Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. Mai 1994 hinsichtlich des Zeitraums ab dem 1. Dezember 1992 aufgehoben; insoweit wird die Klage abgewiesen.
Für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 30. November 1992 wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten aller drei Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Anrechnung einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der am 27. März 1917 geborene Ehemann der Klägerin war von 1945 bis 1947 im Braunkohlebergbau, bis Oktober 1963 bei der SDAG Wismut zunächst als Hauer, danach ab September 1963 als Streckenreiniger und zuletzt bis 30. Oktober 1968 als Wächter über Tage tätig. In der Zeit bis zu seinem Tode am 31. Januar 1969 war er arbeitsunfähig krank.
Er bezog ab 1. November 1963 wegen Ischiasbeschwerden eine Bergmannsrente unter Annahme des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit als Hauer. Ab 9. April 1965 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) wurde bei ihm eine „Silikose I mit Zusatztuberkulose in beiden Spitzen-Oberfeldern ohne sichere Aktivität” als Berufskrankheit anerkannt und seit 2. Juni 1965 mit einer Bergbau-Unfall-Teilrente bzw einer Bergmannsunfallübergangsrente in Höhe von 50 vH der Vollrente entschädigt. Der Ehemann der Klägerin verstarb am 31. Januar 1969 an den Folgen dieser Berufskrankheit, weshalb der Klägerin mit Bescheid des FDGB – Abteilung Sozialversicherung – vom 27. Mai 1969 ab 1. Februar 1969 eine Unfallhinterbliebenenrente nach DDR-Recht gewährt wurde, die ab 1. August 1976 wegen Bezugs einer Bergmannswitwenrente eingestellt wurde.
Die Klägerin verlegte am 10. Februar 1990 ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland. Sie erhielt nach den Regelungen des Fremdrentengesetzes von der Beklagten eine Witwenrente nach § 69 Abs 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) und von der Bergbau-Berufsgenossenschaft eine Unfallhinterbliebenenrente nach den §§ 1583, 1569a Reichsversicherungsordnung (RVO), wobei jedoch die Witwenrente nach § 76 RKG wegen des Zusammentreffens mit der Unfallhinterbliebenenrente teilweise ruhte.
Am 2. April 1991 verlegte die Klägerin ihren Wohnsitz in das Beitrittsgebiet zurück. Dies hatte zur Folge, daß beide Rentenbewilligungen zurückgenommen wurden. Die Landesversicherungsanstalt Sachsen (LVA) bewilligte der Klägerin wieder ab 1. Mai 1991 eine Bergmannswitwenrente nach dem weitergeltenden DDR-Recht, die von der Beklagten mit Bescheid vom 2. Dezember 1991 mit Wirkung ab 1. Januar 1992 nach Anpassung und Umwertung als große Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Rentenversicherung – (SGB VI) fortgeführt wurde (Zahlbetrag netto DM 993,17, später ab 1. Juli 1992 erhöht auf DM 1.098,84). Die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel (BG) gewährte auf die Unfallhinterbliebenenrente zunächst Vorschüsse (DM 2.600,– und DM 2.200,–) und stellte diese Rente schließlich mit Bescheid vom 21. September 1992 rückwirkend ab 1. Januar 1992 fest (Zahlbetrag ab 1. Januar 1992 DM 673,47, ab 1. Juli 1992 DM 759,21). Die Nachzahlung bis 30. November 1992 von DM 3.036,87 nach Abzug der beiden Vorschüsse behielt sie zur Hälfte für eventuelle Erstattungsansprüche ein. Die laufenden Leistungen begannen am 1. Dezember 1992.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. Dezember 1992 hob die Beklagte den Bescheid vom 2. Dezember 1991 und den nachfolgenden Bescheid über die Rentenanpassung gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) teilweise auf und bewilligte der Klägerin ab 1. Januar 1992 Witwenrente in verringerter Höhe (ab 1. Januar 1992 DM 362,80, ab 1. Juli 1992 DM 387,83) unter Anrechnung der Unfallhinterbliebenenrente gemäß § 93 SGB VI. Sie ermittelte bis 31. Dezember 1992 eine Überzahlung von DM 8.048,28 und verpflichtete die Klägerin zur Erstattung des nicht von der BG befriedigten Betrages von DM 6.529,84. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1993). Wegen Änderung der Berechnungsgrundlage setzte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 1993 die Überzahlung bis einschließlich 30. November 1993 mit DM 16.022,76 neu fest. Weiter rechnete sie mit Bescheid vom 5. November 1993 ab 1. Dezember 1993 aus der laufenden Rente monatlich DM 637,70 mit der Überzahlung auf.
