Entscheidungsstichwort (Thema)
Italienische Verpflichtung in anderen Mitgliedstaaten ansässiger Zeitarbeitsunternehmen zur Errichtung eines Sitzes oder einer Zweigniederlassung im Inland. Italienische Verpflichtung in anderen Mitgliedstaaten ansässiger Zeitarbeitsunternehmen zur Stellung einer Sicherheit in Höhe von 700 Millionen ITL bei einem Kreditinstitut mit Sitz oder Niederlassung im Inland. Berücksichtigung später eingetretener Veränderungen im Rahmen des Zeitpunktes der Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung. Rechtfertigung diskriminierender Beschränkungen gegenüber Marktteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten
Normenkette
EGV Art. 226, 49, 56, 59, 73b
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 49 EG und 56 EG verstoßen, dass sie vorschreibt, dass in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Zeitarbeitsunternehmen ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung im Inland errichten und eine Sicherheit in Höhe von 700 Millionen ITL bei einem Kreditinstitut mit Sitz oder Zweigniederlassung im Inland stellen müssen.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1.
Mit Klageschrift, die am 13. Juli 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 226 EG Klage auf Feststellung erhoben, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 49 und 56 EG verstoßen hat, dass sie vorschreibt, dass in anderen Mitgliedstaaten ansässige Zeitarbeitsunternehmen ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung im Inland errichten und eine Sicherheit in Höhe von 700 Millionen ITL bei einem Kreditinstitut mit Sitz oder Niederlassung im Inland stellen müssen.
Die nationale Regelung
2.
Die Legge No. 196, Norme in materia di promozione dell'occupazione (Gesetz Nr. 196 mit Vorschriften über die Beschäftigungsförderung), vom 24. Juni 1997 (GURI Nr. 154 vom 4. Juli 1997, Beilage Nr. 136/L, S. 3, im Folgenden: Gesetz Nr. 196/97) behält in Artikel 2 Absatz 1 die Ausübung der Tätigkeit der Zeitarbeitsvermittlung Gesellschaften vor, die in dem zu diesem Zweck vorgesehenen Register bei der zuständigen Abteilung des Ministeriums für Arbeit und Soziale Sicherheit eingetragen sind. Zur Eintragung in dieses Register bedürfen die Gesellschaften einer Genehmigung dieses Ministeriums, die zunächst vorläufig und dann nach zwei Jahren der Ausübungder Tätigkeit auf unbestimmte Zeit erteilt wird. Die Erteilung dieser Genehmigung ist ihrerseits an die Erfüllung bestimmter, in Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 196/97 festgelegter Bedingungen geknüpft.
3.
Die erwähnte Vorschrift lautet:
Für die Ausübung der in Absatz 1 genannten Tätigkeit gelten folgende Bedingungen:
a)
Errichtung einer Gesellschaft in der Form einer italienischen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft oder einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union; Führung der Bezeichnung ‚Gesellschaft zur Erbringung von Zeitarbeit'; Bezeichnung dieser Aktivität als ausschließlichen Gesellschaftszweck; Gesellschaftskapital von nicht weniger als 1 Milliarde ITL; Sitz oder Zweigniederlassung im Inland;
…
c)
Als Garantie für die Forderungen der mit Vertrag gemäß Artikel 3 [Vertrag über die Leistung von Zeitarbeit] eingestellten Arbeitnehmer und die entsprechenden Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger Stellung einer Sicherheit in Höhe von 700 Millionen ITL bei einem Kreditinstitut mit Sitz oder Zweigniederlassung im Inland für die ersten beiden Jahre; ab dem dritten Kalenderjahr anstelle der Sicherheitsleistung die Stellung einer Bankgarantie oder einer vergleichbaren Versicherung in Höhe von mindestens 5 % des Vorjahresumsatzes ohne Mehrwertsteuer und jedenfalls nicht geringer als 700 Millionen ITL.
…
4.
Nach Artikel 10 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 196/97 können gegen Personen, die die Tätigkeit der Zeitarbeitsvermittlung ausüben, ohne im Besitz der in Artikel 2 dieses Gesetzes vorgesehenen Erlaubnis zu sein, ordnungs- oder strafrechtliche Sanktionen verhängt werden.
Vorprozessuales Verfahren
5.
Die Kommission, die Artikel 2 Absatz 2 Buchstaben a und c des Gesetzes Nr. 196/97 für mit den Artikeln 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) und 73b EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 56 EG) unvereinbar hält, forderte die italienische Regierung mit Schreiben vom 29. Juli 1998 auf, sich binnen zwei Monaten dazu zu äußern.
6.
Mit Schreiben vom 6. November 1998 antwortete die italienische Regierung auf dieses Schreiben, dass die besagten Vorschriften des Gesetzes Nr. 196/97 aus Gründen der öffentlichen Ordnung gemäß Artikel 56 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 46EG) und 66 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 55 EG) gerechtfertigt seien, da sie dem effektiven Schutz der Rechte der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Entlohnung und die Sozialabgaben gegenüber ihrem eigenen Arbeitgeber, ...