Entscheidungsstichwort (Thema)
angegebenes Geburtsdatum in der Rentenversicherung
Leitsatz (redaktionell)
Das für die Ermittlung der Rentenversicherungsnummer erstmals angegebene Geburtsdatum ist auch dann maßgebend, wenn im Ausland durch Urteil das Geburtsdatum geändert wurde.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Berücksichtigung eines anderen als des bisher verzeichneten Geburtsdatums in der Rentenversicherung.
Der in Marokko geborene Kläger - zunächst Staatsbürger seines Heimatlandes - ist seit dem Jahre 1971 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Im Revisionsverfahren hat er eine Kopie seiner Einbürgerungsurkunde vorgelegt, aus der ersichtlich ist, daß er am 14. November 1997 die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt hat. Entsprechend dem früher in seinem marokkanischen Reisepaß angegebenen Geburtsdatum 20. Mai 1951 führt ihn die Beklagte unter der Versicherungsnummer 80 200551 B.000. Im Mai 1993 legte der Kläger die Entscheidung eines Gerichts in Oujda/Marokko vom 15. November 1991 vor, mit der sein Geburtsdatum von dem ursprünglich im allgemeinen Register der Standesamtsakte eingetragenen Datum mit dem Jahr 1951 in das Geburtsjahr 1945 geändert worden war; die Begründung führt aus, nach den in einer Akte der Beurkundungsstelle in Oujda dokumentierten Zeugenaussagen und einer ärztlichen Bescheinigung vom 27. Juni 1990 sei der Kläger im Jahre 1945 geboren. Der Kläger berief sich ferner auf eine entsprechend korrigierte Geburtsbescheinigung des Standesamts Dahr El-Omla/Gemeinde Oujda; er beantragte die Berichtigung des Geburtsdatums.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Änderung des Geburtsdatums und der Versicherungsnummer ab (Bescheid vom 27. September 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 1993).
Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) beantragte der Kläger die Verurteilung der Beklagten, in sozialrechtlichen Angelegenheiten des Klägers das Geburtsjahr 1945 zu berücksichtigen. Das SG Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 25. Mai 1994 die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger begehre festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, in sozialrechtlichen Angelegenheiten des Klägers bei künftigen Leistungen als Geburtsjahr des Klägers das nunmehr behauptete zugrunde zu legen. Damit verlange er jedoch nicht die Feststellung eines - gegenwärtigen - Rechtsverhältnisses, sondern einer Tatsache. Im übrigen wäre auch ein Antrag auf Berichtigung der Versicherungsnummer unbegründet. Nach der Rechtsprechung des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) komme der Versicherungsnummer eine bloße Ordnungsfunktion zu. Über Leistungsansprüche des Klägers sei nicht zu entscheiden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) hat der Kläger beantragt, das sozialgerichtliche Urteil zu ändern sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und 1. festzustellen, daß zwischen ihm und der Beklagten ein Versicherungsverhältnis mit dem Geburtsdatum 20. Mai 1945 bestehe, 2. die Beklagte zu verpflichten, die für den Kläger angelegte Versicherungsnummer mit dem Geburtsdatum 20. Mai 1945 zu führen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 15. Dezember 1994 die Berufung zurückgewiesen. Das SG habe die Feststellungsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Weder das Geburtsdatum noch das Sozialrechtsverhältnis als solches seien ein nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) feststellbares Rechtsverhältnis. Der Kläger habe ferner keinen Anspruch auf Berichtigung seiner Versicherungsnummer unter Berücksichtigung eines neuen Geburtsdatums. Insoweit hat sich das LSG der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG angeschlossen und ist von einer reinen Ordnungsfunktion der Versicherungsnummer ausgegangen. Für sie sei und bleibe richtiges Geburtsdatum das Datum, das bei Vergabe der Versicherungsnummer mit den damals vom Versicherten gemachten Angaben und den von ihm vorgelegten Urkunden übereinstimme. Dem Kläger entständen durch die Ablehnung der von ihm begehrten Berichtigung der Versicherungsnummer oder Feststellung eines anderen Geburtsdatums keine Rechtsnachteile. Sollte zu besorgen sein, daß Beweismittel verloren gingen oder ihre Benutzung erschwert werde, stehe dem Kläger unter den Voraussetzungen des § 76 SGG das Beweissicherungsverfahren zur Verfügung.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er leitet aus § 147 und § 149 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (SGB VI) her, daß die Versicherungsnummer nicht lediglich Ordnungsfunktion habe. Die auf ihn bezogenen Teile der Versicherungsnummer (Geburtsdatum und Anfangsbuchstabe des Geburtsnamens) ständen unter dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dürften daher nur verwandt werden, wenn sie richtig seien. Auch sei die Vergabe der richtigen Versicherungsnummer als Basis des Versichertenverhältnisses ein konkretes Rechtsverhältnis, da grundlegende Beziehungen zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger geregelt würden.
