Entscheidungsstichwort (Thema)
Ortszuschlagsstufe für Beamten mit Unterhaltsverpflichtung aus geschiedener Ehe
Leitsatz (redaktionell)
Einem geschiedenen Beamten steht Ortszuschlag der Stufe 2 zu, wenn seine monatliche Unterhaltsverpflichtung aus der Ehe mindestens die Höhe der Bruttodifferenz zwischen den Ortszuschlagsstufen 1 und 2 erreicht (teilweise Aufgabe der Auffassung des 6. Senats im Urteil vom 3. Juli 1986 - BVerwG 6 C 100.84 - ≪Buchholz 235 § 40 Nr. 11 = NJW 1987, 391≫).
Normenkette
BGB § 1577; BBesG § 40 Abs. 2 Nr. 3; BGB § 1578 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 04.09.1990; Aktenzeichen 12 A 114/88) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.11.1987; Aktenzeichen 10 K 5919/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechnung des Ortszuschlags des Klägers für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 30. April 1987.
Der Kläger steht als Beamter im Dienste der Beklagten. Seine 1977 geschlossene Ehe wurde durch seit dem 25. Juni 1985 rechtskräftiges Urteil geschieden. Durch gerichtlichen Vergleich vom 3. April 1984 hatte sich der Kläger u.a. verpflichtet, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau Unterhalt in Höhe von 210 DM monatlich zu leisten. Die Ehefrau verdiente zum Zeitpunkt des Vergleichs netto 987,12 DM. Nach dem Auszug aus der Ehewohnung im Mai 1984 nahm die Ehefrau im November 1984 eine andere Beschäftigung auf, aus der sie ein Nettoeinkommen von ungefähr 1 300 DM erzielte. Auf eine Änderungsklage vom 24. April 1987 hin gab die frühere Ehefrau dem Kläger den Unterhaltstitel heraus.
Nachdem das Amtsgericht die Beklagte von der Ehescheidung informiert hatte, teilte diese dem Kläger mit Bescheid vom 15. August 1985 mit, er erhalte ab 1. Juli 1985 (nur noch) Ortszuschlag der Stufe 1. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte im wesentlichen unter Berufung auf ein Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 6. Juli 1982 zurück.
Der Klage mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. August 1985 und des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1985 zu verpflichten, ihm die Differenz zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages über den 1. Juli 1985 hinaus bis zum 30. April 1987 zu gewähren,
hat das Verwaltungsgericht stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Kläger sei in dem streitigen Zeitraum vom 1. Juli 1985 bis zum 30. April 1987 im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Zwar habe der monatlich gezahlte Betrag von 210 DM nicht den gesamten Lebensbedarf der geschiedenen Ehefrau gedeckt, das Bürgerliche Gesetzbuch bezeichne aber auch den nur teilweise zu leistenden Unterhalt als Unterhalt. Nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG komme es auf eine Mindesthöhe des Unterhalts nicht an. Allerdings bestehe in der Rechtsprechung weitgehende Einigkeit darüber, daß nicht jede Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Beamten zur Folge habe, daß ihm der Ortszuschlag der Stufe 2 zustehe. Das Berufungsgericht folge jedoch nicht der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Beamte oder Soldat den Unterhalt seines früheren Ehegatten im wesentlichen zu bestreiten haben müsse, und auch nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der entsprechenden Tarifregelung, wonach der Verpflichtete einen nicht unwesentlichen Teil zum Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten beitragen müsse, was bei einem Verhältnis zwischen Eigenverdienst und Aufstockungsunterhalt von 10:1 schon der Fall sei. Vielmehr reiche es aus, wenn die monatliche Unterhaltsverpflichtung den Differenzbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages erreiche.
Eine den Wortlaut des Gesetzes einschränkende Auslegung erscheine dem Berufungsgericht nur insoweit möglich, als der geschiedene Beamte mit Unterhaltsverpflichtung nicht bessergestellt sein dürfe als ein lediger Beamter. Bessergestellt sei der Beamte aber dann nicht, wenn die Unterhaltsverpflichtung die Höhe des Unterschiedsbetrages erreiche oder darüber liege. Demgegenüber stehe die auf den jeweiligen Bedarf des Unterhaltsberechtigten abstellende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts mit der Systematik des Besoldungsrechts nicht in Einklang.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und die Abweisung der Klage erstrebt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren anwaltlich nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger für den streitigen Zeitraum der Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG zusteht, weil die seiner früheren Ehefrau geschuldete Unterhaltsleistung von monatlich 210 DM einen "Unterhalt aus der Ehe" im Sinne dieser Vorschrift bildete.
Als Verpflichtung zum Unterhalt i.S. des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG ist grundsätzlich - in Übereinstimmung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch - jede Verpflichtung zu einer Unterhaltszahlung, unabhängig von deren Höhe anzusehen. Lediglich unbedeutende Zuschüsse zum Lebensunterhalt, die die Bruttodifferenz zwischen den Ortszuschlagsstufen 1 und 2 nicht erreichen, sind nach dem erkennbaren Sinn der Vorschrift auszunehmen. Somit ist für die Anwendung des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG erforderlich, aber auch ausreichend, eine monatliche Unterhaltsverpflichtung in Höhe der im Bundesbesoldungsgesetz jeweils ausgewiesenen Bruttodifferenz zwischen den Ortszuschlagsstufen 1 und 2. Diese Höhe ist im vorliegenden Fall erreicht bzw. überschritten.
Was als Verpflichtung zum Unterhalt im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG zu verstehen ist, richtet sich mangels eigenständiger Regelung im Bundesbesoldungsrecht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Das hat der erkennende Senat zunächst für die Frage der Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 4 BBesG ausgesprochen (Urteil vom 15. November 1984 ≪BVerwGE 70, 264, 265≫ unter Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 1984 - 3 AZR 205/82 - ≪ZBR 1984, 341≫), sodann auch für die hier streitige Frage einer Verpflichtung zum Unterhalt aus der geschiedenen Ehe gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG (Urteil vom 29. Januar 1987 - BVerwG 2 C 6.85 - ≪Buchholz 239.1 § 50 Nr. 2 = NJW 1987, 1567). Schon in seinem erstgenannten Urteil vom 15. November 1984 hat der Senat es demgemäß als für die Anwendung des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG außer Frage stehend bezeichnet, daß die Unterhaltsverpflichtung aus der Ehe nicht den gesamten Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten umfassen muß (a.a.O. S. 266). Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts umfaßt zwar der nacheheliche Unterhalt den gesamten Lebensbedarf (§ 1578 Abs. 1 Satz 4 BGB), er kann jedoch nicht verlangt werden, solange und soweit der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann (§ 1577 BGB); letzteres ändert nichts an der Qualifizierung des ggf. verbleibenden, nur einen Teil des Lebensbedarfs deckenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch.
Das Erfordernis einer Mindesthöhe des geschuldeten Unterhalts ist dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG nicht zu entnehmen. Allerdings gehen Sinn und Zweck der Vorschrift erkennbar dahin, bei der Bemessung der Dienstbezüge der erhöhten finanziellen Belastung Rechnung zu tragen, die dem Beamten im Falle einer Unterhaltsverpflichtung aus der geschiedenen Ehe verbleibt. Daraus läßt sich mit hinreichender Deutlichkeit der Schluß ziehen, daß unbedeutende Zuschüsse zum Lebensunterhalt des früheren Ehegatten, die nicht einmal die Höhe des im Bundesbesoldungsgesetz durch die Zuordnung zur Stufe 2 des Ortszuschlages gewährten Bruttodifferenzbetrages der Ortszuschlagsstufen 1 und 2 erreichen, nicht als Verpflichtung zum Unterhalt im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG angesehen werden können. Denn anderenfalls würde nicht nur die verbliebene Belastung besoldungsrechtlich berücksichtigt, sondern dem Beamten darüber hinaus eine nicht gewollte finanzielle Besserstellung gegenüber einem ledigen Beamten verschafft (vgl. in diesem Sinne die Beschlüsse des Senats vom 30. November 1981 - BVerwG 2 B 7.81 - und vom 31. Januar 1990 - BVerwG 2 B 7.90 - ≪Buchholz 240 § 40 Nr. 18 = DöD 1990, 301≫, jeweils bei einer monatlichen Unterhaltsleistung von 50 DM; vgl. ferner Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 1988 - 6 AZR 560/87 - ≪AP Nr. 7 zu § 29 BAT = ZTR 1988, 385≫ zur tarifrechtlichen Regelung).
Im übrigen fehlt es für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG an einem Anhalt im Gesetz. Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung widerspräche insoweit dem Wesen des geltenden Besoldungsrechts, das grundsätzlich die Höhe der einzelnen Bezüge, ihre Errechnung und Festsetzung in einer materiell äußerst differenzierten und verfeinerten Weise durch formelle und zwingende Vorschriften stark kasuistischen Inhalts regelt; das gilt in besonderem Maße für die Regelung der familienbezogenen Bestandteile des Ortszuschlags. Eine Regelung dieser Art ist nach dem darin erkennbaren Willen des Gesetzgebers einer ausdehnenden Auslegung und Ergänzung der ausdrücklichen Regeln durch allgemeine Grundsätze nicht zugänglich (vgl. Urteile des Senats vom 10. Februar 1983 - BVerwG 2 C 43.81 - ≪Buchholz 235 § 42 Nr. 4 = ZBR 1983, 232≫; vom 15. März 1984 - BVerwG 2 C 44 und 45.81 - ≪Buchholz 235 § 18 Nr. 23 und ZBR 1984, 304≫ sowie vom 22. März 1990 - BVerwG 2 C 11.89 - ≪Buchholz 240 § 19 a Nr. 10 = DVBl. 1990, 872≫). Für eine Einschränkung der ausdrücklichen Regeln ohne eindeutige Anhaltspunkte im Gesetz gilt nichts anderes.
Soweit der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 3. Juli 1986 - BVerwG 6 C 100.84 - ≪Buchholz 235 § 40 Nr. 11 = NJW 1987, 391≫ über das Erfordernis einer den Unterschiedsbetrag der Ortszuschlagsstufen zumindest erreichenden Unterhaltsleistung hinaus die Auffassung vertreten hat, die Unterhaltsleistung im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG müsse so bemessen sein, daß sie den wesentlichen Unterhalt des früheren Ehegatten bilden könne, also einen für die gesamte wirtschaftliche Lebensführung des früheren Ehegatten bestimmenden Anteil von dessen Lebensunterhalt ausmache, hält der für derartige Streitigkeiten nunmehr allein zuständige erkennende Senat daran nicht fest. Zu den bereits dargelegten Gründen kommt insoweit noch hinzu, daß - worauf das Berufungsgericht mit Recht hinweist - jene Auffassung die Besoldung, soweit es um die Zuordnung zu den Stufen des Ortszuschlages geht, von eingehenden Feststellungen über die jeweilige gesamte Einkommenssituation des unterhaltsberechtigten früheren Ehegatten des Beamten abhängig machen würde. Eine solche Anknüpfung an anderweitiges Einkommen wäre aber nicht nur schwer praktikabel, sondern vor allem dem auf dem Alimentationsgrundsatz gemäß Art. 33 Abs. 5 GG beruhenden System des geltenden Besoldungsrechts grundsätzlich fremd. Soweit ausnahmsweise für die Abgrenzung des Kreises berücksichtigungsfähiger Angehöriger auf deren Einkommen abgestellt wird, ist eine solche Ausnahme im Gesetz ausdrücklich ausgesprochen und im einzelnen geregelt, wie z.B. in bestimmten Fällen durch die Bezugnahme des § 40 Abs. 3 BBesG auf das Bundeskindergeldgesetz.
Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts hat bei der Auslegung des dem § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG insoweit entsprechenden § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 3 BAT das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 21. Januar 1988 - 6 AZR 560/87 - (a.a.O.) zwar grundsätzlich auf den Anteil der Unterhaltsleistung an der gesamten wirtschaftlichen Lebensführung des Unterhaltsberechtigten abgestellt, es jedoch als ausreichend angesehen, daß die Unterhaltsleistung ein Zehntel des Eigenverdienstes des Unterhaltsberechtigten erreicht (im dortigen Streitfalle 110 DM monatlich). Hinsichtlich der grundsätzlichen Berücksichtigung des Gesamtlebensbedarfs des Unterhaltsberechtigten folgt dem der Senat für das Gebiet des Besoldungsrechts aus den dargelegten Gründen nicht. Er bemerkt jedoch, daß seine hier vertretene Rechtsauffassung bei einem entsprechenden Sachverhalt wie dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen zum gleichen Ergebnis geführt hätte, übrigens auch sonst vielfach zu gleichen Ergebnissen führen wird.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 3 080 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 543772 |
NJW 1992, 1251-1252 (LT) |
Buchholz 240 § 40 BBesG, Nr 25 (LT) |
BVerwGE 89, 53-57 (LT) |
BVerwGE, 53 |
DokBer B 1991, 328 (L) |
FamRZ 1992, 176-178 (LT) |
NVwZ 1992, 575 (L) |
Quelle 1992, Nr 4, 26 (T) |
USK, 9191 (LT) |
WzS 1992, 349 (L) |
ZAP, EN-Nr 739/92 (S) |
ZBR 1992, 54 |
ZBR 1992, 54-55 (LT) |
ZTR 1992, 130-131 (LT) |
DÖD 1993, 85-86 (LT) |
DÖV 1992, 114-115 (LT) |
DVBl 1992, 104-105 (LT) |
EzBAT § 29 BAT, Nr 16 (LT) |
PersR 1992, 126-127 (LT) |
PersV 1992, 124 (L) |
Schütz BeamtR ES/C I 1.1, Nr 49 (LT) |