinpumpen- und Diabetestherapie. Die Beitrittserklärungen gab sie unter "Protest und Ausschluss" inhaltsgleicher Klauseln ab, die es anderen Krankenkassen ermöglichten, diesen Verhandlungsverträgen beizutreten, und die ihre Versorgungsberechtigung an den Fortbestand dieser Verträge knüpften. Mit einem weiteren "Ausschluss" wandte sie sich gegen die im Vertrag über Hilfsmittel zur Diabetestherapie enthaltenen Preis- und Abrechnungsregelungen zu Blutzuckerteststreifen; deren Abrechnung richte sich nicht nach dem Vertragsregime für die Versorgung mit Hilfsmitteln, sondern nach dem marktüblichen Preisniveau.
Die Beklagte wies die Vertragsbeitritte zurück, weil sie nicht zu den Bedingungen der von ihr mit anderen Leistungserbringern ausgehandelten Verträge erfolgt sei, und lehnte die Vergütung der von der Klägerin gleichwohl erbrachten Leistungen ab, soweit es sich nicht um Blutzuckerteststreifen handelte; diese vergütete sie für Lieferungen vom 25.11.2014 bis 1.2.2017 in Höhe der Vertragspreise, weil das Abrechnungssystem keine Vorabprüfung einer Versorgungsberechtigung ermöglicht habe.
Das SG hat die Klage auf Bezahlung weiterer Leistungen im streitbefangenen Zeitraum in Höhe von 27 151,12 Euro abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zur Erstattung bereits erhaltener Zahlungen in Höhe von 22 407,31 Euro für die Versorgung verurteilt (Urteil vom 18.11.2019) . Die Berufung hiergegen hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 13.9.2022) : Die Klägerin sei nicht versorgungsberechtigt gewesen, weshalb sie keine Vergütungsansprüche erworben und die Beklagte die Entgelte rechtsgrundlos geleistet habe. Sowohl Hilfsmittel als auch Blutzuckerteststreifen dürften allein auf vertraglicher Grundlage zulasten der Beklagten abgegeben werden. Den Verträgen sei die Klägerin wegen der geäußerten Vorbehalte nicht zu den gleichen Bedingungen beigetreten. Im Übrigen sei sie mit ihrem Vortrag zur Höhe der eingeklagten Forderung präkludiert.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts ( §§ 126 und 127 SGB V , § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm §§ 133 , 157 BGB ) . Sie sei den Verhandlungsverträgen zu gleichen Bedingungen beigetreten und deshalb versorgungsberechtigt. Unabhängig hiervon sei ein Vertrag für die Abgabe und Abrechnung von Blutzuckerteststreifen zulasten der Beklagten nicht erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. September 2022 und des Sozialgerichts Osnabrück vom 18. November 2019 zu ändern und die Widerklage insgesamt abzuweisen sowie das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. September 2022 im Übrigen aufzuheben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg. Zu Recht beansprucht die Klägerin ungeachtet des Streits um Einzelheiten der zugrunde liegenden Verträge eine Vergütung für die von ihr abgegebenen Produkte, weshalb die Widerklage auf Erstattung der Zahlungen für Blutzuckerteststreifen abzuweisen und das Urteil des LSG insoweit zu ändern ist ( § 170 Abs 2 Satz 1 SGG ) . Keinen Erfolg hat die Klägerin indes, soweit sie eine höhere Vergütung für die Versorgung mit Blutzuckerteststreifen beansprucht. Inwiefern ihr darüber hinaus eine Vergütung für weitere Versorgungen zusteht, bedarf näherer Feststellungen, die nach der Rechtsauffassung des LSG bisher nicht veranlasst waren und im insoweit wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sind ( § 170 Abs 2 Satz 2 SGG ) .
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG, soweit es die Berufung der Klägerin gegen das ihre Klage auf Vergütung weiterer Leistungen abweisende und sie zur Erstattung erhaltener Vergütungen verpflichtende Urteil des SG zurückgewiesen hat. Zutreffend haben die Vorinstanzen insoweit im Gleichordnungsverhältnis der Beteiligten jeweils auf Leistungsklagen entschieden ( § 54 Abs 5 SGG ) .