Das Sozialgericht (SG) Chemnitz hat mit Urteil vom 27. Mai 1994 den Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1993 sowie die Bescheide vom 12. Oktober 1993 und 5. November 1993 aufgehoben. Die Voraussetzungen des § 48 SGB X zur Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 1991 über die Gewährung der großen Witwenrente hätten nicht vorgelegen. Gemäß § 93 Abs 5 SGB VI sei eine Aufrechnung der Hinterbliebenenrente auf die Witwenrente aus der Unfallversicherung ausgeschlossen. Auch die Folgebescheide vom 12. Oktober 1993 über den Nachzahlungsbetrag und der Aufrechnungsbescheid vom 5. November 1993 seien demzufolge aufzuheben.
Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24. Mai 1995). Es hat zur Begründung ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 1991 sei weder rechtswidrig gewesen noch geworden. Die auch auf Hinterbliebenenrenten anwendbare Vorschrift des § 93 Abs 5 Nr 1 SGB VI stehe einer Anrechnung der Unfallhinterbliebenenrente entgegen. Danach komme es nicht zur Anrechnung, wenn der Versicherte nach Beginn der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen Arbeitsunfall erlitten und weitergearbeitet und erst danach an den Unfallfolgen verstorben sei. Als Arbeitsunfall gelte auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs 1 Satz 1 RVO). Als Zeitpunkt des Arbeitsunfalles gelte bei einer Berufskrankheit der Beginn der Krankheit iS der Krankenversicherung (§ 551 Abs 3 Satz 2 RVO), der vorliegend auf den 9. April 1965 zu datieren sei und damit nach dem Beginn der Bergmannsrente am 1. November 1963 liege. § 93 Abs 5 Nr 1 SGB VI sei auch auf solche Arbeitsunfälle anwendbar, die sich vor dem 1. Januar 1992 ereignet hätten. Dem entspreche, daß auch die Beklagte den angefochtenen Bescheid auf § 93 SGB VI gestützt habe.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt – unter näherer Darlegung –,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist überwiegend – für die Zeit ab Beginn der laufenden Zahlung der Unfallhinterbliebenenrente durch die BG – begründet, nicht jedoch für die davorliegende Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. November 1992. Soweit die Beklagte den Rentenbescheid vom 2. Dezember 1991 bereits mit Wirkung ab dem 1. Januar 1992 zurückgenommen hat, steht dem § 107 Abs 1 SGB X entgegen. Für die Zeit der laufenden Rentengewährung durch die BG ab dem 1. Dezember 1992 folgt die Kürzung der großen Witwenrente aus § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X iVm § 93 Abs 1 Nr 2 SGB VI. Die im vorliegenden Fall anzuwendenden Rechtsgrundsätze hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 30. Juni 1997 (- 8 RKn 28/95 – SozR 3-2600 § 93 Nr 4) dargelegt. Darauf wird in vollem Umfang ergänzend Bezug genommen.
1. Der Klägerin stand die durch Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 1991 gewährte große Witwenrente von Anfang an nur unter Anrechnung der ihr ebenfalls ab 1. Januar 1992 zuerkannten Unfallhinterbliebenenrente zu. Dies folgt aus § 93 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261, in Kraft ab 1. Januar 1992; aF). § 93 SGB VI enthält die zentrale Regelung zum Zusammentreffen von Rente und Leistungen aus der Unfallversicherung. Die Vorschrift ersetzt die §§ 1278, 1279, 1279a RVO, §§ 55, 56, 56a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und §§ 75, 76 RKG (dazu eingehend Teil-Urteile und Beschlüsse des Senats vom 28. Mai 1997 – 8 RKn 9/95, 8 RKn 27/95 und 8 RKn 28/96 –).
