Entscheidungsstichwort (Thema)
Ortszuschlagsstufe für geschiedenen Zeitsoldaten nach Unterhaltsabfindung der Ehefrau
Leitsatz (redaktionell)
Ein geschiedener Soldat auf Zeit, der an seine geschiedene Ehefrau anstelle einer Unterhaltsrente eine einmalige Abfindung in Kapital auf der Grundlage der festgelegten Zahl der abzulösenden monatlichen Unterhaltsleistungen zahlt, ist in die Stufe 1 des Ortszuschlags (geschiedene Beamte) und nicht in die Stufe 2 (geschiedene Beamte, wenn sie aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind) einzugruppieren.
Normenkette
BGB §§ 1569, 1585c; SVG § 12 Abs. 2; BGB § 82 S. 1, § 818 Abs. 3; BBesG § 40 Abs. 1; BGB § 1585 Abs. 2, 1; SVG § 11 Abs. 2 S. 3, § 49 Abs. 2 Sätze 2-3, § 11 Abs. 2 S. 4, § 49 Abs. 2 S. 1; BBesG § 40 Abs. 2 Nrn. 3, 2, § 12 Abs. 2 Sätze 3, 1-2; VwVfG § 48 Abs. 2 Sätze 1, 3 Nr. 3
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 20.09.1988; Aktenzeichen 1 A 1282/85; NJW 1989, 1179) |
VG Minden (Entscheidung vom 24.04.1985; Aktenzeichen 10 K 1972/83) |
Tatbestand
Die Verfahrensbeteiligten streiten insbesondere über die Frage, ob der Kläger, der seiner geschiedenen Ehefrau anstelle einer monatlichen Unterhaltsrente einen einmaligen Betrag gezahlt hat, Dienstbezüge nach Stufe 1 oder 2 des Ortszuschlags beanspruchen kann.
Der Kläger war ab 1. Januar 1974 Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr und wurde am 31. Dezember 1981 wegen Ablaufs seiner Verpflichtungszeit als Stabsunteroffizier entlassen.
Seine am 11. Juli 1975 geschlossene Ehe, aus der ein Sohn hervorgegangen ist, wurde am 1. Oktober 1981 geschieden. Vorher hatten sich die beiden Ehepartner am 27. Februar 1981 in einem notariellen Eheauseinandersetzungsvertrag unter anderem darauf geeinigt, daß der Kläger seiner Ehefrau bis spätestens zum 1. März 1981 - falls die Ehe bis dahin geschieden sei, sonst einen Tag nach Rechtskraft des Scheidungsurteils - einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 500 DM zu zahlen habe. Des weiteren war vereinbart worden, daß der Kläger an seine Ehefrau eine einmalige Zahlung in Höhe von 20 000 DM, die sich aus dem Unterhalt für 40 Monate im voraus errechnete, zu leisten hatte. Mit der Zahlung dieses Betrages erklärte sich die Ehefrau des Klägers hinsichtlich sämtlicher Unterhaltsansprüche ihm gegenüber für abgefunden und verzichtete darauf für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einschließlich für den Fall des Notbedarfs. Noch im Scheidungstermin am 1. Oktober 1981 zahlte der Kläger diesen Betrag, für den er ein Darlehen aufgenommen hatte.
Durch zwei Bescheide vom 17. November 1981 setzte das Wehrbereichsgebührnisamt I die Übergangsbeihilfe und die Übergangsgebührnisse für den zum 31. Dezember 1981 aus der Bundeswehr ausscheidenden Kläger auf der Grundlage des Ortszuschlags Tarifklasse II, Stufe 2, einschließlich Kinderanteil fest. Der Bescheid über die Übergangsgebührnisse enthielt den Zusatz "Jede Änderung Ihres Familienstandes (z.B. Heirat, Scheidung) während Bezugszeitraum dem WBGA anzeigen]". In der ab dem 1. Dezember 1981 gültigen Gehaltsbescheinigung war der Familienstand des Klägers mit "verh." angegeben.