2. Rechtsgrundlage der streitbefangenen Vergütungsansprüche ist § 126 Abs 1 SGB V iVm § 127 Abs 2 und Abs 2a SGB V (jeweils idF des GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426, mWv 1.1.2009; nunmehr inhaltsgleich § 127 Abs 1 und 2 SGB V idF des TSVG vom 6.5.2019, BGBl I 646) iVm § 5 und Anl 2 des Vertrags über Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie sowie §§ 13 und 16 und Anl 2 des Vertrags über Hilfsmittel zur Diabetestherapie. Hiernach dürfen Hilfsmittel an Versicherte allein auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden ( § 126 Abs 1 Satz 1 SGB V ) , wozu ua Krankenkassen - soweit Ausschreibungen nach Abs 1 nicht durchgeführt werden - mit Leistungserbringern Verträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln schließen ( § 127 Abs 2 Satz 1 SGB V ) . Diesen Verträgen können Leistungserbringer zu den gleichen Bedingungen beitreten, soweit sie nicht bereits vertraglich zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind ( § 127 Abs 2a Satz 1 SGB V ) . Dem unterliegt für den Zeitraum hier auch die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Blutzuckerteststreifen zur Eigenanwendung jedenfalls außerhalb von Apotheken (dazu sogleich 3. und 4.) . Unter einer das Rechtsschutzinteresse der Klägerin einbeziehenden Würdigung ihrer Willenserklärungen sind entsprechende Verträge - zu Hilfsmitteln wie zu Blutzuckerteststreifen - auch wirksam zustande gekommen (dazu 5. und 6.) . Zu Recht wendet sich die Klägerin deshalb gegen die Verurteilung zur Erstattung der von der Beklagten für die Lieferung von Blutzuckerteststreifen bereits geleisteten Zahlungen (dazu 7.). Inwiefern auch weitere Zahlungsansprüche berechtigt sind, bedarf näherer Feststellungen, die im insoweit wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen und nicht wegen verspäteten Vortrags der Klägerin ausgeschlossen sind (dazu 8.).
3. Harn- und Blutteststreifen zur Eigenanwendung können jedenfalls außerhalb von Apotheken durch nichtärztliche Leistungserbringer nur auf Grund eines Vertrags zur Hilfsmittelversorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden .
a) Nach der leistungsrechtlichen Zuordnung ist der Anspruch gesetzlich Krankenversicherter auf Versorgung mit Blut(zucker)teststreifen der Arznei- und Verbandmittelversorgung zugewiesen, obschon Harn- und Blutteststreifen wie Verbandmittel krankenversicherungsrechtlich seit langem nicht mehr als Arzneimittel zu qualifizieren sind. Demgemäß besteht nach § 31 SGB V Anspruch auf die Versorgung ua mit "mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, […] Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen" (Abs 1 Satz 1) . Notwendige, nicht hinreichende Bedingung für die Qualität als Arzneimittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne ( § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V ) ist aber, dass eine Arzneimitteleigenschaft iS des AMG besteht (vgl BSG vom 3.7.2012 - B 1 KR 23/11 R - BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 12) . Jedenfalls daran fehlt es bereits, seit Verbandmittel zur Anwendung am menschlichen Körper und In-vitro-Diagnostika zur Erkennung der Beschaffenheit, des Zustands oder der Funktionen des menschlichen Körpers aus dem Katalog der Geltungsarzneimittel des § 2 Abs 2 AMG gestrichen worden sind (Verbandstoffe zum 1.1.1995, vgl § 51 Nr 1 Buchst a Buchst cc iVm § 60 Abs 2 MPG idF vom 2.8.1994, BGBl I 1963; In-vitro-Diagnostika zum 1.1.2002, vgl Art 3 Nr 1 Buchst c iVm Art 15 des 2. MPG-ÄndG vom 13.12.2001, BGBl I 3586) . Statt dessen unterliegen diese Produkte nunmehr der Regulierung durch die Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG , der Verordnung (EG) Nr 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl L 117 vom 5.5.2017, S 1) sowie der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl L 117 vom 5.5.2017, S 176; im Folgenden IVD-VO). Entsprechendes galt vor dem Geltungsbeginn dieser Verordnungen für In-vitro-Diagnostika in Umsetzung der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.10.1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl L 331 vom 7.12.1998, S 1) seit dem 1.1.2002 bis zum 25.5.2021 nach nationalem Medizinprodukterecht gemäß § 3 Nr 4 MPG (idF des 2. MPG-ÄndG ; vgl zuvor schon § 3 Nr 4 iVm § 60 Abs 2 MPG idF vom 2.8.1994, BGBl I 1963) sowie für Verbandmittel in Umsetzung der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14.6.1993 über Medizinprodukte (ABl L 169 vom 12.7.1993, S 1) seit dem 29.6.1993 bis zum 25.5.2021 gemäß § 3 Nr 1 Buchst a MPG (idF vom 2.8.1994 mWv 1.1.1995, BGBl I 1963) .
b) Beziehen können Versicherte Harn- und Blutteststreifen zur Eigenanwendung - also außerhalb einer ärztlichen oder Krankenhausbehandlung (vgl Art 2 Nr 5 IVD-VO) - zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Apotheken sowie von sonstigen dazu bestellten nichtärztlichen Leistungserbringern. Auf dieses doppelspurige Abgabesystem hat der Gesetzgeber zuletzt bei der Ausgestaltung des Beeinflussungs- und Zuweisungsverbots des § 31 SGB V Bezug genommen, wonach es Vertragsärzten und Krankenhäusern grundsätzlich verwehrt ist, Versicherte dahingehend zu beeinflussen, Verordnungen "bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer" einzulösen oder entsprechende Zuweisungen vorzunehmen ( § 31 Abs 1 Satz 6 SGB V idF des PDSG vom 14.10.2020, BGBl I 2115) . Entsprechend haben "Apotheken und weitere Anbieter, die sonstige Leistungen" nach § 31 SGB V abrechnen, um der Transparenz des hierauf gestützten Leistungsgeschehens willen den Krankenkassen die erforderlichen Abrechnungsdaten in maschinenlesbarer Form auch insoweit zur Verfügung zu stellen, als sie nicht die Arzneimittelversorgung (im engeren Sinne) betreffen (vgl § 300 Abs 1 Satz 2 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983; zu den Motiven vgl BT-Drucks 17/6906 S 98) . Auch dem liegt zugrunde, dass die Versorgung mit Harn- und Blutteststreifen zur Eigenanwendung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung im Gleichklang mit dem Berufs- und Medizinprodukterecht (vgl nur Heil/Anhalt in Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, 2. Aufl 2017, S 567 f RdNr 1 f) Apotheken wie sonstigen Leistungserbringern offen steht.
