Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 09.08.1994; Aktenzeichen 9 (4) Sa 271/93) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 26.04.1993; Aktenzeichen 19 Ca 7539/92) |
Tenor
Das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 9. August 1994 – 9 (4) Sa 271/93 – verletzt die Beschwerdeführerin insoweit in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes, als es die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 26. April 1993 – 19 Ca 7539/92 –, soweit dadurch die Kündigungsschutzklage und der Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen wurden, zurückweist. Insoweit wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.
Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die ordentliche Kündigung einer Professorin, die in der Deutschen Demokratischen Republik ehrenamtliche Parteisekretärin und Kandidatin der SED-Kreisleitung war.
- Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (EV), dem Bundestag und Bundesrat durch Gesetz vom 23. September 1990 zugestimmt haben (BGBl II S. 885), regelt unter anderem die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Beitrittsgebiet. Nach Art. 20 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 1 EV (künftig: Abs. 4 Nr. 1 EV) ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder fachlicher oder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht (zu Sinn und Zweck der Regelung vgl. BVerfGE 92, 140 ≪142, 151 f.≫).
Die Beschwerdeführerin war von 1970 bis 1977 als Lehrerin im Hochschuldienst, sodann bis 1980 als Lektorin an der ehemaligen Karl-Marx-Universität in Leipzig beschäftigt. Von 1980 bis 1983 erhielt sie eine Habilitationsaspiratur und war von 1983 bis 1985 als wissenschaftliche Oberassistentin tätig. Nach Habilitation und Verleihung der facultas docendi wurde die Beschwerdeführerin 1985 zur Hochschuldozentin für Methodik der Fremdsprachenausbildung berufen, am 1. September 1988 zur ordentlichen Professorin in diesem Fachgebiet und zur Direktorin der Sektion Fremdsprachen.
In der Zeit von 1983 bis 1988 war die Beschwerdeführerin ehrenamtliche Parteisekretärin der Grundorganisation der SED der Sektion Fremdsprachen, von Dezember 1988 bis Oktober 1989 nicht stimmberechtigte Kandidatin der SED-Kreisleitung.
Der Freistaat Sachsen kündigte 1992, gestützt auf Abs. 4 Nr. 1 EV, das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin.
Die Kündigungsschutzklage sowie ein Auskunftsverlangen der Beschwerdeführerin über Umfang und Inhalt der von dem beklagten Freistaat gegenüber sämtlichen Hochschulen des Freistaates über ihre Person gemachten Angaben blieben erfolglos.
a) aa) Nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts indizierten die von der Beschwerdeführerin innegehabten Funktionen als Parteisekretärin von 1983 bis 1988 und als Kandidatin der SED-Kreisleitung 1988/89 die mangelnde persönliche Eignung für eine Weiterbeschäftigung als Hochschullehrerin. Die Beschwerdeführerin habe das Amt als Parteisekretärin nicht nur kurzfristig, sondern über mehrere Wahlperioden ausgeübt. Wenn auch nur in beratender Funktion habe sie als Kandidatin der Kreisleitung, dem höchsten Parteigremium der Universität, ein weiteres herausgehobenes Parteiamt innegehabt. Der Vortrag der Beschwerdeführerin, daß sie nur deswegen zur Kandidatin der Kreisleitung gewählt worden sei, weil sie “dran” gewesen sei, sei weder hinreichend substantiiert noch plausibel. Die Wahl in die Kreisleitung in unmittelbarem Anschluß an ihre Tätigkeit als Parteisekretärin spreche vielmehr eher für einen Aufstieg innerhalb der Parteihierarchie. Die mangelnde persönliche Eignung der Beschwerdeführerin habe auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalles noch zum Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen. Aus dem Kaderprogramm 1989–1995, das von der Beschwerdeführerin noch als Sektionsdirektorin erstellt worden sei, werde deutlich, daß die Beschwerdeführerin die Interessen der SED auch bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses umgesetzt habe. Diese von der Beschwerdeführerin betriebene SED-Kaderpolitik sei unvereinbar mit dem für Universitäten elementaren Grundsatz der Freiheit von Wissenschaft und Forschung. Es bestünden durchgreifende Bedenken, daß die Beschwerdeführerin als Hochschullehrerin diesen Prinzipien gerecht werde. Die Beschwerdeführerin habe auch keine weiteren Umstände dargetan, die der Annahme einer mangelnden persönlichen Eignung entgegenstünden.
