Leitsatz (amtlich)
- Die in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Anforderungen an den Zugang zum öffentlichen Dienst gelten auch dann, wenn die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen im Rahmen der Entscheidung über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 1 des Einigungsvertrages nachgeholt wird.
- Die dabei verfassungsrechtlich gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Mitarbeiters darf nicht dadurch verkürzt werden, daß einer von ihm früher innegehabten Position das Gewicht einer gesetzlichen Vermutung beigemessen wird, die einen Eignungsmangel begründet, wenn sie nicht widerlegt wird.
Verfahrensgang
Tenor
- Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 128/93 –, des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Dezember 1994 – 3 Sa 475/94 – und des Kreisgerichts Leipzig-Stadt – 20. Kammer für Arbeitsrecht – vom 8. Mai 1992 – 20 Ca 246/91 – verletzen die Beschwerdeführerin zu 1) in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
- Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.
- Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
- Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3) wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die ordentliche Kündigung von Lehrern, die herausgehobene Funktionen im Schulverwaltungsdienst der Deutschen Demokratischen Republik und in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) innehatten.
I.
Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (EV), dem Bundestag und Bundesrat durch Gesetz vom 23. September 1990 zugestimmt haben (BGBl II S. 885), regelt unter anderem die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Beitrittsgebiet. Nach Art. 20 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 1 EV (künftig: Abs. 4 Nr. 1 EV) ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht (zu Sinn und Zweck der Regelung vgl. BVerfGE 92, 140 ≪142, 151 f.≫).
II.
1. a) Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Lehrerin und Sonderschulpädagogin und war in der Deutschen Demokratischen Republik durchgehend an Sonderschulen tätig. Von 1986 bis 1989 war sie stellvertretende Direktorin für außerunterrichtliche Tätigkeit und von Ende September 1989 bis Januar 1990 Direktorin. Von 1970 bis 1973 und von 1976 bis 1988 war sie Freundschaftspionierleiterin, von 1983 bis 1989 ehrenamtliche Parteisekretärin. Der beklagte Freistaat Sachsen kündigte, gestützt auf Abs. 4 Nr. 1 EV, ihr Arbeitsverhältnis.
b) Das Kreisgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Die Klägerin sei als Lehrerin persönlich ungeeignet. Die Kündigung könne vom Gericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig und willkürlich sei. Daran gemessen sei sie nicht fehlerhaft. Von einer Parteisekretärin sei ein besonderes Maß an Identifikation mit den Partei- und Staatszielen und deren vorbehaltlose Unterstützung gefordert worden. Konkretes Fehlverhalten brauche nicht nachgewiesen zu werden.
Das Landesarbeitsgericht hob das erstinstanzliche Urteil nach einer Beweisaufnahme über Aufgaben und Amtsführung der Beschwerdeführerin auf und gab der Kündigungsschutzklage statt. Die Funktion des Parteisekretärs, insbesondere an einer Sonderschule, dürfe nicht überschätzt werden; außerdem habe die Beschwerdeführerin ihre Parteifunktion nutzen wollen, um etwas für die ihr anvertrauten Schüler zu erreichen.
Auf die Revision des beklagten Freistaates hob das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück. Die wiederholte Ausübung des Amtes eines Parteisekretärs indiziere die mangelnde Eignung. Auf eine Teilnahme an repressiven Einzelmaßnahmen oder eine Wahrnehmung von Funktionen, die auf eine aktive Beteiligung am repressiven System schließen ließen, komme es nicht an. Der Parteisekretär sei Mitglied der Schulleitung gewesen, habe bei jeder politischen Entscheidung des Direktors mitgewirkt und den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele überwacht. Er habe der SED-Kreisleitung über das politische Klima an der Schule berichtet und sei Repräsentant der staatstragenden Partei in der Schule gewesen. Auch für Sonderschulen gelte nichts anderes, obwohl dort die politische Kontrolle durch die Parteisekretäre eine geringere Bedeutung gehabt habe. Besondere Umstände, die den Einsatz der Beschwerdeführerin für die Ziele der SED als schwächer erscheinen ließen, müsse sie darlegen. Ebenso müsse sie im einzelnen vortragen, was sie durch ihre Tätigkeit als Parteisekretärin für die ihr anvertrauten Kinder habe herausholen wollen und was sie tatsächlich erreicht habe. Daß ihr nicht konkret vorgeworfen werde, ihr Amt zum Nachteil von Kollegen, Eltern oder Kindern ausgeübt zu haben, entlaste sie nicht.
Das Landesarbeitsgericht wies nach erneuter Beweisaufnahme die Berufung zurück. Es könne nicht festgestellt werden, daß die Rolle des Parteisekretärs an der Schule der Beschwerdeführerin sich wesentlich von der anderer Schulen unterschieden habe. Auch an ihrer Schule sei die Kontrolle durch die Partei gewahrt gewesen.