c) Leistungserbringungsrechtlich setzt das für Apotheken sowie sonstige Leistungserbringer wie bei jeder zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abzugebenden (Sach-)Leistung ( § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V ) Vertragsbeziehungen zwischen der jeweils leistungsverpflichteten Krankenkasse und dem jeweiligen Leistungserbringer über dessen Abgabeberechtigung dem Grunde nach, die Modalitäten der Leistungserbringung sowie deren Vergütung voraus. Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten Versicherte von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen ausschließlich nach Maßgabe von Verträgen, die Krankenkassen und Leistungserbringer nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V schließen ( § 2 Abs 2 Satz 3 SGB V ) ; "Versorgungen ohne Vertrag mit der Krankenkasse" sieht das SGB V regelhaft nicht vor. Als Sachleistung zu vergüten ist die Versorgung Versicherter deshalb nur, soweit die Leistungserbringer auf der Grundlage entsprechender - grundsätzlich im Vorhinein zu schließender (zu einer besonders gelagerten Ausnahme vgl letztens etwa BSG vom 14.7.2022 - B 3 KR 2/22 R - BSGE 134, 270 = SozR 4-2500 § 132a Nr 13) - Verträge zur Abgabe der jeweiligen Leistung zu Lasten der leistungsverpflichteten Krankenkasse befugt sind und diese auch im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wird; andernfalls ist sie nicht zu vergüten (stRspr; vgl letztens nur BSG vom 12.8.2021 - B 3 KR 8/20 R - BSGE 133, 17 = SozR 4-2500 § 33 Nr 56, RdNr 20 mwN) .
d) Zustande kommen diese Verträge gemäß § 2 Abs 2 Satz 3, § 69 Abs 1 SGB V allein nach Maßgabe der Regelungen, die - ergänzt durch die im Ersten Abschnitt vorangestellten Anforderungen - der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern in den weiteren Abschnitten des Vierten Kapitels des SGB V im Hinblick auf die Leistungserbringer oder die Leistungen abschließend vorgegeben sind. In diesem Sinne begründet das Vierte Kapitel einen numerus clausus möglicher Vertragsarten, nach denen "abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände" ua zu "Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden" zu regeln sind (vgl § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V ) . Hiernach bestimmt sich in Abhängigkeit entweder vom Status des Leistungserbringers als Vertragsarzt oder Krankenhaus (vgl §§ 72, 73, 95 sowie §§ 107 , 108 SGB V ) , von Status und abgegebener Leistung wie für Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln (vgl § 129 SGB V "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung") oder nur von der Leistung abschließend, nach welchen Maßgaben Krankenkasse und Leistungserbringer in Bezug auf die jeweilige Versorgung ihre Leistungsbeziehungen nur ordnen können und welchen Vorgaben ein Leistungserbringer bei der Einbeziehung in die betroffene Versorgung jeweils bereichsspezifisch zu genügen hat. In diesem Sinne bedurfte es etwa für die Abgabe apothekenüblicher Hilfsmittel durch öffentliche Apotheken der ausdrücklichen Freistellung von dem sonst bei der Abgabe von Hilfsmitteln bestehenden Präqualifizierungserfordernis nach § 126 Abs 1 Satz 2 SGB V durch § 126 Abs 1b SGB V (idF des ALBVVG vom 19.7.2023, BGBl I Nr 197; zu den Motiven vgl BT-Drucks 20/7397 S 58 f) , weil dieses Erfordernis an die Hilfsmitteleigenschaft des abgegebenen Produkts anknüpft und erst durch die ausdrückliche gesetzliche Regelung vom leistungserbringungsrechtlichen Status von Apotheken verdrängt wird.