Der Kläger beantragt,
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die angefochtenen Urteile und Bescheide aufzuheben und |
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festzustellen, daß zwischen dem Kläger und der Beklagten ein Versicherungsverhältnis mit dem Geburtsdatum des Klägers 20. Mai 1945 besteht, |
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die Beklagte zu verpflichten, die für ihn angelegte Versicherungsnummer mit dem Geburtsdatum 20. Mai 1945 zu führen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Der Senat hat die Beteiligten auf die am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Neuregelung des § 33a Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) hingewiesen.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Berichtigung seiner (bzw Neuerteilung einer) Versicherungsnummer mit dem durch das vorgelegte marokkanische Gerichtsurteil geänderten Geburtsdatum hat; ebensowenig besteht ein Anspruch auf Vorabklärung seines Anspruchs auf Altersrente dahingehend, daß jenes - geänderte - Geburtsdatum vorgemerkt bzw. festgestellt wird.
Seiner rechtlichen Beurteilung legt der Senat den durch das Erste SGB III-Änderungsgesetz (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2970) eingefügten § 33a SGB I, in Kraft ab 1. Januar 1998 (Art 32 Abs. 1 1. SGB III-ÄndG), zugrunde. Hiernach ist sowohl für die Versicherungsnummer (§ 33a Abs. 3 SGB I) als auch im Leistungsfall (§ 33a Abs. 1 SGB I) das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten gegenüber einem Sozialleistungsträger bzw. - wenn es um die nach dem Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV) erforderlichen Meldungen geht - gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.
Damit ist das Begehren des Klägers - jedenfalls - mit Wirkung ab 1. Januar 1998 unbegründet. Nur insoweit aber ist im Revisionsverfahren zu entscheiden. Denn der Kläger macht lediglich in die Zukunft gerichtete Ansprüche geltend. Es wäre widersinnig und verfehlte den begehrten Rechtsschutz, mit Wirkung nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum einen Anspruch des Klägers auf Neuerteilung einer Versicherungsnummer bzw. Vorabklärung seines Geburtsdatums für einen künftigen Anspruch auf Altersrente zuzusprechen (zur Anwendung nach Erlaß des Berufungsurteils in Kraft getretenen Rechts in der Revisionsinstanz siehe Teilurteil und Vorlagebeschluß des Senats vom 28. Mai 1997 - 8 RKn 27/95, Umdruck S. 24).
Angesichts dieser neuen Rechtslage kann der Senat offenlassen, ob SG und LSG das Begehren des Klägers zu Recht (das SG: allein, das LSG: auch) als - unzulässige - (Elementen-) Feststellungsklage aufgefaßt haben oder ob dieses - auch in der Revisionsinstanz - nicht sinnvollerweise als (zulässige) Klage mit einem anderen Ziel auszulegen ist; die Klage könnte darauf gerichtet sein, die Beklagte zur Vormerkung des (neuen) Geburtsdatums zu verpflichten oder zur Erteilung einer Zusicherung (§ 34 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch [SGB X]), für einen Anspruch auf Altersrente das neue Geburtsdatum zugrunde zu legen. Unter Geltung des § 33a SGB I führt keine jener denkbaren Varianten zum Erfolg.
