Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalvertretungsrecht. Mitbestimmung bei Vorübergehende Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit. Mitbestimmung bei vertretungsweise Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit. vorläufige Regelung bei kurzfristiger (vertretungsweiser) Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die vorübergehende Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit an Angestellte unterliegt einschließlich der vertretungsweisen Übertragung der Mitbestimmung des Personalrats.
Bei Vertretungsregelungen gilt dies jedoch nur, soweit die Übertragung nicht bereits durch den Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungssplan der Dienststelle vorweggenommen ist.
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 1 Nr. 2, § 69 Abs. 5; BAT §§ 22-24
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 08.05.1995; Aktenzeichen 1 A 1247/93.PVB) |
VG Münster (Beschluss vom 02.03.1993; Aktenzeichen 11 K 3135/92.PVB) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 8. Mai 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die im Ausspruch des Beschwerdegerichts enthaltene Feststellung wir folgt neu gefaßt wird:
Es wird festgestellt, daß die vorübergehende Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit an Angestellte – einschließlich der vertretungsweisen Übertragung – der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt, bei Vertretungsregelungen jedoch nur, soweit die Übertragung nicht bereits durch den Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungsplan der Dienststelle vorweggenommen ist.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten darüber, ob die vorübergehende vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit an Angestellte der Mitbestimmung unterliegt.
Durch Verfügungen vom 5. und 15. Mai 1992 übertrug der beteiligte Leiter eines Kreiswehrersatzamtes den Angestellten U.… und A.… mit Wirkung vom 1. März 1992 und bis auf weiteres “die höherwertigen Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1a Teil I” sowie durch weitere Verfügung vom 12. Oktober 1992 dem Angestellten S.… für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. März 1993 “die höher zu bewertenden Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VIb Fallgruppe 1a Teil I”. Der antragstellende Personalrat rügte daraufhin mit zwei Schreiben vom 5. und 12. Oktober 1992, daß in den genannten Fällen die erforderliche Zustimmung nicht eingeholt worden sei; für den Fall, daß der Beteiligte an den Maßnahmen festhalten wolle, bat der Antragsteller um unverzügliche Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens. Demgegenüber verblieb jedoch der Beteiligte bei der Ansicht, daß die vorübergehende vertretungsweise Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nicht mitbestimmungspflichtig sei.
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts hat er beantragt festzustellen, daß die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten an die genannten Angestellten seiner Mitbestimmung unterlegen habe.
Der Beteiligte ist dem entgegengetreten. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium der Verteidigung hat er vorgetragen: Zur vorübergehenden und nur vertretungsweise vorgesehenen Übertragung höherwertiger Tätigkeiten komme es in seiner Behörde regelmäßig, wenn auch zeitlich nicht so lange wie in den hier vorausgegangenen Fällen. Oftmals bestehe rein tatsächlich kein Raum zur Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens. Bei plötzlichen Ausfällen, z.B. infolge Krankheit, müsse mit einer Übertragung der Tätigkeit an andere Beschäftigte reagiert werden können, weil sonst der Dienstbetrieb ins Stocken gerate.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag durch Beschluß vom 2. März 1993 stattgegeben. Hiergegen hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt. In Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller nach Erledigung der konkreten Vorgänge seinen Antrag umgestellt und beantragt,
festzustellen, daß die vorübergehende oder vertretungsweise Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit an Angestellte seiner Mitbestimmung unterliege.
Durch Beschluß vom 8. Mai 1995 hat das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde des Beteiligten zurückgewiesen und den Beschlußausspruch dem im Beschwerdeverfahren geänderten Antrag des Antragstellers angepaßt. Zur Begründung hat das Beschwerdegericht auf den Beschluß des erkennenden Senats vom 22. Oktober 1991 – BVerwG 6 ER 502.91 – verwiesen. Darin habe dieser sich nach Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes durch das Bundesarbeitsgericht unter Aufgabe früherer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 3. Juni 1977 – BVerwG 7 P 8.75 – BVerwGE 54, 91 –) der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen. Eine Mitbestimmung sei dort nicht nur für die Fälle der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit angenommen worden, sondern ausdrücklich auch für Fälle der vertretungsweisen Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten, die das Beschwerdegericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen hat, ob die Übertragung höher zu bewertender Tätigkeiten auch in Vertretungsfällen der Mitbestimmung unterliege. Der Beteiligte rügt eine unrichtige Anwendung des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG. Er beantragt,
die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 8. Mai 1995 und des Verwaltungsgerichts Münster – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 2. März 1993 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt er vor: Die frühere, inzwischen aufgegebene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei möglicherweise insofern, als sie bei der Auslegung an den Wortlaut des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG angeknüpft habe, nicht absolut überzeugend gewesen. Von der Interessenlage her sei sie jedoch richtig. Die Mitbestimmung des Personalrats in plötzlich eintretenden Vertretungsfällen lasse Störungen der Funktionstüchtigkeit der Verwaltung befürchten, weil sich dann eine rechtzeitige Beteiligung des Personalrats nicht durchführen lasse und dienstlichen Erfordernissen wirksam nur noch über vorläufige Regelungen im Sinne des § 69 Abs. 5 BPersVG Rechnung getragen werden könne. Auch sei in derartigen Fällen ein Grund für die Beteiligung des Personalrats nicht gegeben.
Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Übereinstimmend mit dem Bundesministerium des Innern hält er bei jeder Art der nur vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG für nicht gegeben. Die Regelung müsse vor dem systematischen Hintergrund ausgelegt werden, daß in ihr nur die in einem Arbeitsverhältnis möglichen Maßnahmen zusammengefaßt würden, die für das Arbeitsentgelt des Beschäftigten Bedeutung hätten. Die Personalvertretung solle an Maßnahmen beteiligt werden, die Änderungen des Vergütungs- oder Lohnanspruchs des Beschäftigten zur Folge hätten. Der Mechanismus, daß sich der Zuweisung einer höher zu bewertenden Tätigkeit automatisch eine Höhergruppierung anschließe, sei gerade bei der nur vorübergehenden und insbesondere auch bei der vertretungsweisen Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nicht gegeben. Bei der Auslegung sei ferner zu berücksichtigen, daß die Funktionsfähigkeit der Verwaltung berührt sei. Vertretungsregelungen stellten sich auch als eine arbeitsorganisatorische Maßnahme dar, die schwerpunktmäßig die Aufgabenerfüllung beträfen. Es gehe nicht an, daß Vertretungsregelungen in praktisch allen Vertretungsfällen durch vorläufige Regelungen im Sinne von § 69 Abs. 5 BPersVG umgesetzt werden müßten, was überdies nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht ohne weiteres möglich sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG ist auch in Fällen der nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gegeben, und zwar auch in Vertretungsfällen, soweit die Vertretung nicht bereits durch den Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungsplan der Dienststelle vorwegnehmend geregelt ist. Nur klarstellend ist der Beschlußausspruch wegen dieser zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht umstrittenen Einschränkung neugefaßt worden.
- Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht in vollem Umfang eröffnet. Dem Beschlußausspruch ist nicht zu entnehmen, daß die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Klärung der Frage beschränkt sein solle, ob die vorübergehende vertretungsweise Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG der Mitbestimmung unterliegt. Eine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist um so weniger anzunehmen, als der Antragsteller mit seinem Antrag im Beschwerdeverfahren zu erkennen gegeben hat, daß ihm an einer Klärung der Rechtsfrage gelegen ist, daß auch in Vertretungsfällen keine Abweichung vom Grundsatz der Mitbestimmungspflichtigkeit der vorübergehenden Übertragung höher zu bewertender Tätigkeiten gilt.