e) In diesem Regelungszusammenhang können Harn- und Blutteststreifen zur Eigenanwendung jedenfalls außerhalb von Apotheken leistungserbringungsrechtlich nur als Hilfsmittel und damit allein auf Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs 1, 2 oder 3 SGB V (nunmehr: § 127 Abs 1 oder 3 SGB V ) abgegeben werden; ob und ggf inwiefern deren Abgabe in Apotheken in Verträgen über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V eine selbständige Rechtsgrundlage finden kann, hat der Senat hier nicht zu entscheiden. Das folgt aus der Regelungssystematik schon insoweit, als sächliche Mittel, die krankenversicherungsrechtlich keine Arznei- oder Verbandmittel sind, unter den im (abschließenden) Leistungskatalog des § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V allein in Betracht kommenden Leistungen der Nr 3 ausschließlich Hilfsmittel und damit - bei der Abgabe zur Eigenanwendung - leistungserbringungsrechtlich nur den §§ 126 und 127 SGB V zu den "Beziehungen zu Leistungserbringern von Hilfsmitteln" zuzuordnen sein können, soweit für Apotheken nicht etwas anderes gilt. Entsprechend sind Blutzuckermessgeräte selbst Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V (vgl BSG vom 8.7.2015 - B 3 KR 5/14 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 19 ff) , was bei den Teststreifen als für deren Betrieb unverzichtbares selbständig abgegebenes Zubehör materiell ebenfalls die Hilfsmitteleigenschaft iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V begründet (zur Hilfsmitteleigenschaft von nur für sich abzugebenden Produkten vgl BSG vom 14.6.2023 - B 3 KR 10/21 R - RdNr 20 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) . Davon sind sie auch nicht deshalb ausgenommen, weil sie - anders als Blutzuckermessgeräte selbst - als arzneimittelähnliche Medizinprodukte (vgl § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V ) anzusehen wären. Abgesehen von der dem entgegenstehenden Zuordnung zu § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V sind sie nach der zugrunde liegenden Messmethode ungeachtet der in ihnen eingelagerten Stoffe zur Bestimmung des Blutzuckerwerts medizinprodukterechtlich vielmehr In-vitro-Diagnostika zur Untersuchung "von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben" (vgl Art 2 Nr 2 IVD-VO) und nicht iS von § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V "zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt" .
Das deckt sich schließlich mit den Regelungsvorstellungen des Gesetzgebers insoweit, als er sich bei Einführung der Zuzahlungsbefreiung bei Versorgungen mit Harn- und Blutteststreifen (ursprünglich § 31 Abs 3 Satz 3 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266; nunmehr § 31 Abs 3 Satz 2 SGB V ) von der Einschätzung hat leiten lassen, dass diese nach der Verwaltungspraxis der Krankenkassen "wie Hilfsmittel" anzusehen und daher zuzahlungsfrei seien, was klarzustellen sei (vgl BT-Drucks 12/3937 S 12) . Mittelbar wird das schließlich auch bekräftigt durch die Regelungen zur Abgabe von arzneimittelähnlichen Medizinprodukten ( § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V ) sowie von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung ( § 31 Abs 5 SGB V ) , die jeweils die entsprechende Geltung der §§ 126 und 127 SGB V zur Hilfsmittelversorgung anordnen (vgl § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Abs 5 Satz 7 SGB V ) ; auch das legt nahe, dass die der Arzneimittelversorgung nach § 31 SGB V zugeordneten Ansprüche auf Leistungen, die krankenversicherungsrechtlich keine Arzneimittel sind, der Regelungskonzeption nach leistungserbringungsrechtlich der Hilfsmittelversorgung zugerechnet sind .
4. Dass Harn- und Blutteststreifen den Vorgaben zur Hilfsmittelversorgung nicht in jeder Hinsicht unterliegen, steht dem nicht entgegen.
a) Die leistungserbringungsrechtliche Zuordnung der Abgabe von Harn- und Blutteststreifen zur Eigenanwendung (jedenfalls außerhalb von Apotheken) zur Hilfsmittelversorgung bewirkt regelungssystematisch nicht, dass die Versorgung mit Harn- und Blutteststreifen in jeder Hinsicht dem gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungsregime des oder aufgrund des SGB V zur Hilfsmittelversorgung unterstellt ist oder werden muss (beispielhaft dazu b und c). Das steht der Qualifizierung als Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in dem Regelungszusammenhang hier indes nicht entgegen. Jedenfalls seit diese Produkte dem Medizinprodukterecht zugeordnet worden sind und mindestens deshalb ihre Qualität als Arzneimittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne verloren haben (vgl oben RdNr 12) , begründet § 31 SGB V neben dem Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln leistungsrechtlich Ansprüche auf unterschiedliche weitere Leistungen iS von § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V , wie in der Umschreibung als "sonstige Leistungen nach § 31 SGB V " ( § 300 Abs 1 Satz 2 SGB V ) oder ihrer Listung im Einzelnen (vgl § 360 Abs 7 Satz 1 SGB V ) sinnfällig zum Ausdruck kommt. Soweit die Regelung mit Blick etwa auf die Sachnähe von Arzneimitteln einerseits und arzneimittelähnlichen Medizinprodukten andererseits ( § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V ) oder das Interesse an einem transparenten Überblick über den Umfang eines wesentlichen Blocks vertragsärztlich veranlasster Leistungen (vgl § 84 Abs 1 Satz 2, § 300 Abs 1 Satz 2 SGB V ) demgemäß Leistungen unterschiedlicher Art zusammenführt, kann diese Sonderstellung bei weiteren Vorgaben etwa in Bezug auf das Regime zur Produktqualität oder zum Abgabeweg Abweichungen von ansonsten für die jeweilige Leistungsart maßgebenden Regularien rechtfertigen, soweit diese nach Regelungssystematik oder Sinn und Zweck durch die oder aufgrund der vorgehenden Sonderregelung des § 31 SGB V verdrängt werden.
