Entscheidungsstichwort (Thema)
Bruttolohn- und -gehaltslisten, Recht der Personalvertretung, die – einzusehen. Unterrichtsanspruch, Gegenstand und Grenzen des – der Personalvertretung. Vorlage, – von Unterlagen nicht durch Überlassung zum Verbleib bei der Personalvertretung
Normenkette
BPersVG § 67 Abs. 1, § 68 Abs. 1-2
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 27.01.1984; Aktenzeichen CB 23/82) |
VG Köln (Beschluss vom 18.05.1982; Aktenzeichen PVB 4/82) |
Tenor
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 27. Januar 1984 und der Beschluß des Verwaltungsgerichts Köln – Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen – vom 18. Mai 1982 werden geändert. Es wird festgestellt, daß der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Beschäftigten der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank zu gewähren.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 4.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank, eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1 BPersVG, gewährt ihren Beschäftigten zusätzlich zu der tariflichen Vergütung übertarifliche Zulagen, deren Höhe sich nach der individuellen Leistung des einzelnen Beschäftigten bemißt. Der bei ihr gebildete Personalrat, der Antragsteller, verlangt von dem Vorstand der Bank, dem Beteiligten, ihm Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu gewähren. Der Beteiligte stellte ihm aber nur eine Liste zur Verfügung, die Auskunft über die tarifliche Eingruppierung der Beschäftigten gab. Das weitergehende Verlangen des Antragstellers lehnte er mit der Begründung ab, es finde im Bundespersonalvertretungsgesetz keine Grundlage, weil dort eine dem § 80 Abs. 2 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz entsprechende Regelung fehle.
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet ist, ihm die Bruttolohn- und-gehaltslisten der Beschäftigten der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank auszuhändigen,
hilfsweise,
dem Vorsitzenden des Antragstellers oder dessen Stellvertreter oder einem anderen vom Antragsteller beauftragten Mitglied jederzeit Einblick in die Bruttolohn- und-gehaltslisten zu gewähren.
Er ist der Auffassung, sein Verlangen finde in § 68 Abs. 2 BPersVG eine Grundlage. Diese Vorschrift räume der Personalvertretung eine allgemeine Überwachungsaufgabe mit dem Ziel ein, dafür Sorge zu tragen, daß die Beschäftigten nach Recht und Billigkeit und unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes behandelt würden. Diese Aufgabe könne er ohne Kenntnis der an den einzelnen Beschäftigten insgesamt gezahlten Vergütung nicht erfüllen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers blieb ohne Erfolg, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Das Begehren des Antragstellers finde in § 68 Abs. 2 Satz 1 und 2 BPersVG keine rechtliche Grundlage. Diese Vorschriften regelten Art und Umfang der Informationspflicht des Dienststellenleiters und sähen in diesem Zusammenhang vor, daß der Personalvertretung diejenigen Unterlagen vorzulegen seien, die sie zur Durchführung ihrer Aufgaben benötige. Die Vorschrift begründe mithin keine uneingeschränkte Vorlagepflicht, sondern setze voraus, daß sich das Vorlageverlangen aus einer konkreten, ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabe der Personalvertretung rechtfertige. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Der Mitbestimmungskatalog der §§ 75, 76 BPersVG enthalte keinen Tatbestand, der geeignet sei, das Verlangen des Antragstellers zu stützen. Eine rechtliche Grundlage für dieses Verlangen ergebe sich insbesondere nicht aus § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG, wonach der Personalrat über Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle mitzubestimmen habe; denn nach überwiegender Meinung bestehe dieses Mitbestimmungsrecht nur hinsichtlich der Arbeiter, nicht jedoch hinsichtlich der Angestellten und Beamten einer Dienststelle. Der in der Vorschrift verwendete Begriff des „leistungsbezogenen Entgelts” erfasse allerdings auch die abstrakt-generelle Regelung „leistungsbezogener Entgelte”, die Angestellten gewährt würden. Auch darauf könne sich der Antragsteller indes nicht berufen, weil er Einblick in die Festsetzung des leistungsbezogenen Entgelts verlange, die nach dieser Rechtsprechung nicht seiner Mitbestimmung unterliege.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers finde dessen Begehren auch in § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG keine Grundlage, wonach der Personalrat darüber zu wachen habe, daß die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt würden. Zwar setze sein Überwachungsrecht keine begründeten Zweifel an der richtigen Anwendung solcher Bestimmungen voraus. Es bedürfe jedoch eines konkreten Anlasses, um auf der Grundlage dieser Vorschrift Einsicht in Unterlagen der Dienststelle zu verlangen; ein Einsichtsverlangen ohne einen solchen Anlaß scheitere daran, daß die Personalvertretung kein dem Dienststellenleiter übergeordnetes Kontrollorgan sei. Ein solches Verlangen verstoße vielmehr gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und gegen die Verpflichtung, den Frieden in der Dienststelle nicht zu gefährden.
