Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei Unternehmensübergang auf den Staat. Möglichkeit für den Staat, die Vorschriften des öffentlichen Rechts anzuwenden. Kürzung der Vergütung
Beteiligte
Johanna Maria Delahaye, verheiratete Boor |
Ministre de la Fonction publique et de la Réforme administrative |
Tenor
Die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass sie es grundsätzlich nicht ausschließt, dass im Fall des Unternehmensübergangs von einer juristischen Person des Privatrechts auf den Staat dieser als neuer Arbeitgeber eine Kürzung der Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer vornimmt, um den geltenden nationalen Vorschriften bezüglich der öffentlichen Angestellten nachzukommen. Die zuständigen Behörden, die diese Vorschriften anzuwenden und auszulegen haben, sind jedoch verpflichtet, dies so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung dieser Richtlinie zu tun, indem sie insbesondere dem Dienstalter des Arbeitnehmers Rechnung tragen, soweit die nationalen Vorschriften, die die Situation der staatlichen Angestellten regeln, das Dienstalter des staatlichen Angestellten bei der Berechnung seiner Vergütung berücksichtigen. Falls diese Berechnung zu einer wesentlichen Kürzung der Vergütung des Betroffenen führt, stellt eine solche Kürzung eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil der von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer dar, so dass nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 77/187 davon auszugehen ist, dass die Beendigung ihres Arbeitsvertrags aus diesem Grund durch den Arbeitgeber erfolgt ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Cour administrative (Luxemburg) mit Entscheidung vom 21. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 2002, in dem Verfahren
Johanna Maria Delahaye, verheiratete Boor,
gegen
Ministre de la Fonction publique et de la Réforme administrative
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie des Richters C. Gulmann und der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Johanna Maria Delahaye, verheiratete Boor, vertreten durch R. Assa und N. Prüm-Carré, avocats,
- der luxemburgischen Regierung, vertreten durch S. Schreiner als Bevollmächtigten im Beistand von A. Rukavina, avocat,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia und D. Del Gaizo als Bevollmächtigte im Beistand von A. Gingolo, avvocato dello Stato,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und M. A. Seiça Neves als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und D. Martin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juni 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Delahaye, verheiratete Boor, und dem Ministre de la Fonction publique et de la Réforme administrative wegen der Weigerung des Ministers, die Vergütung aus dem Arbeitsvertrag, der ursprünglich zwischen Frau Delahaye und der Foprogest ASBL (Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht) (im Folgenden: Foprogest), einer juristischen Person des Privatrechts, geschlossen worden war, aufrechtzuerhalten, nachdem das Unternehmen von Foprogest auf den luxemburgischen Staat übergegangen war.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3
Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 lautet:
„Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.”
4
Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
…
b) Erwerber ist jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 als Inhaber in das Unternehmen, den Betrieb oder Betriebsteil eintritt.
…”
5
Artikel 3 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.
…
(2) Nach dem Übergang im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 erhält der Erwerber die...