b) Insoweit steht der leistungserbringungsrechtlichen Qualifizierung von Harn- und Blutteststreifen als Hilfsmittel insbesondere nicht entgegen, dass Verbandmittel, Harn- und Blutteststreifen nach zutreffender Rechtsauffassung des GKV-Spitzenverbands nicht in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V aufzunehmen sind (vgl GKV-Spitzenverband, Verfahrensordnung zur Erstellung und Fortschreibung des HMV nach § 139 Abs 7 SGB V in der Fassung vom 19.8.2019, S 24) . Das Hilfsmittelverzeichnis hat seiner Konzeption nach eine ausschließlich objektiv-rechtliche Funktion im Interesse der systematischen Ordnung der zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abzugebenden Hilfsmittel, ohne dass ihm rechtliche Bindungswirkungen gegenüber Krankenkassen oder Versicherten zukämen (stRspr; vgl letztens nurBSG vom 14.6.2023 - B 3 KR 10/21 R - RdNr 11 mwN - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) . Soweit im Interesse dessen gemäß § 139 SGB V im Hilfsmittelverzeichnis von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen sind (Abs 1 Satz 2) und hierzu vom Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Abs 2 und, soweit erforderlich, der medizinische Nutzen nachzuweisen ist (Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1) , erstreckt sich das nach Sinn und Zweck auf die von § 31 Abs 1 SGB V erfassten Medizinprodukte nicht. Dass Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen haben können, ergibt sich abschließend unmittelbar aus § 31 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V , weshalb eine Prüfung nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V ebenso ausscheidet wie eine Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis, das Bindungswirkungen für Krankenkassen wie Versicherte nicht entfalten kann. Ebenso ist für die Bestimmung und den Nachweis von Qualitätsanforderungen im Aufnahmeverfahren nach den Modalitäten des § 139 SGB V bereits deshalb kein Raum, weil die Anforderungen an die von § 31 Abs 1 SGB V erfassten Medizinprodukte in qualitativer Hinsicht nicht der Bestimmung des § 33 Abs 1 Satz 2 SGB V , sondern anderen Vorgaben unterliegen.
c) Keine Auswirkungen auf die leistungserbringungsrechtliche Qualifizierung von Harn- und Blutteststreifen hat weiter, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die von ihm nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V zu beschließenden Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten ua mit Verband- und Hilfsmitteln zum Gegenstand der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) gemacht hat (vgl § 7 Satz 1 Nr 2 AM-RL ) und sie darin ausweislich der in § 1 AM-RL niedergelegten Zweckbestimmung der Arzneimittelverordnung zugeordnet sind. Dem kommt indes für die hier in Rede stehende Zuordnung - abgesehen davon, dass sich die Regelungen für die Verordnung von Arzneimitteln insoweit ausdrücklich eine (nur) entsprechende Geltung beimessen (vgl § 7 Satz 2 AM-RL ) - schon deshalb keine Bedeutung zu, weil sich die Rechtsetzungskompetenz des GBA auf die Konkretisierung des Leistungsanspruchs der Versicherten bezieht und nicht auf die Voraussetzungen, nach denen Leistungserbringer Zugang zur Versorgung mit Harn- und Blutteststreifen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten.
5. Bis zur Einführung des Schiedsverfahrens bei fehlender Einigung über Einzelheiten der Hilfsmittelversorgung konnte ein Leistungserbringer den Beitritt zu einem Vertrag zur Hilfsmittelversorgung mit der Ankündigung verbinden, Vertragsbedingungen zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen.
a) Die Hilfsmittelversorgung erfolgt seit dem GKV-OrgWG allein auf vertraglicher Grundlage (vgl hierzu BSG vom 21.7.2011 - B 3 KR 14/10 R - BSGE 109, 9 = SozR 4-2500 § 126 Nr 3, RdNr 9 ff). Verträge werden - soweit Ausschreibungen nicht durchgeführt werden - durch Leistungserbringer oder von ihnen gebildeten Zusammenschlüssen einerseits und Krankenkassen, ihren Landesverbänden oder zu diesem Zweck gebildeten Arbeitsgemeinschaften andererseits geschlossen ( § 127 Abs 2 SGB V ) . Leistungserbringer haben außerdem die Möglichkeit, eine vertragliche Versorgungsberechtigung durch einen Beitritt zu Verhandlungsverträgen zu erlangen ( § 127 Abs 2a SGB V ) . Dieses Regelungskonzept dient einem diskriminierungsfreien und gleichmäßigen Zugang aller leistungsbereiten und leistungsfähigen Leistungserbringer zum Hilfsmittelmarkt und damit dem Schutz ihrer Berufsfreiheit ( Art 12 Abs 1 GG ) in dem Sinne, nach Maßgabe der Gesetze zu gleichen Bedingungen (vgl auch Art 3 Abs 1 GG ) am Wettbewerb teilnehmen zu können (vgl BVerfG vom 17.12.2002 - 1 BvL 28/95 bis 1 BvL 30/95 - BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 12, 18; BSG vom 10.3.2010 - B 3 KR 26/08 R - BSGE 106, 29 = SozR 4-2500 § 126 Nr 2, RdNr 23 ff, 29).