Es könne unterstellt werden, daß die Beschwerdeführerin Einfluß in der SED habe gewinnen wollen, um etwas für ihre Schule und Schüler zu erreichen. Dies stehe der Annahme einer besonderen Identifikation mit der SED jedoch nicht entgegen. Sie habe ihre Aufgaben als Parteisekretärin im wesentlichen erfüllt. Zwar hätten politische Fragen nicht den Schulalltag bestimmt, was insbesondere am Charakter der Schule gelegen habe. Auch habe dort kein doktrinäres Klima geherrscht. Die Beschwerdeführerin habe jedoch die politischen Vorgaben erfüllt und die Parteidoktrin in der Schule vertreten, wenn auch in der Regel ohne besonderen Aufwand und nicht in einer kämpferisch-dogmatischen Art. Für das politische Klima an der Schule sei sie als Repräsentantin der SED verantwortlich gewesen. Eine kritische Kollegin, die die angepaßte Ruhe des Kollegiums gestört habe, sei in Gesprächen zurechtgewiesen worden, an denen die Beschwerdeführerin beteiligt gewesen sei. Das von ihr gezeichnete Bild einer politisch weitgehend abstinenten Schule müsse als widerlegt gelten. Auch der Umstand, daß sie Anfang Oktober 1989 einen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit zum Abbruch seiner Ermittlungen gegen einen Lehrer bewogen habe, der an einer der Montagsdemonstrationen teilgenommen hatte, könne sie nicht entlasten. Zu diesem Zeitpunkt habe es nicht mehr im Sinne der SED gelegen, gegen Demonstrationsteilnehmer repressiv vorzugehen.
Ihre Nichtzulassungsbeschwerde wurde als unzulässig verworfen, weil eine Divergenz zwischen abstrakten Rechtssätzen der anzufechtenden und der zum Vergleich herangezogenen Entscheidung nicht dargelegt worden sei.
c) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 33 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot.
Eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen wegen des Bekleidens bestimmter Funktionen sei im Einigungsvertrag nicht vorgesehen. Die Ungeeignetheit könne sich daher nur aus einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses ergeben. Die persönliche Eignung dürfe nicht anhand eines Verhaltens beurteilt werden, das unter einer anderen staatlichen Ordnung und anderen verfassungsrechtlichen Vorgaben begonnen und geendet habe. Es gehe nicht an, ein Verhalten, das in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Ordnung der Deutschen Demokratischen Republik gestanden habe, im nachhinein auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Die in den angegriffenen Entscheidungen gestellten Anforderungen könnten nur von aktiven Gegnern des ehemaligen Regimes erfüllt werden. In die Urteilsbildung über die Persönlichkeit des Betroffenen müßten alle Umstände, auch die nach dem Beitritt eingetretenen, einbezogen werden.
2. a) Die Beschwerdeführerin zu 2) unterrichtete in der Deutschen Demokratischen Republik Mathematik, Physik und Astronomie. Daneben war sie seit 1973 stellvertretende Direktorin für Planungen, von 1982 bis 1987 Kreisschulinspektorin und von 1987 bis 1990 Leiterin der Schulinspektion des Kreises. Außerdem nahm sie von 1982 bis 1984 die Funktionen einer stellvertretenden Parteigruppensekretärin der SED und von 1987 bis 1989 die einer Sekretärin der Abteilungsparteiorganisation mit etwa 40 Parteimitgliedern wahr. Ab Mai 1990 arbeitete sie im Schulamt, ab September 1991 wurde sie wieder als Lehrerin für Mathematik und Physik in den Klassen 8 bis 10 eingesetzt. Der Freistaat Thüringen kündigte ihr Arbeitsverhältnis im März 1992.
b) Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Der Freistaat habe nicht dargelegt, wie er zu der Auffassung gekommen sei, die Beschwerdeführerin halte nach wie vor am System der Deutschen Demokratischen Republik fest.
Das Landesarbeitsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Kündigungsschutzklage ab. Wer in der Deutschen Demokratischen Republik Ämter und Funktionen übernommen habe, die über ein reines, vom Wunsch nach ungestörtem Leben und unbehinderter Berufsausübung motiviertes Mitläufertum hinausgegangen seien, habe sich zur Stütze des Repressionssystems gemacht. Er könne als Lehrer nicht die Ideale glaubhaft vertreten, die er zuvor bekämpft habe. Anders sei dies nur bei denen, die trotz ihrer Funktionen oder unter Ausnutzung der damit verbundenen Möglichkeiten abweichende Meinungen dokumentiert oder aber ihre Funktion aufgegeben hätten. Die früheren Funktionen seien entscheidende Indizien für die Eignungsbeurteilung. Nur wenn daraus wegen der Besonderheiten des Einzelfalls nicht auf das konkrete Verhalten der Beschwerdeführerin geschlossen werden könne, sei die Kündigung nicht gerechtfertigt.
Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Schulinspektorin habe eine Identifikation mit dem System verlangt. Ihr Lebensweg erlaube keine Zweifel daran, daß sie sich erwartungsgemäß verhalten habe. Die von ihr im Zusammenhang mit der Übernahme der Funktion einer Schulinspektorin mitgeteilten Befürchtungen entbehrten einer nachprüfbaren Grundlage. Soweit sie von staatlichen und parteilichen Leitlinien abgewichen sei, biete dies keinen Anhaltspunkt dafür, daß hierin das Gesamtbild ihrer Berufsausübung zum Ausdruck komme. Vielmehr spreche alles dafür, daß es sich um Einzelfälle handele. Die Tatsache, daß sie sich nach der Wende den geänderten Umständen angepaßt habe, sage nur etwas über ihre besondere Wandlungsfähigkeit, aber nichts über ihre Überzeugung aus.
c) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 und 3 GG sowie aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Das Landesarbeitsgericht habe allein auf ihr Verhalten in der Vergangenheit abgestellt. Es habe nicht gewürdigt, daß sie sich in erster Linie für die Belange der Schule und der Schüler eingesetzt habe. Es seien keine Feststellungen dazu getroffen worden, inwieweit sie mehr als das notwendige und übliche Maß an Loyalität und Kooperation gezeigt habe und inwieweit besondere Umstände vorlägen, die sie für ihre Aufgabe im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik als ungeeignet erscheinen ließen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß sie nur naturwissenschaftliche Fächer unterrichtet habe, in denen die Vermittlung eines Weltanschauungsbildes von der Sache her ohnehin nicht in Betracht komme. Ebensowenig habe das Landesarbeitsgericht ihre Entwicklung nach der Wende gewürdigt. Daß es ihr Verhalten nach der Wende nur als Indiz für ihre besondere äußere Wandlungsfähigkeit gewürdigt habe, verletze sie auch in ihrem Persönlichkeitsrecht. Es habe ihr damit praktisch das Recht abgesprochen, ihre Weltanschauung zu überdenken und zu ändern.
Schließlich habe die Beschwerdeführerin Einschlägiges zu ihrer Entlastung vorgetragen, ohne daß das Landesarbeitsgericht dem nachgegangen sei. Die vom Landesarbeitsgericht an einen schlüssigen, substantiierten und nachprüfbaren Entlastungsvortrag gestellten Anforderungen seien praktisch unerfüllbar.
3. a) Der Beschwerdeführer ist Diplomlehrer für Chemie und Englisch. Er wurde 1972 im Alter von 27 Jahren stellvertretender Direktor einer kleinen Oberschule und parallel dazu Parteisekretär. Von 1977 bis 1990 war er Direktor der Schule. Im März 1990 trat er von seinem Amt zurück, nachdem das Kollegium ihm dies mehrheitlich nahegelegt hatte. Allerdings waren seine Kollegen einmütig der Ansicht, er solle weiter als Lehrer tätig sein. Der Freistaat Sachsen kündigte das Arbeitsverhältnis im Juni 1992.
b) Die Kündigungsschutzklage blieb in allen Instanzen erfolglos. Das Landesarbeitsgericht stützte seine Entscheidung im wesentlichen darauf, daß der berufliche Werdegang des Beschwerdeführers sich in der Aufeinanderfolge seiner Funktionen als Parteisekretär und Schuldirektor als typische Parteikarriere darstelle. Sein Amt als Parteisekretär habe er nur aufgegeben, weil es mit dem Amt des Direktors unvereinbar gewesen sei. Er habe sich über einen längeren Zeitraum hinweg mit dem SED-Staat in besonderer Weise identifiziert. Zwar lasse auch das Amt eines Schuldirektors für sich allein noch nicht den Schluß auf eine besondere Identifikation zu. Hier sei jedoch davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer, der bereits mit 32 Jahren zum Direktor berufen worden sei, die Ziele der SED offensiv vertreten habe. Werde dieses Amt in ungewöhnlich jungem Alter nach einer länger währenden Funktionärstätigkeit als Parteisekretär übertragen, so deute dies auf einen besonderen Einsatz für die Ziele der Deutschen Demokratischen Republik hin.
Der Beschwerdeführer habe diese besondere Identifikation nicht entkräftet. Es seien auch keine Umstände ersichtlich, denen entnommen werde könnte, daß sich das Bekenntnis des Beschwerdeführers zum Grundgesetz zweifelsfrei manifestiert habe. Die beanstandungsfreie Unterrichtserteilung seit 1. Januar 1990 genüge dafür nicht, insbesondere wenn man bedenke, daß er zuvor 18 Jahre lang in besonderer Weise den Zielen des SED-Staates gedient habe.