Der Senat hat keine Bedenken gegen die Anwendung des § 33a SGB I auf den Fall des Klägers. Dieser nötigt weder zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 Abs. 1 GG (1) noch zu einer Vorlage an den EuGH nach Art 177 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) (2).
(Zu 1) Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß § 33a SGB I - jedenfalls in seiner Anwendung auf den Kläger (vgl. BSG vom 9. Mai 1995, SozR 3-5870 § 10 Nr. 6) - dem Grundgesetz widerspricht.
Er verstößt insbesondere nicht gegen das durch Art 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum (a) noch gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG (b).
(Zu a) Bei dem künftigen Anspruch des Klägers auf Altersrente handelt es sich zwar um ein durch Art 14 Abs. 1 GG geschütztes Rentenanwartschaftsrecht. Der Kläger hat bis zum 31. Dezember 1997 Beiträge entrichtet, mit denen er die Wartezeit jedenfalls für die Regelaltersrente erfüllt. Damit hat er innerhalb des Rentenversicherungsverhältnisses eine Rechtsposition begründet, die bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen zum Vollrecht erstarken konnte.
Diese durch Beitragsleistung angelegte Rechtsposition des Klägers ist durch § 33a SGB I jedoch nicht insgesamt beeinträchtigt oder entzogen worden.
Die genannte Vorschrift hat zwar in das bis zum 31. Dezember 1997 bestehende Recht des Klägers eingegriffen, bei Nachweis eines früheren Geburtsdatums (als hier des 20. Mai 1951) auch entsprechend früher eine Altersrente zu erhalten (auf Renten wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder auf Hinterbliebenenrenten hat die Änderung keinen - unmittelbaren - Einfluß). Sie tangiert damit den Schutzbereich des Grundrechts aus Art 14 Abs. 1 GG, beschränkt sich jedoch - jedenfalls für die beim Kläger vorliegende Fallkonstellation - auf die Entziehung einer noch nicht gesicherten Rechtsposition.
Denn der Kläger konnte sich bis zum Inkrafttreten des § 33a SGB I nicht darauf verlassen, daß er einen Leistungsanspruch aufgrund eines vor dem 20. Mai 1951 liegenden Geburtsdatums würde verwirklichen können. In der bis zum 31. Dezember 1997 maßgebenden Rechtsprechung war geklärt, daß die deutschen Sozialversicherungsträger und Gerichte nicht an ausländische Urteile jener Art gebunden sind, wie das Urteil, das der Kläger vorgelegt hat. Vielmehr war ein früheres als das bisher in den Unterlagen des Rentenversicherungsträgers verzeichnete Geburtsdatum im Leistungsfall ebenso wie sämtliche anderen Leistungsvoraussetzungen ggf vom Berechtigten im Einzelfall zu beweisen. Hierzu waren sämtliche erreichbaren und tauglichen Beweismittel von Amts wegen auszuschöpfen (vgl. BSG vom 12. Dezember 1995, BSGE 77, 140, 141ff. = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 12).
Unerheblich war insoweit, daß - nach Einbürgerung des Klägers mit Wirkung vom 14. November 1997 - das geänderte Geburtsdatum auch in seinen deutschen Unterlagen verzeichnet war. Denn hierbei handelt es sich nicht um Eintragungen in deutsche Personenstandsbücher oder -urkunden (vgl. BSGE 77, 140, 143 mit Hinweis auf die §§ 60 und 66 Personenstandsgesetz [PStG]). Auch unter Berücksichtigung des Verfahrens nach § 41 Abs. 2, Abs. 4 S. 1 PStG ergibt sich nichts anderes. Hiernach hat der Kläger als Deutscher zwar die Möglichkeit, die Anordnung der zuständigen Verwaltungsbehörde an das Standesamt I in Berlin zu erwirken, seine Geburt (und damit auch sein Geburtsdatum) zu beurkunden. Die zuständige Verwaltungsbehörde ist insoweit jedoch nicht an das hier streitige geänderte Geburtsdatum gebunden; bei den von ihr anzustellenden Ermittlungen (vgl. § 41 Abs. 4 S. 3, ferner § 20 PStG) kommen ausländische Geburtsurkunden nur als ein Beweismittel (unter mehreren denkbaren) in Betracht (Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, § 41 PStG RdNr 27 [Hepting]). Im Fall des Klägers kann daher offenbleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn er bereits vor dem Inkrafttreten des § 33a SGB I im Besitz einer Geburtsurkunde des Standesamtes Berlin I mit dem von ihm behaupteten Geburtsdatum 20. Mai 1945 gewesen wäre.