b) Diese Ausgestaltung war über längere Zeit anders als in anderen Versorgungsbereichen (vgl etwa zur häuslichen Krankenpflege § 132a Abs 2 und 3 SGB V ) nicht mit einem Schiedsverfahren verbunden . Daran hat der Gesetzgeber im Weiteren nicht festgehalten und mit § 127 Abs 1a SGB V (idF des MPEUAnpG vom 28.4.2020, BGBl I 960, und des Gesetzes vom 19.5.2020, BGBl I 1018, mWv 23.5.2020; zu den Regelungsmotiven vglBT-Drucks 19/17589 S 196 f) nach dem Vorbild des Schiedsverfahrens in der häuslichen Krankenpflege zum 23.5.2020 einen außergerichtlichen Konfliktlösungsmechanismus in Form eines Schiedsverfahrens eingeführt, das in ein Klageverfahren gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson münden kann ( § 127 Abs 1a Satz 11 SGB V ). Das ist einerseits Ausgleich dafür, dass Erbringer von Hilfsmittelleistungen die Preise für die von ihnen erbrachten Leistungen nicht einseitig bestimmen können (vgl nur letztens zur häuslichen Krankenpflege BSG vom 14.7.2022 - B 3 KR 1/22 R - SozR 4-2500 § 132a Nr 12 RdNr 11 mwN) und begründet andererseits einen ausgeformten verfahrensrechtlichen Rahmen (vgl insbesondere § 127 Abs 1a Satz 1 Halbsatz 1, Satz 12 SGB V) , der bei fehlender Einigung eine gerichtliche Klärung streitiger Modalitäten des Marktzugangs von Leistungserbringern bei der Hilfsmittelversorgung erlaubt (vgl zu den in diesem Zusammenhang flankierend ebenfalls eingeführten Aufsichtsbefugnissen nach § 71 Abs 6 Satz 1, 9 SGB V idF des MPEUAnpG und des Gesetzes vom 19.5.2020, BGBl I 1018, mWv 23.5.2020; zu den Motiven BT-Drucks 19/17589 S 195).
c) Vergleichbar war Leistungserbringern auch vor Einführung der Schiedsregelung des § 127 Abs 1a SGB V nF Rechtsschutz zu gewähren, soweit sie sich durch den Verweis auf den Zugang zur Hilfsmittelversorgung nach Maßgabe (nur) eines Vertragsbeitritts nach § 127 Abs 1a SGB V in ihren durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Rechten verletzt sahen. Solange der Gesetzgeber auf ein Schiedsverfahren zur Vergütungsfestsetzung verzichtet, gibt er damit nach der Rechtsprechung des Senats zwar zu erkennen, dass auch eine gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Vergütung ausscheidet (stRspr; vgl letztens BSG vom 17.2.2022 - B 3 KR 13/20 R - SozR 4-2500 § 133 Nr 7 RdNr 13 mwN). Jedoch findet eine Rechtskontrolle dahin statt, ob die Krankenkassen die Grenzen des ihnen eingeräumten Verhandlungsspielraums missbrauchen und den Leistungserbringern Konditionen aufzwingen, die mit ihrer Stellung als öffentlich-rechtlich gebundene Träger unvereinbar sind. Daraus kann im Einzelfall ein Kontrahierungszwang erwachsen, der gerichtlich überprüfbar ist, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein rechtskonformes Verhalten der Krankenkasse anders als durch Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zu dem vom Leistungserbringer unterbreiteten Angebot nicht möglich ist (vgl nur BSG vom 17.7.2008 - B 3 KR 23/07 R - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 21 ff; BSG vom 30.9.2015 - B 3 KR 2/15 R - SozR 4-2500 § 125 Nr 8 RdNr 47 mwN) .
