Eingruppierung eines Gärtners nach TVöD-NRW
Der Arbeitnehmer ist seit 2012 als Gärtner bei der beklagten Stadt in Nordrhein-Westfalen beschäftigt und verfügt über eine abgeschlossene 3-jährige Berufsausbildung als Gärtner. Zusätzlich verfügt der Arbeitnehmer über eine FLL-Zertifizierung als Baumkontrolleur, welche die Arbeitgeberin für die Ausübung der Tätigkeit voraussetzt.
Die dem Arbeitnehmer konkret übertragene Tätigkeit besteht in der Kontrolle und Pflege der Bäume im Stadtgebiet. Er ist dazu einem Baumpflegeteam zugeordnet und wird sowohl am Boden als auch in einem auf einer Hebebühne angebrachten Arbeitskorb eingesetzt. Am Boden ist der Arbeitnehmer mit der Sicherung von Baustellen und der Verarbeitung abgetrennter Äste betraut, auf der Hebebühne mit der Durchführung von Baumschnitten, der Beseitigung von Totholz und Reibeästen zur Vermeidung von Pilzbefall sowie mit Sichtkontrollen von Baumkronen. Im Rahmen der Kontrollen obliegt es seiner Entscheidung, ob und wie er einen Schaden selbst bearbeitet oder als Aufgabe im System erfassen lässt. Bei Zweifeln hält der Arbeitnehmer hierzu Rücksprache mit seinem Vorgesetzten.
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den TVöD/VKA, TVÜ-VKA und TVöD-NRW. Der Arbeitnehmer ist bislang vergütet nach EG 6 TVöD/VKA und beantragt zum 1.1.2017 eine höhere Vergütung nach EG 7 TVöD.
Höhere Eingruppierung bestimmt sich allein nach TVöD-NRW
Gem. § 11a TVöD-NRW bestimmt sich im Geltungsbereich des TVöD-NRW seit dem 1.1.2017 die Eingruppierung von Beschäftigten i. S. d. § 38 Abs. 5 Satz 2 TVöD/VKA ("Arbeiter"), die von den Besonderen Teilen Verwaltung, Entsorgung und Flughäfen des TVöD erfasst werden, nicht nach TVöD/VKA, sondern nach dem Eingruppierungsverzeichnis im Anhang zu § 11a Teil A TVöD-NRW. Dies trifft auf den als Gärtner beschäftigten Arbeitnehmer zu, der auch einen entsprechenden Antrag auf Überleitung gestellt hat. Die Regelungen der §§ 12, 13 TVöD/VKA sowie die "Grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen)" zu allen Teilen der Entgeltordnung zum TVöD/VKA sind in diesen Fällen außer Acht zu lassen.
Entgegen der Ansicht des Arbeitnehmers erfolgte die Überleitung jedoch gem. § 11a Satz 3 TVöD-NRW i. V. m. § 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe. Bei unveränderter Tätigkeit setzt eine Eingruppierung nach § 11a TVöD-NRW nämlich nicht nur voraus, dass der Beschäftigte bis zum 31.12.2017 einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sondern es muss sich nach dem Eingruppierungsverzeichnis des TVöD-NRW auch eine höhere Entgeltgruppe ergeben als in der Anlage 2 oder 3 TVÜ-VKA vorgesehen.
In Bezug auf den konkreten Fall hatte das BAG daher zu untersuchen, ob sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des TVöD-NRW für den Arbeitnehmer eine höhere Entgeltgruppe als die Entgeltgruppe 6 TVöD/VKA ergibt. Aus Sicht des Arbeitnehmers sind zwei Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 7 nach TVöD-NRW erfüllt:
Entgeltgruppe 7
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 mit besonders qualifizierter oder besonders vielseitiger Tätigkeit
Abschnitt a)
Gelernte Handwerker, Angehörige anderer anerkannter Ausbildungsberufe (Lehrberufe) mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren, die eine ordnungsgemäß abgeschlossene Berufsausbildung (Lehrzeit) durch Zeugnisse nachgewiesen haben und in ihrem erlernten oder einem verwandten Fach eine besonders qualifizierte Spezialtätigkeit verrichten, und zwar als
...
25. Forstwirte, Gärtner oder Fachagrarwirte, die selbstständig und verantwortlich Maßnahmen zur Baumerhaltung durchführen; nicht erfasst werden Maßnahmen der allgemeinen Pflege
...
28. Gärtner oder Fachagrarwirte, die aufgrund einer Zusatzqualifikation die Baumkontrollen durchführen
Zunächst stellt das BAG bei der Prüfung der Eingruppierung fest, dass alle von dem Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit zusammenzufassen sind: Die Tätigkeiten am Boden sowie auf der Hebebühne sind sachlich und tatsächlich miteinander verbunden und es gibt keine zeitliche Zäsur zwischen den Tätigkeiten.
BAG: Baumkontrolle muss Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht dienen
Die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 7 Abschn. a Nr. 28 des Eingruppierungsverzeichnisses sind nach Ansicht des BAG in diesem Fall nicht gegeben. Denn der Arbeitnehmer nimmt die Sichtprüfungen an den Bäumen lediglich im Zusammenhang mit der Baumpflege vor und nicht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung einer Verkehrssicherungspflicht. Das BAG setzt sich dabei umfassend mit dem Begriff der "Baumkontrolle" auseinander und gelangt im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis, dass darunter nur systematische Prüfungen von Bäumen auf äußerliche Schäden in Form von Regelkontrollen vom Boden aus und ggf. durch besondere Schadensereignisse veranlasste Zusatzkontrollen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zu verstehen sind. Nur in diesen Fällen hebt sich die Tätigkeit auf Grund der erforderlichen Zusatzqualifikation und zusätzlich auf Grund der besonderen Verantwortung im Hinblick auf die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht aus denen der Entgeltgruppe 6 heraus. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen seiner Tätigkeit jedoch nur Teil eines Baumpflegeteams, wohingegen für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht von der Arbeitgeberin spezielle Baumkontrollteams eingesetzt werden.
Keine selbstständige und verantwortliche Tätigkeit, wenn bei Zweifel Rücksprache mit dem Vorgesetzten
Anschließend prüfte das BAG noch das Vorliegen der Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 7 Abschn. a Nr. 25 des Eingruppierungsverzeichnisses. Dabei erkennt das Gericht die Tätigkeiten des Arbeitnehmers teilweise auch als Maßnahmen zur Baumerhaltung an, etwa indem er Äste mit Rindenschäden beseitigt und damit erkrankte oder geschädigte Bäume behandelt. Entgegen der Annahme der Vorinstanz führt der Arbeitnehmer diese Maßnahmen aus Sicht des BAG jedoch nicht "selbstständig" und "verantwortlich" aus. Das BAG nimmt dabei Bezug auf die Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen nach § 11a TVöD-NRW:
5. Die Anforderungen „selbstständig“ und „verantwortlich“ verlangen ab der Entgeltgruppe 7, dass Beschäftigte über das bis zur Entgeltgruppe 6 geforderte Maß hinaus die Tätigkeit der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale ohne besondere Anweisung ausführen („selbstständig“) und für die durchzuführende Arbeit die volle Verantwortung tragen („verantwortlich“). Darüber hinausgehende Verantwortung aus anderem Recht ist keine Anforderung im Sinne der Tätigkeitsmerkmale.
Danach genügt für das Merkmal "selbstständig" nicht bereits eine gewisse Eigenständigkeit, wie sie bereits auf Grund der abgeschlossenen Berufsausbildung erwartet werden kann. Vorausgesetzt ist vielmehr, dass der Arbeitnehmer selbst über den jeweils einzuschlagenden Weg sowie das zu findende Ergebnis entscheidet und er auch die mit der erweiterten Selbstständigkeit einhergehende Verantwortung zu tragen hat. In Bezug auf den konkreten Fall hat das BAG festgestellt, dass der Arbeitnehmer über das Ob und die Art der Durchführung von Baumerhaltungsmaßnahmen nicht durchweg selbst entscheidet, sondern er bei Zweifeln Rücksprache mit seinem Vorgesetzten hält, sich also Anweisungen erteilen lässt. Damit trägt er jedenfalls nicht die volle Verantwortung für die Baumerhaltungsmaßnahmen und erfüllt das Tätigkeitsmerkmal nicht.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nach dem allgemeinen Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 7 nicht, da der Arbeitnehmer aus Sicht des BAG keine besonders qualifizierte oder besonders vielseitige Tätigkeit ausübt: Sie ist weder in Bezug auf die fachlichen Anforderungen besonders qualifiziert noch wertungsmäßig mit den einzeln aufgeführten Spezialtätigkeiten vergleichbar und beschränkt sich auf ein eng begrenztes Arbeitsgebiet. Daran ändert aus Sicht des Gerichts auch die erforderliche Fortbildung des Arbeitnehmers zum FLL-Zertifizierten Baumkontrolleur nichts, zumal diese innerhalb nur einer Woche zu erlangen war.
Für den klagenden Arbeitnehmer verbleibt es daher nach der Entscheidung des BAG bei der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 TVöD/VKA.
(BAG, Urteil v. 16.8.2023, 4 AZR 283/22)
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