Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SOZIALGERICHT SPEYER - DEUTSCHLAND. SOZIALE SICHERHEIT. ARTIKEL 6 DER VERORDNUNG (EWG) NR. 1408/71. ERSETZUNG DER ABKOMMEN DER MITGLIEDSTAATEN UEBER SOZIALE SICHERHEIT DURCH DIE VERORDNUNG (EWG) NR. 1408/71. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Gemeinschaftsregelung. Ersetzung der Abkommen der Mitgliedstaaten über soziale Sicherheit. Grenzen. Aufrechterhaltung der Leistungen, die früher aus der Verbindung von nationalem Recht und Abkommen erwuchsen, nur zugunsten der Arbeitnehmer, die vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 das Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt haben

 

Leitsatz (amtlich)

Die Artikel 48 Absatz 2 und 51 des Vertrages sind dahin auszulegen, daß sie es nicht ausschließen, daß die Verordnung Nr. 1408/71 gemäß ihrem Artikel 6 an die Stelle von Abkommen tritt, die ausschließlich zwischen zwei Mitgliedstaaten in Kraft sind, wenn ein Versicherter bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung nur in einem der Abkommensstaaten Versicherungszeiten zurückgelegt hat, auch wenn die Anwendung des bilateralen Abkommens über soziale Sicherheit für ihn günstiger gewesen wäre.

Die Ersetzung der Bestimmungen von zwischen Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen über soziale Sicherheit durch die Gemeinschaftsverordnungen ist nämlich zwingend und lässt, abgesehen von den in den Verordnungen ausdrücklich genannten Fällen, eine Ausnahme nur in dem Fall zu, in dem sie dazu führen würde, daß ein Arbeitnehmer, der zuvor das Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt hat, mit Inkrafttreten der Verordnung Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren würde, die ihm aufgrund in das nationale Recht eingeführter Abkommen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten zustehen.

 

Normenkette

EGVtr Art. 48 Abs. 2 (jetzt Art. 39 Abs. 2 EG), Art. 51; EWGV 1408/71 Art. 6

 

Beteiligte

Jean-Louis Thévenon

Stadt Speyer

Sozialamt

Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz

 

Tenor

Die Artikel 48 Absatz 2 und 51 EG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie es nicht ausschließen, daß die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung gemäß ihrem Artikel 6 an die Stelle von Abkommen tritt, die ausschließlich zwischen zwei Mitgliedstaaten in Kraft sind, wenn ein Versicherter bis zum Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 nur in einem der Abkommensstaaten Versicherungszeiten zurückgelegt hat, auch wenn die Anwendung des bilateralen Abkommens über soziale Sicherheit für ihn günstiger gewesen wäre.

 

Gründe

1 Das Sozialgericht Speyer hat mit Beschluß vom 30. November 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 1993, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung (im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) sowie der Artikel 48 Absatz 2 und 51 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit des Herrn Thévenon und der Stadt Speyer ° Sozialamt ° gegen die Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz über die Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente von Herrn Thévenon.

3 Herr Thévenon, ein 1950 geborener französischer Staatsangehöriger, war zunächst, von 1964 bis 1977, in Frankreich und danach in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt.

4 1992 stellte Herr Thévenon bei der Landesversicherungsanstalt einen Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Diese wurde ihm bewilligt, aber hinsichtlich der Höhe der Rentenzahlungen nur vorläufig, da der Umfang der in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten noch nicht bekannt war.

5 Die Stadt Speyer ° Sozialamt ° stellte als zuständiger Sozialhilfeträger einen Antrag auf Überprüfung dieser Entscheidung. Sie machte geltend, daß die Zeiten, die Herr Thévenon in Frankreich zurückgelegt habe, bei der Berechnung seiner deutschen Rente nach den Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens vom 10. Juli 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit (im folgenden: deutsch-französisches Abkommen), das nicht gekündigt worden sei, hätten berücksichtigt werden müssen.

6 Die Landesversicherungsanstalt lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, daß das deutsch-französische Abkommen durch Artikel 6 der Verordnung Nr. 1408/71 abgelöst worden sei; danach trete diese Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle von Abkommen über soziale Sicherheit, die ausschließlich zwischen zwei oder mehr M...

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