d) Dieses Rechtsschutzkonzept gilt ebenso, soweit ein Leistungserbringer vor Einführung der Schiedsregelung des § 127 Abs 1a SGB V von einer Krankenkasse gestützt auf § 127 Abs 2a SGB V auf den Beitritt zu einem Vertrag über die Versorgung mit Hilfsmitteln verwiesen wird, mit dem die Krankenkasse aus seiner Sicht die Grenzen des ihr eingeräumten Verhandlungsspielraums missbraucht hat. Die Garantie effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 Satz 1 GG (zum Inhalt dieser Garantie vgl nur BVerfG vom 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 , juris RdNr 68 ff; BVerfG vom 22.11.2016 - 1 BvL 6/14 ua - BVerfGE 143, 216 RdNr 20 f; BVerfG vom 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13 ua - BVerfGE 149, 407 RdNr 15 ff; zu den Anforderungen an Prüfungsdichte und Prüfungsumfang vgl näher mwN Schoch in Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2021, § 22 RdNr 45 ff) wäre verletzt, stünde einem Leistungserbringer in solcher Lage nur die Möglichkeit offen, entweder mit der Aufnahme der Versorgung bis zur gerichtlichen Entscheidung über aus seiner Sicht zu beanstandende Vertragsbedingungen zuzuwarten oder sich widerspruchslos auf diese einzulassen. Deshalb steht einem Leistungserbringer der Zugang zur Hilfsmittelversorgung nach Maßgabe von Art 3 Abs 1 GG - zumal bei dem Vertragsregime des § 127 Abs 2a bzw nunmehr Abs 2 SGB V - zu den Konditionen anderer Leistungserbringer unter Beachtung der Garantie effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auch dann offen, wenn er sich die (gerichtliche) Klärung aus seiner Sicht zu beanstandender Vertragsbedingungen vorbehält und bereit ist, die Versorgung auch mit dem Risiko aufzunehmen, mit der Klage auf Korrektur der beanstandeten Bedingung(en) schließlich nicht durchzudringen. Liegt es so, muss die Krankenkasse die so aufgenommene Versorgung zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes ihrerseits mit dem Risiko als vertragsgerecht hinnehmen, dass sich eine von ihr verwandte Vertragsbedingung im Nachhinein als missbräuchlich erweist und sie unter Umständen höhere Vergütungen zu zahlen hat (vgl zu einer ähnlichen Auflösung der Risikolage unter dem Gesichtspunkt effektiven RechtsschutzesBSG vom 10.9.2020 - B 3 KR 11/19 R - SozR 4-2500 § 35a Nr 6 RdNr 42 ff, insb 44 f).
6. Unter Berücksichtigung dessen ist die Klägerin den für den streitbefangenen Zeitraum maßgebenden Verträgen wirksam beigetreten.
a) Nach dem Regelungskonzept des Vertragsbeitritts nach § 127 Abs 2a SGB V begründet der Zugang der Beitrittserklärung zu einem zwischen einer Krankenkasse und einem anderen Leistungserbringer bereits geschlossenen Vertrag zur Hilfsmittelversorgung ("Verhandlungsvertrag") und bei bereits erfolgtem Nachweis der Präqualifizierung (vgl § 126 Abs 1a SGB V ) zwischen Krankenkasse und beitretendem Leistungserbringer öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen iS von § 69 Abs 1 Satz 1, § 126 Abs 1 Satz 1 SGB V , die dem beitretenden Leistungserbringer den Zugang zur Versorgung der Versicherten der Krankenkassen nach den "gleichen Bedingungen" des Verhandlungsvertrags eröffnet, ohne dass die Krankenkasse die Erklärung des beitretenden Leistungserbringers ihrerseits annehmen müsste oder auch nur könnte; die vertragliche Bindung zu dem beitretenden Leistungserbringer entsteht ohne ihr Zutun (vgl BT-Drucks 16/10609 S 58 "mit Zugang der Beitrittserklärung") , ohne dass es für das Verfahren hier auf nähere Einzelheiten des Zustandekommens der vertraglichen Bindung zu dem beitretenden Leistungserbringer ankommt .
b) Solche Beitrittserklärungen hat die Klägerin nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG ( § 163 SGG ) zunächst formwirksam abgegeben, ohne dass dem die offenkundig fehlerhafte - sie verwechselnde - Bezeichnung der zwei Verträge entgegensteht. Eine solche Falschbezeichnung ist unschädlich, soweit die am Rechtsgeschäft Beteiligten - wie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen hier - wissen, was gemeint ist (vgl Singer in Staudinger, BGB, 2021, § 133 RdNr 13 mwN) .
c) Weiter richteten sich die von der Klägerin abgegebenen (Willens-)Erklärungen auch der Sache nach auf einen Beitritt iS von § 127 Abs 2a SGB V zu den von der Beklagten bereits abgeschlossenen Verträgen nach § 127 Abs 2 SGB V . Nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen ( § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 133 BGB ) ist hierbei nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts auf der Grundlage aller im Einzelfall als einschlägig in Betracht kommenden Umstände zu erforschen (vgl dazu nur BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R - BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 32; BSG vom 14.3.2019 - B 5 RS 1/18 R - BSGE 127, 279 = SozR 4-8570 § 1 Nr 22, RdNr 13; BSG vom 30.7.2019 - B 1 KR 31/18 R - BSGE 129, 1 = SozR 4-7610 § 366 Nr 2, RdNr 16, jeweils mwN) . Bei verständiger und das Rechtsschutzinteresse der Klägerin berücksichtigender Würdigung konnte sich das hier nur darauf richten, einerseits ab Abgabe der Erklärungen an der Versorgung mit den streitbefangenen Produkten mindestens zu den Bedingungen der Beitrittsverträge mitwirken zu wollen - wie sie es dann auch umgesetzt hat - und das andererseits mit dem Vorbehalt zu verbinden, die beanstandeten Klauseln zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Dass den Erklärungen auch ein anderes Verständnis beigemessen werden kann, ist nach den Auslegungsmaßstäben unbeachtlich, zumal gerichtliche Entscheidungen zum Rechtsschutz im Zusammenhang mit den Beitrittsregularien des § 127 Abs 2a SGB V , an denen die Klägerin sich hätte orientieren können, noch nicht vorlagen und ihr Erklärungswert jedenfalls in der Gesamtschau nach den dargelegten Maßstäben nicht zweifelhaft erscheint.