- Dem Antrag fehlt weder das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis noch das Feststellungsinteresse. Auch nach Erledigung des Anlasses für den konkreten Beteiligungsstreit durfte der Antragsteller im Beschwerdeverfahren seinen Antrag noch auf eine Feststellung zu den hinter dem anlaßgebenden Streitfall stehenden konkreten Rechtsfragen umstellen (stRspr, vgl. Beschluß vom 2. Juni 1993 – BVerwG 6 P 3.92 – PersR 1993, 450 f. = PersV 1994, 126 = ZTR 1993, 525, m.w.N.). Zwar hat nach den Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts bei den ursprünglich strittig gewesenen Fällen eine vertretungsweise Übertragung höher zu bewertender Tätigkeiten nicht vorgelegen. Denn Auslöser dieser personellen Maßnahmen war hier ausschließlich die Einrichtung einer dritten Musterungskommission und nicht etwa die vertretungsweise Übertragung von Tätigkeiten, die sonst einem anderen Beschäftigten übertragen sind. Die Frage der Mitbestimmung bei der vertretungsweisen Übertragung höher zu bewertender Tätigkeiten hat also nicht tatsächlich “hinter dem anlaßgebenden Streitfall” gestanden. Der Beigeladene hatte sich jedoch aus Anlaß dieser Fälle dem Antragsteller gegenüber speziell darauf berufen, daß es sich bei der “vorübergehenden vertretungsweisen Übertragung höher zu bewertender Tätigkeiten nicht um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme” handele. Daher war die Frage nach der Mitbestimmungspflichtigkeit der vertretungsweisen Übertragung höher zu bewertender Tätigkeiten schon aus Anlaß der umstritten gewesenen Maßnahmen zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens konkret strittig geworden. Diese Frage kann sich zwischen ihnen auch jederzeit mit mehr als nur geringfügiger Wahrscheinlichkeit in erheblicher Weise erneut als strittig stellen. Die Fortführung des Verfahrens kann daher einer umfassenden und verbindlichen Klärung der in vergleichbaren und ähnlichen Fällen bestehenden Befugnisse des Antragstellers dienen. Dies muß zur Annahme des Rechtsschutzbedürfnisses und des Feststellungsinteresses ausreichen; es kann insbesondere nicht die Rede davon sein, daß die Beteiligten das Beschlußverfahren in willkürlicher Weise dazu mißbrauchten, vom Gericht ein Gutachten zu einer abstrakten Rechtsfrage einzuholen.
Mit Beschluß vom 22. Oktober 1991 – BVerwG 6 ER 502.91 – hat der Senat entschieden, daß er nicht an der vom 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts vertretenen Rechtsauffassung festhalte, wonach die vorübergehende oder vertretungsweise Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit an einen Angestellten nicht der Mitbestimmung des Personalrats unterliege; er schließe sich der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts in dem Vorlegungsbeschluß vom 18. Juni 1991 – 1 ABR 56/90 (A) – (PersR 1991, 474 ff.) an, wonach gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG auch derartige Maßnahmen mitbestimmungspflichtig seien. An dieser Auffassung ist festzuhalten, jedoch ist klarstellend darauf hinzuweisen, daß sich diese Anschließung nicht auf Vertretungsregelungen in Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungsplänen bezieht. Die Vorlage des Bundesarbeitsgerichts hatte Vertretungsfälle nicht zum Gegenstand. Daher reichte es für das Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes aus, die frühere Auffassung des 7. Senats aufzugeben. Der Abgrenzung für die Vertretungsfälle bedurfte es seinerzeit noch nicht.
Der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts ist für die Fälle der vorübergehenden Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit an einen Angestellten grundsätzlich zuzustimmen. Das schließt die vertretungsweise Übertragung derartiger Tätigkeiten von personalvertretungsrechtlicher Relevanz ein, soweit sie im Einzelfall aus besonderem Anlaß außerhalb des Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungsplanes erfolgt. Der Mitbestimmungstatbestand ist nicht nur auf die dauerhafte Übertragung dieser Tätigkeiten angelegt. Sämtliche Auslegungsmethoden sprechen gegen diese Auffassung. Praktikabilitätsfragen, die Aufgabenerfüllung oder gar die Funktionsfähigkeit der Verwaltung nötigen nicht zu einer anderen Auslegung. Im einzelnen wird auf die näheren Gründe der genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Bezug genommen, die auch in der früher abweichenden Literatur Zustimmung gefunden hat (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese/Fohrmann/Jeske/Görgens, BAT, § 24 Erl. 1; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT, § 24 Erl. 1; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 8. Aufl., § 75 Rn. 10; ebenso: Altvater/Bacher/Hörter/Peiseler/Sabottig/Schneider/Vohs, BPersVG, 4. Aufl. § 75 Rn. 13; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 75 Rn. 28; a.M.: Fischer/Goeres in: Fürst GKÖD K § 75 Rn. 21b; Lorenzen/Haas, BPersVG, § 75 Rn. 36a). Die maßgeblichen Erwägungen sind aus der Sicht des Senats wie folgt zusammenzufassen:
- Dem Wortlaut des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG lassen sich Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Mitbestimmungstatbestandes auf die Fälle einer dauerhaften Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit nicht entnehmen. Der allgemeine Sprachgebrauch mag dem zwar nicht absolut entgegenstehen, gibt aber jedenfalls für eine solche Einschränkung positiv nichts her. Hingegen weist der vom 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts als maßgeblich angeführte Sprachgebrauch der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in eine andere Richtung. In den §§ 22 bis 24 BAT sind sowohl Fälle angesprochen, in denen eine Tätigkeit nur “vorübergehend übertragen” wird als auch solche, in denen diese Tätigkeit “nicht nur vorübergehend”, d.h. auf Dauer, ausgeübt wird. Da der Gesetzgeber des Bundespersonalvertretungsgesetzes diese durch die Tarifverträge vorgegebene Unterscheidung in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG nicht aufgegriffen hat, ist nicht anzunehmen, daß er die Mitbestimmung auf die Fälle einer dauerhaften Übertragung hat beschränken wollen. Wenn er dies gewollt hätte, so hätte es nahegelegen, wie in anderen Gesetzen zum Ausdruck zu bringen, daß es ihm lediglich um die “nicht nur vorübergehende” Übertragung gehe (vgl. etwa § 76 Abs. 1 Nr. 2 BaWüPersVG, § 76 Abs. 1 Nr. 2 BlnPersVG, § 63 Abs. 1 Nr. 10 BbgPersVG), oder aber, ab welcher Dauer von einer mitbestimmungspflichtigen Übertragung die Rede sein kann, wie dies für andere Maßnahmen etwa in § 75 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG oder in § 95 Abs. 3 BetrVG geschehen ist (vgl. auch die landesrechtlichen Regelungen in Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 BayPersVG, § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NWPersVG, § 65 Abs. 2 Nr. 3 NdsPersVG, § 78 Abs. 2 Nrn. 3, 4 und 5 RhPPersVG a.F.).
Gegen eine einschränkende Auslegung des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG sprechen insbesondere auch die Gesetzesmaterialien des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Nach Verabschiedung des Gesetzes durch den Deutschen Bundestag hat das Land Bayern während des Zustimmungsverfahrens im Bundesrat beantragt, den Vermittlungsausschuß anzurufen und das BPersVG in einigen Punkten zu ändern, u.a. auch zu § 76 Abs. 1 Nr. 3 (BRDrucks 50/10/74 S. 3). Die Nr. 3, die bis dahin lautete,
“3. Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit,”
sollte wie folgt gefaßt werden:
“3. nicht nur vorübergehende Übertragung der Dienstaufgaben eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt,”.
Begründet wurde dieser Änderungsantrag im wesentlichen wie folgt: “Eine nur vorübergehende Übertragung von Dienstaufgaben des anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt soll nicht der Beteiligung des Personalrats nach dieser Vorschrift unterliegen” (BRDrucks 50/10/74 S. 3). Der Bundesrat hat diesem Antrag jedoch nicht stattgegeben und dem Gesetz in der vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Fassung zugestimmt (BRDrucks 50/74). Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß der Gesetzgeber die “nur vorübergehende Übertragung” in den Mitbestimmungstatbestand des § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG mit einbeziehen wollte. Nichts anderes kann dann für den insoweit im Wortlaut identischen § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG gelten, zumal da die Begründung des Abänderungsantrages die nach Ansicht des Landes Bayern nicht sachgerechte Übernahme des Wortlautes aus dem “Recht der Angestellten und Arbeiter” beanstandet hatte.
Aus der inneren Systematik der Mitbestimmungsregelung in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG ergibt sich nichts anderes. Die dauerhafte Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit ist stets mit einer Höher- oder Rückgruppierung verbunden. Wäre es dem Gesetzgeber in allen Fällen des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG ausschließlich darum gegangen, die Personalvertretung nur an Maßnahmen zu beteiligen, die unmittelbare Änderungen des Lohn- und Vergütungsanspruchs – und nicht etwa auch die Zahlung von Zulagen – zur Folge hätten, wie dies der Oberbundesanwalt meint, so hätte sich wegen dieser Tarifautomatik die Anführung der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit erübrigt. Es hätte dann bei der Mitkontrolle der Eingruppierung in die richtige Vergütungsgruppe im Wege der Mitbestimmung bei der Höher- oder Rückgruppierung verbleiben können. Also muß die zusätzliche Erwähnung der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit einen selbständigen beteiligungsrechtlichen Gehalt haben.