Das Bundesarbeitsgericht billigte die Auffassung des Landesarbeitsgerichts. Der Beschwerdeführer habe sein Amt als Parteisekretär nur aufgegeben, um das des Schuldirektors zu übernehmen. Die gesamte Tätigkeit als Parteisekretär und Schuldirektor sei als einheitliche Parteikarriere anzusehen. Zudem habe er das Direktorenamt parteinah ausgeübt. Er sei bestrebt gewesen, die Bildungs- und Erziehungsziele der SED durchzusetzen, habe sich zu ihrer Ideologie bekannt und versucht, eventuelle Zweifel bei Kollegen mit Nachdruck auszuräumen. Als Direktor habe er sich mehr für ideologische Arbeit als für andere Bereiche engagiert.
c) Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, ihm werde ein Verhalten vorgeworfen, das bereits vor der Geltung des Grundgesetzes sein Ende gefunden habe. Auch sei nicht beachtet worden, daß er nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen und ausgebildet worden sei. Ihm werde die Möglichkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens genommen, so daß die Urteile zugleich in Konflikt mit dem Rückwirkungsverbot gerieten. Eine Kündigung hätte nur aufgrund eines konkreten Dienstvergehens ausgesprochen werden dürfen.
Die Gerichte hätten allein auf seine früheren Funktionen und seine frühere Identifikation mit dem SED-Staat abgestellt. Konkrete repressive oder schädigende Maßnahmen seien ihm nicht vorgeworfen worden. Eine einzelfallbezogene Würdigung sei unterblieben. Die Gerichte hätten sämtliche von ihm dargelegten Umstände zu seiner persönlichen und beruflichen Entwicklung außer acht gelassen. Er habe nachvollziehbar dargelegt, wie er zu seiner Funktion als Schuldirektor gekommen sei. Wenn das Landesarbeitsgericht dem entgegenhalte, es sei nicht ersichtlich, wieso nicht ältere Kollegen das Amt hätten übernehmen können, stehe dies in Widerspruch zu elementaren Grundsätzen des fairen Verfahrens. Auch sei nicht gewürdigt worden, daß Eltern verschiedener Herkunft und Weltanschauung im Elternrat offen zusammengearbeitet hätten und daß der Beschwerdeführer nach der Vertrauensfrage Anfang 1990 von sich aus das Amt des Schuldirektors niedergelegt habe. Nach den Grundsätzen, auf denen die angegriffenen Entscheidungen beruhten, werde die Möglichkeit einer Entlastung auf oppositionelles Verhalten reduziert. Damit würden die Anforderungen an Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes deutlich überspannt.
Die Stellungnahme des Personalrats sei nur ausschnitthaft zur Kenntnis genommen und ausschließlich zu Lasten des Beschwerdeführers gewertet worden. Die darin ebenfalls geäußerte Auffassung, der Beschwerdeführer bekenne sich zu seiner Vergangenheit und sei um ehrliche Aufarbeitung bemüht, habe keine Beachtung gefunden.
Art. 12 Abs. 1 GG werde auch dadurch verletzt, daß das Bundesarbeitsgericht den sich aus dem ILO-Übereinkommen Nr. 111 ergebenden Schutz verkannt habe. Dieses Übereinkommen sei auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes anwendbar. Es verbiete jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung wegen der politischen Meinung. Auch das Befürworten und Verfolgen politischer Ziele in einer legalen Form unterfalle dem Übereinkommen, an das die Gerichte gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden seien; außerdem gelte das Prinzip der völkerrechtskonformen Auslegung. Schließlich sei auch zu beachten, daß nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. September 1995 das Fehlen der persönlichen Eignung nicht auf die bloße Bekleidung und Ausübung einer politischen Funktion gestützt werden könne.
III.
1. Zu der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3) hat das Sächsische Ministerium der Justiz namens der Sächsischen Staatsregierung Stellung genommen. Es hält sie für unbegründet. Die Arbeitsgerichte hätten die Tragbarkeit des Beschwerdeführers für den öffentlichen Dienst nicht allein nach seiner früheren Identifikation mit dem SED-Regime pauschal beurteilt, sondern eine einzelfallbezogene Überprüfung vorgenommen. Zutreffend hätten sie erkannt, daß seine Funktionen und Ämter über die für Verbleib und Aufstieg im öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik notwendige Loyalität und Kooperation hinausgegangen seien, daß er eine typische Parteikarriere durchlaufen und seine Ämter parteinah ausgeübt habe. Er sei bereits im Alter von 32 Jahren Direktor geworden. Nicht zu beanstanden seien ferner die Erwägungen, mit denen die Gerichte begründet hätten, daß der Beschwerdeführer die gegen ihn sprechenden Indizien nicht entkräftet habe. Ob seine Kündigung mit Vorschriften des internationalen Rechts im Einklang stehe, sei im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Allgemeine Regeln des Völkerrechts würden nicht verletzt.