Nachdem das Wehrbereichsgebührnisamt I aufgrund eines Beihilfeantrags des Klägers von dessen Scheidung erfahren hatte, teilte es ihm mit Schreiben vom 10. Dezember 1982 mit, er sei seiner Pflicht, während des Bezugs von Übergangsgebührnissen jede Änderung seiner persönlichen Verhältnisse mitzuteilen, nicht nachgekommen; vorsorglich werde daher der Ortszuschlag von Stufe 2 auf Stufe 1 herabgesetzt; er möge eine neue Erklärung zum Ortszuschlag mit den erforderlichen Unterlagen einreichen. Nachdem der Kläger eine beglaubigte Fotokopie des Eheauseinandersetzungsvertrages vorgelegt hatte, teilte das Wehrbereichsgebührnisamt I ihm mit formularmäßigem Schreiben vom 22. Dezember 1982 mit: "Die o.a. Angelegenheit wird erledigt mit der Zahlung der Bezüge für Monat Februar 1983, weil bei Eingang der obigen Unterlagen die maschinellen Aufbereitungsarbeiten für den Januar 1983 bereits abgeschlossen waren (Wiederauszahlung Ortszuschlag nach Stufe 2 ab 1.12.1982) ...". Mit weiterem Schreiben an den Kläger vom 4. Januar 1983 erklärte das Wehrbereichsgebührnisamt I demgegenüber unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 22. Dezember 1982, die Wiederauszahlung des Ortszuschlags nach Stufe 2 ab 1. Dezember 1982 könne vorläufig nicht erfolgen, weil die eingeleiteten Ermittlungen noch nicht hätten abgeschlossen werden können, weshalb sich die Entscheidung verzögere. In der Folgezeit setzte es die Übergangsbeihilfe und die Übergangsgebührnisse durch zwei Änderungsbescheide vom 18. April 1983 unter Zugrundelegung des Ortszuschlags der Stufe 1 neu fest und forderte mit Leistungsbescheid vom gleichen Tage die vorher infolge der günstigeren Zugrundelegung der Stufe 2 des Ortszuschlags gezahlten Beträge für Dienstbezüge (1. November bis 31. Dezember 1981), Übergangsbeihilfe und Übergangsgebührnisse in Höhe von insgesamt 2 289,80 DM zurück mit der Begründung, der Ortszuschlag habe sich infolge der Ehescheidung und der damit verbundenen neuen Einstufung in die Stufe 1 vermindert.
Auf die dagegen eingelegten Widersprüche des Klägers ließ die Wehrbereichsverwaltung I den Anspruch auf Rückzahlung hinsichtlich des Anteils der Dienstbezüge für den Monat November 1981 fallen, weil das Scheidungsurteil erst am 10. November 1981 rechtskräftig geworden sei. Es setzte die Rückforderung auf 2 175,60 DM fest. Im übrigen wies es die Widersprüche zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag,
den Leistungsbescheid des Wehrbereichsgebührnisamtes I vom 18. April 1983 und seine Änderungsbescheide - Übergangsbeihilfe/Übergangsgebührnisse - in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Wehrbereichsverwaltung I vom 12. August 1983 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Es ist der Auffassung, in den Fällen, in denen sich aus der Unterhaltsvereinbarung die Höhe und Dauer der laufenden Unterhaltszahlungen, die durch die Abfindung abgelöst werden, ergebe, sei für die Dauer der abgelösten Unterhaltszahlungen der Ortszuschlag der Stufe 2 zugrunde zu legen. Es bestehe in diesem Falle kein Unterschied zu der dort aufgeführten Gruppe der zum Unterhalt verpflichteten geschiedenen Beamten (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG).
Das Oberverwaltungsgericht hat der dagegen von der Beklagten eingelegten Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung:
Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Einstufung in die Stufe 2 des Ortszuschlags (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG), da er nicht zum Unterhalt aus der Ehe verpflichtet sei. Mit der Vereinbarung der Kapitalabfindung sei die Unterhaltspflicht erloschen. Es bestehe zwar für ihn wirtschaftlich betrachtet kein Unterschied, ob er an seine frühere Ehefrau einen bestimmten Betrag als Unterhalt leiste oder einen gleich hohen Betrag an einen Dritten zur Rückzahlung eines Darlehens. Der Gesetzgeber habe aber von seiner Gestaltungsfreiheit in rechtlich einwandfreier und zulässiger Weise Gebrauch gemacht und diese Fälle nicht denen gleichgestellt, in denen eine Unterhaltspflicht der geschiedenen Beamten bestehe.