Der Personalrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden. Der beklagte Freistaat habe die für seinen Kündigungsentschluß maßgeblichen Tatsachen hinreichend angegeben, indem er die von der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit ausgeübten Parteifunktionen mitgeteilt habe.
bb) Auf die begehrten Auskünfte habe die Beschwerdeführerin keinen Anspruch. Der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst habe die ihm nachgeordneten Universitäten über die Kündigung der Beschwerdeführerin wegen mangelnder persönlicher Eignung unterrichten dürfen, ohne in ihre Persönlichkeitsrechte einzugreifen.
b) Das Bundesarbeitsgericht verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargetan, inwiefern die von ihr benannten Rechtssätze des angefochtenen Urteils von denen der angezogenen Entscheidungen abwichen.
- Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin im wesentlichen eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Das Landesarbeitsgericht spreche ihr in undifferenzierter Weise die Eignung für den öffentlichen Dienst ab, obwohl es kein konkretes Dienstvergehen nach Eintritt des Freistaats Sachsen in ihr Arbeitsverhältnis festgestellt habe.
- Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Sächsische Staatsministerium der Justiz namens der Sächsischen Staatsregierung Stellung genommen. Das Landesarbeitsgericht habe die Tragfähigkeit der Beschwerdeführerin im öffentlichen Dienst nicht allein nach ihrer Stellung in der Hierarchie der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer früheren Identifikation mit dem SED-Regime beurteilt. Vielmehr habe es in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise das Verhalten der Beschwerdeführerin vor und nach dem Beitritt gewürdigt. Insbesondere nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu dem von der Beschwerdeführerin erstellten Kaderprogramm sei die Gesamtwürdigung des Landesarbeitsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
II.
- Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch insofern richtet, als dadurch die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Abweisung des Auskunftsantrages zurückgewiesen wurde. Insoweit rügt die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts.
- Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Sie wahrt auch die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Zwar wird durch die Einlegung eines offensichtlich unzulässigen Rechtsmittels und die darauf ergehende Entscheidung die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG nicht neu in Lauf gesetzt (BVerfGE 5, 17 ≪19,20≫; 17, 86 ≪91≫; 28, 1 ≪6≫; 28, 88 ≪95≫; 48, 341 ≪344≫). Die Nichtzulassungsbeschwerde war aber nicht offensichtlich unzulässig. Das Bundesarbeitsgericht hat Fragen der Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde als Zulässigkeitsvoraussetzungen behandelt. Ob tatsächlich eine Divergenz zwischen den Rechtssätzen des angefochtenen Urteils und der angezogenen Entscheidungen besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde, nicht ihrer ordnungsgemäßen Begründung (vgl. BVerfG, Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 1995, AP Nr. 31 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).
III.
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Urteil des Landesarbeitsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin insoweit in dem genannten Grundrecht. Die für diese Beurteilung maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
- Art. 12 Abs. 1 GG schützt unter anderem die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Diese umfaßt neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch den Willen des Einzelnen, den Arbeitsplatz beizubehalten. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken (vgl. dazu im einzelnen BVerfGE 84, 133 ≪146≫; 92, 140 ≪150≫). Soweit es um Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes geht, trifft Art. 33 Abs. 2 GG eine ergänzende Regelung. Die angegriffene Entscheidung greift, soweit sie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Beschwerdeführerin bestätigt, in diese Rechte der Beschwerdeführerin ein.
