Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VON DER BELGISCHEN COUR DE CASSATION. GLEICHHEIT ZWISCHEN MAENNLICHEN UND WEIBLICHEN ARBEITNEHMERN IN BEZUG AUF DIE BESCHAEFTIGUNGSBEDINGUNGEN. SOZIALPOLITIK. MÄNNLICHE UND WEIBLICHE ARBEITNEHMER. ENTGELT. GLEICHHEIT. GRUNDSATZ. TRAGWEITE. GRENZEN. GEMEINSCHAFTSRECHT. ALLGEMEINE RECHTSGRUNDSÄTZE. GRUNDRECHTE DES MENSCHEN. DURCH DEN GERICHTSHOF GESICHERTE EINHALTUNG. AUF DEM GESCHLECHT BERUHENDE DISKRIMINIERUNGEN. VERBOT. BEFUGNIS DER GEMEINSCHAFT
Leitsatz (amtlich)
1. ARTIKEL 119 EWG-VERTRAG STELLT EINE AUF DAS PROBLEM DER LOHNDISKRIMINIERUNGEN ZWISCHEN MÄNNLICHEN UND WEIBLICHEN ARBEITNEHMERN BESCHRÄNKTE SONDERBESTIMMUNG DAR, DEREN ANWENDUNG AN GENAUE VORAUSSETZUNGEN GEKNÜPFT IST. ER KANN NICHT DAHIN AUSGELEGT WERDEN, DASS ER ÜBER DIE GLEICHHEIT DES ARBEITSENTGELTS HINAUS AUCH DIE GLEICHHEIT DER SONSTIGEN ARBEITSBEDINGUNGEN FÜR MÄNNLICHE UND WEIBLICHE ARBEITNEHMER GEBIETET.
DIE TATSACHE, DASS DIE AUFSTELLUNG BESTIMMTER BESCHÄFTIGUNGSBEDINGUNGEN – WIE DIE FESTSETZUNG EINER BESONDEREN ALTERSGRENZE – FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN HABEN KANN, IST KEIN HINREICHENDER GRUND DAFÜR, DIESE BEDINGUNGEN IN DEN GELTUNGSBEREICH DES ARTIKELS 119 FALLEN ZU LASSEN, DER AUF DEM ENGEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DER ART DER ARBEITSLEISTUNG UND DER HÖHE DES ARBEITSENTGELTS BERUHT.
2. DIE GRUNDRECHTE DES MENSCHEN SIND BESTANDTEIL DER ALLGEMEINEN GRUNDSÄTZE DES GEMEINSCHAFTSRECHTS, DEREN EINHALTUNG DER GERICHTSHOF ZU SICHERN HAT. DIE BESEITIGUNG DER AUF DEM GESCHLECHT BERUHENDEN DISKRIMINIERUNGEN GEHÖRT ZU DIESEN GRUNDRECHTEN. DIE GEMEINSCHAFT IST JEDOCH NICHT BEFUGT, DIE EINHALTUNG DIESER NICHTDISKRIMINIERUNGSREGEL IM HINBLICK AUF AUSSCHLIESSLICH DEM NATIONALEN RECHT UNTERLIEGENDE ARBEITSVERHÄLTNISSE VORZUSCHREIBEN.
Normenkette
EWGVtr Art. 119
Beteiligte
Société anonyme belge de navigation aérienne Sabena |
Tenor
ARTIKEL 119 EWG-VERTRAG KANN NICHT DAHIN AUSGELEGT WERDEN, DASS ER ÜBER DIE GLEICHHEIT DES ARBEITSENTGELTS HINAUS AUCH DIE GLEICHEIT DER SONSTIGEN ARBEITSBEDINGUNGEN FÜR MÄNNLICHE UND WEIBLICHE ARBEITNEHMER GEBIETET.
ZUR ZEIT DER DEM AUSGANGSRECHTSSTREIT ZUGRUNDE LIEGENDEN VORGÄNGE GAB ES IN BEZUG AUF DIE DEM NATIONALEN RECHT UNTERLIEGENDEN ARBEITSVERHÄLTNISSE KEINE GEMEINSCHAFTSNORM, DIE DISKRIMINIERUNGEN ZWISCHEN MÄNNLICHEN UND WEIBLICHEN ARBEITNEHMERN HINSICHTLICH DER ANDEREN ARBEITSBEDINGUNGEN ALS DER DURCH ARTIKEL 119 EWG-VERTRAG ERFASSTEN REGELUNG DES ENTGELTS VERBOTEN HÄTTE.
