Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung. Artikel 8, 11 Absatz 1 und 15 Absatz 2 der Richtlinie 92/50/EWG. Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge. Abfallentsorgungsvertrag. Keine Ausschreibung
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) verstoßen, dass der von der Stadt Mödling abgeschlossene Abfallentsorgungsvertrag ohne Einhaltung der in Artikel 8 in Verbindung mit den Artikeln 11 Absatz 1 und 15 Absatz 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrens- und Bekanntmachungsvorschriften vergeben wurde.
2. Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 28. Januar 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Wiedner als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und M. Ilešič,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. April 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) verstoßen hat, dass der von der Stadt Mödling abgeschlossene Abfallentsorgungsvertrag ohne Einhaltung der in Artikel 8 in Verbindung mit den Artikeln 11 Absatz 1 und 15 Absatz 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrens- und Bekanntmachungsvorschriften vergeben wurde.
Rechtlicher Rahmen
2 Artikel 1 der Richtlinie 92/50 bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie
gelten als ‚öffentliche Dienstleistungsaufträge’ die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge, …
…
gelten als ‚öffentliche Auftraggeber’ (im folgenden ‚Auftraggeber’ genannt) der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.
…
- gelten als ‚Dienstleistungserbringer’ natürliche oder juristische Personen sowie öffentliche Einrichtungen, die Dienstleistungen anbieten. …
- sind ‚offene Verfahren’ diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen alle interessierten Dienstleistungserbringer ein Angebot abgeben können;
- sind ‚nicht offene Verfahren’ diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen nur die vom Auftraggeber aufgeforderten Dienstleistungserbringer ein Angebot abgeben können;
- sind ‚Verhandlungsverfahren’ diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen die Auftraggeber ausgewählte Dienstleistungserbringer ansprechen und mit einem oder mehreren von diesen über die Auftragsbedingungen verhandeln.
…”
3 Artikel 8 dieser Richtlinie lautet:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben.”
4 Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor:
„Für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge haben die Auftraggeber die in Artikel 1 Buchstaben d), e) und f) genannten Verfahren in einer an diese Richtlinie angepassten Form anzuwenden.”
5 Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 lautet:
„Die Auftraggeber, die einen Dienstleistungsauftrag im Wege eines offenen, eines nicht offenen oder – in den in Artikel 11 genannten Fällen – eines Verhandlungsverfahrens vergeben wollen, teilen ihre Absicht durch Bekanntmachung mit.”
Sachverhalt und Vorverfahren
6 Die Stadtgemeinde Mödling beschloss in der Gemeinderatssitzung vom 21. Mai 1999, zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen aufgrund des Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1992 (LGBl. 8240) eine rechtlich selbständige Einrichtung zu gründen, vor allem zur Erbringung von Dienstleistungen der ökologischen Abfallwirtschaft und damit verbundener Geschäfte, insbesondere auf dem Gebiet der Abfallentsorgung.
7 Am 16. Juni 1999 wurde deshalb die Errichtungserklärung zur Gründung der Stadtgemeinde Mödling Abfallwirtschaftsgesellschaft m. b. H. (im Folgenden: AbfallGmbH) unterfertigt, deren gesamtes Stammkapital von der Stadtgemeinde Mödling gehalten wurde. Am 25. Juni 1999 beschloss der Gemeinderat von Mödling, der AbfallGmbH die Abfallwirtschaft für das Gemeindegebiet als ausschließliches Recht zu übertragen.
8 Am 15. September 1999 übertrug die Stadtgemein...