a) Der durch den Bescheid der BG vom 21. September 1992 festgestellte Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 1. Januar 1992 führt zur Anrechnung auf die große Witwenrente der Klägerin. Die der Klägerin bewilligte große Witwenrente ist danach teilweise nicht zu leisten, weil sie nach den für das Bundessozialgericht (BSG) bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) gleichzeitig mit einer Unfallhinterbliebenenrente gezahlt wird.
b) Davon ist vorliegend – entgegen der Ansicht des SG und des LSG – keine Ausnahme zu machen. Bereits § 93 Abs 5 Nr 1 SGB VI aF erlaubte es nicht, im Falle der Klägerin von der Anrechnung der Unfallhinterbliebenenrente abzusehen. Nach dieser Vorschrift werden die Anrechnungsregelungen der Abs 1 bis 4 nicht angewendet, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Arbeitsunfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hat. Dieser Ausschluß der Anrechnung führt im Falle der Klägerin nicht zu einer ungekürzten Zahlung von Witwenrenten aus Renten- und Unfallversicherung. Zwar galt diese Norm auch zugunsten der im Beitrittsgebiet wohnhaften Klägerin (vgl dazu die Senats-Teilurteile und Beschlüsse vom 28. Mai 1997 – 8 RKn 9/95 und 8 RKn 27/95 – III 1.c). Indessen lag in ihrem Falle der maßgebliche „Arbeitsunfall” nicht „nach dem Rentenbeginn” (dazu aa), weil ihr verstorbener Ehemann nicht die höchstmögliche Rente aus der Rentenversicherung erworben hatte (dazu bb). Dem steht weder der Besitzschutzgedanke noch Sinn und Zweck der Norm entgegen (BSG vom 30. Juni 1997, SozR 3-2600 § 93 Nr 4).
aa) Zunächst galt die Nichtanrechnungsvorschrift des § 93 Abs 5 Nr 1 SGB VI aF gleichermaßen für die Versicherten- wie die Hinterbliebenenrenten (vgl die Senatsentscheidungen vom 28. Mai 1997 aaO im Anschluß an das Urteil des 5. Senats des BSG vom 21. Juni 1995, SozR 3-2600 § 93 Nr 1). Maßgeblicher Zeitpunkt für den „Rentenbeginn” ist im Falle der Gewährung von Hinterbliebenenrenten der Beginn der Versichertenrente. Ist damit in Fällen wie hier der Versicherte nach dem Beginn seiner Versichertenrente an einer Berufskrankheit erkrankt und an deren Folgen verstorben, umschreibt der Begriff „Rentenbeginn” den Rentenbeginn bei dem Verstorbenen, auch soweit es die Anwendung des § 93 Abs 5 SGB VI aF auf die Hinterbliebenenrente der Klägerin betrifft.
bb) Indessen ruht die große Witwenrente trotz Zusammentreffens mit einer Unfallhinterbliebenenrente nur dann nicht (teilweise), wenn der Versicherte den materiellen Voraussetzungen nach einen Anspruch auf Altersrente als höchstmögliche Rente – ihrer Art nach – aus der Rentenversicherung erworben hatte, bevor der „Arbeitsunfall” eingetreten war. D.h. mit anderen Worten, nur wenn der Versicherte bereits die Voraussetzungen des höchstwertigen, endgültig die Rentenhöhe begrenzenden Versicherungsfalles des Alters erfüllt hatte, kann ein nachher eingetretener Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung, der eine Verletztenrente zur Folge hat, weder seine eigene noch die Rente seiner Witwe zum Ruhen bringen (vgl Verbandskomm, Stand 1. Januar 1986, § 1279 RVO, Anm 4a). Der Beginn einer unter dieser Stufe stehenden Rente vor dem „Arbeitsunfall” hindert dagegen die Anrechnung der Unfallhinterbliebenenrente nicht. Dieser Grundsatz galt schon unter den Vorgängervorschriften des § 93 SGB VI; das RRG 1992 hat insofern keine Änderung gebracht (vgl BT-Drucks 11/4124 S 175). Auf die zweite Tatbestandsalternative des § 93 Abs 5 Satz 1 Nr 1 SGB VI „nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit”) kommt es deshalb bei der Anwendung auf die Witwenrente nicht (mehr) an. Nach dem Normverständnis, daß die Anwendung nur bei Bezug der höchstmöglichen Rente des Versicherten ausgeschlossen sein kann, bleibt für diese, die Invaliditätsrenten umfassende, zweite Alternative kein Raum.
