Urlaubsrecht kann für GmbH-Fremdgeschäftsführer gelten
Hintergrund des BAG-Urteils war eine Auseinandersetzung über Urlaubsabgeltung von Urlaub aus den Jahren 2019 und 2020.
Die Urlaubsabgeltung geltend machende Beschäftigte war als "Geschäftsführerin" bei einem Unternehmen angestellt und wurde zunächst in der C-GmbH eingesetzt. Grundlage des Geschäftsführerverhältnisses war ein Dienstvertrag aus dem Jahr 2016, der eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 6.454 Euro vorsah. Die Fremdgeschäftsführerin wurde seit 2018 in der Geschäftsstelle der ebenfalls zur Unternehmensgruppe gehörenden D-GmbH eingesetzt. Auf der Grundlage einer Vereinbarung vom Oktober 2018 übernahm die C-GmbH für die D-GmbH bestimmte entgeltliche Dienstleistungs- und Beratungstätigkeiten und stellte dieser dazu "ihre Geschäftsführerin … im erforderlichen Umfang für den oben genannten Tätigkeitsbereich zur Verfügung".
Genaue Vorgaben für die Erbringung der Arbeitsleistung
Nach Anweisung der Geschäftsführung hatte die Beschäftigte eine Arbeitszeit von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr einzuhalten. Vormittags musste sie am Telefon eine sog. "Kaltakquise" durchführen, am Nachmittag hatte sie in eigener Initiative Leistungen anzubieten und wurde im Außendienst, zu Kundenbesuchen und mit Kontroll- und Überwachungsaufgaben eingesetzt. Sie hatte wöchentlich 40 Telefonate und 20 Besuche nachzuweisen. Außerdem führte sie Vorstellungsgespräche und Einstellungsverhandlungen. Zusätzlich zum festen Monatsgehalt wurde die Zahlung einer vom Ergebnis der D-GmbH abhängigen Tantieme vereinbart.
Nach sechsjähriger Betriebszugehörigkeit sah der Dienstvertrag der Parteien einen Jahresurlaub von 33 Tagen vor. Diesen musste die Beschäftigte bei der C-GmbH beantragen. Im Jahr 2019 nahm sie elf Tage und im Jahr 2020 keinen Urlaub in Anspruch.
Mit schriftlicher Erklärung vom 5. September 2019 legte die Beschäftigte gegenüber der C-GmbH ihr Amt als Geschäftsführerin nieder. Am 17. September 2019 wurde sie aus dem Handelsregister als Geschäftsführerin ausgetragen. Das Vertragsverhältnis der Parteien endete durch Kündigung der Beschäftigten vom 25. Oktober 2019 zum 30. Juni 2020.
Urlaub steht nur Arbeitnehmern zu
Im Zuge der anschließend geführten Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses machte die Beschäftigte Urlaubsabgeltungsansprüche geltend. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Nach § 2 BUrlG unterliegen dem Geltungsbereich des Bundesurlaubsgesetzes Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten zudem arbeitnehmerähnliche Personen.
Zu klären war also hier, ob die Beschäftigte Arbeitnehmerin im Sinne des BUrlG war. Wäre die Beschäftigte als Arbeitnehmerin anzusehen, hätte der Arbeitgeber sie über ihre Urlaubsansprüche und einen drohenden Verfall unterrichtet müssen. Bei unterlassener Aufklärung bleibt der Urlaubsanspruch bestehen.
Bundesurlaubsgesetz setzt Arbeitszeit-Richtlinie um
Nach Ansicht des BAG werden durch das Bundesurlaubsgesetz die Vorgaben des Art. 7 der Arbeitszeit-Richtlinie umgesetzt, in der geregelt ist, dass alle Arbeitnehmer vier Wochen Urlaub erhalten. Innerstaatliches Recht ist so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen. Für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in § 2 BUrlG bedeutet dies, dass die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen sind. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist maßgeblich, wenn eine unionsrechtliche Regelung angewandt und in nationales Recht richtlinienkonform umgesetzt oder ausgelegt werden muss. Er beeinflusst nationales Recht dort, wo unionsrechtliche Vorgaben für die Regelungsmaterie existieren.
Damit gilt hier die Arbeitnehmer-Definition des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach der das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin besteht, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Enge Weisungsgebundenheit und typische Angestelltenaufgaben sprechen für Arbeitnehmereigenschaft
Laut EuGH können von dieser Definition auch GmbH-Geschäftsführer erfasst sein und sich damit auf europarechtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften berufen. Denn die Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne des europäischen Rechts hängt von den Bedingungen ab, unter denen ein zum Beispiel ein Geschäftsführer bestellt wurde, der Art der ihm übertragenen Aufgaben, dem Rahmen, in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, dem Umfang der Befugnisse des Geschäftsführers und der Kontrolle, der er innerhalb der Gesellschaft unterliegt, sowie der Umstände, unter denen er abberufen werden kann.
Hier entschied das BAG, dass die Beschäftigte als Arbeitnehmerin anzusehen war, da sie strengen Weisungen hinsichtlich der Erbringung ihrer Arbeitsleistung unterlag. Sie hatte auf Anweisung eine streng geregelte Arbeitszeit einzuhalten. Auch die Art der ihr übertragenen Aufgaben sprach für die Arbeitnehmereigenschaft. Diese bestanden im Wesentlichen aus typischen Aufgaben eines Angestellten.
Bei Arbeitnehmereigenschaft gilt deutsches Urlaubsrecht auch für Fremdgeschäftsführer
Der Arbeitgeber muss der Arbeitnehmerin daher 38,5 Tage Urlaub – 22 nicht genommene Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2019 und 16,5 Arbeitstage anteiliger Jahresurlaub aus dem Jahr 2020 – abgelten. Festzuhalten bleibt also, dass immer dann, wenn Fremdgeschäftsführer so in die Abläufe des Arbeitgebers eingebunden sind, dass sie als Arbeitnehmer im Sinne des Europarechts anzusehen sind, das deutsche Urlaubsrecht auch für GmbH-Fremdgeschäftsführer gilt.
Hinweis: BAG, Urteil vom 25. Juli 2023, Az. 9 AZR 43/22
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