Im Hinblick auf diese Grundlage handelt es sich bei der Neuregelung des § 33a SGB I um eine Maßnahme, mit der der Gesetzgeber zulässigerweise Inhalt und Schranken des durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Eigentums bestimmt hat. Er hat sich hierbei im Rahmen des insoweit als Prüfungsmaßstab geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzips gehalten. Die Maßnahme war nicht nur geeignet und erforderlich zur Erreichung des angestrebten, legitimen Ziels; sie hat auch den Kläger nicht übermäßig belastet; ihr muß daher ein Vorrang vor seinem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechts eingeräumt werden.
Die Neuregelung des § 33a SGB I als solche ist neutral gestaltet: Sie bewirkt nicht nur - mögliche - Nachteile von Versicherten, sondern kann sich auch zu deren Vorteil auswirken: Zum einen werden nunmehr auch fälschlicherweise zu frühe Geburtsdaten "festgeschrieben", so daß sich der Rentenversicherungsträger nicht mehr darauf berufen kann, der Antragsteller auf eine Altersrente habe - entgegen seinem bisher verzeichneten Geburtsdatum - die einschlägige Altersgrenze noch gar nicht erreicht. Zum anderen kann sich ein höheres Lebensalter für Leistungsansprüche aus der Rentenversicherung auch negativ auswirken, z.B. dadurch, daß bei einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit die höchstens bis zum 55. oder 60. Lebensjahr anzurechnende Zurechnungszeit (§ 59 SGB VI) nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Das Ziel der Neuregelung des § 33a SGB I formuliert die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/8994, S. 85) dahingehend, daß die Regelung einerseits die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen vermeiden, andererseits aber auch den hierfür zuständigen Instanzen die mit der Abklärung der Richtigkeit des Geburtsdatums verbundene verwaltungsintensive Prüfung ersparen soll.
Insoweit könnten zwar Zweifel bestehen, ob die Regelung in der Tat erforderlich ist, um Leistungsmißbrauch zu vermeiden, da die genaue und gewissenhafte Prüfung der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen einen solchen Mißbrauch ausschließen kann. Man könnte sich allenfalls in Grenzfällen vorstellen, daß sich einzelne Versicherte zum einen unter ursprünglicher Angabe eines - nachweislich - falschen Geburtsdatums, das sie jünger erscheinen ließ als in Wirklichkeit, früher Rechtsvorteile in Deutschland (Sozialleistungen [ vgl. zur Problematik geänderter Geburtsdaten für den Anspruch auf Kindergeld BSG vom 29. Januar 1985, SozR 5870 § 2 Nr. 40]/ausländerrechtliche Positionen/Erfüllung von Einstellungsvoraussetzungen beim Arbeitgeber) erschlichen haben, sich jedoch nunmehr zum anderen auf ihr tatsächliches Geburtsdatum berufen, um wiederum hieraus Vorteile zu ziehen. Jedenfalls aber ist die hier zu prüfende Neuregelung in der Tat geeignet und auch erforderlich, den hierfür zuständigen Instanzen die verwaltungsintensive (bzw die Gerichte überaus beanspruchende) Überprüfung zu ersparen, ob ein - im Regelfall Jahrzehnte zurückliegendes - Geburtsdatum zutrifft oder nicht. Der hierfür erforderliche große Überprüfungs- und Ermittlungsaufwand konnte zudem - kommt es auf Beweismittel an, wie sie dem vom Kläger vorgelegten marokkanischen Urteil zugrunde liegen - in den wenigsten Fällen zu einem dem Anspruchsteller günstigen Ergebnis führen (vgl. Semperowitsch, MittLVA Oberfr 1989, 164, 166f.). Die Neuregelung trägt darüber hinaus dadurch zur Streitvermeidung und Befriedung bei, daß sie - von vornherein nutzlose - Manipulationsversuche vermeidet.
