Entscheidungsstichwort (Thema)
Initiativrecht der Personalvertretung, Inhalt und Grenzen des –
Leitsatz (amtlich)
1. Die Personalvertretung übt mit Anträgen aufgrund ihres Initiativrechts Mitbestimmungsbefugnisse in aktiver Form aus.
2. Das Initiativrecht erweitert die gesetzlichen Mitbestimmungsbefugnisse inhaltlich nicht. Die Initiativen der Personalvertretung müssen sich aus ihrem Auftrag rechtfertigen, die Belange der Gesamtheit der Beschäftigten der Dienststelle oder die der Dienststelle wahrzunehmen.
3. In Personalangelegenheiten darf ein Initiativantrag daher nicht auf eine konkrete Maßnahme abzielen, sondern er muß sich darauf beschränken, die Dienststelle zu zwingen, ihrerseits eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme einzuleiten.
Normenkette
PersVG Berlin § 79 Abs. 4
Verfahrensgang
OVG Berlin (Beschluss vom 17.10.1979; Aktenzeichen PV Bln 6.78) |
VG Berlin (Beschluss vom 22.03.1978; Aktenzeichen FK-Bln 18.77) |
Tenor
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 17. Oktober 1979 wird aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen Berlin – vom 22. März 1978 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Im Dezember 1976 schlug der Leiter der Direktion für Spezialaufgaben der Verbrechensbekämpfung, der Beteiligte zu 3), dem Polizeipräsidenten in Berlin, dem Beteiligten zu 1), einen Kriminalobermeister zur Beförderung zum Kriminalhauptmeister vor, der in der Zeit von 1963 bis 1971 drei Verkehrsvergehen begangen hatte und deswegen strafgerichtlich verurteilt worden sowie in zwei dieser Fälle zusätzlich mit einer Disziplinarmaßnahme belegt worden war. Die mit der letzten Disziplinarmaßnahme verbundene Beförderungssperre war erst im April 1976 ausgelaufen. Der Beteiligte zu 1) gab den ihm über den Landespolizeidirektor bei dem Polizeipräsidenten in Berlin, dem Beteiligten zu 2), zugeleiteten Beförderungsvorschlag, der die erste disziplinare Verurteilung des Beamten unerwähnt ließ, mit der Weisung an den Beteiligten zu 2) zurück, auch diese Verurteilung in die Würdigung des Beamten einzubeziehen. Trotz einer die Beförderung weiterhin befürwortenden Äußerung des Beteiligten zu 3) legte der Beteiligte zu 2) den Beförderungsvorschlag dem Beteiligten zu 1) danach zunächst nicht wieder vor, sondern verfügte eine längere Wiedervorlagefrist.
Daraufhin beantragte der Antragsteller unter dem 12. April 1977 unter Hinweis auf sein Initiativrecht die Ernennung des Beamten zum Kriminalhauptmeister mit der Begründung, die Zurückstellung des Betroffenen von der Beförderung sei sachlich und rechtlich nicht gerechtfertigt. Der Beteiligte zu 1) verneinte ein Initiativrecht des Antragstellers in der Angelegenheit und teilte dies dem Antragsteller unter dem 26. April 1977 mit.
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, daß die Beteiligten im Zusammenhang mit der Beförderung des Beamten zum Kriminalhauptmeister das Initiativrecht des Antragstellers gemäß § 79 Abs. 4 PersVG verletzt haben.