cc) Demgemäß gilt für die Anwendung von § 93 Abs 5 Nr 1 SGB VI aF auf die Klägerin, daß die bei ihrem Ehemann ab dem 9. April 1965 entschädigte Berufskrankheit als „Arbeitsunfall” zwar nach dem Beginn der Bergmannsrente am 1. November 1963 lag, es auf diese Rente aber nicht ankommt. Der Verstorbene war weiterhin beschäftigt und konnte rentenrechtliche Zeiten für den denkmöglichen Versicherungsfall einer Bergmannsaltersrente (§ 34 Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung ≪RentenVO≫ der DDR vom 23. November 1979) bzw einer Altersrente iS von § 33 Abs 2 SGB VI zurücklegen. Dieser indes nach dem „Arbeitsunfall” liegende Beginn einer „höchstmöglichen” Rente ist mit seiner verbesserten Bemessungsgrundlage auch für die Klägerin maßgeblich mit der Folge, daß die Anrechnung der Unfallhinterbliebenenrente auf die (höhere) Witwenrente vorzunehmen ist.
2. Zwar ist damit die Auffassung der Beklagten über die Anrechnung der Unfallhinterbliebenenrente auf die große Witwenrente zu bestätigen; deshalb ist sie aber nicht auch schon für den gesamten Bewilligungszeitraum zur Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheides vom 2. Dezember 1991 gemäß § 45 Abs 1 SGB X oder zur Aufhebung gemäß § 48 SGB X befugt gewesen. Die Voraussetzungen sind hinsichtlich des Anrechnungsbetrages zunächst nicht erfüllt gewesen. Soweit der Klägerin ab dem 1. Januar 1992 in der Höhe des anzurechnenden Betrages nicht die volle große Witwenrente zugestanden hatte, sondern statt dessen Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, war durch die Leistungserbringung insoweit ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die BG entstanden (dazu a). Dieser führt wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X dazu, daß die Gewährung der großen Witwenrente auch insoweit zu Recht erfolgt ist (dazu b). Erst ab dem Zeitpunkt der laufenden Gewährung von Unfallhinterbliebenenrente neben der ungekürzten Zahlung der großen Witwenrente war die Beklagte zur Aufhebung des Bescheides und Festsetzung der Erstattung gegenüber der Klägerin befugt (dazu c).
a) Der Beklagten stand in Höhe der von ihr in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. November 1992 überzahlten Witwenrente ein Erstattungsanspruch gegen die BG als Unfallversicherungsträger zu. Wie der Senat im Urteil vom 29. April 1997 (8 RKn 29/95, SozR 3-1300 § 107 Nr 10) für Fälle der vorliegenden Art entschieden hat, folgt der Erstattungsanspruch aus § 104 Abs 1 SGB X. Dessen Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagte war iS dieser Vorschrift ein „nachrangig” verpflichteter Leistungsträger (dazu näher BSG vom 22. Mai 1985, BSGE 58, 119, 123 = SozR 1300 § 104 Nr 7 mwN). Der BG, die einen Teil des Nachzahlungsbetrages für einen evtl Erstattungsanspruch der Beklagten einbehalten hatte, war – bevor sie selbst geleistet hat – die Zahlung der großen Witwenrente durch die Beklagte bekannt. Darauf, ob der berechtigte Träger den Erstattungsanspruch geltend macht (s BSG vom 7. August 1986 – 4a RJ 33/85 – USK 86122; BSG vom 31. Oktober 1991 – 7 RAr 46/90 –), kommt es für den Eintritt der Erfüllungsfiktion nicht an. Es besteht demnach kein Wahlrecht des erstattungsberechtigten Trägers, auf einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff SGB X und damit auf die Erfüllungsfiktion zu verzichten und sich statt dessen nach den §§ 45, 48, 50 SGB X an den Versicherten zu halten (vgl Senatsentscheidung vom 29. April 1997 aaO mwN).