a) Die Arbeitsplatzwahl kann ebenso wie die anderen Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG durch Gesetz beschränkt werden. Die Anforderungen hierfür sind höher als bei Regelungen der Berufsausübung. Gerechtfertigt ist eine Einschränkung jedenfalls dann, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls sie erfordern (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪151 f.≫) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden ist. Zu den Gemeinwohlgründen gehören insbesondere die Belange, denen Art. 33 Abs. 2 GG mit den Anforderungen an den Zugang zum öffentlichen Dienst Rechnung trägt. Diese gelten auch dann, wenn – wie hier – auf der Grundlage des Einigungsvertrages die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen im Rahmen der Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses nachgeholt wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1243/95 u.a. –, Umdruck S. 18).
b) Der in Abs. 4 Nr. 1 EV enthaltene Sonderkündigungstatbestand, auf den die angegriffene Entscheidung gestützt ist, genügt diesen Anforderungen (vgl. BVerfGE 92, 140 ≪150 ff.≫).
a) Bei der Auslegung und Anwendung von arbeitsrechtlichen Kündigungsvorschriften im öffentlichen Dienst, müssen die Gerichte allerdings den Schutz beachten, den Art. 12 Abs. 1 GG insofern gewährt. Steht zugleich die Eignung für den öffentlichen Dienst in Rede, tritt Art. 33 Abs. 2 GG ergänzend hinzu. Diese Rechte sind verletzt, wenn ihre Bedeutung und Tragweite bei der Auslegung und Anwendung der arbeitsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich verkannt wird. Dagegen ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts zu kontrollieren, wie die Gerichte den Schutz im einzelnen auf der Grundlage des einfachen Rechts gewähren und ob ihre Auslegung den bestmöglichen Schutz sichert (BVerfGE 92, 140 ≪152 f.≫).
b) Im Lichte der genannten Verfassungsnormen darf bei der Auslegung von Abs. 4 Nr. 1 EV die erkennbare Absicht des Einigungsvertrages nicht außer acht gelassen werden, die Mitarbeiter nicht abgewickelter Einrichtungen des öffentlichen Dienstes der Deutschen Demokratischen Republik weitgehend in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern und ihre Arbeitsverhältnisse aufrechtzuerhalten, soweit nicht im Einzelfall Eignungsmängel im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG festgestellt werden. Da Beschäftigung und Fortkommen im öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik regelmäßig von einer gesteigerten Loyalität gegenüber Staat und Partei sowie der Bereitschaft zum Engagement in parteilichen und gesellschaftlichen Organisationen abhingen, können die damit verbundenen Positionen oder Funktionen für sich allein in der Regel eine Kündigung nicht rechtfertigen. Die persönliche Eignung des Mitarbeiters für eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik ist vielmehr im Zeitpunkt der Kündigung aufgrund einer Prognose festzustellen, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung seiner gesamten Persönlichkeit voraussetzt (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1243/95 u.a. –, Umdruck S. 20).
Sein Verhalten und seine Einstellung in der Vergangenheit sind dafür zwar eine wesentliche Erkenntnisquelle. Die danach verfassungsrechtlich gebotene Gesamtwürdigung darf aber nicht dadurch verkürzt werden, daß der vom Mitarbeiter früher innegehabten Position das Gewicht einer gesetzlichen Vermutung beigemessen wird, die einen Eignungsmangel begründet, wenn sie nicht widerlegt wird. Insbesondere die Funktion eines ehrenamtlichen Parteisekretärs war weder so herausgehoben noch so einflußreich, daß allein aus ihrer Wahrnehmung der Schluß auf eine fortbestehende Verbundenheit mit dem Herrschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik gezogen und nur durch besondere Umstände, die das Gegenteil belegen, entkräftet werden kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1243/95 u.a. –, Umdruck S. 21 f.). Ohne Hinzutreten weiterer belastender Umstände läßt sich daher allein aus der früheren Wahrnehmung dieses Amtes der Schluß auf eine mangelnde Eignung nicht ziehen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1243/95 –, Umdruck S. 24).