Das Verwaltungsgericht wies den Antrag zurück; auf die Beschwerde des Antragstellers traf das Beschwerdegericht die beantragte Feststellung, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Beteiligte zu 1) habe gemäß § 79 Abs. 4 Satz 2 PersVG sachlich über den Antrag des Antragstellers entscheiden und, sofern er ihm nicht habe stattgeben wollen, im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 PersVG mit dem Ziel der Einigung mit dem Antragsteller verhandeln müssen. In § 79 Abs. 4 PersVG sei dem Personalrat das Recht eingeräumt, eine Maßnahme, die seiner Mitbestimmung unterliege, auch zu beantragen. Dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich nicht entnehmen, daß dieses Antragsrecht auf bestimmte, der Mitbestimmung des Personalrats unterworfene Maßnahmen beschränkt sei. Innerhalb der Grenzen, die der Mitbestimmung des Personalrats in den jeweiligen Sachzusammenhang allgemein durch das Personalvertretungsrecht und durch andere Rechtsvorschriften wie insbesondere durch das Haushaltsrecht und das öffentliche Dienstrecht gesetzt seien, unterliege die Antragsbefugnis des Personalrats vielmehr keinen Beschränkungen. Da derartige Vorschriften die Beförderung des Beamten im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen hätten, sei der Antragsteller befugt gewesen, diese Maßnahme in einem Initiativantrag vorzuschlagen. Sein Antragsrecht ergebe sich in personalvertretungsrechtlicher Sicht aus dem ihm in § 71 Abs. 1 PersVG erteilten gesetzlichen Auftrag, darüber zu wachen, daß alle Dienstkräfte nach Recht und Billigkeit behandelt werden. Nur dies habe der Antragsteller auch erreichen wollen; er habe nicht beabsichtigt, sich zum Interessenvertreter des betroffenen Beamten zu machen. Der Beteiligte zu 1) habe den Antrag daher nicht als Anregung im Sinne von § 72 Abs. 1 PersVG behandeln dürfen, sondern habe ihn gemäß § 79 Abs. 4 Satz 2 PersVG bescheiden und damit die Voraussetzungen für ein Einigungsverfahren schaffen müssen. Das habe er rechtsfehlerhaft versäumt.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er die Auslegung des § 79 Abs. 4 PersVG durch das Beschwerdegericht beanstandet. Er meint, das Initiativrecht eröffne dem Personalrat nicht die Befugnis, Anträge in einer Personalangelegenheit eines einzelnen Bediensteten zu stellen, der seine Belange selbst mit Rechtsmitteln wahren könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründe § 79 Abs. 4 PersVG im übrigen kein Antragsrecht des Personalrats, sondern regele nur dessen formelle Voraussetzungen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 17. Oktober 1979 zu ändern und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen Berlin – vom 22. März 1978 zurückzuweisen.
Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben sich zu der Rechtsbeschwerde nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß beruht auf einer Verkennung der Grenzen der Befugnisse der Personalvertretung.
Die Personalvertretungsgesetze räumen den Personalvertretungen die Befugnis ein, in Angelegenheiten, die ihrer Mitbestimmung unterliegen, Maßnahmen bei der Dienststelle zu beantragen und ihr Anliegen in dem Fall, daß über den Antragsgegenstand keine Einigung erzielt wird, im Verfahren vor der Einigungsstelle weiterzuverfolgen. Mit dieser als Initiativrecht bezeichneten Befugnis hat die Personalvertretung die Möglichkeit, Maßnahmen, die sie im Interesse der Angehörigen der Dienststelle oder der Dienststelle selbst für geboten hält, von sich aus einzuleiten und deren Regelung gegebenenfalls im Verfahren vor der Einigungsstelle gegen den Willen der Dienststelle durchzusetzen. Dieses Initiativrecht verwirklicht den das Personalvertretungsrecht insgesamt beherrschenden Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Dienststelle und Personalvertretung dahin gehend, daß es der Personalvertretung hinsichtlich der Einleitung derjenigen mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen, auf die es sich erstreckt, den gleichen Rang wie der Dienststelle gibt. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 13. Februar 1976 – BVerwG 7 P 9.74 – (BVerwGE 50, 176 [183]) und – BVerwG 7 P 4.75 – (BVerwGE 50, 186 [196]) ausgeführt hat, wird so sichergestellt, daß derartige Angelegenheiten nicht gänzlich oder unnötig lange ungeregelt bleiben, weil sich die Dienststelle ihrer trotz bestehender Regelungsbedürftigkeit nicht oder nicht rechtzeitig annimmt.