2. In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung und die Landesregierungen von Sachsen und Thüringen Stellung genommen. Zur rechtlichen und tatsächlichen Stellung des Parteisekretärs an den Schulen in der Deutschen Demokratischen Republik sowie zu den Aufgaben und dem Einfluß der dort tätigen Schulinspektoren und -direktoren wurden die Sachverständigen Dr. habil. Gert Geißler, Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth und Dr. Stefan Wolle angehört.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) ist unzulässig, soweit sie sich gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 28. Oktober 1992 und den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 1995 richtet. Durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts, das ihrer Kündigungsschutzklage stattgegeben hat, wird sie nicht beschwert. Eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über ihre Nichtzulassungsbeschwerde wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Zudem erledigt sich dieser Beschluß durch die Aufhebung des Urteils des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Dezember 1994.
Im übrigen sind die Verfassungsbeschwerden zulässig.
C.
Die Verfassungsbeschwerden zu 1) und 2) sind, soweit sie zulässig sind, begründet. Die angegriffenen Urteile verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG). Die Verfassungsbeschwerde zu 3) ist hingegen unbegründet.
I.
Art. 12 Abs. 1 GG schützt unter anderem die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Diese umfaßt neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch den Willen des Einzelnen, den Arbeitsplatz beizubehalten. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken (vgl. dazu im einzelnen BVerfGE 84, 133 ≪146≫; 92, 140 ≪150≫).
Soweit es um Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes geht, trifft Art. 33 Abs. 2 GG eine ergänzende Regelung. Er knüpft die Einstellung von Bewerbern um ein öffentliches Amt an besondere Anforderungen (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) und verlangt deren gleichmäßige Handhabung. Geeignet im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur Eignung gehören darüber hinaus die Fähigkeit und die innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪151≫).
Die angegriffenen Entscheidungen, die die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse an öffentlichen Schulen bestätigen, greifen in diese Rechte der Beschwerdeführer ein.
II.
1. a) Die Arbeitsplatzwahl kann ebenso wie die anderen Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG durch Gesetz beschränkt werden. Die Anforderungen hierfür sind höher als bei Regelungen der Berufsausübung. Gerechtfertigt ist eine Einschränkung jedenfalls dann, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls sie erfordern (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪151 f.≫) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden ist. Zu den Gemeinwohlgründen gehören insbesondere die Belange, denen Art. 33 Abs. 2 GG mit den Anforderungen an den Zugang zum öffentlichen Dienst Rechnung trägt. Diese gelten auch dann, wenn – wie hier – auf der Grundlage des Einigungsvertrages die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen im Rahmen der Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses nachgeholt wird.
Zur Eignung von Lehrerinnen und Lehrern an staatlichen Schulen gehört, daß sie den Schülerinnen und Schülern die Grundlagen eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates nahebringen können. Dies umfaßt nicht nur die Vermittlung bürgerkundlicher Kenntnisse. Vielmehr sollen die Jugendlichen auch auf ihre Rolle als Bürger des Gemeinwesens mit den dazugehörenden Rechten und Verantwortlichkeiten vorbereitet werden. Um eine solche Haltung erzieherisch herauszubilden, muß der Lehrer sie selbst glaubwürdig vertreten. Innere Vorbehalte dagegen schwächen seine Überzeugungskraft als Vorbild. Sie treten – sei es bewußt, sei es unbewußt – im Schulalltag auch dann zutage, wenn er sie nicht ausdrücklich bekennt. Insofern hängt die Eignung für eine Tätigkeit im staatlichen Bildungswesen in besonderer Weise von der inneren Einstellung des Erziehers ab.
b) Der in Anlage I Kapitel XI
X Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 1 des Einigungsvertrages (künftig: Abs. 4 Nr. 1 EV) enthaltene Sonderkündigungstatbestand, auf den die angegriffenen Entscheidungen gestützt sind, genügt diesen Anforderungen, wie das Bundesverfassungsgericht schon früher festgestellt hat (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪151 f.≫).
