2.2.1 Begriff

Die gesetzliche Rentenversicherung geht von einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente aus. Eine Erwerbsminderung liegt vor, wenn wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr für mindestens 6 Stunden täglich (sog. Restleistungsvermögen) ausgeübt werden kann. Die Definition der Erwerbsminderung ist in § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI geregelt. Danach wird zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterschieden. Ohne Bedeutung ist, ob und ggf. in welcher Höhe bei einem eingeschränkten Leistungsvermögen Entgelt erzielt werden kann.

2.2.2 Feststellung

Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit umfasst die Beurteilung des zeitlichen (quantitativen) Umfangs, in dem die letzte berufliche Tätigkeit ausgeübt werden kann und die Bestimmung des qualitativen und zeitlichen (quantitativen) Leistungsvermögens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Der allgemeine Arbeitsmarkt umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt. Ohne rechtliche Bedeutung ist die subjektive Zumutbarkeit einer Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung oder des Status der bisherigen beruflichen Tätigkeit.

 
Wichtig

Volle Erwerbsminderungsrente:

Voraussetzung hierfür ist, dass das Restleistungsvermögen des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden gesunken ist.

Teilweise (halbe) Erwerbsminderungsrente:

Voraussetzung hierfür ist, dass beim Versicherten noch ein Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von drei bis unter sechs Stunden besteht.

Keine Erwerbsminderungsrente:

Bei einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr wird keine Erwerbsminderungsrente gezahlt.

Ermittlung des qualitativen (gesundheitlichen) Leistungsvermögens

Bei der Einschränkung des Leistungsvermögens sind für den gesetzlichen Rentenversicherungsträger allein gesundheitliche Gründe (Krankheit oder Behinderung) maßgebend. Andere leistungsmindernde Ursachen, wie z.B. hohes Alter, sind dagegen unerheblich. Der gesetzliche Rentenversicherungsträger stellt ein positives/negatives (qualitatives) Leistungsbild bezogen auf die körperliche, geistige und psychische Belastbarkeit auf und stellt die zumutbare tägliche Arbeitszeit für eine 5-Tage-Woche fest. Dabei werden zusätzliche Einschränkungen (z.B. abweichende Ruhepausen, betriebsunübliche Pausen, Wegebeschränkungen) in die Prüfung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit einbezogen.

Auswirkungen zeitlicher (quantitativer) Leistungseinschränkungen

Der gesetzliche Rentenversicherungsträger teilt die Arbeitsverhältnisse folgendermaßen ein:

  • Vollzeittätigkeit

(Arbeitsverhältnis mit der tariflichen bzw. branchenüblichen wöchentlichen Arbeitszeit)

  • Teilzeittätigkeit

(Beschäftigungsverhältnis mit weniger als der vollen tariflichen bzw. branchenüblichen, aber grundsätzlich mindestens 15-stündigen Arbeitszeit)

  • Geringfügige Beschäftigung

(Beschäftigung, die regelmäßig weniger als 15 Stunden/Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 325 EUR nicht übersteigt (§ 8 SGB IV).

Mindestens 6-stündige Leistungsfähigkeit

Der gesetzliche Rentenversicherungsträger setzt eine 6-stündige Erwerbsfähigkeit nicht mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen im Sinne der o.g. Definition der Vollzeittätigkeit gleich. Bei einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen sind Versicherte nicht erwerbsgemindert. Die Differenz zwischen 6 Stunden und voller tariflicher bzw. branchenüblicher Arbeitszeit geht zu Lasten des Versicherten.

Mindestens 3- bis 6-stündige Leistungsfähigkeit

Bei diesem gesundheitlich bedingten Leistungsvermögen unterstellt der gesetzliche Rentenversicherungsträger, dass der Versicherte nur noch zur Teilzeitarbeit fähig ist. Es besteht daher ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Ob der Versicherte mit seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung die verbleibende Fähigkeit für Teilzeittätigkeiten tatsächlich in eine Erwerbstätigkeit umsetzen kann, ist von der konkreten Arbeitsmarktsituation abhängig.

Liegt neben der teilweisen Erwerbsminderung zudem Arbeitslosigkeit vor, ist der in Betracht zu ziehende Teilzeitarbeitsmarkt als verschlossen anzusehen (Fiktion). Dies hat zur Folge, dass die teilweise Erwerbsminderung zu einem Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung durchschlägt ( arbeitsmarktbedingte Erwerbsminderungsrente). Damit trägt die gesetzliche Rentenversicherung weiter das Arbeitsmarktrisiko für diese Personengruppe. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wird damit nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten (sog. abstrakte Betrachtungsweise) abhängig, sondern auch davon, ob er noch in der Lage ist, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-)Arbeitsmarktes das ihm verbleibende Restleistungsvermögen zur Erzielung eines Einkommens einzusetzen (sog . konkrete Betrachtungsweise).

Für den Anspruch auf eine arbeitsmarktbedingte Erwerbsminderungsrent...

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