7. Zu Recht wendet sich die Klägerin hiernach gegen die Verurteilung zur Erstattung der von der Beklagten bereits entrichteten Vergütungen für Blutzuckerteststreifen; abgesehen von dem wie dargelegt unberechtigten Einwand, die Klägerin sei dem Vertrag zur Versorgung ihrer Versicherten mit Blutzuckerteststreifen nicht nach § 127 Abs 2a SGB V wirksam beigetreten, sind im Verfahren Einwände gegen die ordnungsgemäße Abrechnung der vergüteten Leistungen nicht zutage getreten, weshalb der Senat insoweit abschließend über den Rechtsstreit entscheiden kann ( § 170 Abs 2 Satz 1 SGG ) .
8. Nicht abschließend zu entscheiden vermag der Senat hingegen auf Grundlage der Feststellungen des LSG, soweit die Klägerin eine weitergehende Vergütung über die bereits erhaltenen Zahlungen hinaus beansprucht.
a) Kein Erfolg kann ihrer Klage nach dem oben Ausgeführten allerdings zukommen, soweit sie für die Versorgung mit Blutzuckerteststreifen eine Vergütung oberhalb des Vertrags beansprucht, dem sie beigetreten ist. Insoweit könnte sie mit der Klage nur durchdringen, wenn sie dartun könnte, dass die Beklagte mit dem Verweis auf den Vertragsbeitritt nach § 127 Abs 2a SGB V und die diesem zugrunde liegenden Vergütungssätze für Blutzuckerteststreifen die Grenzen des ihr eingeräumten Verhandlungsspielraums missbraucht und der Klägerin damit Konditionen aufgezwungen hätte, die mit ihrer Stellung als öffentlich-rechtlich gebundener Träger unvereinbar sind (vgl dazu nur BSG vom 17.7.2008 - B 3 KR 23/07 R - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 21 ff, 63 ff mwN; BSG vom 17.2.2022 - B 3 KR 13/20 R - SozR 4-2500 § 133 Nr 7 RdNr 19 ff) . Dafür hat die Klägerin im Berufungsverfahren nichts vorgetragen, weshalb es dazu keiner weiteren Feststellungen bedarf und der Senat insoweit abschließend entscheiden kann ( § 170 Abs 1 Satz 1 SGG ) .
b) Nicht abschließend entscheiden kann der Senat hingegen, soweit im Klage- und Berufungsverfahren die Vergütung weiterer Leistungen der Klägerin streitbefangen war und das LSG - nach seiner Rechtsauffassung zu Recht - bislang von einer Beweisaufnahme dazu abgesehen hat. Dem steht nicht entgegen, dass das LSG den klägerischen Vortrag zur Forderungshöhe als präkludiert angesehen hat. Verneint das Berufungsgericht in einem Höhenstreit den klägerischen Anspruch bereits dem Grunde nach und stützt seine Entscheidung zusätzlich auf die Präklusion des Vortrags zur Forderungshöhe nach § 106a Abs 3 SGG , hindert dies zum einen das BSG nicht, auf eine zugelassene Revision hin über die dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegende Rechtsauffassung der Sache nach zu entscheiden. Zum anderen vermag die Anwendung der Präklusionsvorschrift zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung eine Verfahrensbeschleunigung nicht mehr zu bewirken, wenn das Berufungsgericht den Rechtsstreit - wie hier - unabhängig von den nach Ablauf einer nach § 106a Abs 1, 2 SGG gesetzten Frist vorgebrachten Erklärungen und Beweismitteln als entscheidungsreif erachtet (vgl zum Sinn und Zweck der Vorschrift BSG vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 49 mwN; BT-Drucks 16/7716 S 20; ähnlich Riese in Schoch/ Schneider, VwGO, § 87b RdNr 55 , März 2023 EL 44) . Eine Sperrwirkung im wiedereröffneten Berufungsverfahren bei einer von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts abweichenden rechtlichen Bewertung im Revisionsverfahren kommt § 106a SGG daher nicht zu.
9. Für die erstrebte gerichtliche Überprüfung der von der Klägerin beanstandeten Vertragsklauseln bestand hier kein Anlass mehr, nachdem sie zwischenzeitlich Folgeverträgen, die diese Klauseln nicht enthalten, ohne Vorbehalte beigetreten ist.
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Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. |
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Schütze |
Behrend |
Knorr |
Fundstellen
Haufe-Index 16180520 |
KrV 2024, 68 |
SGb 2024, 488 |
SGb 2024, 88 |