Auch aus dem Verhältnis der Nr. 2 zu den unter den übrigen Nummern des § 75 Abs. 1 BPersVG zusammengefaßten Mitbestimmungstatbeständen ergeben sich keine anderen Hinweise. Da unter den Voraussetzungen des § 24 BAT die vorübergehende (§ 24 Abs. 1 BAT) einschließlich der vertretungsweisen (§ 24 Abs. 2 BAT) Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit eine Zulage auslösen kann, besteht auch bei einer Zuordnung dieser Formen der Übertragung zu § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG ein sinnvoller Zusammenhang zwischen den dann insgesamt unter dieser Nummer zusammengefaßten Mitbestimmungstatbeständen.
- Mit Recht hat das Bundesarbeitsgericht den Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit darin gesehen, durch den Personalrat sowohl die Interessen des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers als auch insbesondere diejenigen der anderen Arbeitnehmer in der Dienststelle zur Geltung zu bringen, um auch bei derartigen Maßnahmen eine Behandlung aller Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit zu gewährleisten. Auch von daher rechtfertigt sich hier keine den Wortlaut einengende Auslegung. Denn wie das Bundesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann auch die nur vorübergehende Übertragung der hier in Rede stehenden Tätigkeiten sowohl die Rechtsstellung des betroffenen Arbeitnehmers nachhaltig beeinflussen als auch die Interessen der anderen Arbeitnehmer der Dienststelle in gewichtiger Weise berühren. Für den betroffenen Arbeitnehmer gilt, daß eine Bewährung bei der vorübergehenden Wahrnehmung höherwertiger Tätigkeiten seinen beruflichen Aufstieg begünstigen, ein Scheitern sich für ihn insoweit nachteilig auswirken kann. Außerdem kann für ihn unter den Voraussetzungen des § 24 BAT ein Anspruch auf eine Zulage entstehen. Aus der Sicht der anderen Beschäftigten in der Dienststelle kann sich die Frage stellen, warum nicht ihnen die Vergünstigungen und Chancen eingeräumt werden, die mit der Möglichkeit einer vorübergehenden Wahrnehmung einer höherwertigen Tätigkeit verbunden sind. Außerdem können sich für sie aus der Zusammenarbeit mit denjenigen, denen höherwertige Tätigkeiten übertragen werden, zusätzliche erhebliche Belastungen ergeben.
Das Interesse an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung gebietet hier keine andere Auslegung, wenn man die Grenzen berücksichtigt, an die eine Mitbestimmung bei der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten in Vertretungsfällen stößt. Alle Mitbestimmungsfälle des § 75 Abs. 1 BPersVG betreffen Maßnahmen der Dienststelle, die auf das einzelne Beschäftigungsverhältnis bezogen sind. Von dieser Mitbestimmung unberührt bleiben generelle Regelungen verwaltungsorganisatorischer Art, wie sie z.B. in den Vertretungsregelungen der Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungspläne enthalten sind. Eine auf diesem Wege planmäßig vorwegnehmende Übertragung anderer (höher oder niedriger zu bewertender) Tätigkeiten ist eine der Mitbestimmung entzogene organisatorische Maßnahme der Dienststelle (§ 104 Satz 3 BPersVG). Sie steht auch beim späteren Eintritt des konkreten Vertretungsfalles nicht der Mitbestimmung offen, wenn und soweit die Übertragung der Vertretung die automatische Folge der vorwegnehmenden Regelung ist, eine Aufgabenübertragung im Einzelfall also nicht mehr erfolgen muß.
Das Erfordernis der Durchführung von Mitbestimmungsverfahren in den verbleibenden Vertretungsfällen und den sonstigen Fällen einer vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten muß die Verwaltungstätigkeit nicht beeinträchtigen. Denn die verbleibenden Fälle dürften nicht sehr häufig sein. Außerdem besteht in diesen Fällen die Möglichkeit einer vorläufigen Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG, die es dem Dienststellenleiter ermöglicht zu verhindern, daß die Erfüllung des Amtsauftrages gefährdet wird. Die Rechtsprechung des Senats zu § 69 Abs. 5 BPersVG ist nicht in dem Sinne zu verstehen, daß sie sehr kurzfristig wirksame Maßnahmen in personellen Angelegenheiten, die sich voraussichtlich vor Abschluß des Beteiligungsverfahrens, d.h. binnen weniger Wochen, wieder erledigt haben werden, von vorläufigen Regelungen wegen überhöhter Anforderungen praktisch ausnehmen würde. Insbesondere wenn von derart kurzfristigen Maßnahmen die Aufgabenerfüllung der Dienststelle abhängt, müssen vorläufige Regelungen bis zur Äußerung des Personalrates möglich sein. Dies ist auch unter Berücksichtigung der Belange der Personalvertretung unbedenklich, wenn und soweit der Dienststellenleiter seinen Pflichten nach § 69 Abs. 5 Satz 2 BPersVG nachkommt. An die “Unverzüglichkeit” der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens sind dann allerdings strenge Anforderungen zu stellen.