Gründe
1 MIT URTEIL VOM 28. NOVEMBER 1977, BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 12. DEZEMBER 1977, HAT DIE BELGISCHE COUR DE CASSATION GEMÄSS ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG EINE VORABENTSCHEIDUNGSFRAGE NACH DER TRAGWEITE DES IN ARTIKEL 119 DES VERTRAGES FORMULIERTEN GRUNDSATZES DER NICHTDISKRIMINIERUNG ZWISCHEN MÄNNLICHEN UND WEIBLICHEN ARBEITNEHMERN GESTELLT.
2/8 DIESE FRAGE IST IN EINEM PROZESS AUFGEWORFEN WORDEN, DEN DIE KASSATIONSKLÄGERIN DES AUSGANGSVERFAHRENS, DIE FRÜHERE BORDSTEWARDESS GABRIELLE DEFRENNE, IM ANSCHLUSS AN IHRE ENTLASSUNG, DIE GEMÄSS IHREM ARBEITSVERTRAG MIT ERREICHUNG DER ALTERSGRENZE VON 40 JAHREN ERFOLGT WAR, VOR DEN BELGISCHEN ARBEITSGERICHTEN GEGEN DIE BELGISCHE LUFTFAHRTGESELLSCHAFT SABENA ANGESTRENGT HAT. FRÄULEIN DEFRENNE HATTE URSPRÜNGLICH AUFGRUND VON ARTIKEL 119 EWG-VERTRAG BEIM TRIBUNAL DU TRAVAIL BRÜSSEL EINE KLAGE ERHOBEN, MIT DER SIE BEANTRAGTE, DIE SABENA ZUR ZAHLUNG FOLGENDER BETRÄGE ZU VERURTEILEN:
- EINER ENTSCHÄDIGUNG DAFÜR, DASS SIE ALS ARBEITNEHMERIN HINSICHTLICH DES ARBEITSENTGELTS GEGENÜBER IHREN MÄNNLICHEN KOLLEGEN, DIE ALS PURSER DIE GLEICHE ARBEIT VERRICHTETEN, DISKRIMINIERT WORDEN SEI;
- EINER ZUSÄTZLICHEN ABFINDUNG BEIM AUSSCHEIDEN AUS DEM DIENST IN HÖHE DES UNTERSCHIEDS ZWISCHEN DER ABFINDUNG, DIE SIE BEI IHREM AUSSCHEIDEN TATSÄCHLICH ERHALTEN HATTE, UND DERJENIGEN, DIE EIN FÜR ENDGÜLTIG ARBEITSUNFÄHIG ERKLÄRTER 40JÄHRIGER PURSER MIT DEM GLEICHEN DIENSTALTER ERHALTEN WÜRDE;
- VON SCHADENSERSATZ FÜR DIE IHR IN BEZUG AUF DIE RENTE ENTSTANDENEN NACHTEILE.
DAS TRIBUNAL DU TRAVAIL WIES DIESE KLAGE MIT URTEIL VOM 17. DEZEMBER 1970 IN VOLLEM UMFANG ALS UNBEGRÜNDET AB. AUF DIE BERUFUNG DER KLÄGERIN BESTÄTIGTE DIE COUR DU TRAVAIL BRÜSSEL MIT URTEIL VOM 23. APRIL 1975 DAS ERSTINSTANZLICHE URTEIL HINSICHTLICH DES ZWEITEN UND DRITTEN KLAGEANSPRUCHS. FÜR DIE ENTSCHEIDUNG ÜBER DEN ERSTEN KLAGEANSPRUCH LEGTE SIE DEM GERICHTSHOF ZWEI VORABENTSCHEIDUNGSFRAGEN VOR, DIE GEGENSTAND DES URTEILS VOM 8. APRIL 1976 IN DER RECHTSSACHE 43/75 (SLG. 1976, 455) WAREN. IM ANSCHLUSS AN DIESE VORABENTSCHEIDUNG SPRACH DIE COUR DU TRAVAIL DER KLÄGERIN MIT URTEIL VOM 24. NOVEMBER 1976 DIE GEFORDERTEN GEHALTSRÜCKSTÄNDE IN HÖHE VON 12 716 BFRS ZUZUEGLICH ZINSEN UND KOSTEN ZU. FRÄULEIN DEFRENNE LEGTE GEGEN DAS URTEIL DER COUR DU TRAVAIL HINSICHTLICH DER ABGEWIESENEN KLAGEANSPRÜCHE KASSATIONSBESCHWERDE EIN; DARAUFHIN HAT DIE COUR DE CASSATION IHRERSEITS DEN GERICHTSHOF AUFGRUND VON ARTIKEL 177 DES VERTRAGES ANGERUFEN.
9/10 AUSSERDEM IST DARAUF HINZUWEISEN, DASS FRÄULEIN DEFRENNE ...