Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung des Unternehmens an eine eigene ausländische feste Niederlassung, kein steuerbarer Umsatz
Leitsatz (amtlich)
Die Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, nicht aufgrund der Kosten, mit denen sie wegen der genannten Dienstleistungen belastet wird, als Steuerpflichtiger anzusehen ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1, Art. 9 Abs. 1
Beteiligte
Ministero dell'Economia e delle Finanze |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 2 und 9 ‐ Feste Niederlassung ‐ Gebietsfremdes Unternehmen ‐ Rechtsverhältnis ‐ Vereinbarung über die Aufteilung der Kosten ‐ OECD-Doppelbesteuerungsabkommen ‐ Begriff des Steuerpflichtigen ‐ Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen ‐ Verwaltungspraxis“
In der Rechtssache C-210/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Italien) mit Entscheidung vom 18. Februar 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2004, in dem Verfahren
Ministero dell’Economia e delle Finanze und Agenzia delle Entrate
gegen
FCE Bank plc
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters J. Makarczyk, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kũris (Berichterstatter) und G. Arestis,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der FCE Bank plc, vertreten durch B. Gangemi, avvocato,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes, Â. Seiça Neves und R. Laires als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Hill, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und M. Velardo als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. September 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Ministero dell’Economia e delle Finanze und der Agenzia delle Entrate (Rom) (im Folgenden: Agenzia) gegen die FCE Bank plc, ein im Vereinigten Königreich niedergelassenes Kreditinstitut (im Folgenden: FCE Bank), auf Erstattung der von ihrer italienischen Niederlassung (im Folgenden: FCE IT) gezahlten Mehrwertsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Die Sechste Richtlinie
3
Artikel 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
…“
4
Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie lautet:
„Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.“
5
Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.“
Die Achte Richtlinie 79/1072/EWG
6
Artikel 1 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 331, S. 11, im Folgenden: Achte Richtlinie) bestimmt:
„Für die Anwendung dieser Richtlinie gilt als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG, der in dem Zeitraum nach Artikel 7 Absatz 1 erster Unterabsatz Sätze 1 und 2 in diesem Land weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, noch ‐ in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer f...