Diesen Maßstäben wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht. Es verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG.
a) Das Landesarbeitsgericht folgert die mangelnde persönliche Eignung der Beschwerdeführerin allein aus ihrer früheren Wahrnehmung der Funktionen einer ehrenamtlichen Parteisekretärin und einer Kandidatin der Kreisleitung. Dem angegriffenen Urteil läßt sich nicht entnehmen, daß Einfluß oder Herausgehobenheit des Amtes einer Kandidatin der Kreisleitung gegebenenfalls eine andere Beurteilung rechtfertigten als die Wahrnehmung der Funktion einer ehrenamtlichen Parteisekretärin. Zwar war die Kreisleitung das höchste Parteigremium an der Universität. Die Beschwerdeführerin war aber nur nicht stimmberechtigte Kandidatin, hatte also jedenfalls keinen direkten Einfluß auf die Beschlußfassung.
b) Zu weiteren belastenden Umständen trifft das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen. Hierfür genügt nicht, daß die Beschwerdeführerin die Tätigkeit als ehrenamtliche Parteisekretärin über fünf Jahre ausgeübt hat.
Zwar verweist das Landesarbeitsgericht zudem auf ein von der Beschwerdeführerin noch als Sektionsdirektorin erstelltes Kaderprogramm 1989–1995, woraus eine von der Beschwerdeführerin betriebene SED-Kaderpolitik ersichtlich werde, die mit dem Grundsatz der Freiheit von Wissenschaft und Forschung nicht zu vereinbaren sei. Das Landesarbeitsgericht sieht hierin aber kein Element des Kündigungsgrundes, welches als weiterer belastender Umstand im Rahmen einer Gesamtwürdigung erst die mangelnde persönliche Eignung der Beschwerdeführerin begründe, sondern allein einen im Rahmen der von ihm so bezeichneten Einzelfallprüfung zu berücksichtigenden Umstand, ob die – nach seiner Ansicht bereits hinreichend indizierte – mangelnde persönliche Eignung der Beschwerdeführerin noch im Kündigungszeitpunkt fortbestanden habe. Demgemäß hält es das Landesarbeitsgericht auch für ausreichend, daß zur Anhörung des Personalrates allein die von der Beschwerdeführerin ausgeübten Parteifunktionen mitgeteilt worden waren. Denn der beklagte Freistaat hatte die Kündigung selbst nicht auf die Kaderpolitik der Beschwerdeführerin gestützt.
Der Tatbestand des angegriffenen Urteils trifft auch zu dem Kaderprogramm überhaupt keine Feststellungen. Die Schlußfolgerungen, die das Landesarbeitsgericht aus dem Programm zieht, sind zudem nicht nachvollziebar. So besagt ein von der Beschwerdeführerin noch 1989 erstelltes Kaderprogramm gerade nichts über ihre mögliche Entwicklung nach diesem Zeitpunkt. Dem Kaderprogramm selbst läßt sich auch nicht entnehmen, daß die Beschwerdeführerin hiermit vornehmlich SED-Kaderpolitik verfolgt habe. Worauf das Landesarbeitsgericht diese Interpretation stützt, ist seinen Ausführungen nicht hinreichend klar zu entnehmen.
c) Auch im übrigen unternimmt das Landesarbeitsgericht eine Würdigung des Einzelfalles nur insoweit, als es das Entlastungsvorbringen der Beschwerdeführerin auf seine Eignung überprüft, die durch die Wahrnehmung der genannten Funktionen begründeten Zweifel auszuräumen. Dies wird den von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen an eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles jedoch nicht gerecht. Denn diese verbieten es, allein der Wahrnehmung von Funktionen in der SED indizielle Wirkung für die Nichteignung einer Hochschullehrerin in der Weise beizumessen, daß diese sie durch konkretes Entlastungsvorbringen widerlegen müßte. Das Landesarbeitsgericht verkennt damit den Einfluß und die Herausgehobenheit der von der Beschwerdeführerin wahrgenommenen Ämter und mißt ihrer Wahrnehmung der Sache nach die Bedeutung einer widerlegbaren Vermutung bei.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Steiner
Fundstellen