Der Kläger könne sich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Er habe den Mangel des rechtlichen Grundes der an ihn zuviel geleisteten Zahlungen grob fahrlässig nicht erkannt. Es hätten ihm Zweifel an der Richtigkeit der Gehaltsbescheinigung kommen müssen, da diese ab 1. Dezember 1981 den Familienstand des Klägers mit "verheiratet" angegeben habe. Durch Rückfrage bei der auszahlenden Stelle hätte er sich vergewissern müssen, ob die Zahlung zu Recht erfolgt sei.
Gegenüber der Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts könne er sich auch nicht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 - 4 VwVfG auf Vertrauensschutz berufen, da er die Rechtswidrigkeit grob fahrlässig nicht erkannt habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, daß die Beklagte keine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Klägers getroffen habe. Trotz einer entsprechenden Aufforderung durch die Beklagte habe der Kläger seine Vermögensverhältnisse, ohne die eine Billigkeitsentscheidung nicht möglich sei, nicht klargelegt.
Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers. Er ist der Auffassung, die Vereinbarung zwischen ihm und seiner geschiedenen Ehefrau sei keine Abfindung im Sinne von § 1585 Abs. 2 BGB, durch die der Unterhaltsanspruch zum Erlöschen gebracht worden sei. Dies sei vielmehr eine Verpflichtung, die ausbedungene Rentenzahlungspflicht für die Dauer von 40 Monaten durch eine Einmal-Zahlung vorab zu erfüllen. Den Betrag von 20 000 DM könne man auch als Darlehen qualifizieren mit der Maßgabe, daß der laufende Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 500 DM hiergegen aufgerechnet werden könne. Er habe auch nicht grob fahrlässig, sondern allenfalls leicht fahrlässig gehandelt. Es könne ihm nicht zur Last gelegt werden, den Vermerk "verheiratet" auf der ab dem 1. Dezember 1981 gültigen Gehaltsbescheinigung nicht beachtet zu haben. Diese Eintragung sei "indifferent in Kenntnis der entsprechenden Rechtsfolge bei Scheidung und Unterhaltszahlung" gewesen. In der Stufe 2 des Ortszuschlags seien Verheiratete denjenigen Geschiedenen gleichgestellt, die aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind. Außerdem habe auf der gleichen Gehaltsbescheinigung die Lohnsteuerklasse I gestanden, ein deutlicher Hinweis auf seine erfolgte Scheidung. Er habe "unstreitig" seine Dienstvorgesetzten von der erfolgten Scheidung in Kenntnis gesetzt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 20. September 1988 abzuändern und die Berufung
der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 24.
April 1985 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie meint: Der Eheauseinandersetzungsvertrag zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau sei eine Abfindung, die den Unterhaltsanspruch mit der Leistung zum Erlöschen gebracht habe.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Oberverwaltungsgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, daß die Änderungsbescheide bezüglich der Berechnung der Übergangsbeihilfe und der Übergangsgebührnisse des Wehrbereichsgebührnisamtes I vom 18. April 1983 rechtmäßig sind und daß die Beklagte mit dem Leistungsbescheid vom gleichen Tage in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Wehrbereichsverwaltung I vom 12. August 1983 zu Recht den Betrag von 2 175,60 DM zurückgefordert hat. Die Dienstbezüge für Dezember 1981, die Übergangsbeihilfe und die Übergangsgebührnisse des Klägers waren zu Unrecht nach der Stufe 2 des Ortszuschlags berechnet worden. Dem Kläger hatte insofern der Ortszuschlag nur nach der Stufe 1 zugestanden.
Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) betragen die Übergangsgebührnisse für ausscheidende Soldaten auf Zeit fünfundsiebzig vom Hundert der Dienstbezüge des letzten Monats. Bei der Berechnung ist der Ortszuschlag bis zur Stufe 2 zugrunde zu legen (§ 11 Abs. 2 Satz 4 SVG). Die Übergangsbeihilfe wird für ausscheidende Soldaten auf Zeit gleichfalls auf der Grundlage der Dienstbezüge des letzten Monats berechnet (§ 12 Abs. 2 SVG). Die Änderungsbescheide (Übergangsgebührnisse/Übergangsbeihilfe) vom 18. April 1983 sind zutreffend davon ausgegangen, daß die "letzten Dienstbezüge" des Klägers, d.h. die des Monats Dezember 1981, auf der Grundlage der Stufe 1 des Ortszuschlags zu berechnen waren.
