BAG, Urteil vom 5.5.2021, 4 AZR 666/19
Für die Bejahung des "sonstigen Beschäftigten" wird zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die entsprechende Ausbildung vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet nicht ausreichend sind. Hierbei können solche gleichwertigen Fähigkeiten auch durch Berufserfahrung erworben sein. Auch aus der auszuübenden Tätigkeit können Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Erfahrungen der Beschäftigten gezogen werden, wenn diese eine "entsprechende Tätigkeit" ausüben.
Sachverhalt
Die Klägerin ist im Gesundheitsamt des Beklagten beschäftigt. Sie verfügt über einen beruflichen Abschluss als staatlich anerkannte Kinderkrankenschwester und absolvierte eine Weiterbildung als Betriebsschwester für den Erwachsenenbereich. Zudem erlangte sie an der Fachschule für Sozialwesen Meerane einen Abschluss als staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit. Seit 2010 ist sie als Fachkraft für den sozialpsychiatrischen Dienst anerkannt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-VKA Anwendung.
Zum 1.9.2014 ist der Klägerin eine Tätigkeit im sozialpsychiatrischen Dienst des Beklagten übertragen worden, bei der sie u. a. Entscheidungen über die zwangsweise Unterbringung psychisch kranker Menschen zu treffen hat. Da sie gemäß ihrer Stellenbeschreibung überwiegend diese Tätigkeit ausübt, gingen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Tätigkeit der EG S 14 entsprach. Da die Klägerin jedoch nicht die hierfür erforderliche Qualifikation besaß, vergütete der Beklagte die Klägerin nach EG S 8b.
Diese machte nun jedoch die Eingruppierung in EG S 12 bzw. EG S 13 geltend. Sie begründete die EG 13 u. a. damit, dass unstreitig ihre Tätigkeit der EG S 14 entsprach. Und auch wenn sie nicht die für eine solche Eingruppierung erforderliche staatliche Anerkennung als Sozialarbeiterin besaß, sei die Entgeltgruppe S 13 aufgrund der Nr. 2 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung VKA als die nächst niedrigere Entgeltgruppe maßgebend. Zumindest habe sie jedoch Anspruch auf eine Vergütung nach EG S 12, da sie schwierige Tätigkeiten in diesem Sinne ausübe und als sonstige Beschäftigte im Tarifsinn anzusehen sei.
Der Beklagte war dagegen der Auffassung, die Eingruppierung in EG S 8b sei zutreffend, da Nr. 2 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung VKA vorsehe, dass einem Beschäftigten, dem die geforderte Ausbildung fehle, in der Entgeltgruppe eingruppiert sei, die für Beschäftigte "in der Tätigkeit von" vorgesehen sei. Auch sei die Klägerin keine "sonstige Beschäftigte" i. S. d. EG S 12, da sie im Vergleich zu einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung nicht über gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem BAG im Hinblick auf die Geltendmachung der EG S 12 insoweit Erfolg, dass das klageabweisende Berufungsurteil aufgehoben wurde. Allerdings konnte das BAG nicht abschließend selbst entscheiden, so dass die Sache an das LAG zurückverwiesen wurde.
Zunächst führte das BAG zu er von der Klägerin geltend gemachten EG S 13 aus, dass deren Voraussetzungen nicht vorlagen.
Die Parteien gingen zwar übereinstimmend davon aus, dass bezüglich der Tätigkeit der Klägerin die Voraussetzungen der EG S 14 vorlagen, jedoch diese Entgeltgruppe mangels erforderlicher Ausbildung der Klägerin als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung auf diesen Fall nicht zutreffe. Im vorliegenden Fall sei jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht die EG S 13 gemäß der Vorbemerkung Nr. 2 Satz 1 und Satz 2 Entgeltordnung VKA einschlägig; denn gemäß des Satzes 3 der Nr. 2 der Vorbemerkungen finde der Grundsatz, dass bei fehlender subjektiver Voraussetzung der Mitarbeiter in der nächst niedrigeren Entgeltgruppe eingruppiert sei, keine Anwendung, wenn die Entgeltordnung für diesen Fall ein Tätigkeitsmerkmal (z. B. ‚in der Tätigkeit von …’) enthält. Und dies sei hier in der EG S 8b der Fall.
Die Revision der Klägerin hinsichtlich der Eingruppierung in EG S 12 hatte dagegen dahingehend Erfolg, dass die Sache zur neuen Verhandlung an das LAG zurückverwiesen wurde; denn nach Auffassung des BAG waren die Feststellungen des LAG zur Frage, ob die Klägerin ”sonstige Beschäftigte” i. S. dieser Entgeltgruppe sei, nicht frei von Rechtsfehlern.
Zunächst führte das BAG hierzu aus, dass die Eingruppierung der Klägerin als sonstige Beschäftigte erfordere, dass sie über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie eine staatlich anerkannte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin verfüge. Dabei werde zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die entsprechende Ausbildung vermittelt werde, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet nicht ausreichend seien. Hierbei könnten, so das Gericht weiter, solche gleichwer...