2. a) Bei der Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze haben die Gerichte allerdings der wertsetzenden Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts Rechnung zu tragen.
aa) Geht es um die Auslegung und Anwendung von arbeitsrechtlichen Kündigungsvorschriften im öffentlichen Dienst, so müssen sie den Schutz beachten, den Art. 12 Abs. 1 GG insofern gewährt. Steht zugleich die Eignung für den öffentlichen Dienst in Rede, tritt Art. 33 Abs. 2 GG ergänzend hinzu. Diese Rechte sind verletzt, wenn ihre Bedeutung und Tragweite bei der Auslegung und Anwendung der arbeitsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich verkannt wird. Dagegen ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts zu kontrollieren, wie die Gerichte den Schutz im einzelnen auf der Grundlage des einfachen Rechts gewähren und ob ihre Auslegung den bestmöglichen Schutz sichert (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪152 f.≫).
bb) Im Lichte der genannten Verfassungsnormen darf bei der Auslegung von Abs. 4 Nr. 1 EV die erkennbare Absicht des Einigungsvertrages nicht außer acht gelassen werden, die Mitarbeiter nicht abgewickelter Einrichtungen des öffentlichen Dienstes der Deutschen Demokratischen Republik weitgehend in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern und ihre Arbeitsverhältnisse aufrechtzuerhalten, soweit nicht im Einzelfall Eignungsmängel im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG festgestellt werden. Da Beschäftigung und Fortkommen im öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik regelmäßig von einer gesteigerten Loyalität gegenüber Staat und Partei sowie der Bereitschaft zum Engagement in parteilichen oder gesellschaftlichen Organisationen abhingen, können die damit verbundenen Positionen oder Funktionen für sich allein in der Regel eine Kündigung nicht rechtfertigen. Die persönliche Eignung des Mitarbeiters für eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik ist vielmehr im Zeitpunkt der Kündigung aufgrund einer Prognose festzustellen, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung seiner gesamten Persönlichkeit voraussetzt. Sein Verhalten und seine Einstellung in der Vergangenheit sind dafür allerdings eine wesentliche Erkenntnisquelle. Das gilt gerade im schulischen Bereich, weil es sich einer dienstlichen Kontrolle weitgehend entzieht, ob der Auftrag zur staatsbürgerlichen Erziehung durch die Lehrkraft glaubwürdig erfüllt wird. Positionen in Staat und Partei, die der Mitarbeiter seinerzeit innehatte, können nach Maßgabe ihres Ranges und des mit ihnen verbundenen Einflusses Anhaltspunkte für einen besonders hohen Identifikationsgrad mit dem Herrschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik sein, machen aber eine Würdigung seines gesamten Verhaltens einschließlich seiner Entwicklung nach dem Beitritt nicht entbehrlich (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪154 ff.≫).
cc) Die danach verfassungsrechtlich gebotene Gesamtwürdigung darf nicht dadurch verkürzt werden, daß der vom Mitarbeiter früher innegehabten Position das Gewicht einer gesetzlichen Vermutung beigemessen wird, die einen Eignungsmangel begründet, wenn sie nicht widerlegt wird. Das gilt jedenfalls für die Positionen oder Funktionen im Bereich der Schule, um die es hier geht.
(1) Die Anhörung der Sachverständigen hat dazu folgendes ergeben:
Der Schulparteisekretär, ein Lehrer, wurde von den SED-Mitgliedern des Lehrerkollegiums gewählt. Er mußte linientreu und zur Übernahme der Funktion bereit sein. Von seinen dienstlichen Aufgaben wurde er grundsätzlich nicht entlastet; allerdings wurden ihm gewöhnlich die Aufgaben eines Klassenlehrers nicht übertragen. Durch die Tätigkeit als Parteisekretär wuchsen seine Aufstiegschancen. Weitere berufliche Vorteile waren damit nicht verbunden. Nicht selten wurde die Funktion eher als lästig empfunden und nur auf Drängen der übrigen Lehrer übernommen. Bei kleineren Kollegien konnte es vorkommen, daß die Aufgabe demjenigen Parteimitglied übertragen wurde, das noch keine andere Funktion innehatte.
Der Parteisekretär war verpflichtet, die Weisungen der höheren Parteiebenen auszuführen. Sein Einfluß auf die Verwaltung der Schule und die Gestaltung des Unterrichts war von seiner Funktion her allerdings begrenzt. Er wurde zwar zur Beratung aller wichtigen Angelegenheiten hinzugezogen, hatte aber keine Entscheidungsbefugnis. Im wesentlichen oblag ihm die Kontrolle der politisch-ideologischen Arbeit an der Schule. Er berichtete darüber der übergeordneten Parteiorganisation in monatlichem Turnus sowie bei außergewöhnlichen Vorkommnissen, insbesondere bei politischen Aktivitäten von Schülern. Außerdem hatte er in Gesprächen mit Lehrern und Schülern die Parteilinie zu vertreten und ideologische Unklarheiten auszuräumen. Gegenüber den Lehrern, die der SED angehörten, konnte er Parteidisziplin unter Androhung von Sanktionen wie etwa dem Parteiausschluß einfordern, im übrigen lagen die Disziplinarbefugnisse beim Schuldirektor.