Auch gemessen (nur) an jenen Gesichtspunkten der Verwaltungs- (bzw allgemeinen Verfahrens-) -praktikabilität wirkt die Neuregelung des § 33a SGB I jedenfalls für den Kläger nicht übermäßig belastend. Denn er konnte sich - wie oben ausgeführt - für seine Lebensplanung oder sonstigen Dispositionen nicht auf einen Rentenbeginn - oder auf sonstige Leistungen der Beklagten - ausgehend von seinem geänderten Geburtsdatum verlassen.
Zuungunsten des Klägers wirkt sich hier schließlich aus, daß das bisher für ihn vermerkte Geburtsdatum auf einer Angabe beruhte, die - die Richtigkeit seines nunmehr durch Urteil geänderten Geburtsdatums unterstellt - schon bei Begründung seines Versicherungsverhältnisses in Deutschland für den Kläger erkennbar falsch gewesen sein mußte: Im Jahre 1971 war er nach seinen ursprünglichen Angaben 20 Jahre alt; nunmehr will er damals 26 Jahre alt, also vor allem in der Entwicklung deutlich älter gewesen sein. Auch aus diesem Grunde erscheint es nicht unzumutbar, ihn daran festzuhalten (Verbot des widersprüchlichen Verhaltens: "venire contra factum proprium").
Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes vermögen im vorliegenden Fall keinen Ausschlag zugunsten des Klägers zu bewirken, da für Zwecke der Rentenversicherung das von ihm geltend gemachte, geänderte, Geburtsdatum bislang noch nicht übernommen worden war und er auch keine die Beklagte bindende deutsche Geburtsurkunde mit diesem Datum erlangt hatte. Damit war er in keinem Fall Begünstigter einer Rechtsposition, auf die er (Vermögens-) Dispositionen hätte aufbauen dürfen.
(Zu b) Schließlich ist auch der Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG im Falle des Klägers durch die Neuregelung des § 33a SGB I nicht verletzt. Zwar muß er - wäre er in der Tat bereits vor Mai 1951 geboren - eine Ungleichbehandlung gegenüber in Deutschland geborenen Versicherten hinnehmen: Geht man davon aus, daß das Personenstandswesen in verschiedenen ausländischen Staaten (wie im Falle des Klägers in Marokko) nicht in gleichem Maße zuverlässig ist wie etwa das deutsche, so sind Falscheintragungen des Geburtsdatums durchaus denkbar. Macht aber eine derartige Falscheintragung den Betroffenen jünger als es seinem wahren Lebensalter entspricht, so kann er seinen Anspruch auf Altersrente (zB auf die Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres) von vornherein nicht in gleichem Maße verwirklichen wie ein Deutscher, dessen wahres Geburtsdatum sich in aller Regel bereits zweifelsfrei aus den Personenstandsunterlagen ergibt. Nunmehr wird ihm durch § 33a SGB I auch noch die Möglichkeit des Nachweises des wahren Geburtsdatums abgeschnitten.
Diese Differenzierung ist jedoch durch die mit der Gesetzesänderung verfolgten - und bereits zu a) eingehend erläuterten - Ziele und ihre sonstigen Wirkungen gerechtfertigt: Angesichts des ohnehin - wegen der nicht verfestigten Rechtsposition - nicht erheblichen Eingriffs kommt den Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität und der Befriedungsfunktion dieser - im übrigen an sich neutralen - Neuregelung der Vorrang gegenüber den Interessen des Klägers zu.
(Zu 2) Im Falle des Klägers kommt auch eine Vorlage an den EuGH nach Art 177 EG-Vertrag nicht in Betracht. Denn auf ihn findet in keinerlei Hinsicht eventuell durch den EuGH auszulegendes Recht Anwendung.