Das Initiativrecht erweitert die gesetzlichen Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung jedoch nicht, sondern setzt die Personalvertretung lediglich in den Stand, ihren Mitbestimmungsrechten nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Personalvertretungsgesetzes von sich aus Geltung zu verschaffen, indem sie insoweit eigene Anträge stellt. Das Initiativrecht ermöglicht somit, wie sich aus seiner gesetzlichen Anknüpfung an die Mitbestimmung ergibt, lediglich die Ausübung von Mitbestimmungsrechten in aktiver Form.
Die Mitbestimmung – auch in der Form der Ausübung des Initiativrechts – dient der Erfüllung der Aufgabe der Personalvertretung, die kollektiven Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken. Dieser Auftrag schließt es seinem Wesen nach aus, daß sich die Personalvertretung in die Rolle des Rechtsvertreters oder Sachwalters eines einzelnen Beschäftigten begibt, um dessen individuelle Belange mit ihren Mitteln durchzusetzen. Zwar liegen Initiativen der Personalvertretung in Personalangelegenheiten einzelner Beschäftigter nicht generell außerhalb des Rahmens des ihr eingeräumten Initiativrechts; vielmehr kann sie auch in solchen Angelegenheiten das Tätigwerden der Dienststelle durch eigene Anträge erzwingen, wenn das Unterlassen oder die sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung der beantragten Maßnahme seitens der Dienststelle Belange berührt, die die Personalvertretung wahrzunehmen hat. Damit ist zugleich die Grenze des Initiativrechts der Personalvertretung in solchen Angelegenheiten gekennzeichnet. Denn dieses Recht soll der Personalvertretung lediglich als wirksames Mittel dazu dienen, die Dienststelle im Falle ihrer Untätigkeit zum Handeln zu zwingen, um in dem sich sodann anschließenden Mitbestimmungsverfahren ihre Rechte in der Sache selbst wahrnehmen zu können. Diese durch Sinn und Zweck des Initiativrechts gezogene Grenze überschreitet die Personalvertretung, wenn sie versucht, mit Hilfe ihrer Antragsbefugnis individuelle Anliegen einzelner Beschäftigter durchzusetzen oder unmittelbar Einfluß auf eine im personalpolitischen Ermessen der Dienststelle stehende Entscheidung zu nehmen. Denn die ihr im Rahmen der Mitbestimmung obliegende Überwachungspflicht berechtigt sie weder, den Rechtsschutz oder die Interessenvertretung eines einzelnen Beschäftigten zu übernehmen, noch in das rechtmäßig ausgeübte personalpolitische Ermessen der Dienststelle einzugreifen (vgl. zum letzteren: BVerwGE 61, 325 [330]).
Die dargestellten, durch seine Bindung an die Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung vorgegebenen inhaltlichen Grenzen des Initiativrechts und dessen Beschränkung auf die erläuterten Ziele lassen dieses nicht zu einem wirkungslosen Instrument werden. Den Personalvertretungen ist damit vielmehr ein geeignetes und ausreichendes Mittel in die Hand gegeben, um aus der Rolle des passiven, lediglich reagierenden Partners heraustreten und die Dienststelle zwingen zu können, in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit einen Vorschlag zu unterbreiten, der sodann im Mitbestimmungsverfahren zu behandeln ist. Damit wird den von der Personalvertretung wahrzunehmenden Belangen genügt, ohne daß die Personalvertretung der Dienststelle die Entscheidung über die jeweilige mitbestimmungspflichtige Maßnahme selbst aus der Hand nehmen oder insoweit auch nur in einen „Wettstreit” mit ihr treten kann oder gar in den Stand gesetzt wird, einen ihr vom Personalvertretungsrecht nicht eingeräumten Einfluß auf die Entscheidung selbst zu nehmen.
Von dieser rechtlichen Sicht ist letztlich auch das Beschwerdegericht ausgegangen; es hat die danach gebotene Abgrenzung individueller, der Durchsetzung seitens der Personalvertretung entzogener Anliegen eines einzelnen gegen Belange der Gesamtheit der Beschäftigten, die auch im Rahmen einer einzelnen Personalangelegenheit zum Tragen kommen können, aber unzutreffend vorgenommen.
