Entscheidungsstichwort (Thema)
Tätigkeit des Wertpapiermaklers. Freizuegigkeit ° Niederlassungsfreiheit ° Dienstleistungsfreiheit ° Tätigkeit des Wertpapiermaklers ° Tätigkeit, die ein Mitgliedstaat solchen Gesellschaften vorbehalten hat, die ihren Geschäftssitz in seinem Hoheitsgebiet haben ° Unzulässigkeit (EG-Vertrag, Artikel 52 und 59)
Leitsatz (amtlich)
Die Artikel 52 und 59 des Vertrages lassen es nicht zu, daß ein Mitgliedstaat die Ausübung der Tätigkeiten des Wertpapiermaklers ausserhalb von Banken auf Gesellschaften beschränkt, die ihren Geschäftssitz in seinem Hoheitsgebiet haben, und damit Wertpapiermaklergesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, die in seinem Hoheitsgebiet tätig werden wollen, daran hindert, bestimmte Niederlassungsformen wie die der Geschäftsstelle oder der Zweigniederlassung zu benutzen, wodurch sie höhere Kosten als die Angehörigen dieses Staates tragen müssen, und ihnen völlig die Möglichkeit nimmt, von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch zu machen.
Er nimmt hiermit nämlich eine Ungleichbehandlung vor, die nicht objektiv gerechtfertigt ist, da die besagte Verpflichtung, auch wenn sie die Überwachung und Kontrolle der Marktteilnehmer erleichtert, weder das einzige Mittel noch eine unerläßliche Voraussetzung ist, damit der Staat zum einen sicherstellen kann, daß die Marktteilnehmer die von ihm erlassenen Vorschriften über die Ausübung der Tätigkeit des Wertpapiermaklers einhalten, und zum anderen diejenigen wirksam mit Sanktionen belegen kann, die gegen diese Vorschriften verstossen. Insbesondere ist er nicht gehindert, von den Maklergesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten zu verlangen, daß sie Auskünfte erteilen und Papiere übergeben, die speziell die Tätigkeit ihrer Nebenstellen in diesem Staat betreffen, ihre Tätigkeit davon abhängig zu machen, daß sie finanzielle Garantien zur Deckung der in seinem Hoheitsgebiet getätigten Geschäfte stellen, und mit den Behörden der anderen Mitgliedstaaten Vereinbarungen über die Zusammenarbeit bei der Überwachung der Märkte und der Zwischenhändler zu treffen; er kann sich nicht darauf berufen, die Vorschriften über den Zugang zur Tätigkeit des Wertpapiermaklers in den verschiedenen Mitgliedstaaten und insbesondere diejenigen über die Garantien betreffend das Eigenkapital seien nicht vergleichbar, wenn seine Rechtsvorschriften ausdrücklich die Möglichkeit zum Abschluß derartiger Vereinbarungen vorsehen und ausserdem die verschiedenen von den Mitgliedstaaten bei der Aufstellung der Anforderungen hinsichtlich des Eigenkapitals verwendeten Methoden allgemein ein gleiches Maß an Sicherheit gewähren.
Normenkette
EGVtr Art. 52 (jetzt Art. 43 EG), Art. 59
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 52 und 59 EG-Vertrag verstossen, daß sie die Tätigkeiten des Wertpapiermaklers ausser den Banken solchen Gesellschaften vorbehalten hat, die ihren Geschäftssitz in Italien haben.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. März 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 52 und 59 EG-Vertrag verstossen hat, daß sie die Tätigkeiten des Wertpapiermaklers ausser den Banken solchen Gesellschaften vorbehalten hat, die ihren Geschäftssitz in Italien haben.
2 Das Gesetz Nr. 1 vom 2. Januar 1991 über die Regelung der Tätigkeit des Wertpapiermaklers und die Organisation der Wertpapiermärkte (GURI Nr. 3 vom 4. Januar 1991, S. 3, im folgenden: Gesetz) ist nach Artikel 1 Absatz 1 auf folgende Tätigkeiten anwendbar, die es als „Tätigkeiten des Wertpapiermaklers” bezeichnet:
- „Wertpapierhandel für eigene oder für fremde Rechnung oder sowohl für eigene als auch für fremde Rechnung;
- Plazierung und Verkauf von Wertpapieren mit oder ohne vorherige Zeichnung oder Fixkauf oder Übernahme von Garantien gegenüber dem Emittenten;
- Vermögensverwaltung durch Operationen, deren Gegenstand Wertpapiere sind;
- Entgegennahme von Aufträgen zum Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren;
- Beratung in Wertpapierangelegenheiten;
- auf die Ersparnisse der Öffentlichkeit abzielende Werbeaktionen an anderen Orten als dem gesetzlichen oder administrativen Hauptsitz des Emittenten, des Investors oder dessen, der die Plazierung vornimmt …”
3 Nach Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes darf der Beruf des Wertpapiermaklers in Italien gegenüber der Öffentlichkeit ausser durch die Banken nur durch Wertpapiermaklergesellschaften „Società di intermediazione mobiliare”, im folgenden: SIM) ausgeuebt werden, die durch die nationale Kommission für die Gesellschaften und die Börse (Commissione nazionale per le società e la borsa, im folgenden: Consob) dafür zugelassen worden sind.
4 Die SIM werden zur Ausübung der Tätigkeit des Wertpapiermaklers ...