Schließlich könne daraus, daß § 80 Abs. 2 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes dem Betriebs ausschuß das Recht zur Einsichtnahme in Bruttolohn- und -gehaltslisten einräume, nicht geschlossen werden, daß auch § 68 Abs. 2 BPersVG diese Befugnis einschließe. Das Informationsrecht des Betriebsrats sei im Betriebsverfassungsgesetz wesentlich umfassender ausgestaltet als das der Personalvertretung im Bundespersonalvertretungsgesetz. Wenn der Bundesgesetzgeber bei der Neuregelung des Personalvertretungsrechts keinen Anlaß gesehen habe, das Recht zur Einsichtnahme in Bruttolohn- und -gehaltslisten in das Bundespersonalvertretungsgesetz zu übernehmen, obwohl er an anderer Stelle sogar über die Regelungen des Informationsrechts im Betriebsverfassungsgesetz hinausgegangen sei, so könne daraus nur geschlossen werden, daß dies bewußt unterblieben sei. Aus der Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG lasse sich daher nicht darauf schließen, daß derartige Listen zu den Unterlagen gehörten, die der Personalvertretung vorzulegen seien.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er hält die Auslegung des § 68 BPersVG, auf der der angegriffene Beschluß beruht, für unrichtig, soweit sie die Pflicht des Dienststellenleiters, der Personalvertretung Unterlagen vorzulegen, von dem Vorhandensein eines konkreten, sich aus den Mitbestimmungs- oder Beteiligungsrechten der Personalvertretung herleitenden Anlasses abhängig macht. Nach seiner aus der Entstehungsgeschichte des Bundespersonalvertretungsgesetzes hergeleiteten Auffassung begründet diese Vorschrift die Pflicht des Dienststellenleiters, der Personalvertretung alles erforderliche Informationsmaterial „ohne Nachfrage” vorzulegen. Schranken seien dieser Pflicht allenfalls dort gezogen, wo sie von der Personalvertretung rechtsmißbräuchlich genutzt werden solle. Daß die in § 68 BPersVG festgelegte Unterrichtungs- und Vorlagepflicht die Bruttolohn- und -gehaltslisten einschließe, ergebe sich zudem aus dem erklärten Willen des Gesetzgebers, das Bundespersonalvertretungsgesetz unter Beachtung der Besonderheiten der öffentlichen Verwaltungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts dem vorher ergangenen Betriebsverfassungsgesetz anzupassen. Dazu habe es nicht der wörtlichen Übernahme der in § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG hinsichtlich der Bruttolohn- und -gehaltslisten getroffenen Bestimmung bedurft, weil es sich dabei um eine Kompetenzregelung handele, deren es im Personalvertretungsrecht nicht bedurft habe. Die vom Beschwerdegericht getroffene Feststellung, das Fehlen einer solchen Bestimmung in § 68 BPersVG nötige zu dem Schluß, daß der Personalvertretung das Recht zur Einsichtnahme in solche Listen nicht habe gewährt werden sollen, sei daher unzutreffend.
Die sonach bestehende Pflicht des Beteiligten, dem Antragsteller die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Beschäftigten der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank vorzulegen, sei in der Weise zu erfüllen, daß dem Antragsteller diese Listen ausgehändigt werden. Daraus rechtfertige sich der Hauptantrag. Jedenfalls aber sei den im Hilfsantrag bezeichneten Mitgliedern der Personalvertretung Einblick in diese Listen zu gewähren.