b) Einer Rücknahme oder Aufhebung nach §§ 45 bzw 48 SGB X steht die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X schlechthin entgegen (vgl Senatsurteil vom 29. April 1997 aaO; so auch für den Erstattungsanspruch nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X: Urteil des 7. Senats vom 31. Oktober 1991 – 7 RAr 46/90 –, insoweit nicht veröffentlicht). Der Anspruch der Klägerin gegen den zur Leistung verpflichteten Unfallversicherungsträger gilt nach § 107 Abs 1 SGB X als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch – wie dargelegt – besteht. Damit wird sie behandelt, als ob sie die Rentenleistung bereits erhalten hätte. Die Erfüllungsfiktion soll die Rückabwicklung zwischen vorleistendem Träger und Berechtigtem ausschließen. Ist aber in diesem Umfang durch die Leistungserbringung ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die BG entstanden, der wegen § 107 Abs 1 SGB X von der Rechtsordnung vorgesehen, mithin rechtmäßig ist, können die Voraussetzungen von § 45 Abs 1 SGB X nicht erfüllt sein (so auch LSG Baden-Württemberg vom 8. März 1989, Breithaupt 1989, 684, 687). Für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 30. November 1992 konnte die Revision mithin nicht durchdringen.
c) Der angefochtene Bescheid vom 4. Dezember 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1993 ist zu Recht als Aufhebungsbescheid nach § 48 Abs 1 SGB X ergangen. § 48 Abs 1 SGB X setzt voraus, daß der Berechtigte bei Erlaß eines bewilligenden Verwaltungsakts – vorliegend der Bescheid über die große Witwenrente – Anspruch auf die Leistung hat und daß der Anspruch später wegfällt (BSG vom 29. Juni 1994, BSGE 74, 287, 289 mwN). Dies trifft für den Leistungsanspruch der Klägerin ab dem 1. Dezember 1992, dem Beginn der laufenden Zahlung der Unfallhinterbliebenenrente, zu. Insoweit hat die Klägerin nämlich nach dem Erlaß des Witwenrentenbescheides Einkommen erzielt, das wegen § 93 Abs 1 Nr 2 SGB VI zur Minderung des Anspruchs auf die große Witwenrente führt.
Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, § 48 Abs 1 Satz 3 SGB X verweise in solchen Fällen auf den „Beginn des Anrechnungszeitraumes”, der hier auf den 1. Januar 1992 fällt. Denn das bedeutete die ursprüngliche Rechtswidrigkeit und es müßte die Rücknahme nach § 45 Abs 1 SGB X durchgeführt werden, die – wie gezeigt – versperrt ist. Dieser Blick auf § 48 Abs 1 Satz 3 SGB X übersieht, daß die maßgebliche tatsächliche Änderung durch den Bezug anrechenbaren Einkommens erst nach dem Wegfall des Erstattungsanspruchs der Beklagten gegen die BG eintritt. Solange dieser Erstattungsanspruch bestand, führte der bloße Anspruch auf Unfallhinterbliebenenrente wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X nicht – iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X – zum Wegfall bzw zur Minderung des Anspruchs auf große Witwenrente.
In diesen Fällen soll der Bewilligungsbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden; nur soweit ein atypischer Fall vorliegt, besteht nicht die Pflicht zur rückwirkenden Aufhebung (vgl zur ständigen Rechtsprechung BSG vom 29. Juni 1994 aaO S 293 mwN). Das LSG hat – aus seiner Sicht zu Recht – keine Feststellungen dazu getroffen, ob solch ein atypischer Fall vorliegt. Gleichwohl brauchte die Sache nicht an das LSG zurückverwiesen zu werden. Es sind keine Umstände erkennbar oder vorgetragen, die der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung entgegenstehen, zu einer atypischen Fallgestaltung führen und die Ausübung von Ermessen erforderlich machen könnten.
Soweit der Bescheid über die große Witwenrente damit ab dem 1. Dezember 1992 aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X). In diesem Umfange waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, daß die Klägerin zu einem nennenswerten Teil erfolgreich war.
Fundstellen