BAG, Urteil vom 25.4.2024, 8 AZR 143/23
Ein öffentlicher Arbeitgeber i. S. d. § 154 Abs. 2 SBG IX ist nach § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen- dies gilt auch bei internen Stellenbesetzungen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung bekannt war oder er diese kennen musste. Ein Bewerber, der seine Schwerbehinderung bei einer Bewerbung berücksichtigt wissen will, muss deshalb den Arbeitgeber hierüber z. B. in den Bewerbungsunterlagen in Kenntnis setzen. Eine Ausnahme besteht nur, soweit der Arbeitgeber bereits über diese Information verfügt und ihm die Schwerbehinderteneigenschaft positiv bekannt ist, was z. B. bei internen Bewerbungen der Fall sein kann. Jedoch auch hier kann es im Einzelfall erforderlich sein, in den Bewerbungsunterlagen auf eine bestehende Schwerbehinderung hinzuweisen, z. B. wenn bei einem Arbeitgeber mit zahlreichen Arbeitnehmern das Bewerbungsverfahren dezentral von einer Stelle durchgeführt wird, die für den Bewerber erkennbar keine Kenntnis von der Schwerbehinderung hat.
Sachverhalt
Die Klägerin, staatlich geprüfte Dokumentationsassistentin, hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 und ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Sie war beim beklagten Land vom 15.2.2021 bis zum 14.2.2022 im Rahmen eines Drittmittelprojekts an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Bereich der Datenerfassung beschäftigt. Im April und Mai 2021 veröffentlichte das beklagte Land 2 interne Stellenausschreibungen für die Stelle einer Sekretärin der Naturwissenschaftlichen Fakultät II bzw. III, wobei u. a. gute Englischkenntnisse in Sprache und Schrift gefordert wurden. Die Klägerin bewarb sich hierauf, jedoch ohne auf ihre Behinderung bzw. Gleichstellung hinzuweisen. Nachdem die Fakultäten nicht auf ihre Bewerbungen reagierten, klagte die Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung, da sie entgegen der gesetzlichen Verpflichtung für öffentliche Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem BAG zuletzt keinen Erfolg.
Das BAG führte hierzu aus, dass die Klägerin zwar dadurch unmittelbar i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt worden sei, dass sie von dem beklagten Land für die ausgeschriebenen Stellen nicht berücksichtigt wurde.
Allerdings habe die Klägerin die unmittelbare Benachteiligung nicht wegen ihrer Behinderung erfahren; denn sie habe keine hinreichenden Indizien i. S. d. § 22 AGG vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten ließen. Das Gericht begründete dies damit, dass das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht jede Ungleichbehandlung erfasse, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund bzw. zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung müsse demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Bei Schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Menschen begründe der Verstoß des Arbeitgebers gegen Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten dieser Menschen regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung i. S. d. § 22 AGG. Im vorliegenden Fall wurde die Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung jedoch nicht durch die unterbliebene Einladung nach § 165 Satz 3 SGB IX indiziert; denn sie hatte keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergab, dass eine Einladung in den Bewerbungsverfahren trotz Kenntnis des Arbeitgebers von ihrer Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen unterblieben sei. Zwar bestehe die Einladungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers nach § 165 Satz 3 SGB IX zum Schutz der schwerbehinderten Bewerber bzw. diesen Gleichgestellten auch bei internen Stellenbesetzungen, was sich aus der Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs, der Entstehungsgeschichte sowie des Sinns und Zwecks der Vorschrift ergebe. Voraussetzung sei jedoch, dass dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung bekannt war oder er diese kennen musste. Ein Bewerber, der seine Schwerbehinderung bei einer Bewerbung berücksichtigt wissen will, müsse deshalb den Arbeitgeber hierüber z. B. in den Bewerbungsunterlagen in Kenntnis setzen. Dies war vorliegend jedoch nicht erfolgt. Die Klägerin habe, so das BAG weiter, auch nicht davon ausgehen können, dass ihre Gleichstellung im Bewerbungsverfahren bekannt gewesen sei, so dass es ausnahmsweise keines Hinweises auf die die Gleichstellung bedurft habe.
Eine Ausnahme von der Mitteilungspflicht könne ggf. dann bestehen, wenn der Arbeitgeber bereits über diese Information verfüge und ihm die Schwerbehinderteneigenschaft positiv bekannt sei, was bei internen Bewerbungen der Fall sein könne. Jed...