Der Senat legt insoweit seiner Entscheidung den Umstand zugrunde, daß der Kläger zum 31. Oktober 1997 - also zeitlich nach dem Abschluß der Berufungsinstanz - durch Einbürgerung deutscher Staatsbürger geworden ist. Dieses Vorgehen ist durch Gesichtspunkte der Prozeßökonomie schon deshalb unabdingbar, da eine Entscheidung auf der - unstreitig nicht mehr zutreffenden - Grundlage, der Kläger sei noch marokkanischer Staatsbürger, diesem im Ergebnis nicht weiterhelfen könnte.
Durch die Einbürgerung des Klägers kann sich auf ihn das Diskriminierungsverbot nach Art 41 Abs. 1 des Kooperationsabkommens EWG-Marokko (s hierzu EuGH vom 31. Januar 1991, C-18/90, EuGHE 1991, I-199 - Kziber sowie den Beschluß des Senats vom 17. März 1993 - 8 RKnU 2/92) nicht mehr auswirken (zur evtl Beeinflussung der Anwendung des § 33a SGB I durch das Assoziationsrecht EG/Türkei S. BSG, Beschluß vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 31/96 R - und Beschluß des Senats vom 31. März 1998 - B 8 KN 7/95 R). Das zwischen der EG und Marokko bestehende Kooperationsrecht ist auf das Rechtsverhältnis eines deutschen Staatsangehörigen zum deutschen Sozialversicherungsträger von vornherein nicht anwendbar. In diesem Verhältnis spielt auch keine Rolle, daß zwar die für Wanderarbeitnehmer geltenden Regelungen des EG-Rechts unabhängig davon anzuwenden sein mögen, ob der Wanderarbeitnehmer in seinem Heimatland bzw. dem Land seiner Staatsangehörigkeit Ansprüche geltend macht (s EuGH vom 27. Oktober 1982, 35/82, EuGHE 1982, 3723, 3736 - Morson). Der Kläger kann jedoch in keinerlei Hinsicht Nachteile geltend machen, die ihm daraus entstanden seien, daß er innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gewandert sei.
Eine wie auch immer geartete Nachwirkung von früher auf den Kläger anwendbaren Vorschriften des Kooperationsrechts besteht nicht. Im vorliegenden Verfahren sind keine Sachverhalte rückwirkend für Zeiträume vor Einbürgerung des Klägers zu entscheiden, sondern sein Anspruch auf eine sich denknotwendigerweise nur in der Zukunft auswirkenden Änderung (oder Neuerteilung) der Versicherungsnummer sowie auf Vorabklärung seines Geburtsdatums für zukünftige Ansprüche gegen die Beklagte (vor allem auf Altersrente). Im übrigen hat sich die Einbürgerung selbst in keiner Weise für den Kläger rechtsverkürzend ausgewirkt; § 33a SGB I ist vielmehr erst nach dem Zeitpunkt seiner Einbürgerung (14. November 1997) in Kraft getreten, nämlich am 1. Januar 1998. Schließlich ist auch in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, daß ein freiwilliger Wechsel der Staatsangehörigkeit neben Vorteilen auch Rechtsverluste mit sich bringen kann (vgl. die Urteile des EuGH vom 20. Februar 1975, 21 und 37/74, EuGHE 1975, 221, 228f. und 235, 244f. - Airola und Van den Broeck).
Die Entscheidung über die Kosten berücksichtigt, daß der Kläger lediglich aufgrund der zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung bereits im Revisionsverfahren unterliegt; ohne diese Neuregelung hätte sein Rechtsstreit zur Sachaufklärung (jedenfalls hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung einer neuen Versicherungsnummer) an die Vorinstanz zurückverwiesen werden müssen.B 8 KN 11/95 R
BUNDESSOZIALGERICHT
Verkündet am 31. März 1998
Fundstellen
Haufe-Index 518450 |
NJW 1998, 2925 |
SozSi 1999, 75 |