In der Praxis werden häufig Anträge auf Höhergruppierung unter Hinweis auf bestimmte Kriterien gestellt, wie z. B. Eingruppierung eines vergleichbaren Beamten oder Eingruppierungspraxis anderer öffentlicher Arbeitgeber. Es ist deshalb wichtig zu wissen, dass für die Prüfung der Frage, welchen Tätigkeitsmerkmalen die vom Beschäftigten auszuübende Tätigkeit zuzuordnen ist, folgende Gesichtspunkte unerheblich sind:
22.7.1 Qualität und Quantität der geleisteten Arbeit
Die Qualität und Quantität der geleisteten Arbeit ist unerheblich. Maßgebend für die Eingruppierung ist nicht die "ausgeübte", sondern die "auszuübende" Tätigkeit. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Beschäftigte den Anforderungen gewachsen ist oder nicht. Dies fällt in den Bereich des Arbeitgeberrisikos. So hat das BAG bereits im Urteil vom 28.5.1968 entschieden, dass eine Schlechtleistung des Beschäftigten zwar u. U. eine Kündigung rechtfertigen kann, die Zugehörigkeit zu einer Vergütungsgruppe, deren Tätigkeitsmerkmalen die vom Beschäftigten auszuübende Tätigkeit entspricht, jedoch nicht berührt.
Im Umkehrfall kann der Arbeitgeber auch die besondere Leistung eines Beschäftigten bzw. die besonders rasche Erledigung von Aufgaben nicht durch eine Höhergruppierung belohnen.
22.7.2 Einarbeitungszeit, Probezeit
Ein besonderes Ärgernis in der gängigen Tarifpraxis des BAT/BAT-O/ war der Umstand, dass ein Beschäftigter während eines längeren Zeitraums nach der Einstellung eine niedrigere Vergütung erhielt, als tariflich gerechtfertigt wäre. Die personalbearbeitenden Stellen rechtfertigten diese Praxis mit dem Hinweis darauf, dass der Beschäftigte den Anforderungen des neuen Aufgabenfelds während der Dauer der Einarbeitungszeit oder Probezeit nicht oder nur eingeschränkt genügen könne. Da er die ihm zugewiesene Tätigkeit nicht in vollem Umfang ausüben könne, erfülle er auch nicht in vollem Umfang die tariflichen Anforderungen des Arbeitsplatzes. Des Weiteren seien noch Hilfestellungen durch Kollegen und häufiges Nachfragen beim Vorgesetzten erforderlich. Daher könne in dieser Zeit noch nicht das volle Entgelt bezahlt werden.
Diese Argumentation war im Bereich des BAT/BAT-O und ist auch heute im Bereich des TVöD tarifrechtlich nicht haltbar, da nach dem Grundsatz der Tarifautomatik der Beschäftigte in der Vergütungsgruppe eingruppiert war bzw. Entgeltgruppe ist, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte, von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT/BAT-O bzw. § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD [VKA]). Es kommt also nicht auf die ausgeübte, sondern auf die auszuübende Tätigkeit an.
Das Hessische LAG führt zu diesem Problemkreis zutreffend aus:
"Für die Eingruppierung nach einem durch Tätigkeitsmerkmale bestimmten Vergütungsgruppensystem kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob und wie der betreffende Arbeitnehmer, der eine an Tätigkeitsmerkmalen zwecks Zuordnung zu den Gruppen eines Vergütungsgruppensystems zu messende Tätigkeit ausübt, diese Tätigkeit nach seinen persönlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten qualitativ bewältigt und den Anforderungen des Arbeitsplatzes hinsichtlich der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale in der Bewältigung dieser Tätigkeit persönlich genügt. Bei der Eingruppierung geht es um die tarifgerechte Bewertung des Arbeitsplatzes mit seinen spezifischen Anforderungen, d. h. um den Akt der Rechtsanwendung, welchen Tätigkeitsmerkmalen die vom Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit entspricht und welche Vergütungsgruppe dementsprechend für die Vergütung maßgebend ist."
Auch das BAG hat sich mehrfach mit der tarifwidrig geforderten Einarbeitungszeit und Probezeit auseinandergesetzt: "Entgegen der Meinung der Revision durfte das LAG bei der Bewertung der Tätigkeit des Klägers die Behauptung des Beklagten unberücksichtigt lassen, der Kläger habe sich erst einarbeiten müssen und habe sich nicht bewährt ..."
"... falls er den an ihn gestellten Anforderungen nicht voll entsprochen hat, konnte das eine Kündigung mit oder ohne Angebot einer geringerwertigen Weiterbeschäftigung, nicht aber eine niedrigere Einstufung rechtfertigen."
Die Tarifparteien des TVöD haben nunmehr mit der Differenzierung des Grundentgelts in 2 Stufen dem Umstand Rechnung getragen, dass Berufsanfänger ohne einschlägige Berufserfahrung zu Beginn noch keine vollwertige Leistung erbringen können. Die Stufe 1 war nämlich bei der Einführung des TVöD der Betrag der Stufe 2, abgesenkt um 10 %. Und nach einem Jahr Einarbeitungszeit bekommt der Beschäftigte das "eigentliche" Grundentgelt.
Dennoch ist in der Praxis (leider) häufiger festzustellen, dass die überkommene Übung der anfangs tarifwidrigen niedrigeren Eingruppierung nach wie vor fortgesetzt wird.
Die personalbearbeitende Stelle kann jedoch dem Beschäftigten während der Probezeit ausdrücklich höherwertige Tätigkeiten in einem geringeren Umfang oder Aufgaben zuordnen, deren Tätigkeitsmerkmale einer niedrigeren Entgeltgruppe entsprechen oder aber die Wertigkeit evtl. durch Nichtübertragung von Entscheidungskompete...