Für den Fall, daß die dem angegriffenen Beschluß zugrundeliegende Rechtsauffassung bestätigt werde, habe das Beschwerdegericht die ihm nach § 139 ZPO obliegende Hinweispflicht verletzt, weil es den Antragsteller nicht aufgefordert habe, seine Behauptung zu substantiieren, daß der Beteiligte im Zusammenhang mit der Gewährung übertariflicher Zulagen sich nicht an generelle Grundsätze halte, sondern individuell unterschiedlich vorgehe. Wäre dies geschehen, hätte er eine Vielzahl konkreter Beschwerden von Beschäftigten der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank darlegen können, die jeweils Anlaß dafür geboten hätten, Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu nehmen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 27. Januar 1984 und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Köln – Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen – vom 18. Mai 1982 zu ändern und festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller die über die Beschäftigten der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank geführten Bruttolohn- und -gehaltslisten auszuhändigen,
hilfsweise,
dem Vorsitzenden des Antragstellers, dessen Stellvertreter oder einem Mitglied des Antragstellers, das vom Antragsteller hierzu beauftragt ist, jederzeit Einblick in diese Listen zu gewähren.
Der Beteiligte tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorinstanzen haben den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Vorlage der für die Beschäftigten der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank aufgestellten Bruttolohn- und -gehaltslisten zu Unrecht verneint. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist daher in dem nachfolgend erläuterten Umfang begründet.
Der rechtlichen Prüfung des Antragsbegehrens ist – wie in dem angegriffenen Beschluß geschehen und von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen – § 68 Abs. 2 BPersVG zugrunde zu legen. Die Rechtsbeschwerde wendet sich in erster Linie gegen das Verständnis von Gegenstand und Umfang des in dieser Vorschrift geregelten Unterrichtungsanspruchs der Personalvertretung (§ 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG) und des daran anknüpfenden Anspruchs der Personalvertretung, die „hierfür”, d.h. zu ihrer Unterrichtung, erforderlichen Unterlagen vorgelegt zu bekommen (a.a.O. Satz 2), von dem das Beschwerdegericht ausgegangen ist. Sie meint, das Beschwerdegericht habe den Anwendungsbereich dieser Vorschrift in Abkehr von dem aus den Vorarbeiten und Materialien zum Bundespersonalvertretungsgesetz abzuleitenden Regelungswillen des Gesetzgebers auf Einzelfälle („konkrete Anlässe”) verengt, in denen die Personalvertretung der Unterrichtung bedürfe, um bestimmte, ihr gesetzlich zugewiesene Aufgaben erfüllen zu können; in Wirklichkeit räume ihr § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG einen umfassenden Unterrichtungsanspruch ein, der seine Grenze allein dort finde, wo er rechtsmißbräuchlich geltend gemacht werde. Diese Auslegung des § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ist unzutreffend. Ihr ist der Senat bereits in seinem Beschluß vom 21. September 1984 – BVerwG 6 P 24.83 – wie folgt entgegengetreten:
„Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG, auf den sich das Begehren des Antragstellers allein stützen kann, ist die Personalvertretung ‚zur Durchführung ihrer Aufgaben’ rechtzeitig zu unterrichten. Dieser Gesetzeswortlaut besagt eindeutig, daß ein Informationsanspruch der Personalvertretung nur insoweit besteht, als sie Auskünfte von Seiten der Dienststelle benötigt, um die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen und ihre Beteiligungsrechte rechtzeitig und uneingeschränkt wahrnehmen zu können. Darin liegt keine sachliche ‚Einschränkung’ dieses Anspruchs oder der ihm korrespondierenden Unterrichtungspflicht der Dienststelle, wie das Beschwerdegericht meint. Das in § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG geregelte Unterrichtungsrecht setzt vielmehr voraus, daß die Personalvertretung eine Aufgabe zu erfüllen hat, die es erfordert, sie über einen bestimmten Sachverhalt zu unterrichten (Beschluß vom 21. Februar 1980 – BVerwG 6 P 77.78 – ≪Buchholz 238.3 A § 68 BPersVG Nr. 2 = ZBR 1981, 70≫). Dem Beschwerdegericht kann nicht darin gefolgt werden, daß dies nur für die Pflicht der Dienststelle gelte, der Personalvertretung die zu ihrer vollständigen Unterrichtung erforderlichen Urkunden vorzulegen (§ 68 Abs. 2 Satz 2 BPersVG), sie im übrigen aber ohne konkreten Bezug zu ihren Aufgaben zu unterrichten sei. Damit würde der Personalvertretung entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut ein von ihren Aufgaben losgelöster, umfassender Informationsanspruch eingeräumt, der sich weder aus ihrer Stellung noch aus ihrem Auftrag rechtfertigte; denn die Personalvertretung ist kein Kontrollorgan, dem es obliegt, die Aufgabenerfüllung und den inneren Betrieb der Dienststelle allgemein zu überwachen. Die Dienststelle ist nach alledem nur verpflichtet, der Personalvertretung die Auskünfte zu erteilen, welche diese benötigt, um die ihr im Bundespersonalvertretungsgesetz zugewiesenen allgemeinen Aufgaben erfüllen oder die ihr gesetzlich eingeräumten Befugnisse wahrnehmen zu können. Der Unterrichtungsanspruch der Personalvertretung und ihr Anspruch auf Vorlage von Urkunden sind mithin an die gleichen Voraussetzungen geknüpft.”
Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat das Beschwerdegericht die Pflicht des Beteiligten, dem Antragsteller die Bruttolohn- und-gehaltslisten vorzulegen, davon abhängig gemacht, daß dem Vorlageverlangen „ein konkreter Bezug zu den von der Personalvertretung zu erfüllenden Aufgaben zugrunde liege”. Hiervon ausgehend hat es geprüft, ob der Antragsteller der Kenntnis der Listen bedürfe, um eine oder mehrere ihm obliegende Aufgaben uneingeschränkt erfüllen zu können. Das hat es mit der Begründung verneint, weder die Wahrnehmung der Befugnis, über Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden und deren Änderung sowie über die Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte einschließlich ihrer Geldfaktoren mitzubestimmen (§ 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG), noch die Ausübung eines anderen der in den §§ 75, 76 BPersVG abschließend aufgeführten Mitbestimmungsrechte rechtfertige es, ihm Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Beschäftigten der Dienststelle zu gewähren. Auch die Aufgabe des Antragstellers, darüber zu wachen, daß die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG), gebiete dies nur, wenn ein konkreter Einzelfall hierzu Anlaß gebe. Einen solchen Einzelfall aber habe der Antragsteller nicht angeführt, sondern betont, es gehe ihm um die „generelle Vorlage” der Listen.
Dem tritt die Rechtsbeschwerde sinngemäß mit der Auffassung entgegen, es widerspreche dem gesetzlichen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Personalvertretung und Dienststelle und sei mit der Verpflichtung, auf den Frieden in der Dienststelle hinzuwirken, unvereinbar, die Personalvertretung durch die Vorenthaltung allgemeiner Informationen, wie die Unterrichtung über den Inhalt der Bruttolohn- und -gehaltslisten, darauf zu beschränken, den ihr in § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG erteilten Überwachungsauftrag und das ihr in § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG eingeräumte Mitbestimmungsrecht auf konkrete, durch Beschwerden einzelner Beschäftigter ausgelöste Einzelfälle zu begrenzen. In § 68 Abs. 2 BPersVG finde vielmehr das Grundanliegen des Gesetzgebers seinen Ausdruck, der Personalvertretung alle erforderlichen Kenntnisse zu gewährleisten, um sie in den Stand zu setzen, Fehlentwicklungen erkennen und ihnen entgegenwirken zu können, bevor sie zu Entscheidungen führten, die Beschwerden einzelner Beschäftigter auslösten. Daß die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu denjenigen Unterlagen gehörten, die der Personalvertretung nach § 68 Abs. 2 Satz 2 BPersVG „ohne Nachfrage” vorzulegen seien, ergebe zudem ein Vergleich mit § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, der von einer solchen Vorlagepflicht ausgehe. Dieser Rechtsvergleich sei zulässig und geboten, weil das Bundespersonalvertretungsgesetz hinsichtlich der Befugnisse der Personalvertretung dem Betriebsverfassungsgesetz nachgebildet worden sei und dessen Regelungen nach dem Willen des Gesetzgebers uneingeschränkt habe übernehmen sollen, soweit dies mit der Dienststellenverfassung vereinbar sei.
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen, soweit sie den geltend gemachten Anspruch damit begründet, der Antragsteller benötige die Kenntnis der Bruttolohn- und -gehaltslisten, um sein Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG uneingeschränkt ausüben zu können. Dem Beschwerdegericht ist darin beizupflichten, daß diese Vorschrift der Personalvertretung nicht das Recht gewährt, bei der Festsetzung leistungsbezogener Entgelte im Einzelfall mitzuwirken, sondern sie nur berechtigt, bei der abstrakt-generellen Regelung solcher Entgelte, d.h. bei der Festsetzung des Entgeltsatzes, der als Grundlage für den individuellen Anspruch diene, mitzubestimmen (ebenso Beschluß vom 23. Dezember 1982 – BVerwG 6 P 19.80 – ≪PersV 1983, 506≫). Dem Antragsteller aber geht es nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts gerade darum, die Festsetzung der übertariflichen Zulage für die einzelnen Beschäftigten und die darin zum Ausdruck kommende Bewertung ihrer Leistung überwachen und gegebenenfalls beeinflussen zu können.
