Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Verstoß gegen Artikel 49 EG. Freier Dienstleistungsverkehr. Erfordernis eines Sitzes im Inland, um die Tätigkeit der Prüfung von Dampfkesseln und Druckgeräten ausüben zu können (‚Kesselprüfstelle’)
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Republik Österreich verstößt gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG, indem sie in § 21 Abs. 4 des Bundesgesetzes über Sicherheitsmaßnahmen für Dampfkessel, Druckbehälter, Versandbehälter und Rohrleitungen (Kesselgesetz) vorschreibt, dass nur Antragsteller mit Sitz in Österreich als Kesselprüfstelle zugelassen werden können.
2. Die Republik Österreich trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 17. Juni 2005,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und W. Bogensberger als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts, J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstößt, indem sie in § 21 Abs. 4 des Bundesgesetzes über Sicherheitsmaßnahmen für Dampfkessel, Druckbehälter, Versandbehälter und Rohrleitungen (Kesselgesetz) (BGBl 1992/211 vom 24. April 1992, S. 1041, im Folgenden: KesselG) vorschreibt, dass nur Antragsteller mit Sitz in Österreich als Kesselprüfstelle zugelassen werden können.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Im Anschluss an die Entschließung des Rates der Europäischen Union vom 7. Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung (ABl. C 136, S. 1) wurden drei Richtlinien über Druckgeräte erlassen: die Richtlinie 87/404/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für einfache Druckbehälter (ABl. L 220, S. 48), die Richtlinie 97/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Mai 1997 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Druckgeräte (ABl. L 181, S. 1) und die Richtlinie 1999/36/EG des Rates vom 29. April 1999 über ortsbewegliche Druckgeräte (ABl. L 138, S. 20).
3 Von diesen drei Richtlinien ist allein die Richtlinie 1999/36 auch auf die Prüfung von Druckgeräten nach ihrem Inverkehrbringen anwendbar.
4 Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 1999/36 bestimmt, dass die wiederkehrende Prüfung von in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Gefäßen von einer benannten oder einer zugelassenen Stelle nach dem Verfahren des Anhangs IV Teil III der Richtlinie durchgeführt wird. Nach Artikel 6 Absatz 2 können die ortsbeweglichen Druckgeräte in jedem Mitgliedstaat einer wiederkehrenden Prüfung unterzogen werden.
5 Nach Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 1999/36 teilen die Mitgliedstaaten der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die Liste der in der Gemeinschaft ansässigen benannten Stellen mit, die sie u. a. für die Aufgaben der wiederkehrenden Prüfungen nach dem Verfahren des Anhangs IV Teil III Modul 1 benannt haben.
6 Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 1999/36 sieht die gleiche Mitteilungsverpflichtung in Bezug auf die in der Gemeinschaft ansässigen zugelassenen Stellen vor, die in Anwendung der in den Anhängen I und III aufgeführten Kriterien für die Durchführung der wiederkehrenden Prüfungen von Gefäßen anerkannt wurden. Die im Anhang I aufgestellten Mindestkriterien sind u. a. darauf gerichtet, die Unabhängigkeit der Stelle und die angemessene Qualifikation ihres Personals sicherzustellen.
Nationales Recht
7 Das KesselG hat zum Ziel, Dampfkessel, Druckbehälter, Versandbehälter und Rohrleitungen derart zu konstruieren, herzustellen, auszurüsten, aufzustellen, zu betreiben und zu überwachen, dass bei ihrem bestimmungsgemäßen Betrieb eine Gefährdung von Leben und Gesundheit von Menschen sowie von Sachgütern vermieden wird. Der V. Abschnitt des KesselG (§§ 20 bis 25) befasst sich mit den Prüfstellen. § 21 ist mit „Kesselprüfstellen” überschrieben und regelt die Anforderungen für die Erteilung der Befugnis zur Ausübung der Prüftätigkeiten. Darunter finden sich u. a. die Anforderungen an Ausrüstung und Personal.
8 § 21 Abs. 4 KesselG bestimmt:
„Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, im Eisenbahnbereich der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, hat einem Antragsteller mit Sitz in Österrei...