Das ergibt sich aus § 40 Abs. 1 BBesG. Danach gehören zur Stufe 1 des Ortszuschlags die ledigen und geschiedenen Beamten, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt worden ist. Da die Ehe des Klägers am 10. November 1981 rechtskräftig geschieden worden ist, hat die Beklagte ab dem 1. Dezember 1981 zu Recht aufgrund dieser Bestimmung die Übergangsbeihilfe und die Übergangsgebührnisse wie auch die Dienstbezüge für Dezember 1981 nach der Stufe 1 des Ortszuschlags berechnet.
Entgegen der Meinung des Klägers kann er nicht beanspruchen, gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG in die Stufe 2 des Ortszuschlags eingestuft zu werden. Nach dieser Bestimmung erhalten geschiedene Beamte, Richter und Soldaten sowie Beamte, Richter und Soldaten, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, den Ortszuschlag der Stufe 2, "wenn sie aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind". Was unter der gesetzlichen Formulierung "aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet" zu verstehen ist, richtet sich mangels eigenständiger Regelung im Bundesbesoldungsrecht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Januar 1987 - BVerwG 2 C 6.85 - ≪Buchholz 239.1 § 50 BeamtVG Nr. 2 = ZBR 1987, 282≫; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Juni 1987 - BAG 6 AZR 332/85 - ≪ZTR 1987, 308≫). Hiernach ist der Soldat so lange zum Unterhalt verpflichtet, wie er den Unterhalt seines früheren Ehegatten im wesentlichen zu bestreiten hat (Urteil vom 3. Juli 1986 - BVerwG 6 C 100.84 - ≪Buchholz 235 § 40 BBesG Nr. 11 = NJW 1987, 391≫).
Diese Voraussetzungen waren bei dem Kläger aufgrund des Eheauseinandersetzungsvertrages vom 27. Februar 1981 nicht mehr erfüllt. Von diesem Zeitpunkt an war seine Unterhaltspflicht seiner Ehefrau gegenüber erloschen. Dies ergibt sich aus den §§ 1569, 1585 Abs. 1 und 2, 1585 c BGB. Danach können die Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung eine Vereinbarung des Inhalts treffen, daß statt einer Unterhaltsrente eine Abfindung in Kapital gezahlt wird, die die Unterhaltspflicht zum Erlöschen bringt.
Von dieser Möglichkeit haben der Kläger und seine damalige Ehefrau in dem Eheauseinandersetzungsvertrag Gebrauch gemacht. Sie haben darin in zulässiger Weise vereinbart, den monatlichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau des Klägers in Höhe von 500 DM durch eine einmalige Zahlung von 20 000 DM abzulösen. Entgegen der Meinung des Klägers war dies eine Abfindung in Kapital, die den Unterhaltsanspruch der früheren Ehefrau des Klägers nach dem Willen der Vertragsparteien zum Erlöschen brachte (§ 1585 Abs. 2 BGB).
Dem steht nicht entgegen, daß im Eheauseinandersetzungsvertrag der Berechnung des Betrages von 20 000 DM der Zeitraum der abzulösenden Unterhaltszahlungen (40 Monate a 500 DM) zugrunde gelegt wurde. Zweck einer Kapitalabfindung ist es, dem Unterhaltsgläubiger die Möglichkeit zu geben, sich wirtschaftlich möglichst bald vom geschiedenen Partner zu lösen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 1. Juni 1973 - BT-Drucks. 7/650 -, S. 146). Für die Höhe der Abfindung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die voraussichtliche Zeitdauer der Rente bzw. die Lebensdauer, Aussicht auf eine Wiederverheiratung, Eingliederung in das Berufsleben sowie Änderung der Bedürfnisse des Berechtigten. Im übrigen sind die allgemeinen Grundsätze über die Kapitalisierung von Renten heranzuziehen (Häberle, in Soergel, BGB, Kommentar, § 1585 Rdnr. 10; Göppinger, Unterhaltsrecht, Rdnr. 366). Es ist vielfach ein Charakteristikum derartiger Abfindungen, daß die Unterhaltsrente in der Form kapitalisiert wird, daß in dem Vertrag die Zahl und der Zeitraum der monatlichen Unterhaltsleistungen festgelegt werden, die durch die Abfindung abgelöst werden sollen.
