Entscheidungsstichwort (Thema)
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Art. 6 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 2 Buchst. b EU. Rahmenbeschluss 2002/584/JI. Europäischer Haftbefehl und Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten. Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften. Abschaffung der Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit. Gültigkeit
Beteiligte
Advocaten voor de Wereld VZW |
Leden van de Ministerraad |
Tenor
Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten berühren könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 35 EU, eingereicht vom Arbitragehof (Belgien) mit Entscheidung vom 13. Juli 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juli 2005, in dem Verfahren
Advocaten voor de Wereld VZW
gegen
Leden van de Ministerraad
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, R. Schintgen, P. Kūris, E. Juhász und J. Klučka sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), J. Makarczyk, U. Lõhmus, E. Levits und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Advocaten voor de Wereld VZW, vertreten durch L. Deleu, P. Bekaert und F. van Vlaenderen, advocaten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch M. Wimmer als Bevollmächtigten im Beistand von E. Jacubowitz und P. de Maeyer, avocats,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boček als Bevollmächtigten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, J.-C. Niollet und E. Belliard als Bevollmächtigte,
- der lettischen Regierung, vertreten durch E. Balode-Buraka als Bevollmächtigte,
- der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster, M. de Mol und C. M. Wissels als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch J. Pietras als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Nwaokolo und C. Gibbs als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dashwood, Barrister,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch S. Kyriakopoulou, J. Schutte und O. Petersen als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Bogensberger und R. Troosters als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. September 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Beurteilung der Gültigkeit des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190, S. 1, im Folgenden: Rahmenbeschluss).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer von der Advocaten voor de Wereld VZW (im Folgenden: Advocaten voor de Wereld) beim Arbitragehof erhobenen Klage auf Nichtigerklärung des belgischen Gesetzes vom 19. Dezember 2003 über den Europäischen Haftbefehl (Moniteur belge vom 22. Dezember 2003, S. 60075, im Folgenden: Gesetz vom 19. Dezember 2003), insbesondere dessen Art. 3, Art. 5 Abs. 1 und 2 sowie Art. 7.
Rechtlicher Rahmen
3 Der fünfte Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses lautet:
„Aus dem der Union gesetzten Ziel, sich zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, ergibt sich die Abschaffung der Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten und deren Ersetzung durch ein System der Übergabe zwischen Justizbehörden. Die Einführung eines neuen, vereinfachten Systems der Übergabe von Personen, die einer Straftat verdächtigt werden oder wegen einer Straftat verurteilt worden sind, für die Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung oder der Vollstreckung strafrechtlicher Urteile ermöglicht zudem die Beseitigung der Komplexität und der Verzögerungsrisiken, die den derzeitigen Auslieferungsverfahren innewohnen. Die bislang von klassischer Kooperation geprägten Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sind durch ein System des freien Verkehrs strafrechtlicher justizieller Entscheidungen – und zwar sowohl in der Phase vor der Urteilsverkündung als auch in der Phase danach – innerhalb des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu ersetzen.”
4 Der sechste Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses lautet:
„Der Europäische Haftbefehl im Sinne des vorliegenden Rahmenbeschlusses stellt im strafrechtlichen Bereich die erste konkrete Verwirklichung des vom Europäischen Rat als ‚Eckstein' der justiziellen Zusammenarbeit qualifizierten Prinzips der ge...