Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Österreichisches System der Pflegevorsorge. Qualifizierung von Leistungen und Zulässigkeit des Wohnorterfordernisses nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
Beteiligte
Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter |
Tenor
Es verstößt gegen Artikel 19 Absatz 1 und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels III der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die
innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, den Anspruch auf die Leistung von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz davon abhängig zu machen, dass der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat.
Tatbestand
In der Rechtssache C-215/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Landesgericht Feldkirch (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Friedrich Jauch
gegen
Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 10a Absatz 1 und 19 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, A. La Pergola, M. Wathelet und V. Skouris, der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), P. Jann, L. Sevón und R. Schintgen, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr, J. N. Cunha Rodrigues und C. W. A. Timmermans,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Stix-Hackl als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und C.-D. Quassowski als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Hillenkamp und C. Egerer als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten, der französischen Regierung, vertreten durch C. Bergeot als Bevollmächtigte, der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch E. Sharpston, QC, und der Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und C. Egerer als Bevollmächtigte, in der Sitzung vom 25. Oktober 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Dezember 2000,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Das Landesgericht Feldkirch hat mit Beschluss vom 16. März 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juni 1999, eine Frage nach der Auslegung der Artikel 10a Absatz 1 und 19 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Friedrich Jauch (im Folgenden: Kläger) und der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (im Folgenden: Beklagte) wegen deren Weigerung, dem Kläger das nach dem Bundespflegegeldgesetz (BGBl 1993/110, im Folgenden: BPGG) vorgesehene Pflegegeld zu zahlen.
Gemeinschaftsrecht
3.
Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:
Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:
- Leistungen bei Krankheit …,
- Leistungen bei Invalidität …,
- Leistungen bei Alter,
…
4.
Gemäß Artikel 4 Absatz 2a gilt die Verordnung Nr. 1408/71 für beitragsunabhängige Sonderleistungen, die unter andere als die in Absatz 1 erfassten Rechtsvorschriften oder Systeme fallen, sofern diese Leistungen in Versicherungsfällen, die den in Absatz 1 aufgeführten Zweigen entsprechen, ersatzweise, ergänzend oder zusätzlich gewährt werden.
5.
Artikel 10a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
Ungeachtet der Bestimmungen in Artikel 10 und Titel III erhalten die Personen, für die diese Verordnung gilt, die in Artikel 4 Absatz 2a aufgeführten beitragsunabhängigen Sonderleistungen in bar ausschließlich in dem Wohnmitgliedstaat gemäß dessen Rechtsvorschriften, sofern dies...