Der Eheauseinandersetzungsvertrag ist auch nicht, wie der Kläger meint, so auszulegen, daß die darin ausbedungene 40monatige Ratenzahlungspflicht durch eine Einmal-Zahlung in Höhe von 20 000 DM bevorschußt wurde. Die einmalige Zahlung war auch kein Darlehen des Inhalts, daß der laufende Unterhaltsanspruch in Höhe von 500 DM monatlich gegen entsprechende Rückzahlungsansprüche aufgerechnet werden konnte. Weder ein Vorschuß noch ein Darlehen hätten den Unterhaltsanspruch ohne weiteres zum Erlöschen bringen können. In dem Eheauseinandersetzungsvertrag haben aber die Vertragsparteien das Erlöschen der Unterhaltsansprüche vereinbart. Mit der Zahlung der 20 000 DM hat die Ehefrau des Klägers auf alle Ansprüche verzichtet und erklärt, sie sei damit "abgefunden" (Nr. 2 Abs. 2 der Vereinbarung). Damit ist gemäß § 1585 Abs. 2 BGB die Unterhaltspflicht des Klägers entfallen. Im übrigen sind die Unterhaltsansprüche der Ehefrau auch allein dadurch untergegangen, daß sie auf diese im Eheauseinandersetzungsvertrag ausdrücklich verzichtet hat. Hierauf hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend hingewiesen.
§ 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG kann nicht - wie es das Verwaltungsgericht getan hat - so ausgelegt werden, daß die Stufe 2 des Ortszuschlags auch in den Fällen zu zahlen ist, in denen aus der Unterhaltsvereinbarung die Höhe und die Dauer der laufenden Unterhaltszahlungen erkennbar sind, die abgelöst werden sollten und für die der geschiedene Soldat neue Verbindlichkeiten eingehen mußte. Das wäre mit dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht zu vereinbaren. Das Ortszuschlagsrecht knüpft deutlich an das Familienrecht des BGB an. Umstände, die dafür sprechen, der Besoldungsgesetzgeber habe von dem familienrechtlichen Begriff der "Verpflichtung zum Unterhalt" abgehen wollen, wie er in den §§ 1569 ff. BGB seinen Ausdruck gefunden hat, sind nicht erkennbar (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Juni 1987 - BAG 6 AZR 332/85 - ≪a.a.O.≫).
Die gegenteilige Interpretation würde auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen. Die Stufe 2 des Ortszuschlags müßte dann nicht nur bei bestehenden Unterhaltsverpflichtungen aus der Ehe zugebilligt werden, sondern sie müßte für alle finanziellen Belastungen bewilligt werden, die auf Unterhaltsverpflichtungen aus Anlaß der Scheidung zurückzuführen sind (BAG, a.a.O.). Der Zweck dieser Ortszuschlagsregelung besteht aber darin, "im Blick auf die beamtenrechtliche Alimentationspflicht gegenüber der 'Beamtenfamilie' diese Voraussetzung in der fortbestehenden unterhaltsrechtlichen Bindung zwischen dem geschiedenen Ehegatten und der dadurch bewirkten erhöhten Unterhaltsbelastung des Beamten zu sehen" (BVerfGE 49, 260, 275). An dieser fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung fehlt es hier.
Dieses Ergebnis mag unbefriedigend sein, weil die finanziellen Belastungen des Klägers für die Einmal-Zahlung und und die notwendige Kreditaufnahme sogar noch höher sind als bei einer Rentenzahlung über einen Zeitraum von 40 Monaten. Es ist aber nicht sachwidrig und es verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber die Ortszuschlagsregeln nicht an die vielfachen materiellen Belastungsmöglichkeiten nach einer Ehescheidung anknüpft, sondern an den leicht feststellbaren Tatbestand der bestehenden Unterhaltsverpflichtung (BAG, a.a.O.).
Der Änderung der Bescheide bezüglich der Übergangsgebührnisse und der Übergangsbeihilfe sowie der Gehaltsbescheinigung bezüglich der Dienstbezüge für Dezember 1981 zuungunsten des Klägers stand nicht § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG entgegen. Danach darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte allerdings nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG). Das war bei dem Kläger der Fall.
Der Begriff der "groben Fahrlässigkeit" umfaßt Bereiche, die der einer Nachprüfung des Revisionsrichters grundsätzlich entzogenen tatsächlichen Würdigung zuzurechnen sind. Vom Revisionsgericht ist jedoch zu prüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff zutreffend ausgelegt und den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig gewürdigt hat (Urteile vom 27. Januar 1987 - BVerwG 2 C 9.85 - ≪Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 13≫ und vom 28. Juni 1990 - BVerwG 6 C 41.88 - ≪Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 17 m.w.Nachw.≫). Bei der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kommt es auf die individuellen Gegebenheiten, insbesondere auch auf die persönlichen Umstände und Fähigkeiten des Betroffenen an.
Die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe die Rechtswidrigkeit der Bescheide über die Bewilligung der Übergangsgebührnisse und der Übergangsbeihilfe in grob fahrlässiger Weise nicht erkannt, weil ihm Zweifel an der Richtigkeit der Einstufung des Ortszuschlags hätten kommen müssen, da sein Familienstand in der ab 1. Dezember 1981 geltenden Gehaltsbescheinigung trotz der rechtskräftigen Scheidung noch mit "verheiratet" angegeben gewesen sei, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Daraus, daß dem Kläger aufgrund des Hinweises in dem Bescheid über die Gewährung von Übergangsgebührnissen bekannt war, daß er jede Änderung seines Familienstandes seiner Dienststelle mitzuteilen hatte, und daß er dieser Verpflichtung zuwidergehandelt hat, folgt allerdings nicht ohne weiteres, daß für ihn hinsichtlich des überzahlten Ortszuschlags auch der Mangel des rechtlichen Grundes offensichtlich gewesen ist. Auch der Umstand, daß bei Erfüllung seiner Anzeigepflicht die Rechtswidrigkeit der Bescheide hätte offensichtlich werden müssen, führt für sich allein gleichfalls nicht zur verschärften Haftung des Klägers (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 6 C 41.88 - ≪a.a.O.≫).
Der Kläger hätte aber aufgrund seiner dienstlichen Stellung sowie seiner Aus- und Fortbildung auf jeden Fall erhebliche Zweifel haben müssen, ob die auf seiner Gehaltsbescheinigung angegebene Einstufung in die Stufe 2 des Ortszuschlags im Hinblick darauf, daß sein Familienstand fälschlich mit "verheiratet" angegeben war, noch korrekt war. Er hätte auch ohne nähere Kenntnis der komplizierten Vorschriften für die Bemessung des Ortszuschlags prüfen müssen, ob seine Dienstbezüge im Hinblick auf die falsche Eintragung seines Familienstandes richtig berechnet worden waren. Dazu war er aufgrund seiner Treuepflicht verpflichtet. Es ist allgemein bekannt, daß sich im Falle der Ehescheidung nicht nur die Steuerklassen, sondern auch die Einstufungen im Ortszuschlag ändern können. Die Tatsache, daß auf der Gehaltsbescheinigung die Lohnsteuerklasse I/0 ausgewiesen war, ändert an dieser Bewertung nichts. Im Gegenteil: Ihm hätten wegen dieser Änderung noch stärkere Zweifel kommen müssen, ob die unverändert gebliebene Einstufung in die Stufe 2 des Ortszuschlags noch zutreffend war. Im Hinblick auf die Zweifel, die sich dem Kläger hätten aufdrängen müssen, war es ihm nicht nur zuzumuten, die Unterlagen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten, sondern auch die Zweifelsfragen klären zu lassen. Diese Fragen hätte er ohne großen Aufwand bei seiner Dienststelle klären können und aufgrund seiner Treuepflicht auch klären müssen.
Der Kläger kann demgegenüber nicht geltend machen, er habe im Hinblick auf den Wortlaut des § 40 Abs. 2 Nr. 2 BBesG und aufgrund der im Eheauseinandersetzungsvertrag getroffenen Unterhaltsvereinbarung mit der Zahlung der Abfindung zugunsten seiner früheren Ehefrau davon ausgehen können, er sei aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet und ihm stehe deshalb der Ortszuschlag der Stufe 2 zu. Für die Prüfung und Entscheidung, ob im konkreten Einzelfall die mitzuteilenden tatsächlichen Änderungen Auswirkungen auf die Höhe der Bezüge haben, ist nicht der betroffene Beamte, Richter oder Soldat, sondern allein die zuständige Behörde zuständig, d.h. er kann seiner Bewertung nicht an die Stelle derjenigen der Behörde setzen. Das ist aber der Fall, wenn er ihr entscheidungsrelevante Tatsachen vorenthält, auch wenn er meint, ihm stehe der Anspruch zu. Demzufolge ist es auch unerheblich, ob über die zu entscheidende Frage - wie im vorliegenden Fall - sowohl bei der Behörde wie bei den Gerichten unterschiedliche Auffassungen bestanden haben und eine endgültige Entscheidung erst in der letzten Instanz getroffen wurde.
An dieser Bewertung ändert auch nichts die Tatsache, daß das Wehrbereichsgebührnisamt I dem Kläger am 22. Dezember 1982 mitteilte, ihm werde der Ortszuschlag der Stufe 2 ab 1. Dezember 1982 wieder ausgezahlt. Diesen Bescheid hat die Behörde am 4. Januar 1983 wieder zurückgenommen. Hierzu war sie auch berechtigt, weil der Bescheid rechtswidrig war und der Kläger in der kurzen Zeit zwischen dem 22. Dezember 1982 und dem 4. Januar 1983 keine Maßnahmen getroffen hat, die für ihn einen Vertrauensschutz begründet haben.
Der Kläger kann sich auch gegenüber der Rückforderung der überzahlten Dienst- und Versorgungsbezüge im Leistungsbescheid nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 49 Abs. 2 Satz 1 SVG, § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 818 Abs. 3 BGB). Nach diesen beamten- und soldatenrechtlichen Vorschriften, die den Rückforderungsbestimmungen des § 48 Abs. 2 Sätze 5 bis 8 VwVfG vorgehen (Urteil vom 13. November 1986 - BVerwG 2 C 29/84 - Buchholz 238.927 BVO NW Nr. 7 m.w.Nachw.), unterliegt der Kläger der verschärften Haftung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG, § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG in Verbindung mit §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB, so daß die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ausgeschlossen ist.
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG, § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Überzahlung (§ 819 Abs. 1 BGB) gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, daß der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 12 Abs. 2 BBesG ist ein Mangel offensichtlich, wenn der Empfänger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen hat (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 6 C 41.88 - ≪a.a.O. m.w.Nachw.≫). Wie oben dargelegt wurde, hat der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen und grob fahrlässig die Überzahlung verursacht, so daß für ihn aufgrund der aufgeführten Vorschriften des BBesG und des SVG die verschärfte Haftung des § 819 Abs. 1 BGB zum Tragen kommt. Das bedeutet, daß er sich gegenüber der Rückforderung im Leistungsbescheid nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann.
In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob das Wehrbereichsgebührnisamt I ein Mitverschulden an der Überzahlung trifft. Dies stünde dem Rückforderungsverlangen nicht entgegen. Es ist rechtlich unerheblich, ob auch die Behörde ein Verschulden an der Überzahlung trifft. Dies kann allenfalls im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG von Bedeutung sein (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 6 C 41.88 - ≪a.a.O.≫). Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen einer gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG zu treffenden Billigkeitsentscheidung sind gleichfalls nicht zu beanstanden. Diese Billigkeitsentscheidung soll eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (Beschluß vom 11. Februar 1983 - BVerwG 6 B 61.82 - ≪ZBR 1983, 193≫). Da der Kläger - trotz Aufforderung - keine Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat, war es der Beklagten auch nicht möglich, eine Billigkeitsentscheidung in Erwägung zu ziehen, die auf seine besondere Situation Rücksicht nehmen konnte.
Nach alledem konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 543789 |
NJW 1991, 2718-2710 (LT) |
Buchholz 240 § 40 BBesG, Nr 23 (L,ST) |
DokBer B 1992, 34 (L) |
FamRZ 1992, 173-176 (LT) |
NVwZ 1991, 1085 (L) |
ZBR 1991, 303 |
ZBR 1991, 303-305 (LT) |
ZTR 1991, 393-394 (LT) |
BayVBl 1991, 664-666 (LT) |
DÖV 1991, 942 (K) |
DVBl 1991, 722 (L) |
RiA 1992, 137-140 (LT) |
DVBl. 1991, 722 |