12.2.1 Einführung der EG 1
Der am 1.10.2005 in Kraft getretene TVöD enthielt keine eigenständigen Eingruppierungsvorschriften. Bis zum Inkrafttreten der neuen Eingruppierungsregelungen mit einer Entgeltordnung galten die bisherigen Eingruppierungsvorschriften für Angestellte und Arbeiter gem. § 17 Abs. 1 TVÜ-Bund in Verbindung mit Anlage 4 als Übergangsregelung fort. Sie fanden nach § 17 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-Bund sowohl auf übergeleitete als auch auf nach dem 30.9.2005 neu eingestellte oder neu eingruppierte Arbeitnehmer Anwendung. Dies galt allerdings nicht uneingeschränkt. Nach § 17 Abs. 2 erster Spiegelstrich TVÜ-Bund galten Vergütungsordnungen und Lohngruppenverzeichnisse nicht für ab dem 1.10.2005 in der Entgeltgruppe 1 TVöD neu eingestellte Beschäftigte. Dementsprechend war die Eingruppierung abweichend von § 17 Abs. 3 TVÜ-Bund nicht nur vorläufiger Natur, sondern galt auch bei Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung. Die Eingruppierung in die EG 1 erfolgte originär. Insoweit war diese Entgeltgruppe 1 schon als Teil der neuen Entgeltordnung anzusehen. Mit Einführung der EG 1 wurde eine "Billiglohngruppe" geschaffen, deren Entgeltniveau etwa 19 % unter dem des BAT und MTArb lag. Ziel war, dem ökonomischen Zwang zur Auslagerung von einfachsten Tätigkeiten aus der betrieblichen Organisation und Vergabe an Dritte ("Outsourcing") entgegenzuwirken und einen Anreiz zu setzen, bereits ausgelagerte Teile wieder zu reintegrieren.
Die Regelung der EG 1 in der Anlage 4 TVÜ-Bund ist von den Tarifvertragsparteien im Wesentlichen in Teil I der Entgeltordnung unverändert übernommen worden. Der in der Anlage 4 ausgebrachte, nicht abschließende Beispielkatalog ist nunmehr in der Protokollerklärung Nr. 9 des Teils I enthalten. Lediglich das Beispiel "Bote/Botin (ohne Aufsichtsfunktion)" ist nicht mehr enthalten. Boten sind nunmehr in Entgeltgruppe 3 eingruppiert (Teil III Abschn. 9 der Entgeltordnung); für in Entgeltgruppe 1 oder 2 eingruppierte Boten war daher ein Antrag auf Höhergruppierung in Entgeltgruppe 3 möglich. Das in der Anlage 4 TVÜ-Bund ausgebrachte Tätigkeitsmerkmal in Entgeltgruppe 1 galt sowohl für den Bereich der Angestellten (Anlagen 1a und 1b zum BAT) als auch für den Bereich der Arbeiter (Lohngruppenverzeichnis). Dementsprechend wurde in Teil II der neuen Entgeltordnung ein wortgleiches Tätigkeitsmerkmal vereinbart. Die in den jeweiligen Protokollerklärungen der Teile I und II aufgeführten identischen Beispiele spiegeln dabei lediglich die Wertigkeit für einfachste Tätigkeiten wider. Sie legen nicht die Zuordnung der Tätigkeiten zu den Teilen I oder II fest. Das Tätigkeitsmerkmal gilt gemäß § 3 Abs. 5 TV EntgO Bund auch für Tätigkeiten der Teile III bis VI. Somit kann in allen Teilen der Entgeltordnung eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 1 erfolgen.
12.2.2 Auslegung der tariflichen Regelung der EG 1
Die Eingruppierung in die originäre EG 1 erfolgt eigenständig ohne Bezugnahme auf die bisherige Zuordnung in den Lohngruppenverzeichnissen. Ausgangspunkt ist der Wortlaut.
Die Tätigkeit muss "einfachst" beschaffen sein. Und dieser Begriff wird operationalisiert durch Tätigkeitsbeispiele in der Protokollerklärung zur EG 1. Aufgrund des Tatbestandsmerkmals "z. B." ist die Aufzählung der Tätigkeitsbeispiele nicht abschließend. Zu klären ist sonach die Bedeutung des Begriffs "einfachst" sowie die genaue Funktion der angeführten Beispiele.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifausübung ergänzend herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt. Die Tarifvertragsparteien können auch im Rahmen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten häufig vorkommende, typische Aufgaben einer bestimmten Entgeltgruppe als Regel-, Richt- oder Tätigkeitsbeispiel fest zuordnen. Übt der Arbeitnehmer eine Tätigkeit aus, die zu dieser Entgeltgruppe genannt ist, sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG ohne weitere Prüfung auch die allgemeinen Merkmale einer Entgeltgruppe grundsätzlich als erfüllt anzusehen. Dies beruht nach Auffassung des BAG darauf, dass die Tarifvertragspa...