Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalvertretungsrecht. Initiativrecht. Gegenstand und Grenzen des Initiativrechts der Personalvertretung
Leitsatz (amtlich)
(Anschluß zu BVerwG 6 P 22.82)
Normenkette
HPVG § 60 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 15.12.1982; Aktenzeichen HPV TL 3/81) |
VG Darmstadt (Entscheidung vom 21.11.1980; Aktenzeichen L 21/80) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 15. Dezember 1982 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller stellte unter dem 4. Juli 1980 bei dem Beteiligten zu 1) den Antrag, den in der Dienststelle des Beteiligten zu 1) tätigen Amtmann W. zum Amtsrat zur befördern. Der Beteiligte zu 1) lehnte das mit der Begründung ab, der Antrag finde in dem Initiativrecht des Antragstellers keine Grundlage. Der Antragsteller bat nunmehr den Beteiligten zu 2), das Stufenverfahren einzuleiten. Dies verweigerte der Beteiligte zu 2).
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, daß sein Initiativantrag auf Beförderung des Amtmanns W. zum Amtsrat von dem Beteiligten zu 2) im Stufenverfahren zu behandeln sei.
Zur Begründung hat er ausgeführt, das ihm in § 60 Abs. 3 HPVG eingeräumte Initiativrecht berechtige ihn, in allen Angelegenheiten, die der Mitbestimmung unterlägen, so auch in bezug auf Individualmaßnahmen, Anträge zu stellen. Mit seinem Antrag trete er auch nicht als Sachwalter der Belange eines einzelnen auf, zumal der Amtmann W. keine rechtliche Möglichkeit habe, seine Beförderung durchzusetzen. Er nehme vielmehr ein eigenes Recht wahr, ohne damit die Interessen anderer Bediensteter der Dienststelle zu beeinträchtigen. Denn die von ihm vorgeschlagene Beförderung wirke sich nicht zu Lasten eines anderen Bediensteten aus, sondern ziele auf die Besetzung einer unbesetzten Stelle ab.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Beschwerdegericht den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Beteiligte zu 2) sei nicht verpflichtet, den vom Antragsteller gestellten Initiativantrag im Stufenverfahren zu behandeln, weil der Antragsteller mit diesem Antrag sein Initiativrecht überschritten habe. Obwohl der Wortlaut des § 60 Abs. 3 HFVG darauf hindeute, daß der Personalvertretung das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Initiativrecht uneingeschränkt in allen ihrer Mitbestimmung unterliegenden Angelegenheiten zustehe, sei sie nicht befugt, Maßnahmen zu beantragen, die primär im Interesse und zugunsten eines einzelnen getroffen werden sollten. Diese einschränkende Auslegung des § 60 Abs. 3 HPVG geböten die Rechtsstellung der Personalvertretung als Organ der Personalverfassung und der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Im vorliegenden Fall aber sei der Antragsteller zweifelsfrei ausschließlich zugunsten eines einzelnen Beschäftigten tätig geworden. Dabei habe er überdies den Frieden in der Dienststelle gefährdet, weil für die Besetzung der unbesetzten Stelle der Besoldungsgruppe A 12 nicht nur der in dem Antrag bezeichnete Beamte, sondern auch andere Beamte in Betracht gekommen seien.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Auslegung des § 60 Abs. 3 HPVG durch das Beschwerdegericht rügt und sein Begehren weiter verfolgt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 15. Dezember 1982 aufzuheben und die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Darmstadt – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) – vom 21. November 1980 zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1) und 2) treten der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigen den angefochtenen Beschluß.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zutreffend entschieden, daß der Beteiligte zu 2) nicht verpflichtet ist, bezüglich des Antrages vom 4. Juli 1980 das Stufenverfahren einzuleiten.