Das darauf gestützte Verlangen, die Bruttolohn- und -gehaltslisten vorgelegt zu bekommen, rechtfertigt sich aber aus dem Auftrag des Antragstellers, darüber zu wachen, daß alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden und daß die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden (§§ 67 Abs. 1 Satz 1, 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG). Zwar verpflichten diese Vorschriften die Dienststelle nicht, die Personalvertretung von sich aus oder auf deren Verlangen über jede innerbetriebliche Maßnahme zu unterrichten und ihr Einblick in alle Vorgänge zu gewähren, an denen die Personalvertretung Interesse bekundet; denn die Personalvertretung hat keine allgemeinen Aufsichtsbefugnisse, sie ist kein Kontrollorgan, das den Fach- und Rechtsaufsichtsinstanzen nebengeordnet ist. Dementsprechend beschränkt sich ihr Unterrichtungsanspruch auf die Informationen, welche sie benötigt, um ihre
Aufgaben erfüllen zu können (vgl. den oben zitierten Beschluß des Senats von 21. September 1984). Diese Aufgaben erschöpfen sich aber nicht darin, den rechtlichen oder tatsächlichen Einfluß des Personalrats in sachlich abgrenzbaren Zusammenhängen oder gar Einzelfällen zur Geltung zu bringen; vielmehr enden seine Befugnisse erst dort, wo individuelle Rechte berührt sind, die der einzelne Beschäftigte selbst in Anspruch nehmen oder verteidigen kann. Die Personalvertretung hat als Kollektivorgan der Gesamtheit der Beschäftigten auch – und zwar vorrangig – Sorge dafür zu tragen und darüber zu wachen, daß die gemeinsamen rechtlichen und sozialen Belange aller Beschäftigten sowie der Gruppen und letztlich auch der einzelnen Beschäftigten untereinander nach Recht und Billigkeit gewahrt werden. Diesen ihr in § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG erteilten Auftrag könnte sie nicht oder nur unvollkommen erfüllen, wenn sie ausschließlich über Einzelmaßnahmen unterrichtet würde, die ihrer Zustimmung oder Mitwirkung bedürfen. Über derartige Einzelinformationen hinaus benötigt sie den Überblick über alle die beschriebenen Belange berührenden Fakten und Vorhaben, um Rechtsverstößen und Unbilligkeiten nach Möglichkeit bereits im Vorfeld entgegenwirken zu können.
Ein Bereich, in dem der Überwachungspflicht der Personalvertretung besondere Bedeutung zukommt, ist die Entlohnung bzw. Vergütung der Beschäftigten. Soweit sie tariflich festgelegt ist, ergibt sich diese Pflicht aus § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG. Für über- oder außertarifliche Lohn- oder Gehaltsanteile folgt sie aus § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, weil gerade hier auf die Einhaltung einheitlicher Maßstäbe zu achten ist, um sachlich nicht gerechtfertigte Unterschiede in der Gestaltung des Arbeitsverdienstes zu vermeiden. Dieser Pflicht kann die Personalvertretung nur dann sachgerecht genügen, wenn sie sowohl Kenntnis von den Grundsätzen erhält, nach denen die über- oder außertariflichen Lohn- und Gehaltsanteile bemessen werden, als auch darüber unterrichtet wird, wie diese Grundsätze auf die in Betracht kommenden Beschäftigten angewandt werden. Das letztere kann, wie schon das Bundesarbeitsgericht (Beschluß vom 12. Februar 1980 – 6 ABR 2/78 – ≪AP Nr. 12 zu § 80 BetrVG 1972≫ m.w.Nachw.) dargelegt hat, nur in der Weise geschehen, daß ihr die Bruttolohn- und -gehaltslisten vorgelegt werden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht dem im Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes nicht entgegen, daß dieses Gesetz eine dem § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG entsprechende Regelung nicht enthält; denn diese Vorschrift geht – wie die Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt – davon aus, daß der Betriebsrat berechtigt ist, die Bruttolohn- und -gehaltslisten einzusehen, und regelt lediglich, durch wen das zu geschehen hat. Die materiellrechtliche Grundlage des Anspruchs des Betriebsrats, Einblick in die Listen zu nehmen, findet sich bereits in § 80 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (BAG, a.a.O.), der dem § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG entspricht und über den § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG noch hinausgeht.