Der Schuldirektor trug die Verantwortung für die politische, pädagogische und schulorganisatorische Leitung der Schule. Er war gegenüber dem gesamten Schulpersonal weisungsberechtigt und übte Disziplinarbefugnisse gegenüber Lehrern und Schülern aus. Er hatte seine Leitungstätigkeit auf der Grundlage der Beschlüsse der SED sowie der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften auszuüben. Seinerseits unterlag er den Weisungen und der Aufsicht des Kreisschulrats, der durch den Leiter der Kreisschulinspektion tätig wurde. Diesem unterstanden mehrere Schulinspektoren, denen die ständige Kontrolle der Führungsarbeit insbesondere der Direktoren oblag.
Die Einfluß- und Gestaltungsmöglichkeiten, die diese Positionen vermittelten, müssen jedoch im Gesamtzusammenhang der Schulorganisation der Deutschen Demokratischen Republik gesehen werden. Das Schulwesen war dort stärker als andere Verwaltungszweige hierarchisiert. Das Ministerium für Volksbildung übte direkten Einfluß auf die Gestaltung des Schulalltags und die Unterrichtsinhalte aus. Der Einfluß der unteren Leitungsebenen war entsprechend eingeschränkt. Ein gewisser Handlungs- und Bewertungsspielraum blieb jedoch erhalten. Wie er ausgeübt wurde, hing weitgehend von den einzelnen Verwaltungs- und Parteifunktionären an der jeweiligen Schule oder Verwaltungsstelle sowie von ihrem Verhältnis untereinander ab.
(2) Im Blick auf die Auslegung und Anwendung von Abs. 4 Nr. 1 EV ergibt sich daraus einerseits, daß die Ausübung der hier interessierenden Leitungsfunktionen im Bereich der Schulparteileitung und Schulverwaltung auch ohne Hinzutreten besonderer Umstände Zweifel an der persönlichen Eignung des Betroffenen für den Lehrerberuf in einem demokratischen Gemeinwesen begründen kann. Die von den Inhabern dieser Funktionen verlangte besondere Identifikation mit den Zielen der Staatspartei und ihre Pflicht zur Ausführung der Anordnungen von Partei und Staat legen es nahe, daß sie diesen Zielen aus innerer Überzeugung verbunden waren. Von daher besteht Anlaß zu prüfen, inwieweit das im Einzelfall tatsächlich zutraf und ob sich gegebenenfalls diese Überzeugung inzwischen so weit gewandelt hat, daß die betroffenen Lehrer nunmehr Erziehungsaufgaben im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat glaubwürdig wahrnehmen können.
Andererseits waren diese Ämter weder so herausgehoben noch so einflußreich, daß es ihren Inhabern schon nach dem äußeren Anschein verwehrt sein muß, den Beruf eines Lehrers in der Bundesrepublik Deutschland auszuüben. Auch unterscheidet sich das von Schulparteisekretären, Schulleitern und -inspektoren geforderte Maß an Identifikation mit den Zielen der SED und der Staatsführung der Deutschen Demokratischen Republik nicht so weitgehend von der im dortigen öffentlichen Dienst allgemein geforderten und üblichen Loyalität und Kooperation, daß sich allein daraus die mangelnde Eignung für den Lehrerberuf nach dem Beitritt herleiten ließe (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪156≫).
Insgesamt läßt sich daher ohne Hinzutreten weiterer belastender Umstände allein aus der früheren Wahrnehmung der hier einschlägigen Ämter und Funktionen der Schluß auf ihre mangelnde Eignung nicht ziehen. Solche Umstände können etwa Handlungen stark repressiven oder schädigenden Charakters sein (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪156 f.≫). Darunter können im Schulbereich auch schwere Benachteiligungen von Schülern fallen, die – selbst unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik – als evident sachwidrig einzustufen sind. Derartige Feststellungen zu treffen, kann den Schulbehörden im allgemeinen nicht allzu schwer fallen, da das Verhalten der früheren Leitungspersonen sich weitgehend unter den Blicken der Öffentlichkeit vollzog und nicht nur für das Kollegium, sondern in der Regel auch für Schüler und Eltern erkennbar war. Zudem dürften in einer nicht geringen Anzahl von Fällen auch Dokumente wie die Monatsberichte oder die Berichte über besondere Vorkommnisse noch zugänglich sein.
b) aa) Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Urteile in den Fällen 1 BvR 1243/95 und 1 BvR 1247/95 nicht gerecht. Sie verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG. Auf ihre weiteren Rügen braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.
(1) In der Sache 1 BvR 1243/95 stützen sich die angegriffenen Urteile auf den Umstand, daß die Beschwerdeführerin zeitweise Direktorin und stellvertretende Direktorin war sowie wiederholt die Funktion einer SED-Parteisekretärin und die einer Freundschaftspionierleiterin wahrgenommen hat. Dies indiziere ihre mangelnde Eignung in einem solchen Maße, daß nur besondere entlastende Umstände zu einer positiven Beurteilung ihrer Eignung hätten führen können. Derartige Umstände hätten jedoch nicht vorgelegen.
Dieser Ansatz entspricht nicht den Anforderungen, die sich aus dem Grundrecht der Beschwerdeführerin auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ergeben. Er mißt der Wahrnehmung der genannten Funktionen der Sache nach die Bedeutung einer widerlegbaren Vermutung bei und verkürzt damit die im Lichte dieses Grundrechts gebotene Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Zudem ist die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin an einer Sonderschule tätig war und daß dort die politische Kontrolle durch den Parteisekretär generell geringere Bedeutung hatte als an anderen Schulen, ebenso unberücksichtigt geblieben wie ihr – von den Gerichten als wahr unterstelltes – Vorbringen, sie habe die ihr angelasteten Funktionen nur übernommen, um etwas für die Schule und für die Kinder zu erreichen. Die innere Distanz einer Lehrerin zu den in der Deutschen Demokratischen Republik bekleideten Ämtern dürfte bei einer Beurteilung der Frage, inwieweit sie nunmehr glaubwürdig und aus eigener Überzeugung eine dem Grundgesetz verpflichtete Staats- und Gesellschaftsordnung im Unterricht vertreten kann, nicht ausgeblendet werden.
(2) Auch in der Sache 1 BvR 1247/95 geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Wahrnehmung der von der Beschwerdeführerin bekleideten Ämter und Funktionen die Vermutung einer besonderen Identifikation mit dem SED-Regime begründe und daß allein daraus mangels besonderer entlastender Umstände ihre fehlende Eignung zur Ausübung des Lehrerberufs folge. Zudem hat das Landesarbeitsgericht den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Umständen, die auf eine eher pragmatische Einstellung zur Wahrnehmung ihrer Ämter hindeuten, sowie ihrer beanstandungsfreien Lehrtätigkeit nach der Wende keine entlastende Bedeutung beigemessen. Schließlich ist im Lichte des Art. 33 Abs. 2 GG nicht verständlich, daß das Landesarbeitsgericht eine Ermahnung der Beschwerdeführerin durch den Schulrat wegen ihrer Forderung nach einem freieren Diskussionsklima an der Schule nicht als positives Anzeichen für eine distanzierte innere Einstellung zum SED-Regime bewertet, sondern daraus nur den Schluß gezogen hat, sie habe sich daraufhin einen Maulkorb umhängen lassen.
bb) Die angegriffenen Entscheidungen in der Sache 1 BvR 744/96 sind jedoch nicht zu beanstanden.
(1) Das Bundesarbeitsgericht leitet die mangelnde Eignung des Beschwerdeführers jedenfalls im Ergebnis nicht allein aus dessen Funktionen als Parteisekretär und Schuldirektor ab, sondern gelangt erst aufgrund einer Würdigung weiterer belastender Umstände zu der Schlußfolgerung, daß der Beschwerdeführer sich in besonderer Weise mit den Zielen der SED identifiziert habe. Einmal fällt in diesem Zusammenhang ins Gewicht, daß der Beschwerdeführer seit seinem 27. Lebensjahr ununterbrochen 18 Jahre lang zuerst Parteisekretär und stellvertretender Schuldirektor und in unmittelbarem Anschluß daran Schuldirektor war. Die ungewöhnlich frühe Beförderung zum Direktor läßt zudem die Überzeugung der Arbeitsgerichte plausibel erscheinen, daß er eine reine Parteikarriere durchlaufen habe. Außerdem beruhen die angegriffenen Entscheidungen auf der Feststellung, daß er diese Ämter parteinah ausgeübt habe und daß ihm das Lehrerkollegium deswegen noch vor dem Beitritt das Vertrauen als Schuldirektor entzogen hat. Daß die Gerichte aus diesem Gesamtbild der früheren Tätigkeiten des Beschwerdeführers auf seine mangelnde Befähigung geschlossen haben, die Aufgaben eines Lehrers in einem freiheitlichen Rechtsstaat glaubwürdig wahrnehmen zu können, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
(2) Die Vereinbarkeit der angegriffenen Entscheidungen mit dem ILO-Abkommen oder der Europäischen Menschenrechtskonvention kann das Bundesverfassungsgericht nicht überprüfen. Seine Aufgabe beschränkt sich im Verfassungsbeschwerdeverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG darauf, hoheitliche Maßnahmen am Grundgesetz zu messen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Arbeitsgerichte insoweit ihre Gesetzesbindung verletzt (Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. dazu BVerfGE 87, 273 ≪280≫) oder den auch für die Auslegung der Grundrechte bedeutsamen Standard der in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Menschenrechte verkannt haben (vgl. etwa BVerfGE 83, 119 ≪128≫), lassen sich der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Unterschriften
Seidl, Grimm, Kühling, Seibert, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 1084306 |
NVwZ 1997, 989 |