Die Personalvertretungsgesetze räumen den Personalvertretungen die Befugnis ein, in Angelegenheiten, die ihrer Mitbestimmung unterliegen, Maßnahmen bei der Dienststelle zu beantragen und ihr Anliegen in dem Fall, daß über den Antragsgegenstand keine Einigung erzielt wird, im Verfahren vor der Einigungsstelle weiterzuverfolgen. Mit dieser als Initiativrecht bezeichneten Befugnis hat die Personalvertretung die Möglichkeit, Maßnahmen, die sie im Interesse der Angehörigen der Dienststelle oder der Dienststelle selbst für geboten hält, von sich aus einzuleiten und deren Regelung gegebenenfalls im Verfahren vor der Einigungsstelle gegen den Willen der Dienststelle durchzusetzen. Dieses Initiativrecht verwirklicht den das Personalvertretungsrecht insgesamt beherrschenden Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Dienststelle und Personalvertretung dahingehend, daß es der Personalvertretung hinsichtlich der Einleitung derjenigen mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen, auf die es sich erstreckt, den gleichen Rang wie der Dienststelle gibt. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 13. Februar 1976 – BVerwG 7 P 9.74 – (BVerwGE 50, 176 [183]) und – BVerwG 7 P 4.75 – (BVerwGE 50, 186 [196]) ausgeführt hat, wird so sichergestellt, daß derartige Angelegenheiten nicht gänzlich oder unnötig lange ungeregelt bleiben, weil sich die Dienststelle ihrer trotz bestehender Regelungsbedürftigkeit nicht oder nicht rechtzeitig annimmt.
Das Initiativrecht erweitert die gesetzlichen Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung jedoch nicht, sondern setzt die Personalvertretung lediglich in den Stand, ihren Mitbestimmungsrechten nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Personalvertretungsgesetzes von sich aus Geltung zu verschaffen, indem sie insoweit eigene Anträge stellt. Das Initiativrecht ermöglicht somit, wie sich aus seiner gesetzlichen Anknüpfung an die Mitbestimmung ergibt, lediglich die Ausübung von Mitbestimmungsrechten in aktiver Form.
Die Mitbestimmung – auch in der Form der Ausübung des Initiativrechts – dient der Erfüllung der Aufgabe der Personalvertretung, die kollektiven Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken. Dieser Auftrag schließt es seinem Wesen nach aus, daß sich die Personalvertretung in die Rolle des Rechtsvertreters oder Sachwalters eines einzelnen Beschäftigten begibt, um dessen individuelle Belange mit ihren Mitteln durchzusetzen. Zwar liegen Initiativen der Personalvertretung in Personalangelegenheiten einzelner Beschäftigter nicht generell außerhalb des Rahmens des ihr eingeräumten Initiativrechts; vielmehr kann sie auch in solchen Angelegenheiten das Tätigwerden der Dienststelle durch eigene Anträge erzwingen, wenn das Unterlassen oder die sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung der beantragten Maßnahme seitens der Dienststelle Belange berührt, die die Personalvertretung wahrzunehmen hat. Damit ist zugleich die Grenze des Initiativrechts der Personalvertretung in solchen Angelegenheiten gekennzeichnet. Denn dieses Recht soll der Personalvertretung lediglich als wirksames Mittel dazu dienen, die Dienststelle im Falle ihrer Untätigkeit zum Handeln zu zwingen, um in dem sich sodann anschließenden Mitbestimmungsverfahren ihre Rechte in der Sache selbst wahrnehmen zu können. Diese durch Sinn und Zweck des Initiativrechts gezogene Grenze überschreitet die Personalvertretung, wenn sie versucht, mit Hilfe ihrer Antragsbefugnis individuelle Anliegen einzelner Beschäftigter durchzusetzen oder unmittelbar Einfluß auf eine im personalpolitischen Ermessen der Dienststelle stehende Entscheidung zu nehmen. Denn die ihr im Rahmen der Mitbestimmung obliegende Überwachungspflicht berechtigt sie weder, den Rechtsschutz oder die Interessenvertretung eines einzelnen Beschäftigten zu übernehmen, noch in das rechtmäßig ausgeübte personalpolitische Ermessen der Dienststelle einzugreifen (vgl. zum letzteren: BVerwGE 61, 325 [330]).
