Auch bezüglich des Urlaubsrechts sind die gesetzlichen Regelungen sowie Vorgaben der Rechtsprechung zu beachten. Einerseits stellt sich für Einrichtungen wie z. B. Krankenhäuser sowie Pflege- und Betreuungseinrichtungen die Frage, ob Urlaubssperren verhängt und/oder bereits genehmigter Urlaub widerrufen werden kann, um die Patientenversorgung sicherzustellen. Andererseits gilt es für Einrichtungen und Unternehmen, deren Betrieb geschlossen oder eingeschränkt ist, zu klären, ob Urlaub einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden kann, z. B. um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie abzumildern.
6.1 Urlaubssperre, Widerruf von bereits genehmigtem Urlaub
6.1.1 Urlaubssperre
Der Arbeitgeber hat das Recht, eine Urlaubssperre zu verhängen, wenn dringende betriebliche Erfordernisse dies erfordern. So kann verhindert werden, dass für die Bewältigung der Coronavirus-Krise dringend erforderliche Beschäftigte durch Urlaubsabwesenheit fehlen.
Besteht ein Betriebsrat, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zu beachten. Die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, zu denen auch die Verhängung einer Urlaubssperre gehört, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.
Zum Personalvertretungsrecht entschied das BVerwG anlässlich der Durchführung der Bundestagswahl 1987 auf kommunaler Ebene sowie Durchführung der Volkszählung 1987 mit Beschluss vom 19.1.1993:
Eine vom Dienststellenleiter aus unabweisbarer dienstlicher Notwendigkeit angeordnete Urlaubssperre für bestimmte Zeiträume ist nicht Bestandteil der Urlaubsplanung, sondern eine dieser zeitlich und sachlich vorausgehende organisatorische Maßnahme, die nicht der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegt.
6.1.2 Widerruf von bereits genehmigtem Urlaub
Ist der Urlaub bereits genehmigt, besteht kein Recht des Arbeitgebers, den gewährten Urlaub zu widerrufen oder den Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurückzurufen. In einem besonderen betrieblichen Notfall, wenn kein anderer Ausweg erkennbar ist, dürfte jedoch der Arbeitnehmer ausnahmsweise aufgrund der Treuepflicht gehalten sein, einer vom Arbeitgeber begehrten Rückgängigmachung des Urlaubs zu entsprechen. In jedem Fall sollte der Arbeitgeber versuchen, mit dem dringend benötigten Arbeitnehmer eine einvernehmliche Regelung zu Rückgängigmachung des Urlaubs zu erzielen. Mit Blick auf die massiven Reisebeschränkungen dürfte eine Verschiebung des Urlaubs letztlich auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen.
6.2 Festsetzung des Urlaubs durch den Arbeitgeber
In zahlreichen Einrichtungen und Betrieben stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern Urlaub "anordnen" kann, um die wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsstilllegung oder Betriebseinschränkung zu mindern. Die Festsetzung des Urlaubs durch den Arbeitgeber setzt zunächst voraus, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht bereits anderweitig verplant hat. Zahlreiche Arbeitnehmer werden jedoch ihren Jahresurlaub für 2020 derzeit noch nicht vollständig verplant haben.
6.2.1 Betriebsurlaub durch Betriebs-/Dienstvereinbarung
Rein rechtlich steht es einem Unternehmen zu, einen gewissen Prozentsatz (bis zu 60 %) des Jahresurlaubs mit Zustimmung des Betriebsrats/Personalrats als Betriebsferien für seine Mitarbeiter zu verplanen. Dies muss allerdings mit einem gewissen Vorlauf geschehen. Im Fall der Coronavirus-Pandemie geht es aber i. d. R. um sehr kurzfristige Entscheidungen. Damit scheidet die Möglichkeit, kurzfristig Betriebsurlaub/Betriebsferien anzuordnen, regelmäßig aus – ausgenommen der Fall der geplanten Einführung von Kurzarbeit (näher hierzu nachfolgend).
6.2.2 Zuweisung von Urlaub an die Beschäftigten
Gerade im Zusammenhang mit der geplanten Einführung von Kurzarbeit (näher hierzu Beitrag "Kurzarbeit im öffentlichen Dienst") wird dem Thema "Zuweisung von Urlaub" eine zentrale Bedeutung zukommen. Denn nach § 96 Abs. 4 SGB III gilt ein Arbeitsausfall nur dann als nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Als vermeidbar gilt nach Nr. 2 der genannten Vorschrift insbesondere ein Arbeitsausfall, der "durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann, soweit vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen".
Somit sind auch bei Zuweisung des Urlaubs, um die Voraussetzungen der Kurzarbeit zu erreichen, die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG zu berücksichtigen. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestimmt:
Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
Üblicherweise beantragen die Arbeitnehmer die Gewährung von Urlaub zum gewünschten Urlaubszeitpunkt. Der Arbeitgeber kann jedoch auch ohne Geltendmachung durch den Arbeitnehmer den Urlaub festsetzen. Der Arbeitgeber ...