Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung deutschlands wegen Verstoßes gegen die Verpflichtungen aus den Art. 51, 52 und/oder 59 EG-Vertrag. Begriff der Niederlassungsfreiheit. Finanzierung der Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten. Vermarkter der Werke von Künstlern und Publizisten. Auf der Grundlage der diesen gezahlten Entgelte berechneter Betrag. Einbeziehung der Entgelte. Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats über die soziale Sicherheit
Normenkette
EWGV 1408/71; EGV Art. 51 a.F., Art. 42, 52 a.F., Art. 59 a.F.
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 25. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 51, 52 und/oder 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 42 EG, 43 EG und/oder 49 EG) sowie aus Titel II, insbesondere Artikel 13 Absätze 1 und 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 14a Nr. 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung (ABl. 1997, L 28, S. 1, im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) verstößt, indem sie die §§ 23 ff. des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) auch auf Künstler und Publizisten anwendet, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union haben und gewöhnlich sowohl dort als auch in der Bundesrepublik Deutschland eine selbständige Tätigkeit ausüben und die damit in Bezug auf die Systeme der sozialen Sicherheit ausschließlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegen, in dessen Gebiet sie wohnen.
Die Gemeinschaftsregelung
2.
In Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71, der ersten Vorschrift des Titels II über die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften, heißt es:
(1)
Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2)
Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
- …
- eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;
…
3.
Artikel 14a Nr. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:
Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt.
Die nationale Regelung
4.
Nach § 1 KSVG werden selbständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig ausüben. Das KSVG sieht jedoch für selbständige Künstler oder Publizisten Ausnahmen von der Versicherungspflicht vor, und zwar insbesondere, wenn sie eine anderweitige Tätigkeit – selbständig oder nicht selbständig – ausüben oder wenn sie im Zusammenhang mit ihrer künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen.
5.
Gemäß § 14 KSVG werden die Mittel für die Künstlersozialversicherung zur einen Hälfte durch Beitragsanteile der Versicherten und zur anderen Hälfte durch die Künstlersozialabgabe und gegebenenfalls einen Zuschuss des Bundes aufgebracht.
6.
Nach § 24 Absatz 1 KSVG sind u. a. Unternehmer, die Buch-, Presse- und sonstige Verlage oder Presseagenturen betreiben, zur Entrichtung der Künstlersozialabgabe verpflichtet. Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind gemäß § 25 KSVG die Entgelte für Werke oder Leistungen, die ein zur Abgabe Verpflichteter an Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach dem KSVG nicht versicherungspflichtig sind. Die Künstlersozialabgabe entspricht nach § 23 KSVG einem bestimmten Prozentsatz der Bemessungsgrundlage.
7.
Gemäß § 36a Satz 2 KSVG findet auf die Rechtsbeziehungen zwischen den zur Abgabe Verpflichteten und den Versicherten § 32 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB) entsprechende Anwendung. Nach der letztgenannten Vorschrift sind privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten vom SGB abweichen, nichtig.
Vorverfahren
8.
Mit Schreiben vom 17. September 1997 forderte die Kommissi...