Die dargestellten, durch seine Bindung an die Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung vorgegebenen inhaltlichen Grenzen des Initiativrechts und dessen Beschränkung auf die erläuterten Ziele lassen dieses nicht zu einem wirkungslosen Instrument werden. Den Personalvertretungen ist damit vielmehr ein geeignetes und ausreichendes Mittel in die Hand gegeben, um aus der Rolle des passiven, lediglich reagierenden Partners heraustreten und die Dienststelle zwingen zu können, in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit einen Vorschlag zu unterbreiten, der sodann im Mitbestimmungsverfahren zu behandeln ist. Damit wird den von der Personalvertretung wahrzunehmenden Belangen genügt, ohne daß die Personalvertretung der Dienststelle die Entscheidung über die jeweilige mitbestimmungspflichtige Maßnahme selbst aus der Hand nehmen oder insoweit auch nur in einen „Wettstreit” mit ihr treten kann oder gar in den Stand gesetzt wird, einen ihr vom Personalvertretungsrecht nicht eingeräumten Einfluß auf die Entscheidung selbst zu nehmen.
Hieraus ergibt sich für den den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Antrag des Antragstellers vom 4. Juli 1980 folgendes:
Der Antragsteller war und ist befugt, im Interesse der Gesamtheit der Beschäftigten darauf hinzuwirken, daß der Beteiligte zu 1) freie Stellen nicht ohne rechtlichen oder tatsächlichen Grund unbesetzt läßt und die übrigen Beschäftigten dadurch zusätzlich belastet. Eine auf dieses Ziel gerichtete Initiative des Antragstellers hätte sich auch nicht darauf beschränken müssen, nur ganz allgemein die unverzügliche Wiederbesetzung freiwerdender Stellen oder einer bestimmten besetzbaren Stelle zu verlangen. Bei dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt hätte der Antragsteller von dem Beteiligten zu 1) vielmehr verlangen dürfen, daß dieser je nach seiner Entscheidungskompetenz selbst die Besetzung der freien Stelle einleitete und die Zustimmung des Antragstellers zu seiner Besetzungsabsicht einholte oder daß er dem Beteiligten zu 2) einen Besetzungsvorschlag vorlegte, an dem der Antragsteller ebenfalls mitzubestimmen gehabt hätte.
Der Antragsteller war hingegen nicht berechtigt, den Beschäftigten, dem die freie Stelle übertragen werden sollte, wie geschehen, seinerseits unter den in Betracht kommenden Angehörigen der Dienststelle auszuwählen und mit einem Initiativantrag dessen mit einer Beförderung verbundene entsprechende Verwendung zu fordern. Damit versuchte er dem Beteiligten zu 1) die anstehende Personalentscheidung aus der Hand zu nehmen. Dieses Vorgehen überschritt die dargestellten Grenzen des Initiativrechts, wie sich daraus ergibt, daß es dem Antragsteller auch dann, wenn ihm der Beteiligte zu 1) einen Besetzungsvorschlag vorgelegt hätte, versagt gewesen wäre, die Beförderung eines in diesem Vorschlag nicht oder nicht an erster Stelle aufgeführten Beamten zu betreiben. Bei dieser Fallgestaltung wäre er vielmehr darauf beschränkt gewesen, den Vorschlag darauf zu prüfen, ob Anlaß bestand, die Zustimmung zur Ernennung oder Beförderung des vorgeschlagenen Beschäftigten aus einem der gesetzlich vorgesehenen Gründe zu verweigern.
Die vorliegende Fallgestaltung zeigt besonders deutlich die Gefahren, welche auftreten, wenn die Personalvertretung in Personalangelegenheiten einzelner Beschäftigter die zuvor erläuterten Grenzen ihrer Mitbestimmungsbefugnis mit Initiativanträgen zu überschreiten sucht. Setzt sie ihre Mittel ein, um die individuellen Interessen eines einzelnen Beschäftigten durchzusetzen, dann handelt sie ihrer Verpflichtung zuwider, im Interesse der Gesamtheit der Beschäftigten tätig zu werden; ihr Vorgehen wird von den übrigen Beschäftigten, insbesondere von den Konkurrenten des durch die Personalvertretung geförderten Beschäftigten, als „parteiisch” empfunden werden. Es stört damit den Frieden in der Dienststelle und ein wirkungsvolles Arbeiten der Personalvertretung. Auch das partnerschaftliche Verhältnis zum Dienststellenleiter wird durch ein solches Vorgehen belastet, weil die Personalvertretung damit in die dem Dienststellenleiter allein obliegende Befugnis einzugreifen versucht, die notwendigen Personalentscheidungen vorzubereiten und – mit Zustimmung der Personalvertretung – zu treffen.
Die angefochtene Entscheidung ist nach alledem aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Unterschriften
Fischer, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen