BAG, Urteil vom 14.10.2021, 8 AZR 96/20
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung abschließt und ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden, liegt insoweit grundsätzlich kein pfändbares Einkommen i. S. v. § 850 Abs. 2 ZPO mehr vor. Es ist hierbei ohne Bedeutung, ob die Entgeltumwandlungsvereinbarung vor oder erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde, zumindest dann, wenn mit der getroffenen Entgeltumwandlungsvereinbarung das Recht aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht und der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehene Betrag nicht überschritten wurde.
Sachverhalt
Der Kläger ist der geschiedene Ehemann der Streitverkündeten. Die Beklagte ist deren Arbeitgeberin. Im Rahmen der Scheidung des Klägers und der Streitverkündeten wurde diese aufgrund einer Vereinbarung über die Aufteilung von Schulden aus einem laufenden Bauprozess im Wege eines familiengerichtlichen Versäumnisbeschlusses zur Zahlung von 22.679,60 EUR nebst Zinsen an den Kläger verpflichtet. Der Kläger erwirkte hierüber einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen der Streitverkündeten, welcher der Beklagten im November 2015 zugestellt wurde. Im Mai 2016 schlossen die Streitverkündete und die Beklagte eine Entgeltumwandlungsvereinbarung, welche eine betriebliche Altersversorgung im Wege einer Direktversicherung zum Gegenstand hatte. Nach dem Versicherungsvertrag ist Begünstigte die Streitverkündete, Versicherungsnehmerin die Beklagte, der von dieser monatlich in die Direktversicherung einzuzahlende Beitrag beträgt 248,00 EUR.
Aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses leistete in der Folge die Beklagte Zahlungen an den Kläger, hierbei ließ sie jedoch bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens der Streitverkündeten den monatlichen Versicherungsbeitrag i. H. v. 248,00 EUR unberücksichtigt.
Der Kläger klagte nun auf einen höheren pfändbaren Lohnteil. Er vertrat hierbei die Auffassung, dass die Entgeltumwandlung das pfändbare Einkommen der Streitverkündeten nicht reduziere, da diese mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Verwertungszuständigkeit über ihre Forderung verloren habe. Im Übrigen gelte der Rechtsgedanke des § 850h ZPO.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung abschließt und ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden, liegt insoweit grundsätzlich kein pfändbares Einkommen i. S. v. § 850 Abs. 2 ZPO mehr vor. Es sei hierbei nach Auffassung des Gerichts ohne Bedeutung, ob die Entgeltumwandlungsvereinbarung vor oder erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde, zumindest nicht in den Fällen wie vorliegend, wenn mit der getroffenen Entgeltumwandlungsvereinbarung vom Recht aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht und der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehene Betrag nicht überschritten werde. Begründet hat das BAG dies mit dem Umstand, dass bei einer an § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG orientierten normativen Betrachtung die von der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungsvereinbarung keine den Kläger als Gläubiger benachteiligende Verfügung i. S. v. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO darstelle. Es scheide hier auch ein Rückgriff auf § 850h ZPO aus. Ob eine andere Bewertung dann geboten sei, wenn ein höherer Betrag als der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehene umgewandelt werde, musste das Gericht nicht entscheiden.