Schon der Beschluß des Beschwerdegerichts vom 21. Februar 1979, an den es in dem hier angefochtenen Beschluß anknüpft, begegnet nach dem zuvor Gesagten erheblichen Bedenken. Gegenstand der seinerzeit vom Beschwerdegericht gebilligten Initiative mag zwar das Bemühen der Personalvertretung gewesen sein, eine von der Dienststelle beabsichtigte Maßnahme zu verhindern, zu der sie „ihre Zustimmung … wegen der Gesetzwidrigkeit verweigern durfte”. Das in jenem Beschluß vom Beschwerdegericht anerkannte Recht der Personalvertretung, „den am nächsten geeigneten Beamten zur Beförderung vorzuschlagen”, läßt sich nach den dargestellten Grundsätzen aber nicht in Einklang mit dem – wie dargelegt – begrenzten Initiativrecht der Personalvertretung bringen.
Der den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Antrag, einen bestimmten Beamten, dessen Beförderung der Beteiligte zu 2) mit Rücksicht auf dessen disziplinarische Verfehlungen zurückgestellt hatte, in Abkehr von dieser Entscheidung zu befördern, überschritt vollends die Grenzen des Initiativrechts. Er zielte ersichtlich nicht darauf ab sicherzustellen, „daß alle Dienstkräfte nach Recht und Billigkeit behandelt werden” und der Beteiligte zu 2) das Gleichbehandlungsgebot beachtet; er sollte auch nicht verhindern, daß eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit zu lange ungeregelt blieb, wie das Beschwerdegericht meint. Durch ihn sollte der Beteiligte zu 2) vielmehr veranlaßt werden, die disziplinarischen Verfehlungen des in dem Antrag bezeichneten Beamten bei der Einschätzung von dessen Beförderungswürdigkeit außer acht zu lassen und diesen Beamten damit ebenso zu behandeln wie einen gleich befähigten, nicht disziplinarisch belangten Beamten. Dieses Anliegen aber konnte sich – schon wegen der Individualität disziplinarischer Verfehlungen – allenfalls aus den konkreten Umständen des Einzelfalles, nicht aber aus Erwägungen rechtfertigen, die für eine unbestimmte Mehrzahl von Fällen Bedeutung hätten erlangen und damit ein Tätigwerden der Personalvertretung im Interesse „der Beschäftigten der Dienststelle” hätten rechtfertigen können. Das belegt, daß der Antragsteller im vorliegenden Fall keine seiner Wahrnehmung unterliegenden Belange vertreten, sondern anstelle des von der Beförderung zurückgestellten Beamten eine Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht im Einzelfall gerügt und damit einen individuellen Abwehranspruch des betreffenden Beamten verfochten hat. Damit hat er die Grenzen seiner Antragsbefugnis offensichtlich überschritten.
Die Initiative des Antragstellers läßt sich personalvertretungsrechtlich auch nicht damit rechtfertigen, daß sie als Maßnahme im Rahmen der der Personalvertretung obliegenden Überwachungspflicht bezeichnet wird, wie es das Beschwerdegericht getan hat. Denn Gegenstand dieser Pflicht ist wiederum nur die Beachtung der Rechte der Beschäftigten und der Pflichten der Dienststelle, soweit personalvertretungsrechtliche Belange berührt werden. Anders als das Beschwerdegericht meint, ist die Personalvertretung demgegenüber nicht dazu berufen, unter jedem denkbaren Gesichtspunkt „darüber zu wachen, daß alle Dienstkräfte nach Recht und Billigkeit behandelt werden”.
Nach alledem ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden, daß der Beteiligte zu 1) den Antrag des Antragstellers lediglich als Anregung im Sinne von § 72 Abs. 1 Nr. 1 PersVG behandelt und damit den Eintritt in das Einigungsverfahren verhindert hat. Der erstinstanzliche Beschluß war daher wiederherzustellen.
Unterschriften
Fischer, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1528577 |
BVerwGE, 137 |