LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.2.2024, 4 Sa 32/23

Leitsatz (amtlich)

Liegen in einem Abrufarbeitsverhältnis zwischen bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiträumen mehrtägige und nicht nur das Wochenende umfassende Zeiten ohne bescheinigte Arbeitsunfähigkeiten, so kann aus der bloßen Tatsache, dass in diesen Zeiten keine Dienstplaneinteilungen bestanden haben, kein Indiz für das Vorliegen einer Einheit des Verhinderungsfalls abgeleitet werden.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten. in Teilzeit in einem Abrufarbeitsverhältnis mit einem vertraglichen Beschäftigungsumfang von 20 Stunden pro Woche beschäftigt.

Der Kläger war gemäß Dienstplan im Monat März 2022 an folgenden Tagen zum Dienst eingeteilt: 2., 5., 9., 21., 26., 28 und 31.3. Dieser legte der Beklagten jedoch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeiträume 1.–10.3. und 18.3. bis 1.4. vor, sodass er im März 2022 keine Arbeitsleistungen erbrachte. Die Beklagte verweigerte für den Monat März 2022 die Entgeltfortzahlung.

Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Diagnosenaufstellung der Krankenkasse war er im Zeitraum 1.3. bis 10.3.2022 arbeitsunfähig wegen "M5486 Sonstige Rückenschmerzen: Lumbalbereich". Für den Zeitraum 18.3.2022 bis 1.4.2022 ist in der Diagnosenaufstellung vermerkt: "M544 Lumboischialgie".

Der Kläger war bereits vor März 2022 wiederholt arbeitsunfähig krank: im Jahre 2021 9x wegen verschiedener Krankheitsbilder und im Jahre 2022 bereits 2x.

Der Kläger meinte, die Beklagte sei für den Monat März 2022 entgeltfortzahlungspflichtig, da er nicht länger als 6 Wochen wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei.

Die Beklagte bestritt jedoch, dass die Arbeitsunfähigkeiten des Klägers aus der Vergangenheit jeweils zum bescheinigten Endtermin beendet gewesen seien. Stattdessen sei beim Kläger ein Muster zu erkennen, dass sich dieser nur für Zeiten arbeitsunfähig krankgemeldet habe, zu denen dienstplanmäßig 1ätze vorgesehen gewesen seien. Auch wenn er für Krankheitszeiten in dienstfreien Zeiten nicht nachweispflichtig sei, obliege ihm die Darlegungslast für die Beendigung der jeweils bescheinigten Arbeitsunfähigkeiten. Sie gehe deshalb davon aus, dass der Kläger im März 2022 durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen und auch schon vor dem Monat März 2022 mehr als 6 Wochen durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen sei. Unter Zugrundelegung des Grundsatzes der Einheit des Verhinderungsfalls sei die Entgeltfortzahlungspflicht im März 2022 bereits beendet gewesen.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Gericht entschied, dass keine Indizien vorlagen, aus denen auf eine Einheit des Verhinderungsfalls geschlossen werden könnten. Zwischen den bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiträumen lägen nicht nur Wochenenden oder einzelne arbeitsfreie Tage.

Das Gericht führte hierzu aus, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von 6 Wochen begrenzt sei. Dies gelte nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In einem solchen Fall könne der Arbeitnehmer die Sechswochenfrist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe nur dann, wenn die 1. krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führte. Dies sei dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen 2 Krankheiten tatsächlich gearbeitet hatte oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls sei grundsätzlich die Entscheidung des Arztes, der die Arbeitsunfähigkeit im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen wird. Das gelte unabhängig davon, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- oder arbeitsfreien Tag fällt.

Hierbei trage nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, für den Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit bzw. bei erneuter Erkrankung in unmittelbarem Anschluss an den ausgeschöpften Sechswochenzeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, dass die neue Arbeitsunfähigkeit erst zu einem Zeitpunkt eingetreten war, zu dem die 1. krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits beendet war. Hierfür könne sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen. Zudem stehe ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung. Bei der näheren Bestimmung der Anforderungen an die wechselseitige Darlegungslast der Parteien dürfe nicht übersehen werden, dass der Arbeitgeber in aller Regel keine Kenntnis von den Krankheitsursachen hat und kaum in der Lage sei, belastbare Indiztatsachen für das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls vorzutragen. Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht ...

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