Die Vorlage der Bruttolohn- und -gehaltslisten darf, da sie die Personalvertretung in den Stand setzen soll, ein Überwachungsrecht wahrzunehmen, nicht davon abhängig gemacht werden, daß zuvor die Besorgnis einer Rechtsverletzung dargelegt wird. Die Ausübung derartiger Überwachungsrechte erfordert einen breiten, jedenfalls über Konfliktfälle hinausgehenden Kenntnisstand, zumal sie auf die Vermeidung von Konflikten und damit auf die Erhaltung des Friedens in der Dienststelle abzielt.
Die Dienststelle erfüllt die ihr sonach obliegende Pflicht, der Personalvertretung die Bruttolohn- und -gehaltslisten „vorzulegen”, indem sie ihr Einblick in diese Listen gewährt. Der Auffassung der Rechtsbeschwerde, die Listen seien der Personalvertretung „auszuhändigen”, d.h. ihr sei eine Ausfertigung der Listen zu überlassen, vermag der Senat nicht beizupflichten. Insbesondere läßt sich § 68 Abs. 2 Satz 2 BPersVG keine dahingehende Verpflichtung der Dienststelle entnehmen. Wie sie ihrer Vorlagepflicht nachzukommen hat, hängt sowohl von dem Inhalt der vorzulegenden Unterlage als auch davon ab, wie eingehend und häufig sich die Personalvertretung mit der Unterlage befassen muß, um ihrem Überwachungsauftrag genügen zu können. Die Möglichkeiten, diese Pflicht zu erfüllen, reichen von der Gewährung von Einblick in die Unterlage bis zu deren befristeter oder dauernder Überlassung. Bei Unterlagen, die persönliche Daten Beschäftigter enthalten, wird regelmäßig nur die Gewährung von Einblick innerhalb der Dienststelle in Betracht kommen. Das verdeutlichen die in § 68 Abs. 2 Satz 3, 4 BPersVG getroffenen Regelungen, nach denen die Personalvertretung – mit Zustimmung oder auf Verlangen des Beschäftigten – Personalakten nur einsehen und dienstliche Beurteilungen nur zur Kenntnis nehmen darf. Die Bruttolohn- und -gehaltslisten sind hinsichtlich ihrer Vertraulichkeit und des Maßstabs, der an ihre Zugänglichkeit für die Personalvertretung anzulegen ist, derartigen Personalunterlagen im wesentlichen gleichzuachten; denn sie bilden eine Zusammenfassung persönlicher Daten der Beschäftigten. Schon deswegen verbietet es sich, sie der Personalvertretung zu überlassen. Dessen bedarf es aber auch nicht, um diese in den Stand zu setzen, ihren beschriebenen Überwachungsauftrag zu erfüllen. Dazu ist sie bereits in der Lage, wenn ihr Einsicht in die Listen gewährt wird. Schon dabei kann sie feststellen, ob über- und außertarifliche Lohn- und Gehaltsbestandteile tatsächlich nach den von der Dienststelle aufgestellten Maßstäben bemessen werden. Damit ist ihrem Informationsbedürfnis hinreichend entsprochen und seitens der Dienststelle der Vorlagepflicht nach § 68 Abs. 2 Satz 2 BPersVG genügt (im Ergebnis ebenso: BAG, Beschluß vom 3. Dezember 1981 – 6 ABR 8/80 ≪AP Nr. 17 zu § 80 BetrVG 1972≫).
Unentschieden kann bleiben, durch wen der Antragsteller sein Einsichtsrecht auszuüben hat. Insbesondere bedarf nicht der Klärung, ob es sich bei der Einsichtnahme um ein laufendes Geschäft im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 4 BPersVG handelt, das vom Vorstand des Antragstellers wahrzunehmen wäre. Inhalt und Vertraulichkeit der Listen legen es aber nahe, das Einsichtsrecht von einem oder einigen wenigen, in Fragen der Lohngestaltung besonders erfahrenen Mitgliedern des Antragstellers wahrnehmen zu lassen.
Die beantragte Feststellung ist nach alledem in dem erläuterten Umfang zu treffen; die angegriffenen Beschlüsse waren entsprechend zu ändern.
Unterschriften
Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1212448 |
DVBl. 1985, 748 |