Entscheidungsstichwort (Thema)
„Familienleistungen. Erziehungsgeld. Aussetzung des Bezugsrechts im Beschäftigungsstaat. Anspruch auf gleichartige Leistungen im Wohnstaat”
Beteiligte
Weide (verheiratete Schwarz) |
Caisse nationale des prestations familiales |
Ursula Weide, verheiratete Schwarz |
Tenor
Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, dass, sofern der Ehegatte des zum Bezug einer Familienleistung Berechtigten im Sinne von Artikel 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung eine Berufstätigkeit im Mitgliedstaat der Wohnung der Kinder ausübt, der Anspruch auf die in diesem Artikel vorgesehenen Leistungen bis zur Höhe des in den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats vorgesehenen Erziehungsgelds ausgesetzt wird, unabhängig davon, wer der in den Rechtsvorschriften dieses Staates bezeichnete unmittelbare Empfänger der Familienbeihilfen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-153/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der luxemburgischen Cour de cassation mit Entscheidung vom 6. März 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2003, in dem Verfahren
Caisse nationale des prestations familiales
gegen
Ursula Weide, verheiratete Schwarz,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Caisse nationale des prestations familiales, vertreten durch D. Spielmann und H. Dupong, avocats,
- der luxemburgischen Regierung, vertreten durch P. Gramegna als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und D. Martin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Juli 2004
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 76 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Kassationsklage der Caisse nationale des prestations familiales des Großherzogtums Luxemburg (im Folgenden: CNPF) gegen die deutsche Staatsangehörige Ursula Weide über die Zahlung der Erziehungszulage nach der luxemburgischen Regelung.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:
„Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:
…
u) i) ‚Familienleistungen’: alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h) genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind, jedoch mit Ausnahme der in Anhang II aufgeführten besonderen Geburts- oder Adoptionsbeihilfen.”
4 Gemäß ihrem Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h gilt die Verordnung Nr. 1408/71 für die Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die „Familienleistungen” betreffen.
5 Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„(1) Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
…”
6 Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
„Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Famili...