Entscheidungsstichwort (Thema)

Assoziierung EWG-Türkei. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Artikel 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates. Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Voraussetzungen. Türkischer Staatsangehöriger, der fünfzehn Jahre in der Seeschifffahrt eines Mitgliedstaats beschäftigt war. Gleicher Arbeitgeber während eines zusammenhängenden Zeitraums von mehr als einem Jahr, nicht aber während eines Zeitraums von drei Jahren. Beschäftigungszeiten mit 17 Unterbrechungen aufgrund der Besonderheiten des Berufes

 

Beteiligte

Sedef

Mehmet Sedef

Freie und Hansestadt Hamburg

 

Tenor

Artikel 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des von dem durch das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ist dahin auszulegen, dass

  • die Rechte aus Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich einem türkischen Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann zustehen, wenn dieser zuvor den Tatbestand des zweiten Gedankenstrichs dieser Bestimmung erfüllt hat;
  • ein türkischer Arbeitnehmer, der noch kein Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nach Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich hat, im Aufnahmemitgliedstaat einer ununterbrochenen ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgehen muss, sofern er sich nicht auf einen legitimen Grund der in Artikel 6 Absatz 2 genannten Art berufen kann, der seine vorübergehende Abwesenheit vom Arbeitsmarkt rechtfertigt;
  • Unterbrechungen der Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter Artikel 6 Absatz 2 fallen und die zuständigen nationalen Behörden im vorliegenden Fall nicht das Aufenthaltsrecht des betreffenden türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat in Frage stellen können.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. März 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Mai 2003, in dem Verfahren

Mehmet Sedef

gegen

Freie und Hansestadt Hamburg,

Beteiligter:

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen (Berichterstatter), G. Arestis und J. Klučka,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Sedef, vertreten durch Rechtsanwalt U. Jacob,
  • der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch A. Feil als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. September 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 6 Absätze 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80). Der Assoziationsrat wurde durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichtet, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685, im Folgenden: Assoziierungsabkommen) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Kläger Sedef, einem türkischen Staatsangehörigen, und der Freien und Hansestadt Hamburg, der deren Entscheidungen betrifft, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers für Deutschland nicht zu verlängern und seine Abschiebung aus dem deutschen Hoheitsgebiet anzuordnen.

Rechtlicher Rahmen

3 Artikel 6 Absätze 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80 bestimmt:

„(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

  • nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
  • nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
  • nach vier...

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