- Der Senat hat erwogen, ob sich weitergehende Einschränkungen durch eine Übernahme der Mindestzeiten aus § 24 Abs. 1 und 2 BAT mit Gründen der Praktikabilität rechtfertigen lassen. Nicht zuletzt deshalb, weil ausweislich der Gesetzesmaterialien eine unbewußte gesetzliche Regelungslücke – wie dargelegt – nicht vorliegt, sieht er sich daran gehindert. Die drei Fristen in § 24 Abs. 1 und 2 BAT (ein, zwei bzw. drei Monate) zeigen aber, daß bei sehr kurzen Zeiträumen, etwa bei der vertretungsweisen Übertragung höherwertiger Tätigkeiten aus unvorhergesehenem Anlaß, die etwa auf wenige Stunden begrenzt ist, die individuellen Belange der Betroffenen allenfalls marginal berührt werden. Entsprechendes gilt für die kollektiven Belange, die der Personalrat zu vertreten hat. Weichenstellungen für spätere Höhergruppierungen sind hier unmittelbar nicht zu erwarten. Bei diesen nur für sehr kurze Zeiträume angeordneten Vertretungen fehlt es offensichtlich an der personalvertretungsrechtlichen Relevanz der “Notmaßnahme”; faktisch handelt es sich hierbei dann auch nicht mehr um die personenbezogene Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Vielmehr steht die Aufgabenerfüllung im Vordergrund. Etwas anderes gilt jedoch etwa dann, wenn diese kurzfristige, stundenweise Vertretungsanordnung sich bei derselben Person mehrfach wiederholt. In diesen Fällen läßt sich die personalvertretungsrechtliche Relevanz nicht als offensichtlich fehlend verneinen, ist daher die Beteiligung der Personalvertretung aus den vorstehend dargelegten Gründen geboten. Zur Vermeidung unnötiger Konfliktfälle und eines unnötigen Verwaltungsaufwandes werden sich Dienststelle und Personalvertretung einer Dienstvereinbarung, die die Behandlung von kurzfristigen Vertretungsregelungen zum Inhalt hat, nicht widersetzen können. In ihr ließen sich für Bereiche, in denen anstelle einer konkret vorwegnehmenden Vertretungsregelung eine flexible Gestaltung der Vertretung dringend angezeigt erscheint, allgemeine Grundsätze für die spätere Heranziehung zur Vertretung im Einzelfall regeln.
Nur aus Gründen der Klarstellung war nach allem der Ausspruch des Beschwerdegerichts um die Einschränkung zu ergänzen, daß die Mitbestimmung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zwar auch in Vertretungsfällen gegeben ist, jedoch insoweit nicht, als dies bereits durch den Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungsplan der Dienststelle vorweggenommen ist. Eine derart einschränkende Klarstellung ist möglich, weil sie den Ausspruch über das zur Entscheidung gestellte Begehren nicht ändert. Weder die anlaßgebenden Maßnahmen noch das Vorbringen des Antragstellers deuten darauf hin, daß eine Entscheidung auch zu Beteiligungsfragen anderer als personeller Einzelmaßnahmen begehrt wird. Die Klarstellung erscheint andererseits nötig, weil die knappe Begründung der Beschwerdeentscheidung es als möglich erscheinen läßt, das Vorbringen des Beteiligten und des Oberbundesanwalts es sogar als wahrscheinlich nahelegen, daß der Ausspruch ohne diese Klarstellung Mißverständnisse auslöst.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Niehues, Seibert, Albers, Vogelgesang, Eckertz-Höfer
Fundstellen
Haufe-Index 893658 |
BVerwGE, 247 |
ZBR 1998, 236 |
AP, 0 |
DÖV 1998, 563 |
PersR 1998, 155 |
DVBl. 1998, 636 |